EuG: Hersteller von Luxusuhren verstößt gegen Gemeinschaftsrecht bei Verweigerung von Ersatzteillieferung an einzelne Händler / Berichtet von Dr. Damm und Partner

veröffentlicht am 18. Januar 2011

EuG, Urteil vom 15.12.2010, Az. T-427/08
Art. 81 EG, Art. 82 EG

Das EuG hat entschieden, dass die Nichtbelieferung von Ersatzteilhändlern durch einen Schweizer Uhrenhersteller einen Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht darstellen kann. Ist der Hersteller der einzige, der Uhrmacher mit Ersatzteilen zu bestimmten Luxusuhren beliefern könne, so liege eine marktbeherrschende Stellung vor. In der Weigerung zur Belieferung spezieller Händler könne ein Missbrauch dieser Stellung gesehen werden. Zum Volltext der Entscheidung:


URTEIL DES GERICHTS

(Vierte Kammer)

15. Dezember 2010(*)

„Kartelle – Missbrauch einer beherrschenden Stellung – Entscheidung über die Zurückweisung einer Beschwerde – Weigerung der Schweizer Uhrenhersteller, Ersatzteile an unabhängige Uhrmacher zu liefern – Gemeinschaftsinteresse – Relevanter Markt – Primärmarkt und Anschlussmarkt – Begründungspflicht – Offensichtlicher Beurteilungsfehler“

In der Rechtssache T?427/08

Confédération européenne des Associations d’Horlogers-Réparateurs (CEAHR) mit Sitz in Brüssel (Belgien), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt P. Mathijsen,

Klägerin,

gegen

Europäische Kommission, zunächst vertreten durch X. Lewis und F. Ronkes Agerbeek, dann durch F. Ronkes Agerbeek und F. Castilla Contreras als Bevollmächtigte,

Beklagte,

unterstützt durch

Richemont International SA mit Sitz in Bellevue (Schweiz), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwalt J. Ysewyn und H. Crossley, Solicitor,

Streithelferin,

wegen Nichtigerklärung der Entscheidung C(2008) 3600 der Kommission vom 10. Juli 2008, mit der die Beschwerde der Klägerin in der Sache COMP/E?1/39097 zurückgewiesen wurde,

erlässt

DAS GERICHT (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten O. Czúcz (Berichterstatter), der Richterin I. Labucka und des Richters K. O’Higgins,

Kanzler: K. Poche?, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 3. Februar 2010

folgendes

Urteil

Dem Rechtsstreit zugrunde liegender Sachverhalt

1 Die Klägerin, die Confédération européenne des associations d’horlogers-réparateurs (CEAHR), ist eine Vereinigung ohne Gewinnerzielungsabsicht, die aus sieben die Interessen der unabhängigen Uhrmacher vertretenden nationalen Verbänden aus sechs Mitgliedstaaten besteht.

2 Am 20. Juli 2004 reichte die Klägerin bei der Kommission der Europäischen Gemeinschaften eine Beschwerde gegen mehrere im Sektor Uhrenherstellung tätige Unternehmen (im Folgenden: Schweizer Uhrenhersteller), darunter die Streithelferin, ein, mit der sie das Bestehen einer Vereinbarung oder einer abgestimmten Verhaltensweise zwischen diesen beanstandete und auf den Missbrauch einer beherrschenden Stellung hinwies, der sich daraus ergebe, dass sich die betreffenden Hersteller weigerten, die unabhängigen Uhrmacher weiterhin mit Ersatzteilen zu beliefern.

3 Mit Schreiben vom 28. April 2005 gab die Kommission der Klägerin ihre vorläufige Stellungnahme zu der Beschwerde (im Folgenden: vorläufige Stellungnahme) bekannt. Sie teilte mit, dass sie nach Abschluss ihrer Untersuchung keinen Anhaltspunkt gefunden habe, der das Bestehen einer abgestimmten Verhaltensweise oder einer Vereinbarung zwischen den Luxusuhrenherstellern belege. Außerdem vertrat sie die Ansicht, es gebe keinen getrennten Markt für Reparatur- und Wartungsdienstleistungen, sondern die Erbringung dieser Dienstleistungen stelle ein Merkmal des sehr wettbewerbsintensiven Marktes für Luxusuhren dar. Sie kam demzufolge zu dem Ergebnis, dass in dem in der Beschwerde ausgeführten Sachverhalt kein Verstoß gegen die Art. 81 EG und 82 EG liege.

4 Mit Schreiben vom 20. Juli 2005 reichte die Klägerin bei der Kommission ihre Erwiderung auf die vorläufige Stellungnahme ein, in der sie dabei blieb, dass die Weigerung der Schweizer Uhrenhersteller, weiterhin Ersatzteile zu liefern, einen Verstoß gegen die gemeinschaftlichen Wettbewerbsregeln darstelle.

5 Mit Schreiben vom 13. Dezember 2007 teilte die Kommission der Klägerin mit, dass sie gemäß Art. 7 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 773/2004 der Kommission vom 7. April 2004 über die Durchführung von Verfahren auf der Grundlage der Artikel 81 [EG] und 82 [EG] durch die Kommission (ABl. L 123, S. 18) nach Prüfung der von der Klägerin in ihrer Beschwerde vorgebrachten tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte sowie der weiteren Ausführungen der Klägerin an ihrem vorläufigen Ergebnis festhalte, dass es kein hinreichendes Gemeinschaftsinteresse für eine Fortsetzung der Untersuchung der behaupteten Zuwiderhandlungen gebe. Mit Schreiben vom 30. Januar 2008 beantwortete die Klägerin das Schreiben der Kommission unter Bekräftigung ihres ursprünglichen Standpunkts.

6 Am 10. Juli 2008 erließ die Kommission die Entscheidung C(2008) 3600, mit der sie die Beschwerde unter Berufung auf das Fehlen eines hinreichenden Gemeinschaftsinteresses für eine Fortsetzung der Untersuchung der behaupteten Zuwiderhandlungen zurückwies (im Folgenden: angefochtene Entscheidung).

7 Sie stützte dieses Ergebnis eines fehlenden hinreichenden Gemeinschaftsinteresses auf vier Grundüberlegungen.

8 Erstens wies sie darauf hin, dass die Beschwerde allenfalls einen Markt oder einen Marktausschnitt von begrenzter Größe betreffe und sich somit auch dessen wirtschaftliche Bedeutung in Grenzen halte (angefochtene Entscheidung, Randnr. 8).

9 Sie fügte, zweitens, hinzu, dass sie auf der Grundlage der ihr vorliegenden Informationen nicht auf das Bestehen einer wettbewerbswidrigen Absprache oder abgestimmten Verhaltensweise zwischen den Schweizer Uhrenherstellern schließen könne und dass insbesondere unwahrscheinlich sei, dass deren selektive Vertriebssysteme nicht von der Gruppenfreistellung nach der Verordnung (EG) Nr. 2790/1999 der Kommission vom 22. Dezember 1999 über die Anwendung von Artikel 81 Absatz 3 [EG] auf Gruppen von vertikalen Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen (ABl. L 336, S. 21) gedeckt seien (angefochtene Entscheidung, Randnr. 43).

10 Drittens führte die Kommission aus, sie habe den Primärmarkt der Luxus- und Prestigeuhren sowie zwei Anschlussmärkte, nämlich den Ersatzteilmarkt und den Markt für Reparatur- und Wartungsdienstleistungen für Luxus- und Prestigeuhren, untersucht und sei prima facie zu dem Ergebnis gelangt, dass diese beiden Anschlussmärkte keine getrennten Märkte seien und deshalb keine beherrschende Stellung ersichtlich sei, so dass sich die Frage nach dem Vorliegen eines Missbrauchs nicht stelle (angefochtene Entscheidung, Randnr. 44).

11 Viertens wies die Kommission darauf hin, dass es angesichts ihrer Beurteilung der behaupteten Zuwiderhandlungen selbst bei einer Zuteilung zusätzlicher Mittel für die Untersuchung der Beschwerde wenig wahrscheinlich bleibe, dass eine Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln festgestellt werde, so dass eine solche Zuteilung unverhältnismäßig wäre (angefochtene Entscheidung, Randnrn. 8 und 45). Außerdem erschienen jedenfalls, falls Zuwiderhandlungen gegen die gemeinschaftlichen Wettbewerbsregeln festgestellt werden könnten, die für die Anwendung der Art. 81 EG und 82 EG zuständigen nationalen Wettbewerbsbehörden und Gerichte als geeignete Anlaufstellen für die Behandlung solcher Zuwiderhandlungen (angefochtene Entscheidung, Randnr. 8).

Verfahren und Anträge der Verfahrensbeteiligten

12 Mit Klageschrift, die am 24. September 2008 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben.

13 Mit Schriftsatz, der am 27. Januar 2009 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat Richemont International ihre Zulassung im vorliegenden Verfahren als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Kommission beantragt. Der Präsident der Vierten Kammer des Gerichts hat die Streithilfe mit Beschluss vom 30. März 2009 zugelassen.

14 Die Streithelferin hat ihren Streithilfeschriftsatz und die anderen Verfahrensbeteiligten haben ihre Stellungnahmen dazu fristgerecht eingereicht.

15 Das Gericht (Vierte Kammer) hat auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, das mündliche Verfahren zu eröffnen. Im Rahmen von prozessleitenden Maßnahmen hat es die Verfahrensbeteiligten aufgefordert, schriftlich Fragen zu beantworten und bestimmte Unterlagen vorzulegen. Die Verfahrensbeteiligten sind dieser Aufforderung fristgerecht nachgekommen.

16 Die Verfahrensbeteiligten haben in der Sitzung vom 3. Februar 2010 mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet. In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin beantragt, dass eine Stelle der Antwort der Kommission auf eine schriftliche Frage des Gerichts aus den Akten entfernt werde, weil sie Vorbringen enthalte, das nichts mit der gestellten Frage zu tun habe und zudem im Vergleich zu dem Vorbringen der Kommission in der angefochtenen Entscheidung, der Klagebeantwortung und der Gegenerwiderung neu sei.

17 Die Klägerin beantragt,

– die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären;

– der Kommission die Kosten aufzuerlegen;

– die ihr aufgrund der Streithilfe entstandenen Kosten der Streithelferin aufzuerlegen.

18 Die Kommission beantragt,

– die Klage abzuweisen;

– der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

19 Die Streithelferin beantragt,

– die Klage abzuweisen;

– die ihr entstandenen Kosten der Klägerin aufzuerlegen.

Rechtliche Würdigung

20 Die Klägerin stützt ihre Klage auf fünf Gründe. Mit dem ersten, in zwei Teile gegliederten Klagegrund rügt sie zum einen eine unzutreffende Beurteilung des Bestehens eines Gemeinschaftsinteresses und zum anderen Rechtsverstöße bei der Feststellung, dass die Größe des von der Beschwerde betroffenen Marktes und damit dessen wirtschaftliche Bedeutung begrenzt seien. Der zweite Klagegrund bezieht sich auf eine falsche Definition des relevanten Marktes. Mit dem dritten und dem vierten Klagegrund werden ein Verstoß gegen Art. 81 EG und ein Verstoß gegen Art. 82 EG geltend gemacht. Mit dem fünften Klagegrund werden ein Befugnismissbrauch in Form einer verspäteten Berufung auf das fehlende Gemeinschaftsinteresse, eine Entstellung des Inhalts der Beschwerde und ein Objektivitätsmangel der Untersuchung durch die Kommission beanstandet.

21 Die Gründe, auf denen die Schlussfolgerung der Kommission aufbaut, dass es kein hinreichendes Gemeinschaftsinteresse für eine weitere Prüfung der Beschwerde gebe, werden von der Klägerin nicht nur mit dem ersten, sondern auch mit dem zweiten, dem dritten und dem vierten Klagegrund in Abrede gestellt. Das Gericht hält es deshalb für sachdienlich, zunächst den zweiten Teil des ersten Klagegrundes betreffend die Größe des von der Beschwerde betroffenen Marktes und dessen wirtschaftliche Bedeutung zu prüfen und den ersten Teil des ersten Klagegrundes, der das Bestehen eines hinreichenden Gemeinschaftsinteresses betrifft, erst nach der Entscheidung über die Begründetheit des zweiten, des dritten und des vierten Klagegrundes zu untersuchen.

1. Zur Größe des von der Beschwerde betroffenen Marktes und seiner wirtschaftlichen Bedeutung

Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

22 Die Klägerin macht geltend, die Kommission habe sich in Randnr. 8 der angefochtenen Entscheidung für ihre Schlussfolgerung, dass kein hinreichendes Gemeinschaftsinteresse für eine weitere Untersuchung bestehe, darauf berufen, dass die Beschwerde nur einen Markt(ausschnitt) „von begrenzter Größe“ betreffe und sich „somit … auch seine wirtschaftliche Bedeutung in Grenzen [halte]“. Sie habe es jedoch unterlassen, diesen Markt zu identifizieren, seine Größe zu quantifizieren und seine wirtschaftliche Bedeutung zu beschreiben, wodurch sie ihre Begründungspflicht verletzt habe. Die Kommission habe auch nicht den von ihr im Verwaltungsverfahren angeführten Umstand berücksichtigt, dass die Praxis der Schweizer Uhrenhersteller unabhängige Uhrmacher in den 27 Mitgliedstaaten berühre und einen ganzen Handwerksberuf in seinem Bestand bedrohe.

23 Die Kommission bringt, unterstützt von der Streithelferin, vor, die vollständige Analyse und die Begründung ihres Standpunkts in Bezug auf das Fehlen eines hinreichenden Gemeinschaftsinteresses seien nicht nur in der von der Klägerin beanstandeten Einführung der angefochtenen Entscheidung enthalten, sondern auch in der gesamten angefochtenen Entscheidung und insbesondere in deren Randnrn. 12 bis 26. In den letztgenannten Randnummern würden der relevante Primärmarkt (der Markt für Luxus- oder Prestigeuhren) und die Anschlussmärkte (der Markt für Reparatur- und Wartungsdienstleistungen für solche Uhren und der Markt für deren Ersatzteile) klar dargestellt.

24 Die Kommission fügt hinzu, die Feststellung in Randnr. 8 der angefochtenen Entscheidung, dass der Markt von begrenzter Größe sei und sich deshalb auch seine wirtschaftliche Bedeutung in Grenzen halte, werde durch die in derselben Randnummer enthaltene Aussage getragen, dass nach den ihr vorliegenden Informationen „die Kundendienstleistungen für Luxus-/Prestigeuhren ihrem Umfang nach nur einen unbedeutenden Teil des Gesamtumsatzes mit dem Verkauf von Luxus-/Prestigeuhren ausmachen, während nicht vergessen werden darf, dass [solche Uhren] nur einen bestimmten Ausschnitt des Uhrengesamtmarktes darstellen“.

25 Außerdem rühre das behauptete Fehlen einer Begründung daher, dass die Klägerin nicht mit ihrer Definition des relevanten Marktes einverstanden sei. Die beiden Anschlussmärkte müssten zusammen mit dem Primärmarkt, also dem Markt für Luxus- oder Prestigeuhren (angefochtene Entscheidung, Randnr. 16), geprüft werden, mit dem sie eng zusammenhingen. In der angefochtenen Entscheidung werde ausgeführt, dass, da auf dem Primärmarkt Wettbewerb herrsche, dies auch auf den Anschlussmärkten der Fall sei (angefochtene Entscheidung, Randnr. 18), so dass es nicht erforderlich gewesen sei, die Größe und die wirtschaftliche Bedeutung der letztgenannten Märkte zu bestimmen, weil diese nicht die einzigen Märkte seien, auf denen der Wettbewerb beurteilt werde. Der Umstand, dass die Klägerin mit dieser Marktdefinition nicht einverstanden sei, bedeute nicht, dass die angefochtene Entscheidung insoweit unzureichend begründet sei.

Würdigung durch das Gericht

26 Nach der Rechtsprechung hat die Kommission, der es nach Art. 85 Abs. 1 EG obliegt, auf die Anwendung der Art. 81 EG und 82 EG zu achten, die Wettbewerbspolitik der Union festzulegen und durchzuführen, wozu ihr bei der Behandlung von Beschwerden ein Ermessen zusteht (Urteile des Gerichts vom 26. Januar 2005, Piau/Kommission, T?193/02, Slg. 2005, II?209, Randnr. 80, und vom 12. Juli 2007, AEPI/Kommission, T?229/05, nichtin der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 38).

27 Wenn die Kommission in Ausübung dieses Ermessens beschließt, den bei ihr eingereichten Beschwerden unterschiedliche Prioritäten einzuräumen, kann sie nicht nur die Reihenfolge festlegen, in der die Beschwerden geprüft werden, sondern auch eine Beschwerde mangels hinreichenden Gemeinschaftsinteresses an der Fortführung der Untersuchung der Sache zurückweisen (Urteil des Gerichts vom 14. Februar 2001, Sodima/Kommission, T?62/99, Slg. 2001, II?655, Randnr. 36; vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 24. Januar 1995, Tremblay u. a./Kommission, T?5/93, Slg. 1995, II?185, Randnrn. 59 und 60).

28 Das Ermessen der Kommission ist jedoch nicht unbegrenzt. Sie muss alle erheblichen rechtlichen und tatsächlichen Gesichtspunkte berücksichtigen, um darüber zu entscheiden, wie eine Beschwerde zu behandeln ist. Sie muss insbesondere alle tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte aufmerksam prüfen, die ihr der Beschwerdeführer zur Kenntnis bringt (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 17. Mai 2001, IECC/Kommission, C?450/98 P, Slg. 2001, I?3947, Randnr. 57 und die dort angeführte Rechtsprechung). Die Kommission trifft auch eine Begründungspflicht, wenn sie die weitere Prüfung einer Beschwerde ablehnt, wobei die Begründung so genau und detailliert sein muss, dass das Gericht die Ausübung der Ermessensbefugnis zur Festlegung der Prioritäten durch die Kommission wirksam überprüfen kann (Urteil des Gerichtshofs vom 4. März 1999, Ufex u. a./Kommission, C?119/97 P, Slg. 1999, I?1341, Randnrn. 89 bis 91, und Urteil Sodima/Kommission, oben in Randnr. 27 angeführt, Randnrn. 41 und 42).

29 Hier hat die Kommission in den Randnrn. 8 und 9 der angefochtenen Entscheidung Folgendes ausgeführt:

„8 Die Kommission stellt insbesondere fest, dass die Beschwerde allenfalls einen Markt(ausschnitt) von begrenzter Größe betrifft und sich somit auch dessen wirtschaftliche Bedeutung in Grenzen hält. Zwar hat es sich trotz der Aussendung mehrerer Fragebögen an Uhrenhersteller als schwer erwiesen, genaue Statistiken und Zahlen zur Größe der beschwerdebefangenen Märkte – ob Primär- oder Sekundärmärkte – zu erlangen. Aus den Informationen, die die Kommission erhalten hat, geht jedoch unmittelbar hervor, dass die Kundendienstleistungen für Luxus-/Prestigeuhren ihrem Umfang nach nur einen unbedeutenden Teil des Gesamtumsatzes mit dem Verkauf von Luxus-/Prestigeuhren ausmachen, während nicht vergessen werden darf, dass ‚Luxus-/Prestigeuhren‘ nur einen bestimmten Ausschnitt des Uhrengesamtmarktes darstellen. Überdies hat die Prima-facie-Prüfung des Vorbringens der Beschwerdeführerin keine zuverlässigen Informationen ergeben, auf deren Grundlage auf dieser Stufe die Schlussfolgerung gezogen werden könnte, dass im vorliegenden Fall Zuwiderhandlungen gegen das Wettbewerbsrecht wahrscheinlich sind. Es scheint auch unwahrscheinlich, dass der Einsatz weiterer Untersuchungsmittel solche Zuwiderhandlungen zutage fördern würde. Schließlich erscheinen, selbst wenn hier Zuwiderhandlungen festgestellt werden könnten, nationale Wettbewerbsbehörden oder nationale Gerichte als geeignete Anlaufstellen für die Untersuchung und Behandlung solcher Zuwiderhandlungen. Sie haben die Befugnis und die Verpflichtung, die Art. 81 [EG] und 82 [EG] anzuwenden.

9 Folglich erscheint es im Licht der vorstehenden Ausführungen unverhältnismäßig, die knappen Mittel der Kommission auf die weitere Untersuchung dieser Sache zu verwenden. Die Kommission ist daher zu dem Schluss gelangt, dass die Beschwerde in Anbetracht der begrenzten Auswirkung etwaiger Folgen der behaupteten Zuwiderhandlungen auf das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes, der Komplexität der erforderlichen Untersuchung und der begrenzten Wahrscheinlichkeit eines Nachweises von Zuwiderhandlungen mangels Gemeinschaftsinteresses zurückzuweisen ist.“

30 An erster Stelle ist die Rüge der Klägerin zu prüfen, wonach die Kommission den in der Beschwerde genannten Umstand unberücksichtigt gelassen habe, dass die Praktiken, die Gegenstand der Beschwerde seien, das gesamte Gebiet der Europäischen Union beträfen.

31 Zunächst ist festzustellen, dass die Aussage der Klägerin in ihrer Beschwerde zur geografischen Erstreckung der betreffenden Praktiken von der Kommission weder in der vorläufigen Stellungnahme noch in der angefochtenen Entscheidung bestritten wurde. Außerdem hat die Kommission in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass sie über Informationen verfügt habe, wonach diese Praktiken in „fünf oder sechs Mitgliedstaaten“ anzutreffen seien, und sie weder bestätigen noch verneinen könne, dass sie auch in den anderen Mitgliedstaaten vorkämen.

32 Im Übrigen hält das Gericht die Ausdehnung des betroffenen Gebiets für zwangsläufig erheblich, wenn es um die Größe des Marktes oder der Märkte, die von der Beschwerde erfassten werden, und die wirtschaftliche Bedeutung dieses Marktes oder dieser Märkte geht. Die Bedeutung dieses von der Klägerin in ihrer Beschwerde angesprochenen Gesichtspunkts wird außerdem im vorliegenden Fall dadurch verstärkt, dass darin der klare Hinweis liegt, dass die Beschwerde nicht einen örtlichen Markt betrifft, sondern einen Markt oder Märkte, die gebietlich zumindest fünf Mitgliedstaaten, gegebenenfalls sogar das gesamte Unionsgebiet umfassen.

33 Die Kommission hat somit, indem sie im Rahmen ihrer Beurteilung der Größe des betroffenen Marktes und seiner wirtschaftlichen Bedeutung nicht auf diesen Gesichtspunkt einging, ihre Pflicht verletzt, alle erheblichen rechtlichen und tatsächlichen Gesichtspunkte zu berücksichtigen und alle ihr von der Klägerin zur Kenntnis gebrachten derartigen Gesichtspunkte aufmerksam zu prüfen (vgl. die oben in Randnr. 28 angeführte Rechtsprechung).

34 An zweiter Stelle ist die Rüge der Klägerin zu prüfen, die darauf gestützt wird, dass die in der angefochtenen Entscheidung enthaltene Schlussfolgerung in Bezug auf die begrenzte Größe des von der Beschwerde betroffenen Marktes unzureichend begründet sei.

35 Was erstens die Bestimmung des Marktes betrifft, auf den sich diese Schlussfolgerung bezieht, ist mit der Kommission darauf hinzuweisen, dass die angefochtene Entscheidung nähere Ausführungen zu den untersuchten Märkten namentlich in Randnr. 15 enthält. Die Kommission führt darin aus, sie habe ihre Untersuchung unter der Annahme geführt, dass „der Markt für Luxus-/Prestigeuhren ein getrennter (relevanter) Primärmarkt [sei]“, und deshalb „den Markt für Luxus-/Prestigeuhren als den Primärmarkt sowie zwei Anschlussmärkte – einen für die [Dienstleistungen der] Reparatur und Wartung von Luxus-/Prestigeuhren und einen für deren Ersatzteile – geprüft“. Aus der angefochtenen Entscheidung ergibt sich auch, dass die Kommission davon ausging, dass die beiden Anschlussmärkte keine selbständigen relevanten Märkte bildeten, sondern zusammen mit dem Primärmarkt, also dem Markt für Luxus- oder Prestigeuhren, zu betrachten seien.

36 Die Kommission hat dazu in der mündlichen Verhandlung in Beantwortung einer Frage des Gerichts vorgetragen, dass ihre Feststellung in Bezug auf die begrenzte Größe des Markt(ausschnitt)s, der Gegenstand der Beschwerde sei, den Markt für Luxus- oder Prestigeuhren betreffe, weil die Schweizer Uhrenhersteller, auf die die Beschwerde abstelle, nur solche Uhren herstellten.

37 Es ist jedoch zunächst festzustellen, dass die Kommission selbst in Randnr. 3 der angefochtenen Entscheidung klargestellt hat, dass die Beschwerde nach den Angaben der Klägerin eine Wettbewerbsbeschränkung „auf dem Markt für die Reparatur und Wartung der Uhren“ betreffe.

38 Sodann ist festzustellen, dass der zweite Satz von Randnr. 8 der angefochtenen Entscheidung auf mehrere von der Beschwerde betroffene Märkte Bezug nimmt, da die Kommission darin ausführt, dass es „schwer [war], genaue Statistiken und Zahlen zur Größe der beschwerdebefangenen Märkte – ob Primär- oder Sekundärmärkte – zu erlangen“. Diese Aussage steht im Gegensatz zum Gebrauch des Singulars im ersten Satz derselben Randnummer, wonach „die Beschwerde allenfalls einen Markt(ausschnitt) von begrenzter Größe betrifft“.

39 Demnach ist es dem Gericht nicht möglich, mit Sicherheit festzustellen, ob die Aussage der Kommission in Bezug auf die begrenzte Größe des relevanten Marktes oder der relevanten Märkte den Markt für Luxus- oder Prestigeuhren, denjenigen für die Dienstleistungen der Reparatur und Wartung solcher Uhren oder beide Märkte betrifft.

40 Zweitens enthält die angefochtene Entscheidung keine Zahlen oder Schätzungen zur Größe dieser Märkte und im Übrigen auch nicht zur Größe des Uhrenmarktes im Allgemeinen oder des Ersatzteilmarktes. Die Kommission stützt nämlich ihre Schlussfolgerung, dass der Markt für Luxus- oder Prestigeuhren und/oder der Markt für die Dienstleistungen der Reparatur und Wartung solcher Uhren von begrenzter Größe seien, allein auf das Argument, dass der Markt für Luxus- oder Prestigeuhren begrenzter sei als der Uhrenmarkt im Allgemeinen und dass die Größe des Marktes für Kundendienstleistungen für solche Uhren noch begrenzter sei als die Größe des Marktes für Luxus- oder Prestigeuhren.

41 Ohne einen absoluten Bezugspunkt, der insbesondere in Zahlen oder Schätzungen zur Größe zumindest eines dieser Märkte bestehen könnte, erlauben aber allein die Angaben zu den relativen Größen dieser Märkte im Vergleich zueinander dem Gericht nicht, die Richtigkeit der Feststellung zu überprüfen, dass die Beschwerde allenfalls einen Markt von begrenzter Größe betreffe und sich daher auch die wirtschaftliche Bedeutung dieses Marktes in Grenzen halte.

42 Im Übrigen hat die Kommission in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass die genannte Feststellung nicht auf genauen Zahlen beruhe.

43 Die Kommission hat mithin ihre Feststellung, dass die Beschwerde allenfalls einen Markt(ausschnitt) von begrenzter Größe betreffe und sich daher auch dessen wirtschaftliche Bedeutung in Grenzen halte, unzureichend begründet.

44 Daran können die übrigen von der Kommission in der angefochtenen Entscheidung und vor dem Gericht ausgeführten Überlegungen nichts ändern.

45 Erstens kann die Feststellung der Kommission in Randnr. 8 der angefochtenen Entscheidung betreffend die Schwierigkeiten, an Daten zur Größe der Märkte, die Gegenstand der Beschwerde seien, zu gelangen, ihren Standpunkt nicht stützen. Sie war nämlich durch keine Rechtsvorschrift verpflichtet, sich zur Größe des Marktes oder der Märkte, die Gegenstand der Beschwerde sind, zu äußern. Dagegen war sie, nachdem sie beschlossen hatte, zur Begründung ihrer Haltung in Bezug auf das Fehlen eines hinreichenden Gemeinschaftsinteresses für die weitere Untersuchung der Beschwerde die Feststellung ins Feld zu führen, dass „die Beschwerde allenfalls einen Markt(ausschnitt) von begrenzter Größe [betreffe], und sich somit auch seine wirtschaftliche Bedeutung in Grenzen [halte]“, verpflichtet, diese Feststellung hinreichend zu begründen.

46 Zweitens kann das Argument der Kommission, sie sei in der angefochtenen Entscheidung der Ansicht gewesen, dass die Anschlussmärkte zusammen mit dem Primärmarkt der Luxus- oder Prestigeuhren zu prüfen seien, keine Auswirkung auf die Schlussfolgerung des Gerichts oben in Randnr. 43 in Bezug auf die Unzulänglichkeit der Begründung haben. Die Kommission hat nämlich auch keine Zahlen oder Schätzungen zur Größe aller dieser Märkte zusammen genommen genannt.

47 Drittens hat die Feststellung der Kommission in der angefochtenen Entscheidung, dass im Wesentlichen auf den Anschlussmärkten Wettbewerb herrsche, weil dies auf dem Primärmarkt so sei, keine Bedeutung für die Begründung ihrer Feststellung zur begrenzten Größe des Markt(ausschnitt)s, der Gegenstand der Beschwerde ist, da die Feststellung, dass die Größe des Marktes begrenzt sei, nicht daraus abgeleitet werden kann, dass auf ihm Wettbewerb herrscht.

48 Auch wenn außerdem die Kommission ihre Schlussfolgerung hinsichtlich der geringen Wahrscheinlichkeit einer Feststellung von Zuwiderhandlungen gegen die gemeinschaftlichen Wettbewerbsregeln zwar weitgehend auf ihre Feststellung zum Wettbewerb auf dem Markt für Luxus- oder Prestigeuhren gestützt hat, stellt doch, wie sich aus Randnr. 8 der angefochtenen Entscheidung ergibt, die Feststellung in Bezug auf die begrenzte Größe des von der Beschwerde betroffenen Markt(ausschnitt)s in der Systematik ihrer Begründung des Fehlens eines hinreichenden Gemeinschaftsinteresses ein im Verhältnis zu jener Feststellung eigenständiges Argument dar.

49 Daraus folgt, dass die Rügen der Klägerin betreffend die begrenzte Größe und wirtschaftliche Bedeutung des Markt(ausschnitt)s, der Gegenstand der Beschwerde ist, durchgreifen. Die Kommission hat mithin ihre Pflicht zur Berücksichtigung aller erheblichen rechtlichen und tatsächlichen Gesichtspunkte und zur aufmerksamen Prüfung aller ihr von der Klägerin zur Kenntnis gebrachten derartigen Gesichtspunkte sowie ihre Begründungspflicht verletzt.

2. Zur Definition des relevanten Marktes

Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

50 Die Klägerin macht geltend, die Kommission habe die von ihr in ihrer Beschwerde vorgeschlagene und während des ganzen Verwaltungsverfahrens vertretene Definition des relevanten Marktes, nämlich diejenige des „Marktes für die Dienstleistungen der Reparatur und Wartung von eine Reparatur lohnenden Uhren“ fälschlicherweise abgelehnt.

51 Erstens habe die Kommission, indem sie den Begriff „eine Reparatur lohnende Uhren“ durch den Begriff „Luxus- oder Prestigeuhren“ ersetzt habe, die Tragweite der Beschwerde insbesondere in Randnr. 12 der angefochtenen Entscheidung künstlich verändert. Sie habe auch versucht, den untersuchten Markt auf einen kleinen Teil des betreffenden Marktes zu reduzieren, was ihre Schlussfolgerung in Bezug auf die unbedeutende Größe des betroffenen Marktes oder Marktausschnitts erleichtert habe. Die Definition des Marktes als Markt für „Luxus- oder Prestigeuhren“ finde in keinem der Dokumente, die der Kommission übermittelt worden seien, Bestätigung und sei eine reine Erfindung der Kommission.

52 Zweitens beziehe sich die Kommission auf den Markt für „Produkte“ und den „Markt für Luxus- oder Prestigeuhren“, obwohl die Klägerin im Verwaltungsverfahren wiederholt darauf hingewiesen habe, dass dieser Produktmarkt für die unabhängigen Uhrmacher keine unmittelbare Bedeutung habe.

53 Ferner sei die Kommission in den Randnrn. 17 und 18 der angefochtenen Entscheidung zu Unrecht der Ansicht gewesen, dass der Markt für Wartungs- und Reparaturdienstleistungen keinen „getrennten relevanten Markt“ bilde, sondern vielmehr „zusammen mit dem Primärmarkt geprüft werden“ müsse. Mit der Vermengung dieser Märkte und der Behauptung, dass auf dem Produktmarkt Wettbewerb herrsche, habe die Kommission fehlerhaft die Schlussfolgerung gezogen, dass es Wettbewerb auch auf dem Dienstleistungsmarkt gebe.

54 Die Klägerin bestreitet auch die Feststellung der Kommission, dass der „Ersatzteilmarkt“ für Luxus- oder Prestigeuhren keinen getrennten relevanten Markt bilde. Zu den Randnrn. 24 und 25 der angefochtenen Entscheidung bringt sie vor, die Kommission habe ihre Aussage, dass der „Ersatzteilmarkt“ nicht der relevante Markt sei, zunächst darauf gestützt, dass die Verbraucher zu Sekundärprodukten eines anderen Herstellers wechseln könnten. Eine Ersetzbarkeit sei aber nur bei den Ersatzteilen für die von der Gesellschaft ETA hergestellten Uhrwerke gegeben, die in der Mehrheit der Schweizer Uhren eingebaut seien, und zwar gerade, weil diese Uhrwerke und die dazu passenden Ersatzteile von einem Unternehmen hergestellt würden, das nicht zu den Schweizer Uhrenherstellern gehöre, gegen die die Beschwerde gerichtet sei. Die übrigen Ersatzteile seien dagegen bei jedem Hersteller von Schweizer Uhren anders, und die für die Uhren eines Herstellers entwickelten Teile könnten nicht durch die für die Uhren eines anderen Herstellers entwickelten Teile ersetzt werden. Die Erbringung der Wartungs- und Reparaturdienstleistungen hänge so völlig von der Belieferung mit Ersatzteilen des betreffenden Herstellers ab, der damit eine Monopolstellung innehabe.

55 Schließlich bestreitet die Klägerin die Behauptung der Kommission in Randnr. 26 der angefochtenen Entscheidung, dass der „Ersatzteilmarkt“ kein relevanter Markt sei, wenn der Verbraucher zu einem anderen Primärprodukt wechseln könne. Selbst wenn sich der Verbraucher einer anderen Marke auf dem Uhrenmarkt zuwenden könne, tue die Kommission nicht dar, dass der Eigentümer einer Schweizer Uhr tatsächlich zu einer anderen Marke wechseln würde, so dass die Nennung dieses Gesichtspunkts durch die Kommission unerheblich sei.

56 Die Kommission macht an erster Stelle geltend, ihre Untersuchung habe gezeigt, dass die Wartungs- und Reparaturdienstleistungen und die Ersatzteillieferung einen vom Primärmarkt der Uhrenherstellung getrennten Anschlussmarkt darstellten.

57 Sie weist sodann darauf hin, sie habe in Randnr. 14 der angefochtenen Entscheidung ausgeführt, dass ihr eine genaue Marktdefinition auf der Grundlage der ihr vorliegenden Informationen nicht möglich sei. Deshalb habe sie trotz ihrer insoweit bestehenden Zweifel (angefochtene Entscheidung, Randnr. 14) angenommen (angefochtene Entscheidung, Randnr. 15), dass der Primärmarkt der Luxus- oder Prestigeuhren mit den damit zusammenhängenden Anschlussmärkten der Reparatur und Wartung einerseits und der Ersatzteile andererseits den relevanten Markt bilde.

58 Ungeachtet der Schwierigkeiten bei der Marktdefinition sei sie auf keinen Beweis für das Bestehen einer Vereinbarung oder einer abgestimmten Verhaltensweise zwischen den in der Beschwerde genannten Unternehmen gestoßen. Auch habe sie festgestellt, dass die Unternehmen, gegen die sich die Beschwerde richte, aufgrund des zwischen ihnen herrschenden starken Wettbewerbs zusammen keine beherrschende Stellung innehätten (angefochtene Entscheidung, Randnr. 40). Folglich habe sie zulässigerweise als Ergebnis festhalten dürfen, dass sie nichts ausfindig gemacht habe, was für eine Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln auf irgendeinem der Märkte, wie auch immer er definiert werden möge, spreche.

59 An zweiter Stelle wendet sich die Kommission gegen das Vorbringen der Klägerin, dass in der angefochtenen Entscheidung zu Unrecht festgestellt werde, dass der Markt für die „Dienstleistungen der Reparatur und Wartung von Uhren“ keinen getrennten Markt bilde, sondern zusammen mit dem Primärmarkt geprüft werden müsse.

60 Sie habe zu Recht eine Verbindung zwischen dem Primärmarkt der Herstellung und des Verkaufs von Luxusuhren und den beiden Anschlussmärkten feststellen können (vgl. insbesondere angefochtene Entscheidung, Randnr. 18). Die Klägerin begnüge sich damit, ihrer Beurteilung zu widersprechen, ohne einen Beweis anzutreten oder ein Argument vorzubringen, mit dem diese Beurteilung widerlegt werden könne.

61 Die Kommission bringt vor, ihre Schlussfolgerung in der angefochtenen Entscheidung hinsichtlich des relevanten Marktes gründe zugleich auf den Informationen, die die Klägerin in ihrer Beschwerde gegeben habe, und auf den Ergebnissen ihrer eigenen Untersuchung. Im Übrigen gebe sie in der angefochtenen Entscheidung spezifische Daten für den Markt der relevanten Produkte an, insbesondere betreffend die Anschlussmärkte der Wartung und Reparatur einerseits und der Einzel- und Ersatzteile andererseits (angefochtene Entscheidung, Randnrn. 19 bis 26 und Fußnoten 15 und 18 bis 20).

62 Die Streithelferin macht geltend, die Kommission habe in Randnr. 22 der angefochtenen Entscheidung zu Recht feststellen dürfen, dass die Kundendienstkosten für den Kunden auf die Lebensdauer der Uhr gerechnet im Vergleich zu den Anschaffungskosten für die Uhr geringfügig seien und vom Verbraucher als ein vergleichsweise unwichtiger Bestandteil des Gesamtpreises angesehen würden. Ihrer Erfahrung nach mache sich der Käufer einer Uhr um die Kundendienst- und Reparaturkosten keine unmittelbaren und erstrangigen Gedanken. Auch wiesen die Kundendienstleistungen für hochwertige und hochtechnisierte Markenuhren besondere Eigenheiten auf, denen Rechnung getragen werden müsse. Jede Uhr bestehe aus sehr vielen Einzelteilen, die für jedes Uhrenmodell unterschiedlich seien. Die Befähigung, die Erfahrung und das Werkzeug, die für die Reparatur derartiger Uhren benötigt würden, seien daher sehr wichtig.

63 Außerdem sei es für jede Marke höchst wichtig, dass die Qualität des Kundendienstes und der Reparaturarbeiten ein hohes Niveau habe, weil die Verbraucher diese Dienstleistungen als Teil der Qualität der Uhr selbst wahrnähmen. Nach ihrer Erfahrung könne dies nur mit einer umfangreichen Ausbildung, einer Ausrüstung, Anweisungen und einer Kontrolle gewährleistet werden, die eine hohe Investition ihrerseits erforderten.

64 Die Streithelferin schließt sich daher dem Standpunkt der Kommission an, dass die Anschlussmärkte der Reparatur und der Ersatzteile keine getrennten nachgelagerten Märkte seien. Es handele sich im Gegenteil um einen nachgeordneten, in keiner Weise unabhängigen Teil des sehr wettbewerbsintensiven Primärmarktes.

Würdigung durch das Gericht

65 Nach ständiger Rechtsprechung darf die vom Unionsrichter vorgenommene Kontrolle über die Ausübung des der Kommission bei der Behandlung von Beschwerden zuerkannten Ermessens durch diese nicht dazu führen, dass er seine Beurteilung des Gemeinschaftsinteresses an die Stelle der Beurteilung durch die Kommission setzt; vielmehr soll mit der Kontrolle überprüft werden, ob die umstrittene Entscheidung nicht auf unzutreffenden Tatsachenfeststellungen beruht und ob sie nicht mit einem Rechtsfehler, einem offensichtlichen Beurteilungsfehler oder einem Ermessensmissbrauch behaftet ist (Urteile des Gerichts vom 14. Februar 2001, SEP/Kommission, T?115/99, Slg. 2001, II?691, Randnr. 34, und Piau/Kommission, oben in Randnr. 26 angeführt, Randnr. 81).

66 Auch kann die Definition des fraglichen Marktes, betroffenen Marktes oder relevanten Marktes, da sie mit komplexen wirtschaftlichen Beurteilungen auf Seiten der Kommission verbunden ist, nur Gegenstand einer beschränkten Kontrolle durch den Unionsrichter sein (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichts vom 17. September 2007, Microsoft/Kommission, T?201/04, Slg. 2007, II?3601, Randnr. 482, und vom 7. Mai 2009, NVV u. a./Kommission, T?151/05, Slg. 2009, II?1219, Randnr. 53).

67 Der Begriff des relevanten Marktes setzt die Möglichkeit eines wirksamen Wettbewerbs zwischen den zu ihm gehörenden Erzeugnissen oder Dienstleistungen voraus, so dass ein hinreichender Grad der Austauschbarkeit zwischen allen zum gleichen Markt gehörenden Erzeugnissen oder Dienstleistungen im Hinblick auf die gleiche Verwendung erforderlich ist (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 13. Februar 1979, Hoffmann-La Roche/Kommission, 85/76, Slg. 1979, 461, Randnr. 28, und Urteil des Gerichts vom 30. Januar 2007, France Télécom/Kommission, T?340/03, Slg. 2007, II?107, Randnr. 80). Die Austauschbarkeit oder Ersetzbarkeit beurteilt sich nicht allein mit Blick auf die objektiven Eigenschaften der fraglichen Erzeugnisse und Dienstleistungen, sondern es müssen auch die Wettbewerbsbedingungen sowie die Struktur der Nachfrage und des Angebots auf dem Markt in Betracht gezogen werden (Urteil des Gerichtshofs vom 9. November 1983, Michelin/Kommission, 322/81, Slg. 1983, 3461, Randnr. 37, und Urteil des Gerichts vom 17. Dezember 2003, British Airways/Kommission, T?219/99, Slg. 2003, II?5917, Randnr. 91).

68 Auch aus der Bekanntmachung der Kommission über die Definition des relevanten Marktes im Sinne des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft (ABl. 1997, C 372, S. 5, Randnr. 7) geht hervor, dass „[d]er sachlich relevante Produktmarkt … sämtliche Erzeugnisse und/oder Dienstleistungen [umfasst], die von den Verbrauchern hinsichtlich ihrer Eigenschaften, Preise und ihres vorgesehenen Verwendungszwecks als austauschbar oder substituierbar angesehen werden“.

69 Nach dieser Bekanntmachung erfordert die Beurteilung der Substituierbarkeit der Nachfrage eine Bestimmung derjenigen Produkte, die von den Abnehmern als austauschbar angesehen werden. Eine Möglichkeit, diese Bestimmung vorzunehmen, lässt sich als ein gedankliches Experiment betrachten, bei dem von einer geringen, nicht vorübergehenden Änderung der relativen Preise ausgegangen und eine Bewertung der wahrscheinlichen Reaktion der Kunden vorgenommen wird. In Randnr. 17 dieser Bekanntmachung führt die Kommission näher aus:

„Die zu beantwortende Frage lautet, ob die Kunden der Parteien als Reaktion auf eine … kleine, bleibende Erhöhung der relativen Preise (im Bereich zwischen 5 und 10 %) für die betreffenden Produkte und Gebiete auf leicht verfügbare Substitute ausweichen würden. Ist die Substitution so groß, dass durch den damit einhergehenden Absatzrückgang eine Preiserhöhung nicht mehr einträglich wäre, so werden in den … relevanten Markt … weitere Produkte … einbezogen“.

70 Außerdem heißt es in Randnr. 56 dieser Bekanntmachung:

„In einigen Bereichen hat die Anwendung der erläuterten Grundsätze … sorgsam zu erfolgen, zum Beispiel bei primären und sekundären Märkten, insbesondere wenn das Verhalten von Unternehmen zu einem bestimmten Zeitpunkt gemäß Artikel [82 EG] untersucht werden muss. Die Methode zur Abgrenzung der Märkte … ist im Wesentlichen dieselbe, d. h., es geht darum, zu beurteilen, wie sich Änderungen bei den relativen Preisen auf die Kaufentscheidungen der Kunden auswirken, allerdings auch unter Berücksichtigung von Substitutionsbeschränkungen, die von Gegebenheiten auf den verbundenen Märkten bewirkt werden. So kann es zu einer engen Abgrenzung des Marktes für sekundäre Produkte wie Ersatzteile kommen, wenn die Kompatibilität mit dem Primärprodukt wichtig ist. Ist es schwierig, kompatible Sekundärprodukte zu finden, und sind die Primärprodukte teuer und lange haltbar, so kann es gewinnträchtig sein, die relativen Preise der Sekundärprodukte zu erhöhen. Sind die Sekundärprodukte … leicht substituierbar oder sind die Primärprodukte so geartet, dass die Verbraucher rasch und direkt auf steigende relative Preise bei den Sekundärprodukten reagieren können, so ist der Markt unter Umständen anders abzugrenzen.“

71 Hier hat die Kommission angegeben, dass sie vor ihrer Prima-facie-Prüfung des Vorliegens der mit der Beschwerde gerügten wettbewerbsfeindlichen Praktiken (angefochtene Entscheidung, Randnrn. 27 bis 42) die Annahme zugrunde gelegt habe, dass es einen primären Produktmarkt, den der Luxus- oder Prestigeuhren, und zwei Anschlussmärkte, den der Reparatur- und Wartungsdienstleistungen für Luxus- oder Prestigeuhren und den der Ersatzteile für solche Uhren gebe (angefochtene Entscheidung, Randnr. 15). Auf der Grundlage dieser Prima-facie-Prüfung sei sie der Ansicht gewesen, dass die beiden Anschlussmärkte keine getrennten relevanten Märkte bildeten, sondern zusammen mit dem Primärmarkt betrachtet werden müssten (angefochtene Entscheidung, Randnr. 17).

72 Die Klägerin bringt im Wesentlichen zwei Rügen in Bezug auf diese Feststellungen vor. Zum einen ist sie der Ansicht, die Kommission habe den von ihr im Verwaltungsverfahren verwendeten Begriff „eine Reparatur lohnende Uhren“ zu Unrecht durch den Begriff „Luxus- oder Prestigeuhren“ ersetzt. Zum anderen macht sie geltend, die Kommission habe den Markt für die Dienstleistungen der Reparatur und Wartung der Uhren und „den Ersatzteilmarkt“ fälschlicherweise nicht als getrennte Märkte angesehen, sondern die Auffassung vertreten, sie seien zusammen mit dem Markt für Luxus- oder Prestigeuhren zu prüfen. Außerdem seien die markeneigenen Ersatzteile nicht austauschbar, so dass jeder Hersteller eine Monopolstellung in Bezug auf die von ihm hergestellten spezifischen Ersatzteile einnehme.

Zur ersten Rüge: fehlerhafte Ersetzung des Begriffs „eine Reparatur lohnende Uhren“ durch den Begriff „Luxus- oder Prestigeuhren“

73 Zur ersten Rüge der Klägerin ist erstens festzustellen, dass diese selbst auf Seite 5 ihrer Beschwerde angegeben hat, dass eine Nachfrage nach Ersatzteilen nur „für die teuren Uhren“ bestehe, da eine billigere Uhr, wenn sie kaputt gehe, einfach durch eine andere Uhr ersetzt werde. Zweitens hat die Klägerin in ihrem Schreiben vom 30. Januar 2008 ausgeführt, dass die von ihrer Beschwerde erfassten Uhren einen „Neupreis“ von 1 500 bis 4 000 Euro hätten, während nach einem von der Kommission in der vorläufigen Stellungnahme zitierten Sachverständigen die wesentliche Funktion einer Uhr, d. h. die Zeitmessung, von Uhren zu einem Preis von etwa 25 Euro völlig und mit Genauigkeit erfüllt werde.

74 Da aber die Uhren, die zu dem von der Klägerin angegebenen Sortiment gehören, 60 bis 160mal teurer sind als die weniger teuren Uhren, die dennoch ihre Hauptfunktion zuverlässig erfüllen, hat die Kommission keinen Fehler begangen, als sie der Ansicht war, die von der Beschwerde betroffenen Uhren seien „Luxus- oder Prestigeuhren“.

75 Die erste Rüge der Klägerin ist deshalb zurückzuweisen.

Zur zweiten Rüge: keine getrennte Prüfung des Marktes für die Dienstleistungen der Reparatur und Wartung der Uhren und des Ersatzteilmarktes

76 Mit ihrer zweiten Rüge beanstandet die Klägerin, dass die Kommission den Markt für die Dienstleistungen der Reparatur und Wartung der Uhren und den Ersatzteilmarkt nicht als getrennte relevante Märkte behandelt, sondern sie zusammen mit dem Markt für Luxus- oder Prestigeuhren als einen einheitlichen Markt geprüft habe. Außerdem wirft sie der Kommission vor, diese habe in der angefochtenen Entscheidung nicht berücksichtigt, dass die markeneigenen Ersatzteile nicht austauschbar seien.

77 Zu diesen Anschlussmärkten hat die Kommission in der angefochtenen Entscheidung folgende allgemeine Feststellungen getroffen:

„d) Anschlussmärkte

(17) Wie oben in Randnr. 15 erläutert, hat die Kommission zwei Anschlussmärkte geprüft – einen für Kundendienstleistungen (Reparatur und Wartung) und einen für Ersatzteile; beide Märkte werden als Standardbeispiele für Anschlussmärkte angesehen. Die Prima-facie-Beurteilung der Lage sowohl auf dem Primärmarkt der Herstellung und des Verkaufs von Luxus-/Prestigeuhren als auch auf den Anschlussmärkten führt zu dem Ergebnis, dass die Anschlussmärkte nicht als getrennte relevante Produktmärkte angesehen, sondern zusammen mit dem Primärmarkt betrachtet werden sollten. …

(18) Selbst wenn sie überdies als getrennte relevante Märkte anzusehen wären, macht der Umstand, dass auf dem Primärmarkt Wettbewerb zu herrschen scheint, etwaige wettbewerbsfeindliche Wirkungen sehr unwahrscheinlich. Insbesondere sind Preiserhöhungen auf den Anschlussmärkten wegen ihrer Folgen für den Absatz auf dem Primärmarkt eher nicht gewinnträchtig, sofern nicht die Preise auf dem Primärmarkt herabgesetzt werden, um die höheren Preise auf den Anschlussmärkten auszugleichen. Folglich stellt Wettbewerb auf dem Primärmarkt mit hoher Wahrscheinlichkeit sicher, dass der Gesamtpreis für das Waren- und Dienstleistungspaket auf dem Primärmarkt und den Anschlussmärkten dem Wettbewerb unterliegt (selbst wenn die Kunden ihre Entscheidung nicht auf genaue Lebenszyklusberechnungen stützen würden).“

– Zur Prüfung des Ersatzteilmarkts

78 Zunächst ist die Feststellung der Kommission zu prüfen, dass der Ersatzteilmarkt für die Luxus- oder Prestigeuhren keinen getrennten relevanten Markt bilde. Dazu hat sie folgende Auffassung vertreten:

„(ii) Einzel- und Ersatzteile für Luxus-/Prestigeuhren

(23) Wie vorstehend ausgeführt, scheint der Anschlussmarkt der Einzelteile für Luxus-/Prestigeuhren vom Primärmarkt der Luxus-/Prestigeuhren ab- und eng mit ihm zusammenzuhängen. Dies widerspricht den Schlussfolgerungen der [Klägerin], die den Ersatzteilmarkt hier für einen getrennten Markt hält. …

(24) Die Kommission hat des Weiteren berücksichtigt, dass ein Anschlussmarkt, der aus den Sekundärprodukten (Ersatzteilen) einer Marke eines Primärprodukts besteht, in zwei Fallgestaltungen möglicherweise kein relevanter Markt ist. Erstens, wenn der Verbraucher zu den Sekundärprodukten eines anderen Herstellers wechseln kann; zweitens, wenn er zu einem anderen Primärprodukt wechseln und somit höheren Preisen auf dem Anschlussmarkt ausweichen kann. Im vorliegenden Fall ist offensichtlich, dass die Verbraucher nicht gebunden sind, ohne die Option zu haben, zu einem anderen Primär- oder Sekundärprodukt zu wechseln.

(25) Zu der Möglichkeit, zu den Sekundärprodukten eines anderen Herstellers zu wechseln, ist festzuhalten, dass [die Klägerin] keine umfassende, genaue und kohärente Erläuterung des Ausmaßes und der Grenzen der Austauschbarkeit von Ersatzteilen für Luxus-/Prestigeuhren geben konnte.

(26) Hinsichtlich der Möglichkeit, sich einem anderen Primärprodukt zuzuwenden, steht es jedoch Kaufinteressenten für Luxus-/Prestigeuhren völlig frei, zwischen zahlreichen miteinander in Wettbewerb stehenden Luxus-/Prestigeuhrenmarken zu wählen. Die Kunden, die bereits eine solche Uhr besitzen, können grundsätzlich zu einem anderen Primärprodukt wechseln, und zwar hauptsächlich deshalb, weil viele Luxus-/Prestigeuhren einen hohen Gebrauchtwert auf zahlreichen Second-Hand-Märkten haben können und die Wechselkosten mit keinem Aufwand wie Einarbeitung, Umstellung von Gewohnheiten, Installationen, Software usw. verbunden sind, was den Wechsel noch erleichtert. Aus alledem folgt, dass die Verbraucher ein breites Spektrum an Möglichkeiten haben, ohne Zusatzkosten zwischen Primärprodukten zu wechseln.“

79 Nach der allgemeinen Feststellung in Randnr. 24 der angefochtenen Entscheidung kann somit der Markt der Ersatzteile für die Primärprodukte einer bestimmten Marke in zwei Fallgestaltungen nicht einen getrennten erheblichen Markt bilden: wenn sich erstens der Verbraucher an von einem anderen Hersteller gefertigte Ersatzteile halten kann; zweitens in dem Fall, dass sich der Verbraucher einem anderen Primärprodukt zuwenden kann, um einer Preiserhöhung auf dem Ersatzteilmarkt auszuweichen.

80 Die Klägerin bestreitet diese allgemeine Feststellung als solche nicht. Im Übrigen steht sie nach Ansicht des Gerichts im Einklang mit der oben in Randnr. 67 angeführten Rechtsprechung und der Bekanntmachung über die Definition des relevanten Marktes, vorausgesetzt allerdings, es ist erwiesen, dass sich genügend Verbraucher bei einer geringen und dauerhaften Erhöhung der Preise für die Sekundärprodukte den anderen Produkten, ob primär oder sekundär, zuwenden würden, so dass sich eine solche Erhöhung als nicht gewinnträchtig erwiese.

81 Mithin sind die Ausführungen der Kommission in der angefochtenen Entscheidung zur Anwendung des von ihr in Randnr. 24 dieser Entscheidung aufgestellten Kriteriums zu prüfen.

82 Vorab ist festzustellen, dass die Kommission, selbst wenn sie in der übrigen angefochtenen Entscheidung auf den „Ersatzteilmarkt“ als einen einzigen Anschlussmarkt abgestellt hat (vgl. insbesondere angefochtene Entscheidung, Randnrn. 17 und 23), in Randnr. 24 dieser Entscheidung die Fallgestaltungen geprüft hat, in denen ein „Anschlussmarkt [für Ersatzteile] einer Marke eines Primärprodukts“ keinen getrennten relevanten Markt bilden könne.

83 Somit greifen die Randnrn. 24 bis 26 der angefochtenen Entscheidung zwei in Teilen unterschiedliche Seiten der Definition des relevanten Marktes auf. Es handelt sich erstens um die Frage, ob alle Ersatzteile für die Luxus- oder Prestigeuhren einen einzigen Markt bilden oder ob sie mehrere Märkte darstellen, da die markeneigenen Ersatzteile getrennte Märkte bilden. Auf den mit dieser Frage zusammenhängenden Punkt – die Möglichkeit für den Verbraucher, sich an die von anderen Herstellern gefertigten Ersatzteile zu halten, um einer Preiserhöhung eines bestimmten Herstellers auszuweichen – geht die Kommission in Randnr. 25 der angefochtenen Entscheidung ein. Zweitens handelt es sich um die Frage, ob der Ersatzteilmarkt oder die Vielzahl der Ersatzteilmärkte als getrennte relevante Märkte zu behandeln sind oder ob sie zusammen mit dem Primärmarkt der Luxus- oder Prestigeuhren als ein einziger einheitlicher relevanter Markt zu untersuchen sind. Die mit dieser Frage zusammenhängenden Punkte – die die Möglichkeit für den Verbraucher betreffen, sich einem anderen Primärprodukt zuzuwenden, um einer Erhöhung des Preises für die Ersatzteile eines bestimmten Herstellers auszuweichen – werden von der Kommission in Randnr. 26 der angefochtenen Entscheidung geprüft.

84 An erster Stelle ist hinsichtlich der Möglichkeit für den Verbraucher, sich an die von den anderen Herstellern gefertigten Ersatzteile zu halten, von vornherein festzustellen, dass im Sinne der Rechtsprechung und der Bekanntmachung über die Definition des relevanten Marktes, die oben in den Randnrn. 67 bis 70 angeführt worden sind, die Frage des Bestehens einer solchen Möglichkeit und damit die Frage, ob es sich um einen einzigen Ersatzteilmarkt oder um mehrere, den Marken eigene Ersatzteilmärkte handelt, hauptsächlich davon abhängt, ob es einen hinreichenden Grad an Austauschbarkeit zwischen den von den verschiedenen Herstellern gefertigten Ersatzteilen gibt.

85 Dazu ergibt sich aus der angefochtenen Entscheidung, dass die Kommission beschloss, zur Austauschbarkeit zwischen den von den verschiedenen Herstellern gefertigten Ersatzteilen nicht ausdrücklich Stellung zu nehmen, indem sie sich auf die Feststellung in Randnr. 25 der angefochtenen Entscheidung beschränkte, dass die Klägerin „keine umfassende, genaue und kohärente Erläuterung des Ausmaßes und der Grenzen der Austauschbarkeit von Ersatzteilen für Luxus- oder Prestigeuhren geben konnte“.

86 Dieser Ansatz steht im Gegensatz zur vorläufigen Stellungnahme, in der die Kommission ausdrücklich bekräftigt hat, dass im Allgemeinen eine Austauschbarkeit zwischen den zu verschiedenen Marken gehörenden Ersatzteilen aufgrund der Unterschiede in Bezug auf Größe und Design sowie auf weitere Faktoren nicht gegeben sei. Nach der vorläufigen Stellungnahme sind somit die Hersteller von Luxus- oder Prestigeuhren die einzigen Lieferanten der spezifischen Ersatzteilsortimente für ihre eigenen Marken.

87 Auch die Streithelferin hat erklärt, dass sich die Einzelteile von Uhr zu Uhr unterschieden und dass ein großer Teil der Ersatzteile für ihre Uhren mangels Kompatibilität mit den Primärprodukten nicht mit den von anderen Herstellern gefertigten Teilen austauschbar sei.

88 Außerdem ergibt sich aus den Akten, dass die Klägerin im Verwaltungsverfahren Kopien der Entscheidung der schweizerischen Wettbewerbsbehörden in der Sache ETA SA Manufacture horlogère suisse (Sammlung von Entscheidungen und Verlautbarungen der schweizerischen Wettbewerbsbehörden, 2005/1, S. 128) und eine vorläufige Stellungnahme der niederländischen Wettbewerbsbehörde vom 12. Juli 2002 zu einer ihrer Beschwerde bei der Kommission ähnlichen Beschwerde beibrachte. Die niederländische Wettbewerbsbehörde war der Ansicht, dass „die Ersatzteile der betroffenen Uhren an die Marke gebunden und nicht austauschbar [seien]“, so dass es mehrere Märkte gebe, nämlich je einen Markt für die jeder einzelnen Marke eigenen spezifischen Ersatzteile. Die schweizerischen Wettbewerbsbehörden vertraten die Auffassung, dass die mit einer bestimmten Uhrenreihe kompatiblen Einzelteile der Uhren nicht Einzelteile ersetzen könnten, die mit anderen Reihen kompatibel seien, so dass die von ETA hergestellten Einzel- und Ersatzteile zu mehreren relevanten Märkten gehörten.

89 Unabhängig von der Frage, ob diese Gesichtspunkte von der Kommission in der angefochtenen Entscheidung zu berücksichtigen gewesen wären oder ob sie geeignet sind, die Beurteilung durch die Kommission zu entkräften, wurde die Möglichkeit für den Verbraucher, sich an die von einem anderen Hersteller gefertigten Ersatzteile zu halten, um einer Erhöhung des Preises für Ersatzteile auszuweichen, in der angefochtenen Entscheidung in keiner Weise festgestellt. Die Kommission durfte sich damit im Rahmen der Definition des hier relevanten Marktes nicht auf diese Hypothese stützen.

90 Außerdem ist nicht auszuschließen, dass die Kommission, wenn sie sich entschlossen hätte, zur Austauschbarkeit der Ersatzteile Stellung zu nehmen, insbesondere auf der Grundlage ihrer Beurteilung in der vorläufigen Stellungnahme und der tatsächlichen Gesichtspunkte, die in der Entscheidung der schweizerischen Wettbewerbsbehörden und in der vorläufigen Stellungnahme der niederländischen Wettbewerbsbehörde enthalten waren, zu dem Ergebnis gelangt wäre, dass im Allgemeinen keine Austauschbarkeit zwischen den zu den verschiedenen Marken gehörenden Ersatzteilen vorliege, so dass es einen wirksamen Wettbewerb zwischen den Ersatzteilen zumindest hinsichtlich der markeneigenen Teile nicht geben könne.

91 An zweiter Stelle ist die Feststellung der Kommission zu prüfen, dass die Verbraucher einer Erhöhung der Ersatzteilpreise ausweichen könnten, indem sie das Primärprodukt wechselten.

92 Nach der angefochtenen Entscheidung besteht diese Möglichkeit erstens sogar dann, wenn der Verbraucher bereits eine Luxus- oder Prestigeuhr besitze, weil diese einen hohen Gebrauchtwert auf dem Second-Hand-Markt haben könne. Außerdem werde diese Möglichkeit dadurch begünstigt, dass sie insbesondere keine Einarbeitung, keine Umstellung von Gewohnheiten, keine Installation und keine Software voraussetze.

93 Zunächst ist festzustellen, dass die Nachfrage nach den Ersatzteilen aufgrund der Komplexität der Reparatur und der Wartung der Uhren grundsätzlich nicht von den Benutzern der Uhren, sondern von den Fachleuten, die die betreffenden Dienstleistungen erbringen, ausgeht. Daher wäre aus der Sicht des Verbrauchers eine Erhöhung des Preises für die Ersatzteile im Regelfall im Preis für diese Dienstleistungen enthalten.

94 Sodann trägt die Kommission bei ihrer Analyse, die sie zu der Schlussfolgerung hinsichtlich der Möglichkeit für den Verbraucher, sich einem anderen Primärprodukt zuzuwenden, veranlasst, ihrer Feststellung in Randnr. 22der angefochtenen Entscheidung keinerlei Rechnung, wonach die Kosten der Kundendienstleistungen auf die Lebensdauer der Uhren gerechnet im Vergleich zu den Anschaffungskosten für die Luxus- oder Prestigeuhr selbst geringfügig seien und vom Verbraucher als ein vergleichsweise unwichtiger Bestandteil des Gesamtpreises angesehen würden.

95 Insoweit ergibt sich aus den auf Anforderung durch das Gericht vorgelegten Dokumenten und den Erläuterungen der Streithelferin, dass die Gesamtkosten für Reparatur und Wartung dieser Uhren auf einen Zeitraum von zehn Jahren gerechnet für die meisten Modelle 5 % des Kaufpreises für die neue Uhr nicht überschreiten. Außerdem ist der Preis für die Ersatzteile normalerweise in diesen Kosten enthalten, so dass er einen noch geringeren Prozentsatz des Kaufpreises für die neue Uhr ausmacht. Damit erweist sich, dass eine gemäßigte Erhöhung des Ersatzteilpreises ein Betrag bleibt, der im Vergleich zu dem Preis einer neuen Luxus- oder Prestigeuhr zu vernachlässigen ist.

96 Das allein ist aber geeignet, die Gültigkeit der Feststellung der Kommission zur Möglichkeit für den Verbraucher, sich einem anderen Primärprodukt zuzuwenden, in Frage zu stellen. Die Kommission tut nämlich nicht dar, dass sich der Verbraucher vernünftigerweise entscheiden könnte, sich einem anderen Primärprodukt zuzuwenden, um einer Erhöhung der Reparatur- und Wartungspreise auszuweichen, die sich aus einer gemäßigten Erhöhung der Ersatzteilpreise ergibt, wenn man berücksichtigt, dass der Kauf eines anderen Primärprodukts wesentlich höhere Kosten bedeutet.

97 Der Hinweis der Kommission auf das Bestehen eines Second-Hand-Marktes für die Uhren kann diese Lücke in ihrer Beurteilung nicht füllen. Sie begnügt sich in Randnr. 26 der angefochtenen Entscheidung mit der Aussage, dass es „grundsätzlich [möglich sei,] zu einem anderen Primärprodukt [zu] wechseln, und zwar hauptsächlich deshalb, weil viele Luxus-/Prestigeuhren einen hohen Gebrauchtwert auf zahlreichen Second-Hand-Märkten haben können“.

98 Sie stellt insoweit nicht fest, dass alle oder auch nur die meisten Luxus- oder Prestigeuhren einen hohen Gebrauchtwert auf dem Second-Hand-Markt hätten. So ist ausweislich der angefochtenen Entscheidung ein Verkauf einer Luxus- oder Prestigeuhr zu einem angemessenen Preis auf dem Second-Hand-Markt nur eine Möglichkeit. Außerdem hat die Kommission überhaupt nicht geprüft, ob selbst im Fall eines Verkaufs auf dem Second-Hand-Markt die Spanne zwischen dem erzielten und dem für eine andere Uhr gezahlten Preis – und damit der Verlust für den Verbraucher durch den Uhrenwechsel – unter dem Betrag bleibt, der gespart werden könnte, indem auf diese Weise einer gemäßigten Erhöhung des Ersatzteilpreises für eine bestimmte Marke ausgewichen wird.

99 Hinzu kommt, dass bei einer Uhr, um sie auf dem Second-Hand-Markt zu verkaufen, grundsätzlich sichergestellt werden muss, dass sie sich in gutem Zustand befindet. Deshalb muss der Verbraucher eine Uhr vor einem Verkauf grundsätzlich reparieren lassen, denn sonst muss der Käufer die Kosten für die Reparatur tragen, was sich jedenfalls auf den vom Verbraucher erzielten Verkaufspreis durchschlägt. Die Behauptung der Kommission, dass der Verbraucher einer Erhöhung der Ersatzteilpreise durch einen Verkauf seiner Uhr auf dem Second-Hand-Markt und durch den Kauf einer anderen Uhr ausweichen kann, entbehrt deshalb jeder Stichhaltigkeit, weil die etwaige Erhöhung des Ersatzteilpreises auf jeden Fall vom Verbraucher hingenommen werden muss.

100 Schließlich vertritt die Kommission in Randnr. 26 der angefochtenen Entscheidung die Auffassung, dass die Kosten eines Wechsels zu einem anderen Primärprodukt keinerlei Aufwand wie die Einarbeitung, die Umstellung von Gewohnheiten, eine Installation oder Software voraussetzten, was den Wechsel noch erleichtere.

101 Dazu ist festzustellen, dass die Kommission den Ersatzteilmarkt aus der Sicht des Endverbrauchers (des Benutzers der Uhr) betrachtete. Die Benutzung eines solchen Verbrauchsgutes setzt aber typischerweise keinen Aufwand in Bezug auf Einarbeitung, Umstellung von Gewohnheiten, Installationen oder Software voraus. Die Kommission kann somit nicht zutreffend davon ausgehen, dass die fehlende Notwendigkeit solchen Aufwands den Wechsel zu einem anderen Primärprodukt erleichtere.

102 Nach alledem hat die Kommission in Randnr. 26 der angefochtenen Entscheidung nicht dargetan, dass sich die Verbraucher, die bereits eine Luxus- oder Prestigeuhr besitzen, vernünftigerweise einem anderen Primärprodukt zuwenden können, um einer Erhöhung der Ersatzteilpreise auszuweichen. Die von ihr vorgebrachten Gesichtspunkte verweisen nur auf eine rein theoretische Möglichkeit des Übergangs zu einem anderen Primärprodukt, was für einen Nachweis für die Zwecke der Definition des relevanten Marktes nicht ausreicht. Diese Definition beruht nämlich auf der Vorstellung des Bestehens von wirksamem Wettbewerb, wobei vorausgesetzt wird, dass sich genügend Verbraucher tatsächlich an ein anderes Primärprodukt hielten, wenn der Ersatzteilpreis gemäßigt erhöht würde, so dass sich eine solche Erhöhung als nicht gewinnträchtig erwiese (siehe oben, Randnrn. 67, 69 und 70).

103 Zweitens ist die Auswirkung der Behauptung in Randnr. 26 und in Fußnote 27 der angefochtenen Entscheidung zu prüfen, wonach die Kaufinteressenten für Luxus- oder Prestigeuhren frei zwischen zahlreichen, miteinander in Wettbewerb stehenden Luxus- oder Prestigeuhrenmarken wählen könnten. Die Kommission hat dazu in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass die Überlegungen, die in der angefochtenen Entscheidung in Bezug auf die Verbraucher, die bereits eine Uhr besäßen, angeführt seien, nicht der Hauptgrund für ihre Schlussfolgerung betreffend die Definition des relevanten Marktes seien. Der Grund, weshalb der Primärmarkt und die Anschlussmärkte zusammen als ein einziger einheitlicher Markt („Systemmarkt“) zu behandeln seien, liege darin, dass die Preiserhöhungen auf den Anschlussmärkten die Verlagerung der Nachfrage hin zu den Produkten der anderen Hersteller auf dem Primärmarkt bewirkten, wodurch eine solche Erhöhung nicht gewinnträchtig sei.

104 Diese Herangehensweise steht in Einklang mit der Rechtsprechung, da bei der Definition des relevanten Marktes die Prüfung nicht allein auf die objektiven Eigenschaften der betreffenden Waren und Dienstleistungen beschränkt werden darf, sondern auch die Wettbewerbsbedingungen sowie die Struktur der Nachfrage und des Angebots auf dem Markt in Betracht gezogen werden müssen (siehe oben, Randnr. 67).

105 Allerdings ergibt sich aus der oben in Randnr. 67 angeführten Rechtsprechung und der Bekanntmachung über die Definition des relevanten Marktes, dass, damit der Primärmarkt und die Anschlussmärkte – gegebenenfalls als ein einziger einheitlicher Markt oder ein „Systemmarkt“ – zusammen geprüft werden können, in der von der Kommission ins Auge gefassten Fallgestaltung (siehe oben, Randnr. 103) erwiesen sein muss, dass sich genügend Verbraucher den anderen Primärprodukten zuwenden würden, wenn die Preise der Waren oder Dienstleistungen auf den Anschlussmärkten gemäßigt erhöht würden, so dass sich eine solche Erhöhung als nicht gewinnträchtig erwiese (vgl. in diesem Sinne auch Urteil des Gerichts vom 12. Dezember 1991, Hilti/Kommission, T?30/89, Slg. 1991, II?1439, Randnr. 75). Mit anderen Worten genügt, anders als die Kommission in Randnr. 26 und in Fußnote 27 der angefochtenen Entscheidung annimmt, allein die Möglichkeit für den Verbraucher, zwischen mehreren Marken des Primärprodukts zu wählen, nicht, um den Primärmarkt und die Anschlussmärkte als einen einzigen Markt zu behandeln, wenn nicht erwiesen ist, dass diese Wahl namentlich nach Maßgabe der Wettbewerbsbedingungen auf dem Sekundärmarkt getroffen wird.

106 Im vorliegenden Fall hat die Kommission aber in der angefochtenen Entscheidung nicht dargetan, dass die Preiserhöhungen eines einzelnen Herstellers auf den Anschlussmärkten irgendeine Auswirkung auf sein Absatzvolumen auf dem Primärmarkt hätten. Sie hat vielmehr im Gegenteil wiederholt betont, dass die Wartungs- und Reparaturkosten (in denen der Preis für die Ersatzteile enthalten ist) im Vergleich zu den Anschaffungskosten für die Luxus- oder Prestigeuhr selbst geringfügig und unwichtig seien (siehe oben, Randnr. 94). Nach der Aussage der Kommission in Fußnote 27 der angefochtenen Entscheidung bleiben diese Kosten verglichen mit dem Anschaffungspreis selbst dann geringfügig, wenn die ganze Lebensdauer des Produkts berücksichtigt werde, so dass wenig wahrscheinlich sei, dass die Kaufinteressenten diese Kosten für die gesamte Lebensdauer des Primärprodukts berechneten. Die Kommission schließt daraus in derselben Fußnote, dass „der Verbraucher die Kundendienstkosten bei der Entscheidung für eine Uhr nicht als Kriterium ansieht“.

107 Nach alledem hat die Kommission deshalb weder dargetan, dass die Verbraucher, die bereits eine Luxus- oder Prestigeuhr besitzen, vernünftigerweise zu einem anderen Primärprodukt wechseln können, um einer Erhöhung des Ersatzteilpreises auszuweichen, noch, dass im Allgemeinen der Ersatzteilpreis den Wettbewerb zwischen den Primärprodukten beeinflusst. Sie hat folglich nicht nachgewiesen, dass eine gemäßigte Erhöhung des Ersatzteilpreises durch einen bestimmten Hersteller eine Verlagerung der Nachfrage hin zu den Uhren der anderen Hersteller nach sich ziehen würde, so dass eine solche Erhöhung nicht gewinnträchtig wäre. Damit ist ihr ein offensichtlicher Beurteilungsfehler unterlaufen, als sie sie zusammen, als zu einem einzigen Markt gehörig, geprüft hat.

108 Dieses Ergebnis wird dadurch bestätigt, dass, wie sich aus der Entscheidung der schweizerischen Wettbewerbsbehörden in der Sache ETA SA Manufacture horlogère suisse ergibt, ETA der größte Hersteller von Einzel- und Ersatzteilen für Schweizer Uhren – einschließlich der Luxus- oder Prestigeuhren – ist. Dieses Unternehmen stellt jedoch keine ganzen Uhren her. Nach der Rechtsprechung liegt aber, wenn manche Wirtschaftsteilnehmer spezialisiert und nur auf dem Kundendienstmarkt eines Primärmarkts tätig sind, darin an sich ein ernstzunehmendes Indiz, dass ein eigener Markt besteht (vgl. in diesem Sinne entsprechend Urteil Hilti/Kommission, oben in Randnr. 105 angeführt, Randnr. 67).

109 Daher ist nicht auszuschließen, dass die Kommission ohne diesen Fehler und wenn sie ihrer Feststellung in der vorläufigen Stellungnahme zum allgemeinen Fehlen einer Austauschbarkeit zwischen den Ersatzteilen, die zu den verschiedenen Marken gehören, und den von der Klägerin dazu beigebrachten Gesichtspunkten (siehe oben, Randnrn. 86, 88 und 89) Rechnung getragen hätte, zu dem Ergebnis gekommen wäre, dass von den markeneigenen Ersatzteilen nach Maßgabe ihrer Austauschbarkeit gebildete getrennte relevante Märkte bestehen.

– Zur Prüfung des Marktes der Reparatur- und Wartungsdienstleistungen

110 In Bezug auf den Markt für die Dienstleistungen der Reparatur und Wartung der Uhren ist zu prüfen, ob die Schlussfolgerung der Kommission in Randnr. 17 der angefochtenen Entscheidung, dass dieser Markt nicht als getrennter relevanter Markt zu behandeln sei, durch die Ausführungen in den Randnrn. 19 bis 22 der angefochtenen Entscheidung gerechtfertigt ist.

111 In diesen Randnummern hat die Kommission folgende Feststellungen getroffen:

„(i) Wartung und Reparatur im Kundendienst

(19) Es scheint, dass die natürliche Marktentwicklung, die sich offenbar als eine wieder erstarkte Nachfrage nach komplexen mechanischen Uhrwerken im Sektor der Luxus-/Prestigeuhren darstellt, eine Mehrheit der Gruppen, die solche Uhren herstellen, zu einer Änderung ihrer Politik in dem Sinne veranlasst hat, dass sie die Wartung und Reparatur von Luxus-/Prestigeuhren nur innerhalb ihrer selektiven Vertriebssysteme zulassen. In den letzten 20 Jahren haben sich die Hersteller von Luxus-/Prestigeuhren diese spezifische Herangehensweise an die Erbringung solcher Kundendienstleistungen einer nach dem anderen und je nach der Konzentration jedes einzelnen Herstellers auf das Luxussegment zu eigen gemacht.

(20) Die Kommission hält fest, dass die Uhrenhersteller Wartung und Reparatur im Kundendienst als Nebendienstleistungen gegenüber dem Uhrenverkauf ansehen, was u. a. durch die Höhe ihrer Erträge auf diesem Markt belegt wird. Der entsprechende Wert ist unbedeutend und macht im Schnitt einen geringen Anteil der Gesamterträge aus. Außerdem betrachten die Hersteller von Luxus-/Prestigeuhren die Einrichtung eines beständigen und einheitlichen, qualitativ hochwertigen Kundendienstnetzwerks als wichtigen, von den Kunden nachgefragten Bestandteil und als wesentlichen und wichtigen Aspekt ihrer Wettbewerbsstrategie auf dem Primärmarkt. Den Herstellern zufolge würde der Wert des Primärprodukts für den Verbraucher verringert, wenn das Produktimage mit etwas anderem in Verbindung gebracht würde als mit einem markeneigenen, fachgerechten Kundendienst, der entweder von den Uhrenherstellern selbst oder in von ihnen zugelassenen Kundendienstzentren erbracht wird.

(21) Was die unabhängigen Uhrmacher betrifft, scheint es, dass sie nicht immer imstande sind, das qualitätsorientierte Auswahlkriterium zu erfüllen, das die Uhrenhersteller für ihre zugelassenen Reparaturstellen eingeführt haben … Überdies betreffen nach den Aussagen mancher Uhrenhersteller bis zu 30 % der in ihren Kundendienstzentren vorgenommenen Reparaturen Schäden, die durch untaugliche und schadhafte Reparaturen durch Uhrmacher entstanden seien, die nicht die geeigneten Kenntnisse und Fähigkeiten besäßen.

(22) Außerdem sei darauf hingewiesen, dass das betroffene Produkt auch insoweit eine Besonderheit aufweist, als die Kundendienstkosten für den Kunden auf die Lebensdauer einer Luxus-/Prestigeuhr gerechnet im Vergleich zu den Anschaffungskosten für die Uhr selbst geringfügig sind und vom Verbraucher deshalb als ein vergleichsweise unwichtiger Bestandteil des Preises für das ‚Gesamtpaket‘ angesehen werden.“

112 Erstens ist, wie dargelegt (siehe oben, Randnr. 108), wenn manche Wirtschaftsteilnehmer spezialisiert und nur auf dem mit dem Primärmarkt zusammenhängenden Markt oder dem Anschlussmarkt tätig sind, dies an sich ein ernstzunehmendes Indiz, dass ein eigener Markt besteht.

113 Die Klägerin brachte aber im Verwaltungsverfahren vor, der Umstand, dass die unabhängigen Uhrmacher, die einen Berufsstand bildeten, nicht auf dem Uhrenmarkt, sondern nur auf dem Markt für die Dienstleistungen der Reparatur und Wartung der Uhren tätig seien, stelle an sich einen Hinweis auf das Bestehen eines getrennten Marktes für diese Dienstleistungen dar. Die Kommission schenkte diesem von der Klägerin unterbreiteten ernstzunehmenden Indiz keine Beachtung.

114 Zweitens kann die Kommission, selbst wenn hier die Fallumstände in Anbetracht dessen sehr spezifisch sind, dass es sich zum einen um einen Produktmarkt und zum anderen um einen Markt für Kundendienstleistungen handelt, nicht davon absehen, der Rechtsprechung zur Definition des relevanten Marktes Rechnung zu tragen, wenn sie die Entscheidung trifft, den Anschlussmarkt zusammen mit dem Primärmarkt, gegebenenfalls als einen einzigen relevanten Markt, zu betrachten.

115 Mit Ausnahme des Hinweises, dass die Kundendienstkosten im Vergleich zu den Anschaffungskosten für eine Luxus- oder Prestigeuhr unbedeutend seien, greifen aber die von der Kommission in den Randnrn. 19 bis 22 der angefochtenen Entscheidung ausgeführten Überlegungen weder die Kriterien auf, die in der oben in Randnr. 67 wiedergegebenen Rechtsprechung genannt werden, noch im Übrigen die Kriterien, die in der Bekanntmachung über die Definition des relevanten Marktes enthalten sind (siehe oben, Randnrn. 68 bis 70).

116 Außerdem hat die Kommission nicht die Analyse durchgeführt, die sie für den oder die Ersatzteilmärkte am wichtigsten hielt, nämlich sinngemäß diejenige, mit der festgestellt werden soll, ob die Verbraucher einer Erhöhung des Preises der Reparatur- und Wartungsdienstleistungen ausweichen können, indem sie auf die Primärprodukte anderer Hersteller zurückgreifen.

117 Drittens ist zu beachten, dass nach Randnr. 22 der angefochtenen Entscheidung die Kundendienstkosten im Vergleich zu den Anschaffungskosten für die Uhr selbst geringfügig sind und dass nach Fußnote 27 der angefochtenen Entscheidung „der Verbraucher die Kundendienstkosten bei der Entscheidung für eine Uhr nicht als Kriterium ansieht“.

118 In Anbetracht dieser Gesichtspunkte und in Ermangelung weiterer Darlegungen in der angefochtenen Entscheidung, die die in der Rechtsprechung und in der Bekanntmachung über die Definition des relevanten Marktes aufgestellten Kriterien (oben in den Randnrn. 67 bis 70 angeführt) berücksichtigen würden, ist das Gericht der Ansicht, dass die Kommission weder dargetan hat, dass eine gemäßigte Preiserhöhung auf dem Dienstleistungsmarkt zu einer Verlagerung der Nachfrage auf dem Markt für Luxus- oder Prestigeuhren führen würde, die eine solche Erhöhung als nicht gewinnträchtig erscheinen lassen könnte, noch, dass ganz allgemein der Preis der Dienstleistungen den Wettbewerb zwischen den Primärprodukten beeinflusst.

119 Demnach durfte die Kommission auf der Grundlage ihrer Ausführungen in den Randnrn. 19 bis 22 der angefochtenen Entscheidung nicht zu dem Ergebnis gelangen, dass der Markt für die Dienstleistungen der Reparatur und Wartung der Uhren keinen getrennten relevanten Markt bilde, sondern vielmehr zusammen mit dem Markt der Luxus- oder Prestigeuhren zu prüfen sei. Der Kommission ist daher insoweit ein offensichtlicher Beurteilungsfehler unterlaufen.

120 Da die Feststellungen der Kommission, wonach der Markt für die Dienstleistungen der Reparatur und Wartung der Uhren und der oder die Ersatzteilmärkte keine getrennt zu prüfenden relevanten Märkte bildeten, mit offensichtlichen Beurteilungsfehlern behaftet sind, ist zu prüfen, ob die Kommission trotz dieser Mängel zulässigerweise zu dem Ergebnis gelangen konnte, dass es kein hinreichendes Gemeinschaftsinteresse für die Fortführung ihrer Untersuchung gebe.

121 Aus der angefochtenen Entscheidung ergibt sich klar, dass die geringe Wahrscheinlichkeit des Vorliegens von Zuwiderhandlungen gegen die Art. 81 EG und 82 EG zu den Hauptargumenten zählt, auf denen die Schlussfolgerung der Kommission in Bezug auf das fehlende Gemeinschaftsinteresse aufbaut. Somit ist zu prüfen, ob sich die falsche Definition des relevanten Marktes auf die Feststellungen der Kommission zur Wahrscheinlichkeit des Vorliegens von Zuwiderhandlungen gegen die gemeinschaftlichen Wettbewerbsregeln auswirken konnte.

3. Zum Verstoß gegen Art. 81 EG

Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

122 Die Klägerin macht geltend, die Schweizer Uhrenhersteller hätten sich tatsächlich verständigt, um die unabhängigen Uhrmacher vom gemeinschaftlichen Markt für die Dienstleistungen der Wartung und Reparatur der Uhren zu verdrängen, und damit gegen Art. 81 EG verstoßen. Außerdem habe die Kommission einen Fehler begangen, als sie in der Praxis, den unabhängigen Uhrmachern die Belieferung mit den Ersatzteilen zu verweigern, ein selektives Vertriebssystem gesehen habe, das in den Genuss der in der Verordnung Nr. 2790/1999 vorgesehenen Gruppenfreistellung komme.

123 Zu den Randnrn. 27 und 28 der angefochtenen Entscheidung, in denen die Kommission ausführt, sie habe keinen Beweis für das Vorliegen einer abgestimmten Verhaltensweise gefunden, macht die Klägerin geltend, dass sich das Vorliegen einer solchen Verhaltensweise im Regelfall nicht durch unmittelbare Beweise, sondern durch Indizien erweise. Im vorliegenden Fall habe sie aber insoweit im Verwaltungsverfahren mehrere Indizien zur Sprache gebracht. Sie habe vorgebracht, dass erstens die meisten Schweizer Uhrenhersteller die Belieferung mit Ersatzteilen während eines bestimmten Zeitraums eingestellt hätten, dass zweitens fast alle Hersteller, gegen die sich die Beschwerde richte, zu gut organisierten Hersteller-„Gruppen“ gehörten und dass sie sich drittens alle regelmäßig träfen, um als Mitglieder der Fédération horlogère suisse (FHS) strategische Fragen zu besprechen. Die Kommission habe diesen Gesichtspunkten aber keine Beachtung geschenkt und sich damit begnügt, die Dauer des Zeitraums in Abrede zu stellen, während dessen sich die Schweizer Uhrenhersteller tatsächlich geweigert hätten, die Belieferung mit Ersatzteilen fortzusetzen (angefochtene Entscheidung, Randnr. 16). Selbst dieses In-Abrede-Stellen durch die Kommission sei nicht begründet, da die Klägerin ihr ein Dokument vorgelegt habe, aus dem die zeitliche Konzentration der umstrittenen Weigerungen in einem bestimmten Mitgliedstaat hervorgehe.

124 Jedenfalls sei die Kommission fälschlicherweise zu dem Ergebnis gelangt, dass die fragliche Verhaltensweise in den Genuss einer Freistellung von der Regelung des Art. 81 Abs. 1 EG habe kommen können, weil die in Art. 81 Abs. 3 EG vorgesehenen Voraussetzungen in ihrer Ausprägung durch die Verordnung Nr. 2790/1999 nicht erfüllt seien.

125 Die Kommission macht geltend, dass sie, wie sie in den Randnrn. 27 und 28 der angefochtenen Entscheidung erklärt habe, bei ihrer Untersuchung keinen Beweis für das Bestehen einer abgestimmten Verhaltensweise oder einer Vereinbarung zwischen den Herstellern von Luxus? oder Prestigeuhren gefunden habe. Die Klägerin habe ihr keine zuverlässige Information übermittelt, auf die sie sich hätte stützen können, um einen Verstoß gegen Art. 81 EG festzustellen. Ganz im Gegenteil herrsche auf dem Primärmarkt der Uhren Wettbewerb, was von der Klägerin nicht bestritten werde.

126 In Bezug auf das von der Klägerin vorgelegte Dokument zur zeitlichen Konzentration der Weigerungen betont die Kommission, es sei von der Klägerin selbst ohne nähere Quellenangabe verfasst worden und betreffe nur einen einzigen Mitgliedstaat. Folglich habe es nur schwachen Beweiswert. Jedenfalls zeige es die progressive Verweigerung der Belieferung mit Uhrenersatzteilen von 1985-2008, was eine natürliche Marktentwicklung widerspiegle.

127 Das von den Schweizer Uhrenherstellern eingerichtete selektive Vertriebssystem stehe im Einklang mit der Verordnung Nr. 2790/1999, und es gebe keinerlei Beweis für das Vorliegen von Verhaltensweisen, die gegen Art. 4 Buchst. a dieser Verordnung verstießen. Dass die Schweizer Uhrenhersteller ihr Verhalten geändert hätten, indem sie sich für ein qualitätsgestütztes selektives Vertriebssystem entschieden hätten, ergebe sich voll und ganz aus der Marktdynamik und entspreche den Ansprüchen der Verbraucher und dem Ziel der Hersteller, höchstwertige Dienstleistungen sicherzustellen.

128 Die Streithelferin bringt vor, die Behauptung der Klägerin in Bezug auf die zeitliche Konzentration der Weigerungen – über einen Zeitraum von „mehr oder weniger zwei Jahren“ vor Einreichung der Beschwerde – sei sachlich falsch.

129 Im Übrigen schließt sich die Streithelferin der Feststellung der Kommission an, dass die Qualität der Kundendienstleistungen, die von den unabhängigen Uhrmachern erbracht würden, Gegenstand von mehr Beschwerden sei als die Qualität der Reparaturen, die von den zugelassenen Einzelhändlern oder dem Hersteller selbst durchgeführt würden.

Würdigung durch das Gericht

130 Erstens ist zur Rüge der Klägerin in Bezug auf das Bestehen einer Absprache zwischen den Schweizer Uhrenherstellern festzustellen, dass es der Klägerin nicht gelungen ist, darzutun, dass die Feststellung der Kommission in Randnr. 28 der angefochtenen Entscheidung, wonach die Klägerin nichts beigebracht habe, was das Bestehen einer Absprache oder einer abgestimmten Verhaltensweise mit dem Ziel der Verdrängung der unabhängigen Uhrmacher vom Markt für die Dienstleistungen der Reparatur und Wartung der Luxus- oder Prestigeuhren vermuten lasse, mit einem Rechtsverstoß behaftet wäre.

131 Insbesondere zeigt das Dokument mit dem Titel „Fortschreiten der Weigerung“, dass 1985 nur drei Marken die Belieferung mit Ersatzteilen verweigerten, diese Zahl 1990 auf fünf angestiegen war, 1995 auf 15, 2000 auf 35, 2005 auf 38 und schließlich 2008 auf 50.

132 Deshalb stärkt selbst dieses von der Klägerin verfasste Dokument eher den Standpunkt der Kommission, dass das Fortschreiten der Weigerung nicht das Ergebnis einer Absprache war, sondern einer Abfolge unabhängig getroffener Geschäftsentscheidungen der Schweizer Uhrenhersteller.

133 Zweitens bringt die Klägerin vor, die Praxis des selektiven Vertriebs der Ersatzteile – die die Verweigerung der Belieferung der unabhängigen Uhrmacher mit solchen Teilen und für die an dem Netz beteiligten Unternehmen das Verbot der Lieferung dieser Teile an Wirtschaftsteilnehmer außerhalb des Netzes mit sich bringe – sei eine Verhaltensweise, die gegen Art. 81 EG verstoße, und könne nicht in den Genuss der Gruppenfreistellung nach der Verordnung Nr. 2790/1999 kommen.

134 Art. 2 Abs. 1 dieser Verordnung sieht Folgendes vor:

„Artikel 81 Absatz 1 [EG] wird gemäß Artikel 81 Absatz 3 [EG] unter den in dieser Verordnung genannten Voraussetzungen für unanwendbar erklärt auf Vereinbarungen oder aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen zwischen zwei oder mehr Unternehmen, von denen jedes zwecks Durchführung der Vereinbarung auf einer unterschiedlichen Produktions- oder Vertriebsstufe tätig ist, und welche die Bedingungen betreffen, zu denen die Parteien bestimmte Waren oder Dienstleistungen beziehen, verkaufen oder weiterverkaufen können (im Folgenden ‚vertikale Vereinbarungen‘ genannt).

Die Freistellung gilt, soweit diese Vereinbarungen Wettbewerbsbeschränkungen enthalten, die unter Artikel 81 Absatz 1 [EG] fallen (im Folgenden ‚vertikale Beschränkungen‘ genannt).“

135 Nach Art. 3 dieser Verordnung „gilt die Freistellung nach Artikel 2 nur, wenn der Anteil des Lieferanten an dem relevanten Markt, auf dem er die Vertragswaren oder -dienstleistungen verkauft, 30 % nicht überschreitet“.

136 Außerdem heißt es in Randnr. 94 der Leitlinien für vertikale Beschränkungen (ABl. 2000, C 291, S. 1):

„Ein Hersteller, der sowohl Originalausrüstungen als auch die entsprechenden Reparatur- und Ersatzteile produziert, dürfte auf dem Anschlussmarkt (Reparatur- und Ersatzteile für seine Ausrüstungen) oftmals auch der einzige oder wichtigste Lieferant sein. … Relevant im Sinne der [Verordnung Nr. 2790/1999] können hier entweder ein das Ersatzteilgeschäft einschließender Erstausrüstermarkt oder zwei getrennte Märkte – der Erstausrüster? und der Anschlussmarkt – sein; dies hängt vom jeweiligen Sachverhalt (z. B. der Wirkung der jeweiligen Beschränkung, der Lebensdauer der Ausrüstung oder der Höhe der Reparatur- bzw. Austauschkosten) ab.“

137 Hier gelangte die Kommission in Randnr. 33 der angefochtenen Entscheidung insoweit zu folgender Schlussfolgerung:

„… Wie bereits ausgeführt, hat die Analyse, die die Kommission für die Zwecke des vorliegenden Verfahrens unternommen hat, zu dem Ergebnis geführt, dass der Anschlussmarkt für Ersatzteile nicht als vom Primärmarkt getrennter Markt anzusehen ist. Demzufolge geht es darum, die Gesamtmarktmacht eines einzelnen Uhrenherstellers zu beurteilen, und es sind insbesondere seine Stellung und seine Stärke auf dem Primärmarkt zu berücksichtigen. Unter Berücksichtigung dessen, dass bei keinem der von der Beschwerde betroffenen Uhrenhersteller ersichtlich ist, dass er entweder eine beherrschende Stellung auf dem Primärmarkt innehat oder dass sein Marktanteil höher ist als 30 %, scheint es daher, dass sie in den Genuss der Gruppenfreistellungsverordnung kommen könnten.“

138 Wie dargelegt, ist nicht auszuschließen, dass die Kommission ohne den oben in Randnr. 107 festgestellten offensichtlichen Beurteilungsfehler zu dem Ergebnis gekommen wäre, dass von den markeneigenen Ersatzteilen nach Maßgabe ihrer Austauschbarkeit gebildete getrennte relevante Märkte bestehen.

139 Die angefochtene Entscheidung enthält jedoch keinen Nachweis dessen, dass der Marktanteil der Schweizer Uhrenhersteller auch auf den Märkten der markeneigenen Ersatzteile unter 30 % lag.

140 Unter diesen Umständen ist nicht auszuschließen, dass die Kommission ohne den oben in Randnr. 107 festgestellten offensichtlichen Beurteilungsfehler und wenn sie in der angefochtenen Entscheidung ihrer Feststellung in der vorläufigen Stellungnahme gefolgt wäre, nach der die Hersteller von Luxus- oder Prestigeuhren die einzigen Lieferanten der spezifischen Ersatzteilsortimente für ihre eigenen Marken seien, zu dem Ergebnis gekommen wäre, dass eine Freistellung nach der Verordnung Nr. 2790/1999 in Anbetracht von deren Art. 3 nicht in Betracht komme.

141 Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission in Randnr. 43 der angefochtenen Entscheidung unter der Überschrift „Ergebnis“ in Bezug auf die geringe Wahrscheinlichkeit eines Verstoßes gegen Art. 81 EG durch die selektiven Vertriebssysteme außer der Anwendbarkeit der Gruppenfreistellung nach der Verordnung Nr. 2790/1999 keine weiteren Gesichtspunkte nennt. Das Gericht ist daher der Ansicht, dass dieser Gesichtspunkt insoweit ausschlaggebend war.

142 Mithin haftet der oben in Randnr. 107 festgestellte offensichtliche Beurteilungsfehler auch der Schlussfolgerung der Kommission hinsichtlich der geringen Wahrscheinlichkeit eines Verstoßes gegen Art. 81 EG an.

4. Zum Verstoß gegen Art. 82 EG

Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

143 Die Klägerin bringt zu den Feststellungen der Kommission in den Randnrn. 39 bis 42 der angefochtenen Entscheidung vor, die Kommission habe in der vorläufigen Stellungnahme das Bestehen einer beherrschenden Stellung oder eines Monopols der einzelnen Schweizer Uhrenhersteller in Bezug auf deren markeneigene Ersatzteile anerkannt. Indem diese Hersteller die weitere Belieferung mit ihren Ersatzteilen verweigert hätten, hätten sie einen Missbrauch begangen.

144 Dass auf dem Schweizer Uhrenmarkt nach Ansicht der Kommission Wettbewerb herrsche, sei ohne Bedeutung für die Wettbewerbsbedingungen auf dem Markt der Wartungs- und Reparaturdienstleistungen, der im vorliegenden Fall als ein getrennter relevanter Markt hätte behandelt werden müssen. Auf dem letztgenannten Markt herrsche abgesehen von einem bestimmten Grad an Restwettbewerb zwischen den unabhängigen Uhrmachern und den Schweizer Uhrenherstellern kein Wettbewerb mehr. Die Praxis der Schweizer Uhrenhersteller, die weitere Belieferung mit Ersatzteilen zu verweigern, bezwecke die Beseitigung selbst dieses Restwettbewerbs.

145 Die Kommission betont, dass nach ihrer Analyse der Uhrenmarkt der Primärmarkt sei, von dem der Anschlussmarkt der Uhrenersatzteile völlig abhänge. Auf dem Uhrenmarkt herrsche hinreichend Wettbewerb, und nichts belege das Bestehen einer kollektiven beherrschenden Stellung der Schweizer Uhrenhersteller und noch viel weniger den Missbrauch einer beherrschenden Stellung.

146 Die Streithelferin bringt vor, sie nehme keine beherrschende Stellung auf dem Primärmarkt ein. Auch die Voraussetzungen, die für die Feststellung einer kollektiven beherrschenden Stellung erforderlich seien, lägen nicht vor.

Würdigung durch das Gericht

147 In Randnr. 41 der angefochtenen Entscheidung vertritt die Kommission folgende Ansicht:

„Was … die Anschlussmärkte betrifft, wurde schon festgestellt, dass es … unwahrscheinlich scheint, dass sie einen Markt bilden, der auf anderer Grundlage zu beurteilen wäre, so dass die Frage der beherrschenden Stellung auf ihnen nicht getrennt vom Primärmarkt zu beurteilen ist. …“

148 In Randnr. 44 der angefochtenen Entscheidung führt die Kommission unter der Überschrift „Ergebnis“ aus:

„… [Die] Analyse hat zu der Prima-facie-Schlussfolgerung geführt, dass die Anschlussmärkte im vorliegenden Fall keine getrennten Märkte bilden und deshalb eine kollektive oder individuelle beherrschende Stellung auf den geprüften Anschlussmärkten nicht zu bestehen scheint. In Ermangelung einer beherrschenden Stellung stellt sich die Frage des Missbrauchs nicht mehr.“

149 Wie bereits oben in Randnr. 109 ausgeführt worden ist, kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Kommission ohne den oben in Randnr. 107 festgestellten offensichtlichen Beurteilungsfehler davon ausgegangen wäre, dass die markeneigenen Ersatzteile nach Maßgabe ihrer Austauschbarkeit getrennte relevante Märkte bildeten.

150 Die angefochtene Entscheidung enthält keinerlei Analyse der Stellung der Schweizer Uhrenhersteller auf den Märkten ihrer markeneigenen Ersatzteile. So ist die Kommission in der angefochtenen Entscheidung nicht von ihrer Feststellung in der vorläufigen Stellungnahme abgerückt, dass die Hersteller von Luxus- oder Prestigeuhren die einzigen Lieferanten der spezifischen Ersatzteilsortimente für ihre eigenen Marken seien, und sie hat auch nicht Stellung zur Behauptung der Klägerin bezogen, dass die Schweizer Uhrenhersteller auf den Märkten ihrer markeneigenen Ersatzteile eine beherrschende Stellung einnähmen.

151 Daher ist nicht auszuschließen, dass die Kommission, wenn sie zu dem Ergebnis gekommen wäre, dass die markeneigenen Ersatzteile getrennte relevante Märkte bildeten, und deshalb die Stellung der Schweizer Uhrenhersteller auf diesen Märkten geprüft hätte, auf ihre Feststellung in der vorläufigen Stellungnahme zurückgekommen wäre, nach der die Hersteller von Luxus- oder Prestigeuhren die einzigen Lieferanten der spezifischen Ersatzteilsortimente für ihre eigenen Marken seien. Also kann nicht ausgeschlossen werden, dass sie auf dieser Grundlage festgestellt hätte, dass diese Hersteller zumindest in Bezug auf bestimmte Sortimente ihrer Ersatzteile, die relevante Märkte bilden, eine beherrschende Stellung oder gar ein Monopol innehatten.

152 Da sich die Kommission für ihre Schlussfolgerung einer geringen Wahrscheinlichkeit von Zuwiderhandlungen gegen Art. 82 EG auf das Fehlen einer beherrschenden Stellung der Schweizer Uhrenhersteller stützte, haftet der im Zusammenhang mit der Definition des relevanten Marktes begangene offensichtliche Beurteilungsfehler auch dieser Schlussfolgerung an.

5. Zur Beurteilung in Bezug auf ein hinreichendes Gemeinschaftsinteresse für die Fortführung der Untersuchung

Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

153 Nach Ansicht der Klägerin sind die Feststellungen der Kommission in Randnr. 9 der angefochtenen Entscheidung zur begrenzten Auswirkung der behaupteten Zuwiderhandlung auf das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes, zur Komplexität der erforderlichen Untersuchung und zur begrenzten Wahrscheinlichkeit der Feststellung von Zuwiderhandlungen falsch oder werden zumindest mit keinem Beweis oder Argument unterlegt. Insbesondere die Behauptung der begrenzten Auswirkung der behaupteten Zuwiderhandlungen sei falsch, wenn man berücksichtige, dass ein handwerklicher Berufsstand in der Union vom Aussterben bedroht sei.

154 Außerdem stütze die Kommission in Randnr. 14 der angefochtenen Entscheidung, obwohl sie einräume, dass sie „nicht überzeugt [ist], dass der Markt für Luxus-/Prestigeuhren im vorliegenden Fall ein relevanter (Primär-)Markt ist“, ihre Beurteilung gleichwohl auf diese Definition. Auch habe sie in Ermangelung einer Abgrenzung des relevanten Marktes nicht ohne Denkfehler zu dem Ergebnis kommen können, dass „es keinen Hinweis darauf gibt, dass dieser Markt in seinem Funktionieren gestört wird“.

155 Die Kommission habe auch außer Acht gelassen, dass das geltend gemachte wettbewerbswidrige Verhalten alle Mitgliedstaaten betreffe, so dass sie am Besten in der Lage sei, Maßnahmen zur Wiederherstellung eines gesunden Wettbewerbs auf dem Gemeinsamen Markt zu erlassen. Die Klägerin bezieht sich auf die Rechtsprechung zu der Frage, ob die Kommission mit dem Verweis der beschwerdeführenden Partei auf die nationalen Gerichte dem Umfang des Schutzes Rechnung trägt, der von den Letztgenannten gewährt werden kann. Im vorliegenden Fall könne aber die Entscheidung einer einzigen nationalen Behörde oder eines einzigen nationalen Gerichts insbesondere deshalb nichts an den Wettbewerbsstörungen ändern, weil nicht alle Schweizer Uhrenmarken in allen Mitgliedstaaten vertreten seien.

156 Die Kommission verweist auf das Urteil Ufex u. a./Kommission (oben in Randnr. 28 angeführt, Randnr. 79). Sie macht geltend, das hinreichende Gemeinschaftsinteresse für die Fortsetzung einer Untersuchung sei anhand eines Gewichtungskriteriums zu beurteilen. In Anwendung dieses Kriteriums sei sie befugt, die Schlussfolgerung zu ziehen, dass eine Beschwerde kein hinreichendes Gemeinschaftsinteresse dafür aufweise, dass eine sie betreffende Untersuchung fortgeführt werde, was auf der Grundlage eines einzigen Faktors oder einer Kombination verschiedener Faktoren geschehen könne. Da bei der Bewertung des einer Beschwerde zukommenden Gemeinschaftsinteresses auf die Umstände des Einzelfalls abzustellen sei, sei es weder angebracht, die Zahl der Beurteilungskriterien, die sie heranziehen könne, einzuschränken, noch ihr umgekehrt die ausschließliche Anwendung bestimmter Kriterien vorzuschreiben.

Würdigung durch das Gericht

157 Nach ständiger Rechtsprechung kann die Kommission, wenn sie beschließt, den bei ihr eingereichten Beschwerden unterschiedliche Prioritäten einzuräumen, die Reihenfolge festlegen, in der die Beschwerden geprüft werden, und als Prioritätskriterium das Gemeinschaftsinteresse heranziehen, das eine Sache verkörpert (Urteil Tremblay u. a./Kommission, oben in Randnr. 27 angeführt, Randnr. 60; vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 18. September 1992, Automec/Kommission, T?24/90, Slg. 1992, II?2223, Randnrn. 83 bis 85).

158 Bei der Würdigung des Gemeinschaftsinteresses an der Fortführung der Untersuchung einer Sache muss die Kommission die Umstände des konkreten Falles und insbesondere die tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte berücksichtigen, die in der bei ihr eingereichten Beschwerde vorgebracht werden. Sie hat insbesondere die Bedeutung der behaupteten Zuwiderhandlung für das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes, die Wahrscheinlichkeit des Nachweises ihres Vorliegens und den Umfang der notwendigen Ermittlungsmaßnahmen gegeneinander abzuwägen, um ihre Aufgabe der Überwachung der Einhaltung der Art. 81 EG und 82 EG bestmöglich zu erfüllen (vgl. in diesem Sinne Urteile Automec/Kommission, oben in Randnr. 157 angeführt, Randnr. 86, Tremblay u. a/Kommission, oben in Randnr. 27 angeführt, Randnr. 62, und Sodima/Kommission, oben in Randnr. 27 angeführt, Randnr. 46).

159 Insoweit hat das Gericht vor allem festzustellen, ob sich aus der Entscheidung ergibt, dass die Kommission das Ausmaß der möglicherweise von der behaupteten Zuwiderhandlung ausgehenden Beeinträchtigung des Funktionierens des Gemeinsamen Marktes, die Wahrscheinlichkeit, die Zuwiderhandlung nachweisen zu können, und den Umfang der Ermittlungen, die notwendig sind, um ihre Aufgabe der Überwachung der Einhaltung der Art. 81 EG und 82 EG bestmöglich zu erfüllen, gegeneinander abgewogen hat (vgl. Urteil Sodima/Kommission, oben in Randnr. 27 angeführt, Randnr. 46 und die dort angeführte Rechtsprechung).

160 Außerdem darf nach der oben in Randnr. 65 angeführten Rechtsprechung die vom Unionsrichter vorgenommene Kontrolle über die Ausübung des Ermessens bei der Behandlung von Beschwerden durch die Kommission nicht dazu führen, dass er seine Beurteilung des Gemeinschaftsinteresses an die Stelle der Beurteilung durch die Kommission setzt, sondern dass mit der Kontrolle überprüft werden soll, ob die umstrittene Entscheidung nicht auf unzutreffenden Tatsachenfeststellungen beruht und ob sie nicht mit einem Rechtsfehler, einem offensichtlichen Beurteilungsfehler oder einem Ermessensmissbrauch behaftet ist.

161 Schließlich ist auch darauf hinzuweisen, dass ein offensichtlicher Beurteilungsfehler nicht ausreichen kann, um die Nichtigerklärung der streitigen Entscheidung zu rechtfertigen, wenn er unter den konkreten Umständen des jeweiligen Falles das Ergebnis nicht entscheidend hat beeinflussen können (Urteil des Gerichts vom 12. September 2007, UFEX u. a./Kommission, T?60/05, Slg. 2007, II?3397, Randnr. 77; vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 14. Mai 2002, Graphischer Maschinenbau/Kommission, T?126/99, Slg. 2002, II?2427, Randnrn. 48 und 49). Auch braucht die Kommission, um ihrer Begründungspflicht nachzukommen, nur die Tatsachen und die rechtlichen Erwägungen anzuführen, denen in der Systematik der Entscheidung eine wesentliche Bedeutung zukommt (vgl. Urteil des Gerichts vom 4. September 2009, Italien/Kommission, T?211/05, Slg. 2009, II?0000, Randnr. 68 und die dort angeführte Rechtsprechung).

162 Daher ist zu prüfen, welche Bedeutung die Erwägungen in der Systematik der angefochtenen Entscheidung haben, die nicht hinreichend begründet sind (siehe oben, Randnr. 49), bei denen erhebliche Gesichtspunkte trotz der Verpflichtung der Kommission zur aufmerksamen Prüfung aller ihr von der Beschwerdeführerin zur Kenntnis gebrachten tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte nicht berücksichtigt wurden (siehe oben, Randnr. 33) und hinsichtlich deren offensichtliche Beurteilungsfehler vorliegen (siehe oben, Randnrn. 107 und 119), um festzustellen, ob diese Rechtsverstöße die von der Kommission vorgenommene Abwägung der Bedeutung der behaupteten Zuwiderhandlung für das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes, der Wahrscheinlichkeit des Nachweises der Zuwiderhandlung und des Umfangs der notwendigen Ermittlungsmaßnahmen berühren konnten.

163 Dazu ist darauf hinzuweisen, dass die Feststellung der Kommission in Bezug auf das Fehlen eines hinreichenden Gemeinschaftsinteresses für die Fortführung der Untersuchung auf vier wesentlichen Erwägungen beruht. Erstens betreffe die Beschwerde nur einen Markt oder Marktausschnitt von begrenzter Größe, so dass sich deren wirtschaftliche Bedeutung ebenfalls in Grenzen halte. Zweitens könne die Kommission auf der Grundlage der ihr bekannten Gegebenheiten nicht auf das Vorliegen einer Absprache oder einer abgestimmten Verhaltensweise schließen, und es sei unwahrscheinlich, dass die von den Schweizer Uhrenherstellern eingerichteten selektiven Vertriebssysteme nicht von der Gruppenfreistellung nach der Verordnung Nr. 2790/1999 gedeckt seien. Drittens sei, da die beiden Anschlussmärkte keine getrennten Märkte bildeten, keine beherrschende Stellung ersichtlich, so dass sich die Frage nach dem Vorliegen eines Missbrauchs nicht stelle. Viertens bleibe es in Anbetracht dessen, wie die Kommission die behaupteten Zuwiderhandlungen beurteile, selbst bei einer Zuteilung zusätzlicher Mittel für die Untersuchung der Beschwerde wenig wahrscheinlich, dass eine Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln festgestellt werde. Jedenfalls erschienen, selbst wenn Zuwiderhandlungen festgestellt werden könnten, die nationalen Wettbewerbsbehörden und Gerichte als geeignete Anlaufstellen für deren Behandlung (siehe oben, Randnrn. 8 bis 11).

164 Das Gericht ist an erster Stelle der Ansicht, dass die Erwägung, dass die Beschwerde nur einen Markt oder Marktausschnitt von begrenzter Größe betreffe, so dass sich deren wirtschaftliche Bedeutung ebenfalls in Grenzen halte, eine wichtige Rolle bei der von der Kommission vorgenommenen Abwägung der Faktoren spielte, die zu würdigen waren, um festzustellen, ob ein hinreichendes Gemeinschaftsinteresse für die Fortführung der Untersuchung vorlag. Diese Erwägung leidet aber an einem Begründungsmangel und einem Verstoß gegen die Pflicht zur Berücksichtigung aller erheblichen rechtlichen und tatsächlichen Gesichtspunkte und zur aufmerksamen Prüfung aller dieser ihr von der Klägerin zur Kenntnis gebrachten Gesichtspunkte (siehe oben, Randnr. 49).

165 An zweiter Stelle ist darauf hinzuweisen, dass aufgrund der offensichtlichen Beurteilungsfehler der Kommission bei der Definition des relevanten Marktes auch ihren Schlussfolgerungen hinsichtlich der geringen Wahrscheinlichkeit des Vorliegens von Zuwiderhandlungen gegen die Art. 81 EG und 82 EG ein Mangel anhaftet.

166 Die Aussage der Kommission in Randnr. 14 der angefochtenen Entscheidung, dass sie „nicht überzeugt [ist], dass der Markt für Luxus?/Prestigeuhren im vorliegenden Fall ein relevanter (Primär?)Markt ist“, und dass jedenfalls eine genaue Abgrenzung des relevanten Marktes nicht erforderlich sei, da „es keinen Hinweis darauf gibt, dass dieser Markt in seinem Funktionieren gestört wird“, kann diesen Rechtsverstößen nicht abhelfen.

167 Wie bereits dargelegt, hat die Kommission in Randnr. 33 der angefochtenen Entscheidung (siehe oben, Randnr. 137) Folgendes ausgeführt:

„…[D]ie Analyse … [hat] zu dem Ergebnis geführt, dass der Anschlussmarkt für Ersatzteile nicht als vom Primärmarkt getrennter Markt anzusehen ist. Demzufolge geht es darum, die Gesamtmarktmacht eines einzelnen Uhrenherstellers zu beurteilen, und es sind insbesondere seine Stellung und seine Stärke auf dem Primärmarkt zu berücksichtigen. Unter Berücksichtigung dessen, dass bei keinem der von der Beschwerde betroffenen Uhrenhersteller ersichtlich ist, dass er entweder eine beherrschende Stellung auf dem Primärmarkt innehat oder dass sein Marktanteil höher ist als 30 %, scheint es daher, dass sie in den Genuss der Gruppenfreistellungsverordnung kommen könnten.“

168 In Randnr. 44 der angefochtenen Entscheidung (siehe oben, Randnr. 148) hat die Kommission zudem ausgeführt:

„… [Die] Analyse hat zu der Prima-facie-Schlussfolgerung geführt, dass die Anschlussmärkte im vorliegenden Fall keine getrennten Märkte bilden und deshalb eine … beherrschende Stellung auf den geprüften Anschlussmärkten nicht zu bestehen scheint. In Ermangelung einer beherrschenden Stellung stellt sich die Frage des Missbrauchs nicht mehr.“

169 Aus der angefochtenen Entscheidung ergibt sich deshalb klar, dass sich die Kommission auf die Prima-facie-Marktdefinition stützte, um ihre Schlussfolgerung hinsichtlich der geringen Wahrscheinlichkeit des Vorliegens der Zuwiderhandlungen gegen die Art. 81 EG und 82 EG zu unterlegen, und auf diese Schlussfolgerung, um ihre Feststellung in Bezug auf das Fehlen von Anzeichen für Störungen auf dem betreffenden Markt zu begründen. Die Kommission kann sich also nicht mit Erfolg darauf berufen, sie habe den relevanten Markt wegen des Fehlens von Hinweisen auf Marktstörungen nicht definieren müssen, denn ihre Feststellung betreffend das Fehlen solcher Störungen beruhte gerade auf der von ihr gleichwohl vorgenommenen Definition des relevanten Marktes.

170 Ebenso wenig können die Rechtsverstöße der Kommission bei der Definition des relevanten Marktes durch ihre Aussage in Randnr. 18 der angefochtenen Entscheidung geheilt werden, wonach, „selbst wenn [die Anschlussmärkte] als getrennte relevante Märkte anzusehen wären, der Umstand, dass auf dem Primärmarkt Wettbewerb zu herrschen scheint, etwaige wettbewerbswidrige Wirkungen sehr unwahrscheinlich [macht]. Insbesondere sind Preiserhöhungen auf den Anschlussmärkten wegen ihrer Folgen für den Absatz auf dem Primärmarkt eher nicht gewinnträchtig, sofern nicht die Preise auf dem Primärmarkt herabgesetzt werden, um die höheren Preise auf den Anschlussmärkten auszugleichen.“

171 Die Kommission belegt nämlich ihre Behauptung, dass „Preiserhöhungen auf den Anschlussmärkten wegen ihrer Folgen für den Absatz auf dem Primärmarkt eher nicht gewinnträchtig [sind]“, weder mit einer Analyse noch mit irgendeinem Beweis. Sie spricht im Gegenteil in der angefochtenen Entscheidung einen Gesichtspunkt an, der diese Behauptung in Frage stellt, wenn sie hervorhebt, dass „der Verbraucher die Kundendienstkosten bei der Entscheidung für eine Uhr nicht als Kriterium ansieht“. Dieser Gesichtspunkt hat nämlich die logische Folge, dass die Erhöhung der Preise für diese Dienstleistungen – oder der im Preis für diese Dienstleistungen enthaltenen Preise für die Ersatzteile – keine Auswirkung auf die Nachfrage nach den Markenuhren hat, die die Preise auf den Anschlussmärkten steigen lässt (siehe oben, Randnr. 106).

172 An dritter Stelle ist, da der Kern der Erwägungen, auf denen die Schlussfolgerung der Kommission hinsichtlich des Fehlens eines hinreichenden Gemeinschaftsinteresses für die Fortführung der Untersuchung beruht, an einem Begründungsmangel, an der Nichtberücksichtigung eines in der Beschwerde vorgebrachten erheblichen Gesichtspunkts und an offensichtlichen Beurteilungsfehlern leidet, zu prüfen, ob der einzig verbleibende triftige Grund, dass die nationalen Wettbewerbsbehörden und Gerichte geeignete Anlaufstellen für die Untersuchung und Behandlung der etwaigen Zuwiderhandlungen gegen die Art. 81 EG und 82 EG seien, für sich die Schlussfolgerung der Kommission hinsichtlich des Fehlens eines hinreichenden Gemeinschaftsinteresses rechtfertigen kann.

173 Nach der Rechtsprechung ist die Kommission, wenn die Wirkungen der in einer Beschwerde behaupteten Zuwiderhandlungen im Wesentlichen nur im Hoheitsgebiet eines einzigen Mitgliedstaats spürbar sind und wenn der Beschwerdeführer hinsichtlich dieser Zuwiderhandlungen den Rechtsweg zu den zuständigen Gerichten und Verwaltungsbehörden dieses Mitgliedstaats beschritten hat, berechtigt, die Beschwerde wegen fehlenden Gemeinschaftsinteresses zurückzuweisen, wofür jedoch Voraussetzung ist, dass die Rechte des Beschwerdeführers von den nationalen Stellen ausreichend geschützt werden können, was bedeutet, dass diese in der Lage sein müssen, die tatsächlichen Gesichtspunkte für die Feststellung zusammenzutragen, ob die fraglichen Verhaltensweisen gegen die vorgenannten Bestimmungen des Vertrags verstoßen (Urteil des Gerichts vom 3. Juli 2007, Au lys de France/Kommission, T?458/04, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 83; vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts, Automec/Kommission, oben in Randnr. 157 angeführt, Randnrn. 89 bis 96).

174 Auch ist darauf hinzuweisen, dass die früheren Rechtssachen, in denen sich das Gericht bereits zu einem Vorbringen der Kommission im Zusammenhang mit der angeblichen Möglichkeit für die Beschwerdeführer, Rechtsschutz vor den nationalen Behörden und Gerichten zu erlangen, zu äußern hatte, Fälle betrafen, in denen die von den jeweiligen Beschwerdeführern beanstandeten Verhaltensweisen in ihrem Ausmaß im Wesentlichen auf das Hoheitsgebiet eines einzigen Mitgliedstaats beschränkt waren und die genannten Behörden oder Gerichte bereits angerufen worden waren (Urteile des Gerichts vom 24. Januar 1995, BEMIM/Kommission, T?114/92, Slg. 1995, II?147, Randnrn. 76 und 77, Tremblay u. a./Kommission, oben in Randnr. 27 angeführt, Randnrn. 73 und 74, AEPI/Kommission, oben in Randnr. 26 angeführt. Randnr. 46, und UFEX u. a./Kommission, oben in Randnr. 161 angeführt, Randnr. 157).

175Im vorliegenden Fall dagegen hat die Kommission, selbst wenn sie hinsichtlich des Ausmaßes der von der Klägerin beanstandeten Verhaltensweise auf leichte Abweichungen zwischen den verschiedenen Mitgliedstaaten verweist, zugestanden, dass diese Verhaltensweise gebietlich mindestens fünf Mitgliedstaaten betrifft, und sie bestreitet weder, dass sie im gesamten Unionsgebiet besteht, noch bestätigt sie es.

176 Daher reicht im vorliegenden Fall, selbst wenn, wie von der Kommission in Randnr. 8 der angefochtenen Entscheidung ausgeführt, die nationalen Behörden und Gerichte geeignete Anlaufstellen für die Behandlung der etwaigen Zuwiderhandlungen, die Gegenstand der Beschwerde sind, sein sollten, diese Erwägung allein nicht aus, um die abschließende Schlussfolgerung der Kommission hinsichtlich des Fehlens eines hinreichenden Gemeinschaftsinteresses zu tragen. Die beanstandete Verhaltensweise besteht nämlich in mindestens fünf Mitgliedstaaten, vielleicht sogar in allen, und ist Unternehmen zuzurechnen, die ihren Gesellschaftssitz und ihre Fertigungsstätten außerhalb der Union haben, was darauf hindeutet, dass ein Vorgehen auf Unionsebene wirksamer sein könnte als eine Vielzahl von Initiativen auf nationaler Ebene.

177 Nach alledem sind die von der Kommission begangenen Rechtsverstöße so geartet, dass sie ihre Beurteilung in Bezug auf das Bestehen eines hinreichenden Gemeinschaftsinteresses für die weitere Prüfung der Beschwerde berühren.

178 Die angefochtene Entscheidung ist daher für nichtig zu erklären, ohne dass die weiteren Klagegründe und Argumente der Klägerin sowie ihr Antrag auf Entfernung einer Stelle der Antwort der Kommission auf die schriftlichen Fragen des Gerichts aus den Akten geprüft zu werden brauchen.

Kosten

179 Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Besteht der unterliegende Teil aus mehreren Personen, so entscheidet das Gericht über die Verteilung der Kosten.

180 Da im vorliegenden Fall die Kommission und die Streithelferin unterlegen sind, sind der Streithelferin außer ihren eigenen Kosten die der Klägerin durch die Streithilfe entstandenen Kosten und der Kommission außer ihren eigenen Kosten die übrigen Kosten der Klägerin gemäß deren Antrag aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Vierte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Entscheidung C(2008) 3600 der Kommission vom 10. Juli 2008 in der Sache COMP/E 1/39097 wird für nichtig erklärt.

2. Die Richemont International SA trägt außer ihren eigenen Kosten die Kosten, die der Confédération européenne des associations d’horlogers-réparateurs (CEAHR) durch die Streithilfe entstanden sind.

3. Die Europäische Kommission trägt außer ihren eigenen Kosten die übrigen Kosten der CEAHR.

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