LG Bochum: Die Maßangabe eines Computerbildschirms in Zoll statt Zentimeter ist wettbewerbsrechtlich nur eine Bagatelle

veröffentlicht am 5. April 2010

Rechtsanwältin Katrin ReinhardtLG Bochum, Urteil vom 30.03.2010, Az. I-17 O 21/10
§§ 3 Abs. 1; 4 Nr. 11 UWG; §§ 1 Abs. 1, 2, 3 EinhZeitG

Das LG Bochum, welches uns eher dafür bekannt ist, abmahnungsfreundlich aufgestellt zu sein, hat den beantragen Erlass einer einstweiligen Verfügung wegen Verstoßes gegen das Gesetz über die Einheiten im Messwesen und die Zeitbestimmung (EinhZeitG)  als „Bagatellverstoß“ (wohl: nicht spürbaren Wettbewerbsverstoß) abgelehnt. Ähnlich hatte bereits der BGH (Beschluss vom 23.02.1995, Az. I ZR 36/94) entschieden. Die Eignung zur spürbaren Beeinträchtigung fehlte nach Überzeugung des Landgerichts, weil die Käufer auf dem Computermarkt – zu denen auch die Mitglieder der Kammer gehörten – in hohem Maße an Größenangaben in Zoll gewöhnt seien. Anders als bei Fernsehern werde die Bildschirmgröße im Computerbereich, etwa bei Monitoren, Laptops und Zubehör, wie digitalen Bilderrahmen bislang nahezu ausschließlich in Zoll angegeben. Erst seit wenigen Wochen sei eine zunehmende gleichzeitige Verwendung von Zentimeter- und Zollangaben in diesem Bereich festzustellen.

Bezogen auf den Zeitpunkt des hier streitgegenständlichen Internetauftritts der Antragstellerin Ende Januar 2010 sei daher festzuhalten, dass die Marktteilnehmer durch die langjährige Praxis, Angaben nur in Zoll zu machen bzw. vorzufinden, derzeit durch ausschließliche Zollangaben noch nicht tangiert würden. Vielmehr liege es sogar nahe, dass eine ausschließliche metrische Größenangabe bei diesen Produkten zur Zeit bei vielen Marktteilnehmern eher verwirrend wirken würde.

Langericht Bochum

Urteil

In dem einstweiligen Verfügungsverfahren

gegen

hat die 17. Zivilkammer des Landgerichts Bochum – Kammer für Handelssachen – durch … am 30.03.2010 beschlossen:

Der Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 28.02.2010 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Gegenstandswert für das Verfahren wird auf 10.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.
Die Antragstellerin und die Antragsgegnerin vertreiben jeweils auf der Internethandelsplattform eBay bundesweit Elektronikartikel.

Am 29.01.2010 bot die Antragsgegnerin bei eBay verschiedene Artikel, insbesondere digitale Bilderrahmen an. Die Angabe der Bildschirmgröße erfolgte dabei ausschließlich in Zoll.

Mit Schreiben vom 29.01.2010 mahnte die Antragstellerin die Antragsgegnerin ab und forderte diese – letztlich erfolglos – zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung bis zum 08.02.2010 auf. Die Antragstellerin rügte in den eBay-Angeboten der Antragsgegnerin die fehlenden Maßeinheitsangaben in cm.

Mit ihrem per Fax am 28.02.2010 bei Gericht eingegangenen Antrag begehrt die Antragstellerin den Erlass einer einstweiligen Verfügung mit dem Ziel, der Antragsgegnerin aufzugeben, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken im Zusammenhang mit dem Angebot von Waren an Verbrauchern im Fernabsatz auf der Internetplattform eBay Angaben zu Maßeinheiten zu machen, ohne hierbei die Maßeinheit in cm anzugeben.

II.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung war zurückzuweisen.

Ein Verfügungsanspruch nach §§ 8 Abs. 1, 3 Abs. 1, 4 Nr. 11 UWG besteht nicht. Zwar stellen sich die von der Antragstellerin monierten Internetangebote der Antragsgegnerin, die Bildschirmgrößenangaben ausschließlich in Zoll enthalten, als Verstoß gegen §§ 1 Abs. 1, 2, 3 des Gesetzes über die Einheiten im Messwesen und die Zeitbestimmung (EinhZeitG) i. V. m. § 1der Ausführungsverordnung zum Gesetz über die Einheiten im Messwesen und die Zeitbestimmung (EinhV) dar. Danach sind Größenangaben in anderen als metrischen Einheiten nur zulässig, wenn die Angaben der gesetzlichen Einheit gleichzeitig erfolgt.

Dieser Verstoß fällt ausnahmsweise aber unter die Bagatellklausel des § 3 UWG, weil ihm jedenfalls zur Zeit noch die Eignung fehlt, die Interessen von Mitbewerbern, Verbrauchern oder sonstigen Marktteilnehmern spürbar zu beeinträchtigen. Denn eine dahingehende Eignung ist nur anzunehmen, wenn eine objektive Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass die konkrete Handlung zu einer spürbaren Beeinträchtigung dieser Interessen führt (Köhler/Bornkamm, UWG, 28. Aufl., § 3 Rdnr. 116). Die Eignung zur spürbaren Beeinträchtigung fehlt nach Überzeugung des Gerichts, weil die Teilnehmer am hier relevanten Markt – zu denen auch die Mitglieder der Kammer gehören – in hohem Maße an Größenangaben in Zoll gewöhnt sind. Anders als bei Fernsehern wird die Bildschirmgröße im Computerbereich, etwa bei Monitoren, Laptops und Zubehör, wie digitalen Bilderrahmen bislang nahezu ausschließlich in Zoll angegeben. Erst seit wenigen Wochen ist eine zunehmende gleichzeitige Verwendung von Zentimeter- und Zollangaben in diesem Bereich festzustellen. Bezogen auf den Zeitpunkt des hier streitgegenständlichen Internetauftritts der Antragstellerin Ende Januar 2010 ist daher festzuhalten, dass die Marktteilnehmer durch die langjährige Praxis, Angaben nur in Zoll zu machen bzw. vorzufinden, derzeit durch ausschließliche Zollangaben noch nicht tangiert werden. Vielmehr liegt es sogar nahe, dass eine ausschließliche metrische Größenangabe bei diesen Produkten zur Zeit bei vielen Marktteilnehmern eher verwirrend wirken würde.

Nach alledem war der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung hier zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Auf das Urteil hingewiesen hatte RA Andreas Gerstel.

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