LG Bochum: Die getrennte Abmahnung der GmbH und ihres Geschäftsführers ist rechtsmissbräuchlich

veröffentlicht am 10. Juni 2010

Rechtsanwältin Katrin ReinhardtLG Bochum, Urteil vom 21.04.2010, Az. I-13 O 261/09
§ 8 Abs. 4 UWG

Das LG Bochum hat entschieden, dass ein rechtsmissbräuchliches Verhalten vorliegen kann, wenn eine Abmahnung zunächst gegen eine GmbH ausgesprochen wird, um dann in einem getrennten Verfahren/einer weiteren Abmahnung den Geschäftsführer der GmbH abzumahnen. Ein Rechtsmissbrauch liege dann vor, wenn dieses Verhalten ohne sachlich nachvollziehbaren Grund ausgeübt werde. Dann könne davon ausgegangen werden, dass es dem Abmahnenden um die Vervielfachung der Belastung des Kostenrisikos auf Gegnerseite gehe. Hinzu komme im vorliegenden Fall, dass der Kläger mehrere Abmahnungen ausgesprochen habe, die von vornherein hätten gebündelt werden können. Eine Mehrfachverfolgung sei missbräuchlich, wenn Möglichkeiten bestehen, eine den Gegner weniger belastende Verfahrenskonzentration zu wählen und das Vorgehen schonender zu gestalten. Weitere Indizien für ein rechtsmissbräuchliches Vorgehen seien, dass der Kläger durch den Hinweis auf höhere Kosten und das Setzen enger Fristen einen erheblichen Druck ausgeübt habe und dass die geforderte Vertragsstrafe von 7.000 EUR sehr hoch sei.

Landgericht Bochum

Urteil

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist in Höhe des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Die Sicherheit kann auch durch eine unbedingte unbefristete selbstschuldnerische Bürgschaft eines als Zoll- und Steuerbürgen zugelassenen Geldinstituts erbracht werden.

Tatbestand

Der Kläger und die Firma P-Online GmbH, deren Geschäftsführer die Beklagten sind, vertreiben gewerblich auf der Handelsplattform f Computerartikel. Zwischen den Parteien bzw. dem Kläger und der Firma P sind mehrere Rechtsstreitigkeiten, denen Abmahnungen zu Grunde lagen, anhängig bzw. anhängig gewesen. In dem Verfahren 12 O 131/09 LG Bochum ist auf Antrag der Firma P-Online GmbH eine einstweilige Verfügung gegen den Kläger des vorliegenden Verfahrens ergangen, mit der dem Kläger des vorliegenden Verfahrens eine wettbewerbswidrige Äußerung verboten worden ist. In dem Hauptsacheverfahren 12 O 186/09 LG Bochum klagt die Firma P-Online GmbH gegen den Kläger des vorliegenden Verfahrens auf Unterlassung einer wettbewerbswidrigen Äußerung und Erstattung von Abmahnkosten, widerklagend begehrt der Kläger des vorliegenden Verfahrens in dem o. g. Verfahren Unterlassung wettbewerbswidriger Werbung sowie Zahlung von 14.332,80 EUR. Wegen des Verstoßes, der Gegenstand des vorliegenden Klageantrags ist, hat das LG Bochum in dem Verfahren 14 O 178/09 am 27.08.2009 eine einstweilige Verfügung gegen die Firma P-Online GmbH erlassen. In diesem Verfahren ist ferner ein Ordnungsmittelverfahren anhängig. In dem einstweiligen Verfügungsverfahren 14 O 45/10 LG Bochum beantragt der Kläger eine einstweilige Verfügung wegen einer anderen wettbewerbswidrigen Äußerung gegen die Firma P-Online GmbH und den Beklagten zu 2.

Am 09.08.2009 veröffentlichte die Firma P ein f-Angebot unter der Artikelnummer 378 384731 (Anlage K 1, Bl. 8 ff. d. A.), auf das hinsichtlich der Einzelheiten verwiesen wird. Mit Schreiben vom 12.08.2009 mahnte der Kläger die Firma P-Online GmbH ab und forderte sie auf, spätestens bis zum 24.08.2009 eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben und bis spätestens zum 26.08.2009 die Abmahnkosten in Höhe von 755,80 EUR zu zahlen. In dem Abmahnschreiben führte der Kläger aus, dass bei juristischen Personen und Personengesellschaften die Unterlassungserklärung nicht nur von der Gesellschaft selbst abzugeben sei, sondern auch persönlich von deren Repräsentanten. In der beigefügten vorformulierten Unterlassungserklärung sind in der Unterschriftsleiste als Erklärende sowohl die P-Online GmbH als auch beide Beklagten angegeben. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf das Abmahnschreiben des Klägers vom 12.08.2009 (K 2, Bl. 15 ff. d. A) und die beigefügte vorformulierte Unterlassungserklärung (Bl. 19 d. A.) verwiesen.

Der Kläger trägt vor: Die beanstandete Werbung der Firma P-Online GmbH sei wettbewerbswidrig, weil der Versand ausdrücklich nach ganz Europa angeboten werde, ohne dass die Versandkosten ins Ausland im einzelnen genannt seien. Der Verfügungsantrag in dem Verfahren 14 O 178/08 LG Bochum sei zunächst allein gegen die GmbH gerichtet worden, da aus den Angeboten nicht eindeutig zu entnehmen gewesen sei, ob die Angebote von den Geschäftsführern selbst oder jedenfalls mit ihrer Kenntnis veröffentlicht worden seien. Die GmbH habe eine Abschlusserklärung abgegeben, die Beklagten jedoch weiterhin die Unterlassung verweigert. Nachdem in der folgenden Zeit bei f weiterhin Angebote mit der beanstandeten Klausel veröffentlicht worden seien, habe der Bevollmächtigte der Beklagten schließlich mit Schreiben vom 08.12.2009 erklärt, dass die Beklagten für die Angebote verantwortlich seien.

Der Kläger beantragt,

I.
es den Beklagten zu untersagen, so wie geschehen in dem Verkaufsangebot vom 09.08.09 auf der Handelsplattform f mit der Adresse ####### unter der Artikelnummer ######, im geschäftlichen Verkehr mit dem Endverbraucher im Fernabsatz Angebote von Waren aus dem Sortiment Computerartikel zu veröffentlichen oder zu unterhalten, ohne entweder in unmittelbarer räumlicher Nähe zum Preis oder mittels einer sog. Sternchen-Fußnote beim Preis oder in einem hervorgehobenen Vermerk auf derselben Seite oder auf einer nachfolgenden Seite, die der Verbraucher vor Einleitung des Bestellvorganges passieren muss, für das gesamte Versandgebiet anzugeben, in welcher Höhe Versandkosten anfallen und nur für den Fall, dass die Angabe dieser Kosten nicht möglich ist, die näheren Einzelheiten der Berechnung anzugeben, aufgrund derer der Käufer die Höhe leicht errechnen kann.

II.
den Beklagten für jeden Fall der Zuwiderhandlung die Festsetzung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 € und wenn dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft bis zu sechs Monaten oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten anzudrohen.

III.
die Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 387,90 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Klageerhebung zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten tragen vor: Der Kläger handele rechtsmissbräuchlich. Bereits die Formulierungen der ersten Abmahnung seien Indizien für den Rechtsmissbrauch, weil der Kläger überflüssigerweise mit weiteren erheblichen Kosten drohe. Für Rechtsmissbrauch spreche auch die Anzahl der Abmahnungen, insgesamt 8 seit dem 24.06.2009, der Umstand, dass 2 Abmahnungen an einem Tag ausgesprochen worden seien, Gebühren gefordert würden, auf die kein Anspruch bestehe, zunächst Verstöße bei f, dann bei einem Onlineshop, die bei der ersten Abmahnung hätten erkannt werden können, abgemahnt worden seien, ferner, dass der Kläger mit 7.000,00 EUR eine deutlich überzogene Vertragsstrafe fordere, dem Kläger Betrug vorwerfe, Versandkostenhinweise verfolge, die auf einem f-Fehler beruhten, den H-Cash durchforste, um abmahnen zu können, sowohl gegen die Gesellschaft als auch gegen die Geschäftsführer persönlich in unterschiedlichen Verfahren vorgehe und eine weitere Vertragsstrafe in Höhe von 7.000,00 EUR fordere. Die von dem Kläger vorgelegten Ausdrucke seien zudem entweder unvollständig oder nicht echt oder bearbeitet worden. In der Sache selbst liege kein Verstoß vor.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Die Beiakten 12 O 131/09 LG Bochum, 12 O 186/09 LG Bochum, 14 O 45/10 LG Bochum und 14 O 178/09 LG Bochum lagen vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

Der Klageantrag des Klägers ist im Sinne von § 8 Abs. 4 UWG rechtsmissbräuchlich und daher unzulässig. Die Berechtigung des materiellen Unterlassungsanspruchs kann daher dahinstehen.

Ein Missbrauch im Sinne von § 8 Abs. 4 UWG liegt vor, wenn das beherrschende Motiv des Gläubigers bei der Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs sachfremde Ziele sind. Davon ist auszugehen, wenn die äußeren Umstände in ihrer Gesamtheit aus Sicht des wirtschaftlich denkenden Unternehmers deutlich machen, dass der Antragsteller kein nennenswertes wirtschaftliches oder wettbewerbspolitisches Interesse an der Rechtsverfolgung haben kann und die Abmahnung allein oder ganz überwiegend nur im Gebühreninteresse oder aus anderen sachfremden Interessen ausspricht. Eine Vielzahl von Abmahnungen ist hierfür nicht ausreichend. Es müssen weitere Umstände hinzutreten, die die Missbräuchlichkeit der Geltendmachung des Anspruchs begründen.

Entscheidend spricht für die Rechtsmissbräuchlichkeit des Klagebegehrens, dass der Kläger ohne sachlich nachvollziehbaren Grund Unterlassungsansprüche wegen desselben Verstoßes gegen die Firma P Online GmbH und gegen die Beklagte in getrennten Verfahren verfolgt. Die Einlassung des Klägers, er habe den Verfügungsantrag in dem Verfahren 14 O 178/08 LG Bochum zunächst allein gegen die GmbH gerichtet, da aus den Angeboten nicht eindeutig zu entnehmen gewesen sei, ob die Angebote von den Geschäftsführern selbst oder jedenfalls mit ihrer Kenntnis veröffentlicht worden seien und dies erst aus dem Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Beklagten vom 08.12.2009 erfahren, vermag nicht zu überzeugen. Zum einen hat der Kläger selbst in der vorformulierten Unterlassungserklärung als Erklärende sowohl die P-Online GmbH als auch beide Beklagte angegeben. Zum anderen wäre es bei kleinen Unternehmen, wie die Beklagte, die in dem aus dem Internet ersichtlichen Umfang online mit Computerartikeln handeln, lebensfern, anzunehmen, dass Angebote ohne Wissen der Geschäftsführer eingestellt werden. Für die Verfolgung in unterschiedlichen Verfahren besteht kein vernünftiger Grund. Dies lässt nur den Schluss zu, dass es dem Kläger um die Vervielfachung der Belastung des Kostenrisikos auf Gegnerseite geht. Hinzu kommt, dass der Kläger mehrere Abmahnungen ausgesprochen hat, die von vornherein hätten gebündelt werden können. Eine Mehrfachverfolgung ist missbräuchlich, wenn Möglichkeiten bestehen, eine den Gegner weniger belastende Verfahrenskonzentration zu wählen und das Vorgehen schonender zu gestalten (vgl. Köhler/Bornkamm, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 28. Aufl. 2010, § 8 Rdnr. 4.16 f.). Für Rechtsmissbrauch spricht ferner der Umstand, dass der Kläger durch Hinweis auf höhere Kosten und Setzen enger Fristen erheblichen Druck ausübt und eine mit 7.000,00 EUR sehr hohe Vertragsstrafe verlangt. Die Gesamtabwägung ergibt daher nach Auffassung des Gerichts, dass von einem rechtsmissbräuchlichen Verhalten des Klägers auszugehen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.

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