EuGH: Bezeichnung „reine Schokolade“ nicht zulässig / Italien verstößt gegen EU-Recht

veröffentlicht am 6. Dezember 2010

EuGH, Urteil vom 25.11.2010, Az. C-47/09
Richtlinie 2000/13/EG, Richtlinie 2000/36/EG

Der EuGH hat entschieden, dass eine italienische Regelung, die die Etikettierung von Schokolade als „reine Schokolade“ für Schololade, die nur Kakaobutter und keine Ersatzfette enthält, erlaubte, europarechtswidrig ist. Die europäische Regeleung zur Harmonisierung von Verkaufsvorschriften sei verbindlich und zugleich den in der Unionsregelung aufgeführten Erzeugnissen vorbehalten. Es reiche eine neutrale und objektive Angabe auf einem anderen Teil des Etiketts, die die Verbraucher darüber informiere, dass das Erzeugnis keine anderen pflanzlichen Fette als Kakaobutter enthalte, aus, um eine korrekte Unterrichtung der Verbraucher zu gewährleisten. Die italienische Regelung könne die Verbraucher hingegen dadurch irreführen und somit ihr Recht auf korrekte, neutrale und objektive Informationen beeinträchtigen, dass sie die Beibehaltung zweier Kategorien von Verkehrsbezeichnungen ermögliche, die im Wesentlichen das gleiche Erzeugnis bezeichnen. Zum Volltext der Entscheidung:

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Erste Kammer)

25. November 2010(*)

„Rechtsangleichung – Kakao- und Schokoladeerzeugnisse – Etikettierung – Zusatz des Wortes ‚rein‘ oder des Ausdrucks ‚reine Schokolade‘ auf der Etikettierung bestimmter Erzeugnisse“

In der Rechtssache C?47/09

betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 226 EG, eingereicht am 30. Januar 2009,

Europäische Kommission, vertreten durch F. Clotuche-Duvieusart und D. Nardi als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Italienische Republik, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von P. Gentili, avvocato dello Stato, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Beklagte,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Tizzano, der Richter J.?J. Kasel, M. Ileši? und E. Levits sowie der Richterin M. Berger (Berichterstatterin),

Generalanwalt: Y. Bot,

Kanzler: L. Hewlett, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 10. Juni 2010,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1 Mit ihrer Klage beantragt die Europäische Kommission die Feststellung, dass die Italienische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 3 Abs. 5 der Richtlinie 2000/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Juni 2000 über Kakao? und Schokoladeerzeugnisse für die menschliche Ernährung (ABl. L 197, S. 19) und Art. 3 der Richtlinie 2000/36 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2000/13/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. März 2000 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Etikettierung und Aufmachung von Lebensmitteln sowie die Werbung hierfür (ABl. L 109, S. 29) verstoßen hat, dass sie die Möglichkeit vorgesehen hat, der Etikettierung von Schokoladeerzeugnissen, die keine anderen pflanzlichen Fette als Kakaobutter enthalten, das Adjektiv „rein“ oder die Wendung „reine Schokolade“ hinzuzufügen.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

2 Die Etikettierung von Kakao- und Schokoladeerzeugnissen wird durch eine „horizontale“ Richtlinie, die Richtlinie 2000/13, und eine „vertikale“ oder „sektorale“ Richtlinie, die Richtlinie 2000/36, geregelt, die der Richtlinie 2000/13 gegenüber lex specialis ist.

Richtlinie 2000/36

3 Mit der Richtlinie 2000/36 sollen zum einen gemeinsame Vorschriften über den Zusatz anderer pflanzlicher Fette als Kakaobutter in Schokoladeerzeugnissen aufgestellt und zum anderen die Verkehrsbezeichnungen harmonisiert werden.

4 Zur Verwendung von anderen pflanzlichen Fetten als Kakaobutter heißt es in den Erwägungsgründen 5, 6, 9 und 10 der Richtlinie 2000/36:

„(5) Der Zusatz anderer pflanzlicher Fette als Kakaobutter in Schokoladeerzeugnissen ist in einigen Mitgliedstaaten bis zu einem Anteil von höchstens 5 % zugelassen.

(6) Der Zusatz bestimmter anderer pflanzlicher Fette als Kakaobutter in Schokoladeerzeugnissen bis zu einem Anteil von höchstens 5 % sollte in allen Mitgliedstaaten erlaubt werden. Diese pflanzlichen Fette sollten Kakaobutteräquivalente sein und daher nach technischen und wissenschaftlichen Kriterien bestimmt werden.

(9) Im Fall von Schokoladeerzeugnissen, denen andere pflanzliche Fette als Kakaobutter zugesetzt worden sind, sollte die Gewähr bestehen, dass die Verbraucher – zusätzlich zu der Zutatenliste – korrekt, neutral und objektiv informiert werden.

(10) Andererseits steht die Richtlinie 79/112/EWG dem nicht entgegen, dass auf dem Etikett von Schokoladeerzeugnissen angegeben wird, dass keine anderen Fette als Kakaobutter zugesetzt worden sind, vorausgesetzt, dass diese Angabe korrekt, neutral und objektiv ist und der Verbraucher dadurch nicht irregeführt wird.“

5 Zu den Verkehrsbezeichnungen heißt es im siebten Erwägungsgrund der Richtlinie 2000/36:

„Um die Einheit des Binnenmarktes zu gewährleisten, ist sicherzustellen, dass alle Schokoladeerzeugnisse, die unter diese Richtlinie fallen, innerhalb der Gemeinschaft unter den Verkehrsbezeichnungen des Anhangs I dieser Richtlinie gehandelt werden können.“

6 Art. 2 Abs. 1 und 2 der Richtlinie bestimmt:

„(1) Neben Kakaobutter dürfen die in Anhang II beschriebenen und dort aufgeführten pflanzlichen Fette den in Anhang I unter Abschnitt A Nummern 3, 4, 5, 6, 8 und 9 beschriebenen Schokoladeerzeugnissen zugesetzt werden. Der Anteil dieser pflanzlichen Fette darf nach Abzug des Gesamtgewichts der anderen im Einklang mit Abschnitt B des Anhangs I gegebenenfalls verwendeten Lebensmittel höchstens 5 % des Enderzeugnisses betragen, wobei der Mindestgehalt an Kakaobutter oder Gesamtkakaotrockenmasse nicht verringert werden darf.

(2) Die Schokoladeerzeugnisse, die gemäß Absatz 1 andere pflanzliche Fette als Kakaobutter enthalten, dürfen in allen Mitgliedstaaten vermarktet werden, sofern die Angaben auf dem Etikett gemäß Artikel 3 durch den ins Auge fallenden und deutlich lesbaren Hinweis ‚enthält neben Kakaobutter auch andere pflanzliche Fette‘ ergänzt werden. Dieser Hinweis erscheint im selben Blickfeld wie die Liste der Zutaten, deutlich abgesetzt von dieser Liste, in mindestens genauso großer Schrift und in Fettdruck und in der Nähe der Verkehrsbezeichnung; unabhängig davon kann die Verkehrsbezeichnung auch an anderer Stelle erscheinen.“

7 Art. 3 der Richtlinie 2000/36 sieht vor:

„Die Richtlinie 79/112/EWG gilt unter den nachstehenden Bedingungen für die in Anhang I beschriebenen Lebensmittel:

1. Die in Anhang I vorgesehenen Verkehrsbezeichnungen sind den dort aufgeführten Erzeugnissen vorbehalten und im Handel zur Benennung dieser Erzeugnisse zu verwenden.

5. Die in Anhang I genannten Verkehrsbezeichnungen ‚Schokolade‘, ‚Milchschokolade‘ und ‚Schokoladenkuvertüre‘ können durch Informationen über die Qualitätsmerkmale oder durch Beschreibungen der Qualitätsmerkmale ergänzt werden, sofern die Erzeugnisse folgende Voraussetzungen erfüllen:

– Schokolade: mindestens 43 % Gesamtkakaotrockenmasse, davon mindestens 26 % Kakaobutter;

– Milchschokolade: mindestens 30 % Gesamtkakaotrockenmasse und mindestens 18 % Milchtrockenmasse (davon mindestens 4,5 % Milchfett) aus teilweise oder vollständig dehydratisierter Vollmilch, teil- oder vollentrahmter Milch, Sahne, teilweise oder vollständig dehydratisierter Sahne, Butter oder Milchfett;

– Schokoladenkuvertüre: mindestens 16 % entölte Kakaotrockenmasse.“

8 Art. 4 der Richtlinie 2000/36 lautet:

„Die Mitgliedstaaten erlassen für die in Anhang I beschriebenen Erzeugnisse keine einzelstaatlichen Rechtsvorschriften, die nicht in dieser Richtlinie vorgesehen sind.“

Richtlinie 2000/13

9 Die Richtlinie 79/112/EWG des Rates vom 18. Dezember 1978 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Etikettierung und Aufmachung von für den Endverbraucher bestimmten Lebensmitteln sowie die Werbung hierfür (ABl. 1979, L 33, S. 1) wurde durch die Richtlinie 2000/13 aufgehoben und ersetzt. Verweisungen auf die aufgehobene Richtlinie gelten daher als Verweisungen auf die Richtlinie 2000/13.

10 Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2000/13 bestimmt:

„Die Etikettierung und die Art und Weise, in der sie erfolgt, dürfen nicht

a) geeignet sein, den Käufer irrezuführen, und zwar insbesondere nicht

i) über die Eigenschaften des Lebensmittels, namentlich über Art, Identität, Beschaffenheit, Zusammensetzung, Menge, Haltbarkeit, Ursprung oder Herkunft und Herstellungs- oder Gewinnungsart;

ii) durch Angabe von Wirkungen oder Eigenschaften, die das Lebensmittel nicht besitzt;

iii) indem zu verstehen gegeben wird, dass das Lebensmittel besondere Eigenschaften besitzt, obwohl alle vergleichbaren Lebensmittel dieselben Eigenschaften besitzen;

b) vorbehaltlich der Gemeinschaftsvorschriften über natürliche Mineralwässer und über Lebensmittel, die für eine besondere Ernährung bestimmt sind, einem Lebensmittel Eigenschaften der Vorbeugung, Behandlung oder Heilung einer menschlichen Krankheit zuschreiben oder den Eindruck dieser Eigenschaften entstehen lassen.“

Nationales Recht

11 Art. 28 Abs. 1 des Gesetzes Nr. 39 vom 1. März 2002 über die Erfüllung der sich aus der Zugehörigkeit Italiens zu den Europäischen Gemeinschaften ergebenden Verpflichtungen – Gemeinschaftsgesetz 2001 (Supplemento ordinario alla GURI Nr. 72 vom 26. März 2002, im Folgenden: Gesetz Nr. 39/2002) sieht vor:

„Durchführung der Richtlinie 2000/36/EG über Kakao- und Schokoladeerzeugnisse für die menschliche Ernährung

1. Die Durchführung der Richtlinie 2000/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Juni 2000 über Kakao- und Schokoladeerzeugnisse für die menschliche Ernährung folgt nachstehenden Grundsätzen und Leitkriterien:

a) Es ist sicherzustellen, dass die Etikettierung von Kakao- und Schokoladeerzeugnissen nicht nur klar ist, sondern dass sie auch unterschiedliche Angaben enthält, je nachdem, ob die Ware unter Zusatz anderer pflanzlicher Fette als Kakaobutter erzeugt wurde oder ob ausschließlich Kakaobutter verwendet wurde; im ersten Fall enthält das Etikett den Hinweis ‚Schokolade‘, während im zweiten Fall der Hinweis ‚reine Schokolade‘ verwendet werden darf;

b) es sind Mechanismen zur Zertifizierung der Qualität typischer Erzeugnisse festzulegen, die ausschließlich Kakaobutter bei der Schokoladeerzeugung verwenden.“

12 Art. 6 Abs. 1 des Decreto legislativo Nr. 178 vom 12. Juni 2003 zur Durchführung der Richtlinie 2000/36/EG über Kakao- und Schokoladeerzeugnisse für die menschliche Ernährung (GURI Nr. 165, vom 18. Juli 2003, im Folgenden: Decreto legislativo Nr. 178/2003) bestimmt:

„Verwendung der Bezeichnung ‚reine Schokolade‘

Die in Anhang I Nrn. 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9 und 10 genannten Schokoladeerzeugnisse, die keine anderen pflanzlichen Fette als Kakaobutter enthalten – mit Ausnahme der Füllung, wenn sie nicht aus Kakao? oder Schokoladeerzeugnissen besteht -, dürfen auf dem Etikett als Beifügung zu dem Wort ‚Schokolade‘ das Wort ‚rein‘ als Zusatz zu den oder Bestandteil der in Anhang I vorgesehenen Verkehrsbezeichnungen enthalten oder den Hinweis ‚reine Schokolade‘ an einer anderen Stelle des Etiketts aufweisen.“

13 Art. 7 Abs. 8 dieses Decreto legislativo bestimmt:

„Geldbußen

8. Wer das dem Wort ‚Schokolade‘ beigefügte Wort ‚rein‘ auf dem Etikett der in Anhang I Nrn. 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9 und 10 genannten Erzeugnisse verwendet, die andere pflanzliche Fette als Kakaobutter enthalten – mit Ausnahme der Füllung, wenn sie nicht aus Kakao- oder Schokoladeerzeugnissen besteht -, ist mit einer Geldbuße von 3 000 bis 8 000 Euro zu belegen.“

Vorverfahren

14 Mit Schreiben vom 22. März 2004 machte die Kommission die italienischen Behörden darauf aufmerksam, dass das Gesetz Nr. 39/2002 und das Decreto legislativo Nr. 178/2003 mit den Richtlinien 2000/13 und 2000/36 unvereinbar seien. Die italienischen Behörden antworteten mit Schreiben des Ministeriums für produktive Tätigkeiten vom 23. April 2004.

15 Da diese Antwort die Kommission nicht zufriedenstellte, leitete sie das Vertragsverletzungsverfahren nach Art. 226 EG ein und richtete am 13. Oktober 2004 ein Aufforderungsschreiben an die Italienische Republik.

16 Da die italienischen Behörden nicht antworteten, sandte die Kommission am 5. Juli 2005 eine mit Gründen versehene Stellungnahme, mit der sie diesen Mitgliedstaat aufforderte, binnen zwei Monaten ab Zugang des Schreibens die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um dieser Stellungnahme nachzukommen.

17 Die italienischen Behörden antworteten mit Schreiben vom 21. Oktober und 4. November 2005, in denen sie ihre Absicht bekannt gaben, die Art. 6 und 7 des Decreto legislativo Nr. 178/2003 zu ändern, und beantragten auf dieser Grundlage die Beendigung des vorliegenden Verfahrens.

18 Aufgrund der Feststellung, dass die Lage trotz der nachträglichen Änderungen unverändert sei, hat die Kommission beschlossen, die vorliegende Klage zu erheben.

Zur Klage

Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

19 Die Kommission machtgeltend, dass die italienische Regelung dadurch, dass sie in Art. 28 Abs. 1 des Gesetzes Nr. 39/2002 und Art. 6 des Decreto legislativo Nr. 178/2003 die Möglichkeit vorsehe, mit dem Adjektiv „rein“ oder der Bezeichnung „reine Schokolade“ die Etikettierung von Schokoladeerzeugnissen und konkreter die in Anhang I des Decreto legislativo vorgesehenen Verkehrsbezeichnungen für Erzeugnisse, die keine anderen pflanzlichen Fette als Kakaobutter enthielten, zu ergänzen, eine zusätzliche Verkehrsbezeichnung für Schokoladeerzeugnisse eingeführt habe, wonach diese als „rein“ oder „nicht rein“ angesehen werden könnten. Diese Unterscheidung stelle letztlich einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 und 5 der Richtlinie 2000/36 dar und laufe der Rechtsprechung des Gerichtshofs zuwider, der anerkannt habe, dass Schokoladeerzeugnisse, die bestimmte pflanzliche Fette bis zu einem Anteil von höchstens 5 % enthielten, dem Wesen nach identisch seien (Urteil vom 16. Januar 2003, Kommission/Italien, C?14/00, Slg. 2003, I?513, Randnr. 87).

20 Die Kommission weist darauf hin, dass die Verwendung anderer pflanzlicher Fette als Kakaobutter streng geregelt sei. Nicht nur sei eine solche Verwendung auf sechs Stoffe beschränkt, die in Anhang II der Richtlinie 2000/36 abschließend aufgelistet seien, auch der Zusatz dieser Stoffe dürfe einen Anteil von 5 % des Enderzeugnisses nicht überschreiten. Außerdem müsse die Information über das Vorhandensein anderer pflanzlicher Fette, wie es im 9. Erwägungsgrund dieser Richtlinie heiße, korrekt, neutral und objektiv sein und dürfe der Verbraucher durch sie nicht irregeführt werden. Folglich sehe Art. 2 Abs. 2 dieser Richtlinie vor, dass der Hinweis „enthält neben Kakaobutter auch andere pflanzliche Fette“ „in der Nähe“ der Verkehrsbezeichnung und nicht in ihr aufscheinen müsse. Der Gesetzgeber habe vorgesehen, den Verbraucher durch die Etikettierung und nicht durch die Verwendung einer anderen Verkehrsbezeichnung über das Vorhandensein anderer pflanzlicher Fette als Kakaobutter im Schokoladeerzeugnis zu informieren.

21 Der Unterschied, der durch die italienische Regelung geschaffen werde, sei für einen Durchschnittsverbraucher doppelt trügerisch. Die Verwendung des Adjektivs „rein“ sei nämlich weder korrekt noch neutral noch objektiv und daher als solche trügerisch.

22 Zunächst rufe der Begriff „rein“ automatisch eine negative Konnotation hinsichtlich der Erzeugnisse hervor, die diesen Hinweis nicht trügen.

23 Weiter könne der Umstand, dass zwei Kategorien von Schokoladeerzeugnissen geschaffen worden seien, wo das Gesetz nur eine vorsehe, den Verbraucher täuschen, indem er ihn glauben mache, dass zwei Schokoladekategorien existierten.

24 Schließlich sei der Hinweis „reine Schokolade“ nicht deutlich genug, um den Verbraucher darüber zu informieren, dass die fragliche Schokolade nur Kakaobutter ohne den Zusatz anderer pflanzlicher Fette enthalte.

25 Die Italienische Republik bestreitet nicht, dass die in Anhang I der Richtlinie 2000/36 genannten Verkehrsbezeichnungen verbindlich und abschließend aufgezählt seien. Die Verkehrsbezeichnungen seien aber nicht der einzige Bestandteil des Etiketts. Es sei offensichtlich, dass die Mitgliedstaaten andere Hinweise auf der Etikettierung anbringen könnten, insbesondere um die Verbraucher darauf hinzuweisen, dass kein anderes pflanzliches Fett als Kakaobutter verwendet worden sei. Es sei daher möglich, in die Etikettierung alle Hinweise aufzunehmen, die keine Verwechslung mit der Verkehrsbezeichnung hervorriefen, die die Form des Anhangs I beibehalten müsse.

26 Der italienische Gesetzgeber habe weder eine neue Verkehrsbezeichnung noch einen neuen Hinweis auf ein Qualitätskriterium einführen wollen, der statt auf einem Kakaogehalt über dem vorgeschriebenen Minimum auf der ausschließlichen Verwendung von Kakaobutter beruhe. Das Adjektiv „rein“ habe keine qualitative Konnotation, sondern sei rein beschreibend. Demnach diene es bloß dazu, auf die Zusammensetzung des in Rede stehenden Erzeugnisses hinzuweisen, ohne eine Vorentscheidung zu treffen, ob dieses Erzeugnis eine höhere Qualität habe. Art. 3 Abs. 1 und 5 der Richtlinie 2000/36 wird daher nach Ansicht der Italienischen Republik durch Art. 6 des Decreto legislativo Nr. 178/2003 beachtet.

27 Die Hinzufügung des Adjektivs „rein“ solle darauf hinweisen, dass als pflanzliches Fett ausschließlich Kakaobutter und sonst nichts verwendet worden sei. Das erkläre, warum durch die Hinzufügung des Adjektivs „rein“ zu der Verkehrsbezeichnung, die unverändert bleibe, in diese nicht eingegriffen werde. Deshalb könne nicht behauptet werden, dass eine neue, nicht in Anhang I der Richtlinie 2000/36 vorgesehene Verkehrsbezeichnung eingeführt worden sei.

28 Der Ausdruck „reine Schokolade“ sei bloß beschreibend, da er sich auf die Übermittlung einer Information an den Verbraucher beschränke; diese Information stehe dem Verbraucher nach dem zehnten Erwägungsgrund der Richtlinie 2000/36 und der Richtlinie 2000/13 zu. Auf der Grundlage der betreffenden Information entscheide der Verbraucher dann frei, welches Erzeugnis er lieber kaufe. Gerade, weil dem Verbraucher durchaus bekannt sei, dass in der Zusammensetzung der Schokoladeerzeugnisse andere pflanzliche Fette als Kakaobutter vorkommen könnten, würden Hinweise dieser Art als Informationen über das Vorhandensein dieser pflanzlichen Fette wahrgenommen.

Würdigung durch den Gerichtshof

Zur Rüge der Verletzung der Verpflichtungen aus Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2000/36 und Art. 2 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2000/13

29 Was die Verletzung der Verpflichtungen aus Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2000/36 und Art. 2 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2000/13 betrifft, ist zunächst festzustellen, dass, wie die Kommission bemerkt hat, Art. 3 der Richtlinie 2000/36 eine vollständige Harmonisierung der Verkehrsbezeichnungen für Kakao- und Schokoladeerzeugnisse für die menschliche Ernährung vorgenommen hat, um die Einheit des Binnenmarktes zu gewährleisten. Die in Anhang I der Richtlinie 2000/36 vorgesehenen Verkehrsbezeichnungen sind nach Art. 3 Abs. 1 dieser Richtlinie verbindlich und zugleich den in Anhang I aufgeführten Erzeugnissen vorbehalten. Die Hinzufügung von Adjektiven über Qualitätsmerkmale unterliegt besonderen Voraussetzungen, die in Art. 3 Abs. 5 der Richtlinie 2000/36 genannt werden. Außerdem sieht Art. 4 der Richtlinie vor, dass die Mitgliedstaaten für die in Anhang I beschriebenen Erzeugnisse keine einzelstaatlichen Rechtsvorschriften erlassen, die nicht in der Richtlinie 2000/36 selbst vorgesehen sind. Folglich nimmt Art. 3 dieser Richtlinie eine vollständige Harmonisierung der Verkehrsbezeichnungen von Schokoladeerzeugnissen vor, deren Verbindlichkeit die Italienische Republik im Übrigen niemals bestritten hat.

30 Diese Auslegung wird außerdem durch die Entstehungsgeschichte dieser Richtlinie bestätigt. Der siebte Erwägungsgrund der Richtlinie 73/241/EWG des Rates vom 24. Juli 1973 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten für zur Ernährung bestimmte Kakao? und Schokoladeerzeugnisse (ABl. L 228, S. 23) lautet: „Die Verwendung von anderen pflanzlichen Fetten als Kakaobutter in Schokoladeerzeugnissen ist in einigen Mitgliedstaaten zugelassen; von dieser Möglichkeit wird in großem Umfang Gebrauch gemacht. Allerdings kann nicht schon jetzt darüber entschieden werden, ob und wie die Möglichkeit einer Verwendung dieser Fette auf die gesamte Gemeinschaft ausgedehnt werden kann, da es auf Grund der bisher verfügbaren wirtschaftlichen und technischen Informationen nicht möglich ist, einen endgültigen Standpunkt festzulegen. Die Lage muss folglich im Lichte der künftigen Entwicklung erneut geprüft werden.“

31 Demnach war der Gemeinschaftsgesetzgeber mit der Richtlinie 73/241 in Anbetracht der Unterschiede zwischen den mitgliedstaatlichen Regelungen zum Zeitpunkt des Erlasses der Richtlinie nicht in der Lage, in der Frage der Auswirkungen der Verwendung von anderen pflanzlichen Fetten als Kakaobutter in Kakao- und Schokoladeerzeugnissen im Bereich der Bezeichnungen oder der Etikettierung einen endgültigen Standpunkt festzulegen. Der Rat der Europäischen Union hat daher bezüglich der Verwendung anderer pflanzlicher Fette als Kakaobutter lediglich eine provisorische Regelung getroffen, die gemäß Art. 14 Abs. 2 Buchst. a dieser Richtlinie nach Ablauf eines Zeitraums von drei Jahren überprüft werden sollte.

32 Der Gemeinschaftsgesetzgeber hat mit der Richtlinie 2000/36 bestimmt, dass der Zusatz pflanzlicher Ersatzfette nicht die Verwendung verschiedener Bezeichnungen für dieseErzeugnisse, sondern zusätzliche Informationen auf dem Etikett erfordert. Was Schokoladeerzeugnisse betrifft, denen andere pflanzliche Fette als Kakaobutter zugesetzt worden sind, stellt Art. 2 der Richtlinie 2000/36 im Licht ihres neunten Erwägungsgrundes sicher, dass die Verbraucher über das betreffende Erzeugnis – zusätzlich zu der Zutatenliste – durch die Formulierung „enthält neben Kakaobutter auch andere pflanzliche Fette“ korrekt, neutral und objektiv informiert werden.

33 Dazu wird im zehnten Erwägungsgrund der Richtlinie 2000/36, ohne die Verwendung eines bestimmten Hinweises vorzuschreiben, ausgeführt, dass auf dem Etikett angegeben werden kann, dass keine anderen Fette als Kakaobutter zugesetzt worden sind, vorausgesetzt, dass diese Angabe korrekt, neutral und objektiv ist und der Verbraucher dadurch nicht irregeführt wird.

34 Zur Beurteilung der Vereinbarkeit der italienischen Regelungen mit den Bestimmungen der Richtlinie 2000/36, wie sie bereits angeführt und erläutert wurden, ist erstens zu bemerken, dass nach Art. 6 des Decreto legislativo Nr. 178/2003 bestimmte Schokoladeerzeugnisse, die keine anderen pflanzlichen Fette als Kakaobutter enthalten, auf dem Etikett als Beifügung zu dem Wort „Schokolade“ das Wort „rein“ als Zusatz zur oder Bestandteil der Verkehrsbezeichnung enthalten können. Wenn aber die Hinzufügung der Worte „Milch“, „weiß“ oder „gefüllt“ an den Begriff „Schokolade“ als neue Verkehrsbezeichnung anzusehen ist, gilt dasselbe für die Hinzufügung des Wortes „rein“.

35 Es ist aber festzustellen, dass die Richtlinie 2000/36 weder die Verkehrsbezeichnung „reine Schokolade“ noch die Einführung einer solchen Bezeichnung durch den nationalen Gesetzgeber vorsieht.

36 Unter diesen Umständen steht Art. 6 des Decreto legislativo Nr. 178/2003 dem geschlossenen und verbindlichen System der Verkehrsbezeichnungen, das durch Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2000/36 geschaffen und dem durch Art. 4 dieser Richtlinie ein Rahmen gegeben wurde, dadurch entgegen, dass er eine solche Änderung von Verkehrsbezeichnungen zulässt.

37 Zweitens ist festzustellen, dass, wie die Kommission vorträgt, das vom italienischen Gesetzgeber eingeführte System der doppelten Bezeichnung auch nicht den Anforderungen von Art. 2 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2000/13 genügt, wonach der Verbraucher über korrekte, neutrale und objektive Informationen verfügen muss, durch die er nicht irregeführt wird.

38 Auch wenn die Italienische Republik das Recht der Verbraucher auf korrekte Informationen zu Recht betont hat, ist eine Änderung der Verkehrsbezeichnungen wie hier nicht die passende Methode, um dieses Ziel zu erreichen.

39 Es ist nämlich auf die Feststellung des Gerichtshofs hinzuweisen, dass der Zusatz von anderen pflanzlichen Fetten als Kakaobutter zu Kakao? und Schokoladeerzeugnissen, die die von der Richtlinie 73/241, nunmehr durch die Richtlinie 2000/36 ersetzt, vorgeschriebenen Mindestgehalte aufweisen, keine so wesentliche Änderung dieser Erzeugnisse bewirkt, dass sie zu anderen Erzeugnissen würden (vgl. Urteile vom 16. Januar 2003, Kommission/Spanien, C?12/00, Slg. 2003, I?459, Randnr. 92, und Kommission/Italien, Randnr. 87).

40 Aus dieser Rechtsprechung geht hervor, dass die Verwendung von anderen pflanzlichen Fetten als Kakaobutter innerhalb der durch Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2000/36 festgelegten Grenzen als solche keine hinreichende Änderung dieser Erzeugnisse mit sich bringt, um eine unterschiedliche Verkehrsbezeichnung zu rechtfertigen.

41 Hingegen reicht eine neutrale und objektive Angabe auf einem anderen Teil des Etiketts, die die Verbraucher darüber informiert, dass das Erzeugnis keine anderen pflanzlichen Fette als Kakaobutter enthält, aus, um eine korrekte Unterrichtung der Verbraucher zu gewährleisten (vgl. in diesem Sinne Urteile Kommission/Spanien, Randnr. 93, sowie Kommission/Italien, Randnr. 88).

42 Auch wenn nach der italienischen Regelung die Verwendung des Adjektivs „rein“ nicht verpflichtend ist, folgt daraus, dass die Erlaubnis, andere Verkehrsbezeichnungen als die in der Richtlinie 2000/36 vorgesehenen einzuführen, das Bestehen eines Unterschieds zwischen den wesentlichen Merkmalen der betreffenden Erzeugnisse nahelegen kann.

43 Demnach kann Art. 6 des Decreto legislativo Nr. 178/2003, da er die Beibehaltung zweier Kategorien von Verkehrsbezeichnungen ermöglicht, die im Wesentlichen das gleiche Erzeugnis bezeichnen, die Verbraucher irreführen und somit ihr Recht auf korrekte, neutrale und objektive Informationen beeinträchtigen.

44 Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass Art. 6 die Anforderungen von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2000/36 und Art. 2 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2000/13 missachtet. Die erste Rüge ist daher begründet.

Zur Rüge der Verletzung der Verpflichtungen aus Art. 3 Abs. 5 der Richtlinie 2000/36

45 Zu der vorliegenden Rüge der Kommission ist festzustellen, dass, worauf in den Randnrn. 29 bis 36 des vorliegenden Urteils hingewiesen wurde, mit Art. 3 der Richtlinie 2000/36 in dem Rahmen, der ihm durch ihren Art. 4 gegeben wurde, eine vollständige Harmonisierung der Verkehrsbezeichnungen von Schokoladeerzeugnissen vorgenommen wurde. Im Rahmen dieses verbindlichen und geschlossenen Systems unterliegt die Hinzufügung von Adjektiven über Qualitätsmerkmale besonderen Voraussetzungen, die in Art. 3 Abs. 5 der Richtlinie 2000/36 genannt werden.

46 Es ist jedoch festzustellen, dass Art. 6 des Decreto legislativo Nr. 178/2003 diese Voraussetzungen keineswegs beachtet, sondern die Möglichkeit vorsieht, dass bei bestimmten Schokoladeerzeugnissen, darunter insbesondere die in Art. 3 Abs. 5 der Richtlinie 2000/36 genannten, in den Verkehrsbezeichnungen dem Wort „Schokolade“ das Wort „rein“ hinzugefügt oder eingefügt wird, wenn diese Erzeugnisse keine anderen pflanzlichen Fette als Kakaobutter enthalten.

47 Daraus folgt, dass Art. 6 des Decreto legislativo Nr. 178/2003 dadurch, dass er erlaubt, die in Art. 3 Abs. 5 der Richtlinie 2000/36 aufgeführten Verkehrsbezeichnungen mit einer solchen, sich auf ein Qualitätskriterium beziehenden, Angabe zu ergänzen, nicht den Anforderungen dieses Artikels entspricht.

48 Der zweiten Rüge ist daher stattzugeben.

49 Nach alledem ist festzustellen, dass die Italienische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 3 Abs. 5 der Richtlinie 2000/36 und aus Art. 3 dieser Richtlinie in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2000/13 verstoßen hat, dass sie die Möglichkeit vorgesehen hat, der Verkehrsbezeichnung von Schokoladeerzeugnissen, die keine anderen pflanzlichen Fette als Kakaobutter enthalten, das Adjektiv „rein“ hinzuzufügen.

Kosten

50 Nach Art. 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Italienische Republik mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr dem Antrag der Kommission entsprechend die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

1.
Die Italienische Republik hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 3 Abs. 5 der Richtlinie 2000/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Juni 2000 über Kakao- und Schokoladeerzeugnisse für die menschliche Ernährung und Art. 3 Abs. 1 dieser Richtlinie in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2000/13/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. März 2000 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Etikettierung und Aufmachung von Lebensmitteln sowie die Werbung hierfür verstoßen, dass sie die Möglichkeit vorgesehen hat, der Verkehrsbezeichnung von Schokoladeerzeugnissen, die keine anderen pflanzlichen Fette als Kakaobutter enthalten, das Adjektiv „rein“ hinzuzufügen.

2.
Die Italienische Republik trägt die Kosten.

Unterschriften

* Verfahrenssprache: Italienisch.

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