Filesharing: Sind die Abmahnungen im Namen der Firma DigiProtect rechtsmissbräuchlich? / Die Mär vom Erfolgshonorar

veröffentlicht am 18. November 2009

Das sieht jetzt nicht ganz so gut aus, sollte es sich nicht um einen gut aufgemachten Internet-Hoax handeln. Aus einem Fax, das dem Anschein nach von der Kanzlei Dr. Kornmeier & Partner stammt, von dem Kollegen Udo Kornmeier selbst unterschrieben ist und an die britische Kanzlei Davenport Lyons gerichtet ist, geht hervor, dass die Firma DigiProtect bei den in ihrem Namen ausgelösten Abmahnwellen im Filesharing-Bereich keinerlei Risiko hinsichtlich der Abmahnkosten trägt („The whole project is a ’no cost‘-project for the original right holders“). Die von ihr mandatierten Rechtsanwaltskanzleien sollen vielmehr auf eigenes wirtschaftliches Risiko arbeiten, indem sie von den „Erlösen“ aus einer Abmahnung (Schadensersatz, Rechtsanwaltskosten) 37,5 % erhalten und hieraus ihren eigenen Aufwand für die Abmahnung (dies wären z.B. Personal- und Bürokosten) zu bestreiten haben. Was wir davon halten? Wir haben uns mit der Frage einmal näher befasst:

Ein namhaftes Fachbuch zum Wettbewerbsrecht (Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 27. Aufl. [2009], § 8 UWG Rn. 4.12) erklärt zu der aus dem Fax erwachsenden Konstellation: „Auch ist ein Rechtsmissbrauch anzunehmen, wenn der beauftragte Anwalt das Abmahngeschäft ‚in eigener Regie‘  betreibt, insbes … den Auftratggeber vom Kostenrisiko ganz oder teilweise freistellt (OLG Frankfurt GRUR-RR 2007, S. 56, 57)„. Dieser Gesichtspunkt gilt inhaltlich natürlich auch für die urheberrechtliche Abmahnung. Zwar kann § 8 Abs. 4 UWG nicht analog auf § 97 UrhG angewandt werden, weil es insoweit an einer Regelungslücke fehlt (Nordemann, WRP 2005, S. 184, 189). Für urheberrechtliche Ansprüche gilt indes ein allgemeines Verbot der unzulässigen Rechtsausübung nach den §§ 242, 826 BGB (Nordemann, a.a.O., vgl. auch Wild in: Schricker, UrhR, 3. Aufl. [2006], § 97, Rn. 34a). Ganz abgesehen davon wäre die im Fax beschriebene Vereinbarung ein standesrechtswidriger Verstoß gegen die Bundesrechtsanwaltsordnung. Zitat aus § 49b Abs. 2 S. 2 BRAO: „Vereinbarungen, durch die der Rechtsanwalt sich verpflichtet, Gerichtskosten, Verwaltungskosten oder Kosten anderer Beteiligter zu tragen, sind unzulässig.“

Aus mehreren Abmahnschreiben der o.g. deutschen Kanzlei, die uns vorliegen, geht hervor, dass die Abmahnkosten als Aufwandsenschädigung gemäß § 97a Abs.1 S. 2 UrhG gefordert werden. Zu beachten ist, dass eine Aufwandsentschädigung bei einer rechtsmissbräuchlichen urheberrechtlichen Abmahnung bereits ausgeschlossen ist (Nordemann in: Fromm/Nordemann, UrhR, 10. Aufl. [2008], § 97a, Rn. 21, 38). Ohnehin fragt sich, welcher Aufwand zu entschädigen wäre. Wie dem oben zitierten Fax zu entnehmen ist, soll DigiProtect selbst keinen finanziellen Aufwand mit den Abmahnungen tragen („no cost“). Eine Aufwandsentschädigung ist allerdings nur dann möglich, wenn ein Aufwand entstanden ist. Pikant: Wenn der Vertragspartner, z.B. die Kanzlei Dr. Kornmeier & Partner, Aufwandsentschädigungen geltend macht in der Kenntnis, dass kein Aufwand entsteht oder entstanden ist, so haftet derartigen Abmahnungen ein strafrechtliches „Geschmäckle“ an. Zu prüfen wäre eine Beihilfe zum (versuchten) Betrug oder (versuchter) Betrug.

Nun gibt es natürlich auch die Möglichkeit, die Kostenlast des Rechteinhabers nicht ganz so offensichtlich auf die kooperierende Rechtsanwaltskanzlei abzuwälzen. Der geschätzte Kollege Nümann, der DigiProtect nicht vertritt, versucht etwa, die von ihm möglicherweise in ähnlicher Weise mit seinen Mandanten getroffene Vereinbarung in einem offenen Brief an einen Kollegen wie folgt zu begründen: „Sie behaupten, der Abmahnende müsse die Anwaltskosten tatsächlich verauslagt haben – und zwar unabhängig vom Ausgang des Verfahrens. Die angeblich auf der Hand liegende Vereinbarung von erfolgsabhängigen Honoraren sei verboten. … Schlicht falsch ist auch die Aussage, der Mandant müsse das Honorar erfolgsunabhängig schulden oder sogar bereits bezahlt haben, um entsprechende Erstattungsansprüche geltend machen zu können. Der Mandant kann tatsächlich auch die noch nicht abgerechneten, aber zur Rechtsverfolgung erforderlichen Anwaltskosten erstattet verlangen, egal ob er diese schon als Vorschuss bezahlt hat oder der Anwalt erst nach Fälligkeit seiner Honorare, nach Abschluss des Mandats, abrechnet. Und er kann auch Honorare verlangen, die von Dritten getragen werden, wie z.B. der Rechtsschutzversicherung oder einem Prozessfinanzierer, wenn diese – gegen Entgelt – lediglich sein Kostenrisiko übernommen haben, ohne dass der Schaden an sich entfällt. Gleiches gilt natürlich auch, wenn der Anwalt selbst auf die Zahlung des vereinbarten Honorars verzichtet, wenn der Gegner keine Erstattung leistet. Für die meisten der denkbaren Fälle ist also für Ihre Mandanten, anders als Sie es darstellen, wohl nichts zu erreichen, weil die geltend gemachte Kostenerstattung völlig unzweifelhaft verlangt werden kann.“ (Abmahnwahn).

Das Erfolgshonorar, und hierin geben wir dem Kollegen Nümann erst einmal Recht, ist schon auf Grund seiner gesetzlichen Regelung in § 4a RVG keinesfalls verboten, zumindest nicht „soweit das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz nichts anderes bestimmt“ (vgl. § 49b Abs. 2 S. 1 BRAO). Der gesetzliche Rahmen ist jedoch in diesem Falle so eng gespannt, dass eine Abrechnungsform wie im DigiProtect-Modell, wie in obigem Fax beschrieben, hierunter nicht fallen dürfte. So kann ein Erfolgshonorar zum einen nur im Einzelfall vereinbart werden. Sieht man einmal die Auskunftsanträge der Kanzlei Nümann & Lang nach § 101 Abs. 9 UrhG an, die schon mal mehrere tausend angebliche Urheberrechtsverstöße umfassen, so fällt es jedoch schwer zu glauben, jeder einzelne Fall sei vom jeweiligen Mandanten in Auftrag gegeben worden, erst Recht, wenn die Rechtsverletzung erst nach Unterzeichnung der Vollmacht ermittelt wird. Zum anderen kann ein Erfolgshonorar nur dann vereinbart werden, wenn der Auftraggeber aufgrund seiner wirtschaftlichen Verhältnisse bei verständiger Betrachtung ohne die Vereinbarung eines Erfolgshonorars von der Rechtsverfolgung abgehalten würde. Unseres Erachtens kommt es nicht darauf an, ob der Auftraggeber die finanziellen Resourcen hat, um alle Urheberrechtsverletzungen auf einmal verfolgen zu können. Es kommt vielmehr darauf an, ob er die einzelne Rechtsverletzung – wie sie in der konkreten Abmahnung dargelegt ist – verfolgen kann. Und hierzu sollte ein Unternehmen wie DigiProtect zweifellos in der Lage sein.

Abschließend wollen wir der Aussage des Kollegen Nümann beipflichten, dass eine Erstattung von Abmahnkosten auch dann möglich ist, wenn der Auftraggeber seine Rechtsanwaltskosten noch nicht beglichen hat (Link: OLG Hamburg). Verschwiegen wird hierbei allerdings, dass dies nur dann gilt, wenn der Auftraggeber zumindest eine rechtliche Verpflichtung zur Übernahme der Rechtsanwaltskosten trägt. Zitat des OLG Hamburg: „Anwaltsgebühren entstehen aufgrund der Verwirklichung von bestimmten gesetzlichen Gebührentatbeständen, ohne dass es darauf ankäme, ob diese tatsächlich in Rechnung gestellt worden wären. Etwas anderes könnte allenfalls dann gelten, wenn feststände, dass eine andere Vereinbarung zwischen dem Kläger … und seinem Anwalt bestände, wonach dessen Leistungen nicht oder nur in geringerem Umfang vergütet werden sollten.“ Und genau die Kostenlast wird durch die im Fax beschriebene Vereinbarung ausgeschlossen.

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