LG Frankfurt a.M.: Misgendern zu Lasten einer trans Frau („Herr Transfrau“) verletzt Persönlichkeitsrecht / 2024

veröffentlicht am 10. Februar 2025

LG Frankfurt a.M., Beschluss vom 12.07.2024, Az. 2-03 O 275/24
LG Frankfurt a.M., Urteil vom 14.11.2024, Az. 2-03 O 275/24

§ 823 BGB, § 1004 BGB

Das LG Frankfurt a.M. hat mit Beschluss vom 12.07.2024 entschieden, dass die Bezeichnung als „Herr Transfrau“ oder „Herr in Damenkleidung“ und die Verwendung männlicher Fürwörter für eine Person, die ihren Personenstand per Gerichtsbeschluss zuvor in „weiblich“ umgeändert hatte, einen rechtswidrigen Eingriff in ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht und einen Angriff auf ihre Menschenwürde darstellt. Rechtlich inhaltlich ähnlich lautet eine einstweilige Verfügung des LG Frankfurt a.M. vom 16.12.2024 (Az. 2-03 O 432/24), wonach die Kammer Teile eines Tweets untersagte, welcher u.a. lautete: „Wir dürfen […] den Mann, der in die Damen-Umkleide wollte, wieder und weiter als das bezeichnen, was er ist: als Mann!“ Schlagzeilen machte das Urteil des LG Frankfurt a.M. vom 14.11.2024, Az. 2-03 275/24, als die Kammer die einstweilige Verfügung vom 12.07.2024 aufhob. Grund hierfür war jedoch ausdrücklich nicht die Abkehr des LG Frankfurt a.M. von der verkündeten Rechtsansicht, sondern der formaljuristisch zu berücksichtigende Umstand, dass die Prozessbevollmächtigten der trans Frau die einstweilige Verfügung fehlerhaft nur an den Verfügungsgegner zustellen ließen, nicht aber dessen Rechtsanwalt (vgl. §§ 936, 929 Abs. 3 S. 2, Abs. 2 ZPO, § 172 ZPO). Zur Pressemitteilung des LG Frankfurt a.M. im Verfahren 2-03 O 275/24:

„Frist versäumt
Eilverfahren transidenter Person gegen Presseberichterstattung
Die Pressekammer hebt die einstweilige Verfügung auf.

Die Pressekammer des Landgerichts Frankfurt am Main hat mit einem heute verkündeten Urteil eine von einer transidenten Klägerin zuvor erwirkte einstweilige Verfügung gegen verschiedene Medienberichterstattungen aus formellen Gründen aufgehoben. Zwingende Vorschriften bei der Zustellung der einstweiligen Verfügung an das beklagte Medienunternehmen waren von der Anwältin der Klägerin nicht eingehalten worden.

Die Klägerin hatte ihren Personenstand gerichtlich in „weiblich“ ändern lassen. Eine geschlechtsangleichende Operation hat sie nicht durchführen lassen. Im Frühjahr 2024 beabsichtigte sie, ein Probetraining in einem Erlanger Damenfitnessstudio durchzuführen. Das wurde ihr mit dem Hinweis verwehrt, das Sportstudio verfüge nur über Damenumkleiden und Damenduschen.

Über diesen Sachverhalt berichtete die Beklagte auf ihrer Internetseite. In verschiedenen Artikeln wurde der Name der Klägerin genannt und es wurden „verpixelte“ Bilder von ihr veröffentlicht. Außerdem wurde sie als Mann bezeichnet und ein männliches Pronomen für sie verwendet.

Gegen diese Art der Berichterstattung wandte sich die Klägerin mit einem Eilantrag vor dem Landgericht Frankfurt am Main. Die Pressekammer des Gerichts gab dem Antrag mit Beschluss vom 12.7.2024 überwiegend statt. Nachdem die Klägerin ihren Personenstand per Gerichtsbeschluss in „weiblich“ umgeändert habe, stelle die Bezeichnung als „Herr Transfrau“ oder „Herr in Damenkleidung“ und die Verwendung männlicher Fürwörter einen Eingriff in ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht und einen Angriff auf ihre Menschenwürde dar. Die Offenlegung ihres Vor- und Nachnamens verletze die Klägerin in ihrem informationellen Selbstbestimmungsrecht, denn dieses beinhalte auch das Recht, anonym zu bleiben. Die Klägerin seit trotz der Verpixelung ohne weiteres erkennbar.

Allerdings stellte die Kammer in ihrem Beschluss klar, das beklagte Medienunternehmen dürfe die Meinung äußern, nur Frauen mit weiblichem Geburtseintrag sollten Mitglieder eines Frauenfitness-Studios sein. „Eine öffentlich geführte Diskussion zu diesem Thema ist von dem Recht auf Meinungsäußerung geschützt. Dabei darf die Beklagte sich auch auf Geschlechtsmerkmale beziehen, solange sie nicht – wie bei den untersagten Äußerungen – einer Person ihre Geschlechtsidentität abspricht. Entsprechend kann ihr das Wortspiel ,Mit-Glied-Schaft‘ nicht untersagt werden.“ Die Richterinnen und Richter führten weiter aus: „Dasselbe gilt für die angegriffene Mitteilung, dass die Antidiskriminierungsbeauftragte jemanden darin unterstützt, ,Zugang zu einem Frauen-Fitnessstudio in Erlangen und Frauenduschen‘ zu erhalten. Laut Antragsschrift hat die Klägerin selbst vorgeschlagen, „etwa nur mit Badehosen zu duschen“. Insoweit handelt es sich bei der angegriffenen Äußerung um eine wahre Tatsachenbehauptung mit wertenden Inhalten im Rahmen eines öffentlichen Diskurses.“

Gegen diesen Beschluss hat die Beklagte Widerspruch eingelegt. Nach mündlicher Verhandlung hat die Pressekammer die zuvor ergangene einstweilige Verfügung mit dem heutigen Urteil nun aus formellen Gründen aufgehoben.

Eine einstweilige Verfügung muss nämlich innerhalb der Frist von einem Monat im sog. „Parteibetrieb“ zugestellt werden. Das bedeutet, dass die Zustellung innerhalb eines Monats von Anwalt zu Anwalt erfolgen muss, wenn eine Partei bereits einen Anwalt hat. Diese Frist hatte die Rechtsanwältin der Klägerin nicht eingehalten. Sie hatte den Beschluss der Beklagten direkt zugestellt, obwohl sich zwischenzeitlich ein Rechtsanwalt der Beklagten zur Akte gemeldet hatte. Unabhängig von der materiellen Rechtslage und etwaigen Rechtsverletzungen in der angegriffenen Medienberichterstattung war die Pressekammer daher gehalten, die einstweilige Verfügung aufzuheben.

Das heutige Urteil ist nicht rechtskräftig (Aktenzeichen: 2-03 O 275/24). Es kann mit der Berufung zum Oberlandesgericht Frankfurt am Main angefochten werden. Die Entscheidung ist in Kürze in der
Landesrechtsprechungsdatenbank abrufbar.“

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