EuG, Urteil vom 03.06.2015, Az. T-604/13
Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 207/2009
Das EuG hat entschieden, dass für die Wortmarke „101“ ein Eintragungshindernis für die Waren „Bekleidungsstücke; Schuhwaren; Kopfbedeckungen“ bestehen könnte, da eine Verwechslungsgefahr zu der bereits eingetragenen Marke „501“ möglicherweise vorliegt. Sowohl schriftbildlich, klanglich und begrifflich sei ein gewisser Grad an Ähnlichkeit der Zeichen vorhanden, der zuvor vom HABM nicht berücksichtigt worden sei. Zum Volltext der Entscheidung:
URTEIL DES GERICHTS (Fünfte Kammer)
In der Rechtssache T?604/13
Levi Strauss & Co. mit Sitz in Newcastle, Kalifornien (Vereinigte Staaten), Prozessbevollmächtigte: zunächst Rechtsanwältinnen V. von Bomhard und J. Schmitt, dann Rechtsanwältin V. von Bomhard,
Klägerin,
gegen
Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM), vertreten durch G. Schneider und M. Fischer als Bevollmächtigte,
Beklagter,
andere Beteiligte des Verfahrens vor der Beschwerdekammer des HABM und Streithelferin im Verfahren vor dem Gericht:
L&O Hunting Group GmbH mit Sitz in Isny im Allgäu (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwältinnen K. Kuck, K. Landes und G. Müllejans,
Streithelferin,
betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Zweiten Beschwerdekammer des HABM vom 6. September 2013 (Sache R 1538/2012?2) zu einem Widerspruchsverfahren zwischen der Levi Strauss & Co. und der L&O Hunting Group GmbH
erlässt
DAS GERICHT (Fünfte Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten A. Dittrich, des Richters J. Schwarcz (Berichterstatter) und der Richterin V. Tomljenovi?,
Kanzler: J. Weychert, Verwaltungsrätin,
aufgrund der am 20. November 2013 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift,
aufgrund der am 10. April 2014 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung des HABM,
aufgrund der am 3. April 2014 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung der Streithelferin,
auf die mündliche Verhandlung vom 25. Februar 2015
folgendes
Urteil
Vorgeschichte des Rechtsstreits
1 Am 14. Oktober 2010 meldete die Blaser Finanzholding GmbH, nunmehr L&O Hunting Group GmbH, die Streithelferin, gemäß der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. L 78, S. 1) beim Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM) eine Gemeinschaftsmarke an.
2 Bei der angemeldeten Marke handelt es sich um das Wortzeichen 101.
3 Die Marke wurde für Waren in den Klassen 18, 25 und 35 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung angemeldet, darunter folgende Waren in Klasse 25: „Bekleidungsstücke; Schuhwaren; Kopfbedeckungen“.
4 Die Anmeldung wurde im Blatt für Gemeinschaftsmarken Nr. 232/2010 vom 10. Dezember 2010 veröffentlicht.
5 Am 10. März 2011 erhob die Klägerin, die Levi Strauss & Co., gemäß Art. 41 der Verordnung Nr. 207/2009 Widerspruch gegen die Eintragung der angemeldeten Marke für die oben in Rn. 3 genannten Waren.
6 Der Widerspruch wurde auf die ältere Gemeinschaftswortmarke 501 gestützt, die am 7. September 1998 unter der Nr. 26708 u. a. für „Bekleidungsstücke; Schuhwaren; Kopfbedeckungen“ in Klasse 25 eingetragen worden war.
7 Der Widerspruch bezog sich auf alle von der vorstehend in Rn. 6 genannten Marke erfassten Waren und war gegen die oben in Rn. 3 genannten Waren gerichtet.
8 Für den Widerspruch wurden die Widerspruchsgründe des Art. 8 Abs. 1 Buchst. b und des Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 207/2009 geltend gemacht.
9 Mit Entscheidung vom 18. Juni 2012 wies die Widerspruchsabteilung den Widerspruch zurück, wobei sie zu dem Ergebnis gelangte, dass genügend Unterschiede zwischen den einander gegenüberstehenden Zeichen bestünden, um, selbst unter Berücksichtigung der erhöhten Kennzeichnungskraft oder des Bekanntheitsgrads der älteren Marke, jede Verwechslungsgefahr zu vermeiden, und dass in Anbetracht der schwachen Kennzeichnungskraft der Bestandteile der einander gegenüberstehenden Zeichen die zwischen ihnen bestehenden Ähnlichkeiten wenig geeignet seien, beim durchschnittlichen Verbraucher die ältere Marke in Erinnerung zu rufen, so dass die Kennzeichnungskraft der älteren Marke durch die angemeldete Marke nicht in unlauterer Weise ausgenutzt werden könne.
10 Am 17. August 2012 legte die Klägerin gemäß den Art. 58 bis 64 der Verordnung Nr. 207/2009 beim HABM Beschwerde gegen die Entscheidung der Widerspruchsabteilung ein.
11 Mit Entscheidung vom 6. September 2013 wies die Zweite Beschwerdekammer des HABM die Beschwerde zurück (im Folgenden: angefochtene Entscheidung).
12 In der angefochtenen Entscheidung (Rn. 19 bis 22) ging die Beschwerdekammer davon aus, dass die maßgeblichen Verkehrskreise aus normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchern der Union bestünden. Es sei nicht bestritten worden, dass die fraglichen Waren identisch seien. Beim visuellen Vergleich der einander gegenüberstehenden Zeichen nahm sie an, dass deren jeweils unterschiedliche erste Ziffer und die symmetrische Wirkung, die vom Zeichen der angemeldeten Marke hervorgerufen werde, eine solche Auswirkung auf den Gesamteindruck dieser Zeichen hätten, dass ihre Gemeinsamkeiten ausgeglichen würden (Rn. 24 bis 30 der angefochtenen Entscheidung). In klanglicher Hinsicht wirke sich der Unterschied am Anfang der beiden Zeichen auf den klanglichen Gesamteindruck so aus, dass er ihre gemeinsamen Bestandteile überwiege (Rn. 31 und 32). Sowohl in bildlicher als auch in klanglicher Hinsicht seien die einander gegenüberstehenden Zeichen insgesamt nicht ähnlich. Schließlich unterschieden sich die fraglichen Zeichen in begrifflicher Hinsicht (Rn. 33). Die klaren Unterschiede zwischen ihnen seien ausreichend, um trotz der erhöhten Kennzeichnungskraft der älteren Marke eine Verwechslungsgefahr „mit Sicherheit“ auszuschließen (Rn. 34 bis 41). In Anbetracht des Umstands, dass kein solcher Grad der Ähnlichkeit zwischen den fraglichen Zeichen bestehe, dass die maßgeblichen Verkehrskreise eine gedankliche Verbindung zwischen ihnen herstellten, sei eine der drei kumulativ zu erfüllenden Voraussetzungen für die Anwendung des Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 207/2009 nicht erfüllt und eine Prüfung der weiteren Voraussetzungen nicht erforderlich.
Verfahren und Anträge der Parteien
13 Die Klägerin beantragt,
– die angefochtene Entscheidung aufzuheben;
– dem HABM und, für den Fall einer Beteiligung der Streithelferin am Verfahren, dieser die Kosten aufzuerlegen.
14 Das HABM beantragt,
– die Klage abzuweisen;
– der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.
15 Die Streithelferin beantragt,
– die Klage abzuweisen;
– der Klägerin die Kosten einschließlich der Kosten der Streithelferin aufzuerlegen.
16 Die Klägerin hat nach Art. 135a der Verfahrensordnung des Gerichts beantragt, sie in der mündlichen Verhandlung anzuhören und eine Entscheidung nach Abschluss des mündlichen Verfahrens zu erlassen. Das Gericht hat diesem Antrag stattgegeben.
Rechtliche Würdigung
17 Die Klägerin stützt ihre Klage auf zwei Gründe. Mit dem ersten Klagegrund macht sie einen Verstoß gegen Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 und mit dem zweiten einen Verstoß gegen Art. 8 Abs. 5 dieser Verordnung geltend.
18 Der erste Klagegrund ist vorrangig zu prüfen.
19 Nach Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 ist die angemeldete Marke auf Widerspruch des Inhabers einer älteren Marke von der Eintragung ausgeschlossen, „wenn wegen ihrer Identität oder Ähnlichkeit mit der älteren Marke und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfassten Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen in dem Gebiet besteht, in dem die ältere Marke Schutz genießt; dabei schließt die Gefahr von Verwechslungen die Gefahr ein, dass die Marke mit der älteren Marke gedanklich in Verbindung gebracht wird“.
20 Nach ständiger Rechtsprechung liegt eine Verwechslungsgefahr dann vor, wenn das Publikum glauben könnte, dass die betreffenden Waren oder Dienstleistungen aus demselben Unternehmen oder gegebenenfalls aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen (vgl. entsprechend Urteile vom 29. September 1998, Canon, C?39/97, Slg, EU:C:1998:442, Rn. 29, und vom 22. Juni 1999, Lloyd Schuhfabrik Meyer, C?342/97, Slg, EU:C:1999:323, Rn. 17). Nach dieser Rechtsprechung ist das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr umfassend gemäß der Wahrnehmung der betreffenden Zeichen und der betreffenden Waren oder Dienstleistungen durch das maßgebliche Publikum und unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des Einzelfalls zu beurteilen (vgl. Urteil vom 9. Juli 2003, Laboratorios RTB/HABM – Giorgio Beverly Hills [GIORGIO BEVERLY HILLS], T?162/01, Slg, EU:T:2003:199, Rn. 30 und 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).
21 Diese umfassende Beurteilung impliziert eine gewisse Wechselbeziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen. So kann ein geringer Grad der Ähnlichkeit der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden und umgekehrt (Urteile vom 13. September 2007, Il Ponte Finanziaria/HABM, C?234/06 P, Slg, EU:C:2007:514, Rn. 48, und GIORGIO BEVERLY HILLS, oben in Rn. 20 angeführt, EU:T:2003:199, Rn. 32).
22 Für die Anwendung des Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 setzt eine Verwechslungsgefahr voraus, dass Identität oder Ähnlichkeit zwischen den einander gegenüberstehenden Marken und Identität oder Ähnlichkeit der mit ihnen gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen besteht. Hierbei handelt es sich um kumulativ zu erfüllende Voraussetzungen (vgl. Urteil vom 22. Januar 2009, Commercy/HABM – easyGroup IP Licensing [easyHotel], T?316/07, Slg, EU:T:2009:14, Rn. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung).
23 Nach der Rechtsprechung ist bei der umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr auf einen normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher der in Frage stehenden Art von Waren abzustellen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Aufmerksamkeit des Durchschnittsverbrauchers je nach Art der betreffenden Waren oder Dienstleistungen unterschiedlich hoch sein kann (vgl. Urteil vom 13. Februar 2007, Mundipharma/HABM – Altana Pharma [RESPICUR], T?256/04, Slg, EU:T:2007:46, Rn. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung).
24 Im Licht dieser Erwägungen ist zu prüfen, ob die Beschwerdekammer den Widerspruch zu Recht zurückgewiesen hat.
Zu den maßgeblichen Verkehrskreisen
25 Der angefochtenen Entscheidung zufolge handelt es sich bei den maßgeblichen Verkehrskreisen, da die ältere Marke eine Gemeinschaftsmarke ist, um den normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher aller Mitgliedstaaten der Union. Die Klägerin stellt die Definition der maßgeblichen Verkehrskreise durch die Beschwerdekammer nicht in Frage.
26 Auch ist die Beschwerdekammer zu Recht davon ausgegangen, dass das maßgebliche Publikum aus Durchschnittsverbrauchern in der Union bestehe.
Zum Vergleich der Waren
27 Es ist festzustellen, dass die Klägerin nicht der Schlussfolgerung der Beschwerdekammer entgegentritt, dass zwischen den mit der angemeldeten Marke beanspruchten Waren der Klasse 25 und den mit der älteren Marke gekennzeichneten Waren derselben Klasse Identität bestehe.
28 Da es sich der angefochtenen Entscheidung zufolge bei den von den einander gegenüberstehenden Marken gekennzeichneten Waren der Klasse 25 gerade um die gleichen Waren handelt (vgl. die Rn. 3 und 6 des vorliegenden Urteils), ist die Beschwerdekammer zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass diese Waren identisch seien.
Zum Vergleich der Zeichen
29 Die Klägerin trägt vor, die Beschwerdekammer habe den Umstand überbewertet, dass die einander gegenüberstehenden Zeichen mit verschiedenen Ziffern begännen, und ignoriert, dass zwei der drei Ziffern, aus denen sie bestünden, identisch seien und sich an derselben Position befänden. Ein Unterschied in einer einzigen Ziffer genüge in bildlicher und klanglicher Hinsicht nicht, um die Gefahr einer Verwechslung auszuschalten. Die Beschwerdekammer habe sich nicht auf die Regel stützen können, dass bei kurzen Zeichen Unterschiede eher geeignet seien, einen unterschiedlichen Gesamteindruck hervorzurufen; vielmehr hätte sie eine Gesamtwürdigung vornehmen und dabei den Bekanntheitsgrad der älteren Marke berücksichtigen müssen. Außerdem habe die Beschwerdekammer verkannt, dass der Grundsatz, dass das Schwergewicht auf die am Anfang der Zeichen platzierten Elemente zu legen sei, nicht immer die Feststellung einer Unähnlichkeit zulasse.
30 Das HABM vertritt die Auffassung, für die Gesamtbewertung der Zeichenähnlichkeit müsse auf die vorherrschende Vermarktungsform für die Waren abgestellt werden, da bildliche, klangliche und begriffliche Aspekte nicht immer dasselbe Gewicht hätten. Bei Bekleidung nehme der Verbraucher die Waren visuell wahr. Unterschiede im Bild könnten daher in einem solchen Wirtschaftssektor eine bestehende größere klangliche Ähnlichkeit neutralisieren. Zudem nehme der Verbraucher die Marke visuell als Ganzes wahr, ohne sie zu buchstabieren oder zu zerlegen. Die miteinander verglichenen Waren unterschieden sich u. a. aufgrund ihres im einen Fall symmetrischen und im anderen Fall asymmetrischen Aspekts grundlegend.
31 Die Streithelferin macht geltend, bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der miteinander verglichenen Zeichen sei der von ihnen hervorgerufene Gesamteindruck zu berücksichtigen. Beim bildlichen Vergleich habe die Beschwerdekammer zu Recht die unterschiedliche Struktur der verglichenen Zeichen berücksichtigt, von denen eines symmetrisch und das andere asymmetrisch zusammengesetzt sei, und dieser deutliche Unterschied präge den von der angemeldeten Marke hervorgerufenen Gesamteindruck. Die Beschwerdekammer habe auch den Umstand zutreffend beurteilt, dass die einander gegenüberstehenden Zeichen kurz seien und kleine Unterschiede den von ihnen hervorgerufenen Gesamteindruck ändern könnten. Was den klanglichen Aspekt angehe, würden die einander gegenüberstehenden Zeichen durch die Aussprache der Anfangsziffern voneinander unterschieden, zumal es sich bei diesen bei vollständiger Aussprache der Zeichen um den am stärksten betonten Teil handele. Schließlich unterschieden sich die einander gegenüberstehenden Zeichen auch in begrifflicher Hinsicht.
Zur bildlichen Ähnlichkeit
32 Im Rahmen des bildlichen Vergleichs der einander gegenüberstehenden Zeichen hat die Beschwerdekammer ausgeführt, der Unterschied bei der jeweils ersten Ziffer der Zeichen sowie die durch das Zeichen der angemeldeten Marke hervorgerufene Symmetriewirkung wirkten sich so stark auf den Gesamteindruck dieser Zeichen aus, dass dadurch die Gemeinsamkeiten ihrer Merkmale ausgeglichen würden (Rn. 24 bis 30 der angefochtenen Entscheidung). Die einander gegenüberstehenden Zeichen seien daher in bildlicher Hinsicht insgesamt nicht ähnlich.
33 Um zu dieser Schlussfolgerung zu gelangen, hat sich die Beschwerdekammer insbesondere auf die Rechtsprechung gestützt, wonach das Publikum umso eher in der Lage ist, die Unterschiede zwischen den einander gegenüberstehenden Zeichen wahrzunehmen, je kürzer ein Zeichen ist, so dass solche Unterschiede einen unterschiedlichen Gesamteindruck vermitteln können (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 6. Juli 2004, Grupo El Prado Cervera/HABM – Héritiers Debuschewitz [CHUFAFIT], T?117/02, Slg, EU:T:2004:208, Rn. 48, vom 20. April 2005, Krüger/HABM – Calpis [CALPICO], T?273/02, Slg, EU:T:2005:134, Rn. 39, und vom 21. Februar 2013, Esge/HABM – De’Longhi Benelux [KMIX], T?444/10, EU:T:2013:89, Rn. 27) bzw. wonach der Verbraucher seine Aufmerksamkeit im Allgemeinen auf den Wortanfang richtet (Urteile vom 13. Februar 2007, Ontex/HABM – Curon Medical [CURON], T?353/04, EU:T:2007:47, Rn. 67, und vom 23. Mai 2007, Henkel/HABM – SERCA [COR], T?342/05, EU:T:2007:152, Rn. 39).
34 Wie es die Beschwerdekammer in der angefochtenen Entscheidung getan hat, ist daran zu erinnern, dass der Durchschnittsverbraucher eine Marke normalerweise als Ganzes wahrnimmt und nicht auf die verschiedenen Einzelheiten achtet (Urteile GIORGIO BEVERLY HILLS, oben in Rn. 20 angeführt, EU:T:2003:199, Rn. 33, und vom 28. Juni 2005, Canali Ireland/HABM – Canal Jean [CANAL JEAN CO. NEW YORK], T?301/03, Slg, EU:T:2005:254, Rn. 50). Das gilt umso mehr, wenn, wie im vorliegenden Fall, die Marke kurz ist oder aus ganz wenigen Elementen besteht.
35 Bei den miteinander verglichenen Zeichen handelt es sich um Zahlen, die jeweils aus drei Ziffern bestehen, von denen wiederum die letzten beiden identisch sind und damit, wie die Klägerin hervorgehoben hat, in den Zeichen an derselben Position stehen. Der einzige Unterschied zwischen den verglichenen Zeichen besteht in ihrer jeweils ersten Ziffer, nämlich der Ziffer 5 in der älteren und der Ziffer 1 in der angemeldeten Marke. Zwar kann, wie das HABM vorträgt, die visuelle Wahrnehmung eines Zeichens intensiver sein, wenn das Zeichen kurz ist, und können damit auch geringe Unterschiede nicht übersehen werden, doch kann dies nicht ohne Weiteres zu der Feststellung führen, dass eine bildliche Ähnlichkeit zwischen den verglichenen Zeichen nicht bestehe. Nach der in Rn. 33 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung kann in einem Fall wie dem vorliegenden nur dann das Fehlen einer bildlichen Ähnlichkeit angenommen werden, wenn die in den verglichenen Zeichen festgestellten Unterschiede einen unterschiedlichen Gesamteindruck vermitteln können.
36 In Rn. 30 der angefochtenen Entscheidung ist die Beschwerdekammer lediglich zu der Feststellung gelangt, dass die verglichenen Zeichen in visueller Hinsicht insgesamt nicht ähnlich seien, wobei sie sich sowohl darauf gestützt hat, dass die jeweils erste Ziffer der verglichenen Zeichen unterschiedlich sei, als auch darauf, dass das Zeichen 101 symmetrisch und das Zeichen 501 asymmetrisch sei, was sich auf den Gesamteindruck auswirke, wodurch die Gemeinsamkeiten der Merkmale dieser Zeichen eindeutig ausgeglichen würden.
37 Im Zuge dieser Bewertung hat die Beschwerdekammer jedoch nicht festgestellt, dass die verglichenen Zeichen bei den maßgeblichen Verkehrskreisen einen unterschiedlichen Gesamteindruck hervorriefen.
38 Im Bekleidungssektor überwiegt nämlich angesichts der Art und Weise der Vermarktung der betreffenden Waren der bildliche Aspekt im Stadium der Prüfung des Vorliegens der Gefahr einer Verwechslung zwischen den miteinander verglichenen Zeichen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 14. Oktober 2003, Philipps-Van Heusen/HABM – Pash Textilvertrieb und Einzelhandel [BASS], T?292/01, Slg, EU:T:2003:264, Rn. 55, und vom 6. Oktober 2004, New Look/HABM – Naulover [NLSPORT, NLJEANS, NLACTIVE und NLCollection], T?117/03 bis T?119/03 und T?171/03, Slg, EU:T:2004:293, Rn. 49), da die Kaufentscheidung normalerweise das Ergebnis einer Inaugenscheinnahme der Ware ist, wobei die Marke als Ganzes wahrgenommen wird, ohne wie eine Abkürzung oder eine Buchstabenfolge buchstabiert zu werden, wie das HABM selbst einräumt. Daraus lässt sich ableiten, dass eine Unähnlichkeit zwischen zwei Zeichen, die auf einem von drei Bestandteilen, aus denen sie zusammengesetzt sind, beruht, ohne die Feststellung weiterer, besonderer Umstände keinen unterschiedlichen Gesamteindruck für die miteinander verglichenen Zeichen hervorrufen kann. Zum einen sind aber die verglichenen Zeichen hinsichtlich ihrer jeweils zweiten und dritten Ziffer, d. h. der Ziffern 0 und 1, identisch. Zum anderen richtet der Verbraucher nach der in Rn. 33 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung seine Aufmerksamkeit im Allgemeinen zwar auf den Wortanfang, doch kann die Feststellung eines Unterschieds in der ersten Ziffer der verglichenen Zeichen nicht als besonderer Umstand angesehen werden, der für sich genommen ohne weitere spezifische Charakterisierung dieser Ziffer die Grundlage für einen unterschiedlichen Gesamteindruck der verglichenen Zeichen bilden könnte.
39 Was die angenommene unterschiedliche Struktur der verglichenen Zeichen angeht, auf die sich das HABM beruft, nämlich eine symmetrische, „binäre“ Struktur beim Zeichen 101 und eine asymmetrische Struktur beim Zeichen 501, enthält die angefochtene Entscheidung nichts, was den Schluss zuließe, dass – unterstellt, die Analyse der Beschwerdekammer sei in diesem Punkt erheblich – ein solcher Unterschied von den maßgeblichen Verkehrskreisen eindeutig als ein solcher und nicht nur als Darstellung verschiedener Zahlen wahrgenommen wird, bei denen zwei der drei Ziffern, aus denen sie zusammengesetzt sind, übereinstimmen, und dass er bei diesen Verkehrskreisen, wenn sie die verglichenen Zeichen betrachten, einen unterschiedlichen Gesamteindruck hervorrufen kann.
40 Daher ist festzustellen, dass die Beschwerdekammer einen Beurteilungsfehler begangen hat, indem sie zu der Schlussfolgerung gelangt ist, dass die verglichenen Zeichen in visueller Hinsicht insgesamt nicht ähnlich seien. Vielmehr weisen diese Zeichen einen gewissen Grad an Ähnlichkeit im Bild auf.
Zur klanglichen Ähnlichkeit
41 Die Beschwerdekammer hat in den Rn. 31 und 32 der angefochtenen Entscheidung die Auffassung vertreten, dass sich der Unterschied am Anfang der einander gegenüberstehenden Zeichen auf den klanglichen Gesamteindruck auswirke, der ihre Gemeinsamkeiten überwiege. Die einander gegenüberstehenden Zeichen seien daher insgesamt nicht ähnlich.
42 Im Rahmen der Beurteilung der klanglichen Ähnlichkeit der verglichenen Zeichen hat sich die Beschwerdekammer zu Recht insbesondere auf die Rechtsprechung berufen, wonach der Grad der klanglichen Ähnlichkeit zwischen zwei Marken von geringerer Bedeutung ist, wenn es sich um Waren handelt, die auf eine solche Weise vermarktet werden, dass die maßgeblichen Verkehrskreise, wie es bei den hier fraglichen Waren der Fall ist, bei ihrem Erwerb die sie kennzeichnenden Marken optisch wahrnehmen (vgl. in diesem Sinne Urteile BASS, oben in Rn. 38 angeführt, EU:T:2003:264, Rn. 55, und NLSPORT, NLJEANS, NLACTIVE und NLCollection, oben in Rn. 38 angeführt, EU:T:2004:293, Rn. 49).
43 In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass die Klägerin der Feststellung einer herabgesetzten Bedeutung des Grades der klanglichen Ähnlichkeit der verglichenen Zeichen nicht entgegentritt. Sie macht allerdings insbesondere geltend, dass bei einer Aussprache der verglichenen Zeichen deren gemeinsame Teile die längeren seien. Das gelte für die Aussprache im Deutschen wie im Französischen, wobei im Französischen die angemeldete Marke klanglich vollständig von der älteren Marke umfasst werde. Dieses Vorbringen wird vom HABM und von der Streithelferin nicht bestritten und kann auch nicht mit Erfolg bestritten werden, da es sich als sachlich richtig erweist. So lässt sich zwar nicht leugnen, dass, wie die Beschwerdekammer in Rn. 31 der angefochtenen Entscheidung ausgeführt hat, der klangliche Unterschied am Anfang der einander gegenüberstehenden Zeichen von den maßgeblichen Verkehrskreisen leicht wahrgenommen und beachtet werden kann; jedoch hat die Beschwerdekammer damit unter Berücksichtigung der Ausführungen der Klägerin, deren Richtigkeit feststeht, nicht dargetan, dass der von den verglichenen Zeichen hervorgerufene Gesamteindruck durch diesen Unterschied dermaßen geprägt wird, dass der Schluss auf eine Unähnlichkeit der Zeichen in klanglicher Hinsicht zulässig wäre.
44 Daher ist festzustellen, dass die Beschwerdekammer einen Beurteilungsfehler begangen hat, indem sie zu der Schlussfolgerung gelangt ist, dass die einander gegenüberstehenden Zeichen in klanglicher Hinsicht insgesamt nicht ähnlich seien, da sie einen geringen Grad an klanglicher Ähnlichkeit aufwiesen.
Zur begrifflichen Ähnlichkeit
45 Es ist darauf hinzuweisen, dass die Beschwerdekammer sich die Beurteilung der Widerspruchsabteilung zu eigen gemacht hat, wonach die verglichenen Zeichen keinen gemeinsamen Bedeutungsgehalt hätten, da Ziffern als solche keine Bedeutung vermittelten. Sie hat diese Bewertung durch die Bemerkung ergänzt, dass, selbst wenn man davon ausginge, dass Ziffern einen Bedeutungsgehalt vermittelten, die verglichenen Zeichen doch unterschiedlich wären, da sie aus zwei verschiedenen konkreten Zahlen bestünden.
46 Es trifft zwar zu, dass die verglichenen Zeichen, wie die Klägerin betont, aus drei Ziffern bestehende Zahlenkombinationen sind, bei denen die die Zehner und die Einer darstellenden Ziffern identisch sind, und dass sie insoweit in bildlicher Hinsicht ähnlich sind. Diese Feststellung genügt jedoch nicht zur Darlegung einer begrifflichen Ähnlichkeit, da, wie die Widerspruchsabteilung und die Beschwerdekammer hervorgehoben haben, Zahlen als solche keine Bedeutung vermitteln. Hinzu kommt, dass, selbst wenn angenommen würde, dass Zahlen eine Bedeutung vermitteln könnten, die verschiedenen Zahlen, die die verglichenen Zeichen bilden, unterschiedliche Bedeutungen vermitteln würden, nämlich die der jeweiligen Mengen, auf die sie verweisen, da jedes dieser Zeichen in begrifflicher Hinsicht einen bestimmten absoluten Wert hat (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 3. September 2010, Companhia Muller de Bebidas/HABM – Missiato Industria e Comercio [61 A NOSSA ALEGRIA], T?472/08, Slg, EU:T:2010:347, Rn. 91).
47 Somit ist die Beschwerdekammer zu Recht im Kern zu dem Ergebnis gelangt, dass die Zeichen in begrifflicher Hinsicht nicht vergleichbar seien, weil Zahlen als solche keine Bedeutung vermittelten.
48 Nach alledem hat die Beschwerdekammer dadurch, dass sie zu dem Ergebnis gelangt ist, dass die verglichenen Zeichen insgesamt nicht ähnlich seien, einen Fehler bei der Beurteilung ihrer Ähnlichkeit begangen, da diese Zeichen einen gewissen Grad an Ähnlichkeit aufweisen.
Zur Verwechslungsgefahr
49 Die Beschwerdekammer hat im Einklang mit der Rechtsprechung entschieden, dass, da zwischen der älteren und der angemeldeten Marke keine Ähnlichkeit bestehe, die Bekanntheit oder die Wertschätzung der älteren Marke bzw. die Identität oder die Ähnlichkeit der betreffenden Waren oder Dienstleistungen allein noch keine Gefahr einer Verwechslung zwischen den einander gegenüberstehenden Marken begründen könnten (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 12. Oktober 2004, Vedial/HABM, C?106/03 P, Slg, EU:C:2004:611, Rn. 54, und Il Ponte Finanziaria/HABM, oben in Rn. 21 angeführt, EU:C:2007:514, Rn. 50 und 51).
50 Da in Rn. 48 des vorliegenden Urteils festgestellt worden ist, dass die Beschwerdekammer einen Beurteilungsfehler begangen hat, indem sie zu der Schlussfolgerung gelangt ist, dass die verglichenen Zeichen insgesamt nicht ähnlich seien, ist schon deshalb ihre Wertung, dass im vorliegenden Fall keine Verwechslungsgefahr zwischen den einander gegenüberstehenden Marken bestehe, fehlerhaft, denn diese Wertung beruht allein auf der ihrerseits irrigen Wertung des Fehlens einer Ähnlichkeit dieser Zeichen.
51 Die angefochtene Entscheidung ist deshalb aufzuheben, ohne dass der zweite Klagegrund geprüft zu werden braucht.
Kosten
52 Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.
53 Da im vorliegenden Fall das HABM und die Streithelferin unterlegen sind, sind ihnen, wie von der Klägerin beantragt, deren Kosten aufzuerlegen.
Aus diesen Gründen hat
DAS GERICHT (Fünfte Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1. Die Entscheidung der Zweiten Beschwerdekammer des Harmonisierungsamts für den Binnenmarkt (HABM) vom 6. September 2013 (Sache R 1538/2012?2) zu einem Widerspruchsverfahren zwischen der Levi Strauss & Co. und der L&O Hunting Group GmbH wird aufgehoben.
2. Das HABM und die L&O Hunting Group GmbH tragen ihre eigenen Kosten sowie die Kosten der Levi Strauss & Co.