LG Bochum: Die Werbung mit einem durchgestrichenen (Statt-)Preis ohne Erläuterung der Art des Preises ist NICHT irreführend

veröffentlicht am 5. August 2010

LG Bochum, Urteil vom 07.12.2008, Az. I-14 O 189/08
§§ 3, 5 UWG

Die 17. Zivilkammer des LG Bochum hat entschieden, dass in der Angabe eines „Stattpreises“ ohne ausdrückliche Angabe, auf welchen Preis sich dieser bezieht, keine irreführende Werbung im Sinne von § 5 UWG zu sehen ist. Brisant: Zuvor hatte noch die 14. Zivilkammer des gleichen Gerichts eine entgegenlautende einstweilige Verfügung erlassen, die sodann im Widerspruchsverfahren von der weiteren Kammer aufgehoben wurde. Die 17. Zivilkammer des LG Bochum befindet sich in bester Gesellschaft des OLG Düsseldorf, während das KG Berlin noch mit dem BGH (zumindest was Markenartikel angeht) anderer Ansicht ist. Dem LG Bochum und OLG Düsseldorf pflichtet übrigens grundsätzlich der Vorsitzende Richter des für Wettbewerbssachen zuständigen BGH-Senats, Prof. Dr. Joachim Bornkamm, bei (Bornkamm in: Köhler/Bornkamm, UWG, 28. Aufl. [2010], § 5, Rn. 7.132).


Landgericht Bochum

Urteil

In der Sache

gegen

hat … des Landgerichts Bochum … durch … für Recht erkannt:

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.

Die Verfügungsklägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Verfügungsklägerin darf die Vollstreckung seitens der Verfügungsbeklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Verfügungsbeklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

Tatbestand:

Die Parteien bieten jeweils im Internet als gewerbliche Verkäufer u. a. … an. Unter ihrem Mitgliedsnamen … bot die Verfügungsbeklagte einen … aus dem Hause … mit den nachfolgenden Angaben an:

*Schnäppchenpreis!
*Art.Nr. …
*statt 99,00 Euro nur 59,90 Euro -> 40 % Ersparnis!“

Mit Schreiben vorn 10.10.2008 mahnte die Verfügungsklägerin die Verfügungsbeklagte ab, weil der von ihr verwendete „Stattpreis“ nicht erkennen lasse, ob er sich auf die unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers, den Preis eines Konkurrenten oder vielleicht einen früheren, von der Verfügungsbeklagten verlangten Preis beziehe. Die Verfügungsklägerin forderte die Verfügungsbeklagte in dem Abmahnschreiben zur Abgabe einer dahingehenden strafbewehrten Unterlassungserklärung auf. Mit Schreiben vom 20.10.2008 wies die Verfügungsbeklagte dieses Unterlassungsverlangen als unberechtigt zurück, weil es sich bei dem beworbenen, gegenüber gestellten Preis um den ehemaligen Verkaufspreis handele.

Die Verfügungsklägerin hat sodann mit Antragsschrift vom 20.10.2008 den Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen die Verfügungsbeklagte beim Landgericht beantragt. Mit Beschluss vom 21.10.2008 hat die damals zuständige 14. Zivilkammer des Landgerichts ? wegen der Dringlichkeit ohne vorherige mündliche Verhandlung durch den Vorsitzenden der Kammer allein eine einstweilige Anordnung mit dem nachfolgenden Inhalt erlassen:

„Dem Antragsgegner wird bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR  und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ersatzordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten untersagt,

im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs bei Fernabsatzverträgen über … mit privaten Endverbrauchern auf der Auktionsplattform eBay mit der nachfolgenden Preisgegenüberstellung zu werben:

„Schnäppchenpreis!
statt 99,00 Euro nur 59,90 Euro -> 40 % Ersparnis!“
wie im Angebot mit der Artikelnummer: XXXXX geschehen.“

Gegen diese einstweilige Verfügung richtet sich der Widerspruch der Verfügungsbeklagten vom 27.11.2008.

Die Verfügungsklägerin ist der Auffassung, der Begriff „statt“ sei mehrdeutig. Der durchschnittlich informierte, situationsadäquat aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher könne diesen Preis nicht nur auf die von der Verfügungsbeklagten geforderten Preise beziehen, sondern auch auf einen vom Hersteller empfohlenen, einen in der Branche durchschnittlich verlangten oder einen allgemeinen Marktpreis.

Die Verfügungsklägerin beantragt, die einstweilige Verfügung vom 21.10.2008, Az. 14 0 189/08 zu bestätigen.

Die Verfügungsbeklagte beantragt, die im Beschlusswege ergangene einstweilige Verfügung aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung der Verfügungsklägerin zurückzuweisen.

Die Verfügungsbeklagte trägt vor, dass es sich bei dem „Stattpreis“ um den alten, ehemaligen von ihr seit März 2008 geforderten Preis handele. Sie ist der Auffassung, der angesprochene Adressatenkreis/Durchschnittsverbraucher habe sich daran gewöhnt, dass eine Werbung mit „Stattpreisen“ regelmäßig dahin zu verstehen sei, dass es sich um die früheren, eigenen Preise des Werbenden handele.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Beschluss vom 21.10.2008 war aufzuheben und der Antrag der Verfügungsklägerin auf Erlass einer einstweiligen Verfügung war zurückzuweisen.

Ein Verfügungsanspruch der Verfügungsklägerin, hier ein Unterlassungsanspruch aus § 8 Abs. 1 UWG i. V. m. §§ 3, 5 UWG besteht nicht. In der Angabe eines „Stattpreises“ ohne ausdrückliche Angabe, auf welchen Preis sich dieser bezieht, ist keine irreführende Werbung im Sinne von § 5 UWG zu sehen. Der früher teilweise vertretenen Auffassung, dass jedenfalls bei Markenwaren darauf hingewiesen werden müsse, auf welchen Preis sich der „Stattpreis“ beziehe – auf die die Verfügungsklägerin abstellt – folgt die Kammer ausdrücklich nicht.

Bei der Gegenüberstellung eines höheren „Stattpreises“ mit dem aktuellen Verkaufspreis besteht für die Konkretisierung, dass ein Eigenpreisvergleich vorliegt, zur Vermeidung einer Irreführung über den erzielten Preisvorteil dann keine Notwendigkeit, wenn aus der Gestaltung der Anzeige im konkreten Einzelfall für die angesprochenen Verkehrskreise unschwer erkennbar ist, von wem der durchgestrichene Preis zuvor gefordert wurde. Fehlen insoweit nähere Angaben, so versteht der verständige Durchschnittsverbraucher den „Stattpreis“ als denjenigen, den der Verkäufer von einem Interessenten zuvor als Gegenleistung verlangt hat. Eine Irreführung liegt in diesem Zusammenhang nur dann vor, wenn der herabgesetzte Preis von dem Verkäufer nur eine unangemessen kurze Zeit gefordert worden ist. (Thüringer Oberlandesgericht, Urteil vom 24.11.2004, Az. 2 U 751/04; vgl. auch Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 25. Aufl. 2007, § 5 UWG Rdnr., 7.132). Dem folgt die Kammer aus eigener Überzeugung.

Die Verfügungsbeklagte hat in diesem Sinne durch die von ihr vorgelegte eidesstattliche Versicherung vom 25.11.2008 hinreichend glaubhaft gemacht, dass sie den im Oktober 2008 in der Werbeanzeige genannten Preis „statt 99,00 Euro“ vor der Herabsetzung seit März 2008 für den hier relevanten Artikel selbst gefordert hat. Dieser mehrmonatige Zeitraum, in dem die Verfügungsbeklagte denhöheren Preis gefordert hat, ist zur Überzeugung der Kammer nicht unangemessen kurz. Im Hinblick darauf, dass in der Anzeige der Verfügungsbeklagten nähere Angaben dazu, auf was sich der „Stattpreis“ bezieht, fehlen, ist vorliegend davon auszugehen, dass der durchschnittlich informierte, situationsadäquat aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher in diesem „Stattpreis“ den früheren Preis der Verfügungsbeklagten für den Artikel sieht. Anhaltspunkte dafür, dass im vorliegenden Fall etwas anderes gelten könnte, sind weder der Anzeige selbst noch dem Vorbringen der Verfügungsklägerin zu entnehmen. Insbesondere sind keine Anzeichen dafür vorhanden, dass es sich bei dem „Stattpreis“ tatsächlich etwa nur um die unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers oder den Preis eines Konkurrenten handeln könnte. Auch aus dem Umstand, dass die vorliegende Anzeige im Internet, auf der Auktionsplattform ebay zu finden war, ergeben sich insoweit keine Gesichtspunkte, die eine von der Vorstellung, dass sich der Stattpreis auf den früheren Preis des Anbieters selbst bezieht, abweichende Vorstellung der Durchschnittsverbraucher rechtfertigen würde.

Nach alledem war der Antrag der Verfügungsklägerin wie geschehen zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nn 6, 711 ZPO.“

Auf das Urteil hingewiesen hat RA Andreas Gerstel.

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