LG Bremen, Urteil vom 27.05.2010, Az. 12 O 500/09
§§ 3, 5 Abs. 1, 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 UWG
Das LG Bremen hat entschieden, dass die Werbung eines Telekommunikationsanbieters als „Erster“ keine unzulässige Spitzenstellungsbehauptung ist, wenn diese Werbung sich auf einen konkret dargestellen Preisvergleich bezieht, der diesem Slogan zuzuordnen ist. Die Beklagte hatte in ihrer Werbung als „Erster“ einen Preisvergleich gegenüber 5 namentlich aufgeführten Konkurrenten durchgeführt, wo ihr Angebot am günstigsten abschnitt. Das Gericht stellte auf das allgemeine Verständnis der Verbraucher ab. In einer mit „Erster“ betitelten Werbeanzeige, die zunächst einmal vieldeutig sei, erwarte der Verbraucher Aufklärung vom nachfolgenden Werbetext. Vorliegend sei deutlich geworden, dass sich „Erster“ nur auf den nachfolgenden Preisvergleich beziehen könne. Dieser sei zutreffend dargestellt gewesen. Auf das Urteil hingewiesen hat die Kanzlei CMS Hasche Sigle. Zum Volltext der Entscheidung:
Landgericht Bremen
Urteil
In Sachen
…
hat die 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Bremen auf die mündliche Verhandlung vom 6. Mai 2010 durch … für Recht erkannt:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Parteien bieten Telekommunikationsdienstleistungen an. In der in B und im Landkreis C erscheinenden Zeitung „Sonntagsjournal“ vom 30.9.2007 warb die Beklagte wie folgt (Anlage K 4):
…
Die Klägerin trägt vor, die Beklagte nehme mit dieser Werbung zu Unrecht eine umfassenden preislich und leistungsbezogene Spitzenstellung für sich in Anspruch.
Dies sei irreführend, weil die Beklagte eine solche Spitzenstellung auf dem deutschen Markt tatsächlich nicht innehabe. Die Beklagte stelle sich zudem auch hinsichtlich der Verfügbarkeit auf eine Stufe mit der Klägerin und anderen Mitbewerbern, obwohl sie ihre Leistungen nur regional begrenzt anbiete. Auch dies sei irreführend.
Die Klägerin sei auch aktivlegitimiert. Nachdem die Klägerin – unstreitig – ihren Festnetz-Geschäftsbereich, der Telefon- und Internetdienstleistungen umfasst, zum 1.4.2010 auf die X-GmbH ausgegliedert habe, verfolge die Klägerin die Ansprüche mit ausdrücklicher Ermächtigung auch in Prozessstandschaft dieser Gesellschaft.
Die Klägerin beantragt,
1. die Beklagte unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs mit der in der Anlage K4 beigefügten Werbung zu werben und/oder werben zu lassen
2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, auf die klägerseits verauslagten Gerichtskosten Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz für die Zeit von dem Eingang der eingezahlten Gerichtskosten bis zum Eingang eines Kostenfestsetzungsantrags nach Maßgabe der auszuurteilenden Kostenquote zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte bestreitet die Aktivlegitimation der Klägerin. Diese sei nach Übertragung des Festnetz- Geschäftsbereiches auf die X- GmbH nicht mehr Mitbewerberin. Die Beklagte trägt weiter vor, die Aussage „Erster!“ beziehe sich allein auf den in der Werbung wiedergegebenen Vergleich und sei daher zutreffend.
Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird auf die von ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet. Der Klägerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus §§ 3, 5 Abs. 1, 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 UWG nicht zu.
Auf den in die Zukunft gerichteten Unterlassungsanspruch sind die Bestimmungen des am 30. Dezember 2008 in Kraft getretenen Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb vom 22. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2949) anzuwenden. Der Unterlassungsanspruch besteht aber nur, wenn das beanstandete Verhalten auch schon im Jahr 2007 nach der Beurteilung auf der Grundlage des UWG 2004 wettbewerbswidrig war. Da sich die rechtliche Beurteilung der Irreführung durch Berühmung einer Spitzenstellung nach altem und nach neuem Recht nicht unterscheidet, bedarf es allerdings keiner Differenzierung.
Die von der Klägerin beanstandete Werbung verstößt nicht gegen das Irreführungsverbot, weil sich das Prädikat „Erster!“ allein auf den in der Werbung wiedergegebenen Preisvergleich bezieht und damit zutreffend ist.
Maßgebend für die Beurteilung einer Werbeaussage nach § 3 UWG ist das Verständnis der angesprochenen Verkehrskreise. Da sich die im Streit stehende Werbung an Endverbraucher richtet, gehört auch die Kammer zu den angesprochenen Verkehrskreisen und kann die Beurteilung aufgrund eigener Sachkunde und Lebenserfahrung vornehmen. Abzustellen ist hierbei auf das Verständnis des durchschnittlich informierten, verständigen und situationsadäquat aufmerksamen Durchschnittsverbrauchers (BGH GRUR 2002, 182 – Das Beste jeden Morgen).
Für die Beurteilung ob eine Werbung irreführend ist, ist ihr Gesamteindruck maßgeblich (vgl. BGH GRUR 2010, 352, 353- Hier spiegelt sich Erfahrung mwN); es sind alle ihre Bestandteile zu berücksichtigen.
Die angegriffene Werbung besagt, dass die Beklagte „Erster“ in dem nachfolgend aufgeführten Preisvergleich geworden ist. Die Werbeaussage „Erster!“ ist für sich allein vieldeutig. Wird eine ganzseitige Werbung mit der Überschrift „Erster!“ versehen, erwartet der Verkehr deshalb, dass der nachfolgende Werbetext darüber aufklärt, was der Werbende damit behaupten will. Nachfolgend wird ein Preisvergleich gegenüber fünf namentlich genannten Konkurrenten dargestellt, bei dem das Angebot der Beklagten als bestes abschneidet. Die Aufmerksamkeit des Lesers wird gezielt auf diesen Preisvergleich gelenkt. Dieser ist Mittelpunkt der Werbung und fällt mit den hervorgehobenen Balken, die das Preisgefüge der Vergleichsprodukte darstellen, sofort ins Auge. Für den situationsadäquat aufmerksamen Verbraucher wird es nach dem Gesamtzusammenhang der Werbung damit hinreichend deutlich, dass sich die zunächst nicht näher spezifizierte Aussage „Erster!“ nur auf diesen Preisvergleich beziehen kann.
Die vom Verkehr so verstandene Werbeaussage ist nicht irreführend. Die Aussage, dass die Beklagte im dargestellten Preisvergleich „Erster!“ ist, ist zutreffend. Der Preisabstand zu den anderen Vergleichsprodukten ergibt sich deutlich aus den angegebenen Preisen und grafisch aus den Balken. Den Preisvergleich als solchen beanstandet die Klägerin nicht. Der Verkehr erwartet gerade bei einem Preisvergleich auf dem Markt der Telekommunikationsdienstleistungen auch nicht, dass die dargestellten Preise längere Zeit Bestand haben. Der aufmerksame Verbraucher weiß vielmehr, dass sich die Preise auf diesem Markt ständig ändern, insbesondere Mitbewerber versuchen, neue Preise der Konkurrenz wieder zu unterbieten. Der Verbraucher wird daher in dem dargestellten Preisvergleich lediglich eine „Momentaufnahme“ sehen.
Die Angabe „Ihr Kabelanschluss für Fernsehen, Internet und Telefon“ am Schluss der Werbung ist ebenfalls nicht irreführend. Der Verkehr erkennt durch die herausgestellte Angabe der Symbole für Internet und Telefonie deutlich, dass sich das Produkt der Beklagten nur auf diese Telekommunikationsdienstleistungen, nicht aber auf das Fernsehen bezieht. Er wird die Angabe am Schluss der Werbung deshalb allein auf das Unternehmen der Beklagten beziehen, dass bekanntermaßen über ihr Kabelnetz Fernsehen anbietet.
Die Werbung ist schließlich auch hinsichtlich der Verfügbarkeit der Leistungen nicht irreführend. Wenn die Beklagten in einer nur in B und dem Landkreis C erscheinenden Zeitung mit einem Produktvergleich wirbt, so erwartet der Verkehr lediglich, dass das Produkt der Beklagten im Erscheinungsgebiet der Zeitung für diejenigen verfügbar ist, die einen Kabelanschluss besitzen. Die Klägerin hat nicht dargelegt, dass das Produkt der Beklagten in dieser Regionnicht verfügbar ist.
Ist danach ein Unterlassungsanspruch nicht gegeben, so kann dahingestellt bleiben, ob die Klägerin gem. § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG aktivlegitimiert ist oder einen Unterlassungsanspruch in Prozessstandschaft für die X- GmbH verfolgen kann.
Besteht ein wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsanspruch nicht, so kann die Klägerin auch Zinsen auf eingezahlte Gerichtskosten als Schadensersatz nicht geltend machen.
Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.