LG Frankfurt a.M.: AGB-Klausel „Liefertermine sind nur bindend, wenn schriftlich zugesagt“ ist wettbewerbswidrig

veröffentlicht am 30. September 2008

LG Frankfurt a.M., Urteil vom 03.07.2008, Az. 2-31 O 128/07
§§ 308 Nr. 1, 339 Satz 2 BGB

Das LG Frankfurt a.M. ist der Rechtsansicht, dass die AGB-Klausel „Liefertermine sind nur bindend, wenn diese schriftlich von uns zugesagt werden“ unwirksam und wettbewerbswidrig ist. Die Klausel müsse sich an § 308 Nr. 1 BGB messen lassen. Danach sei eine Bestimmung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, durch die sich der Verwender nicht hinreichend bestimmte Fristen für die Erbringung einer Leistung vorbehält. Der Kunde müsse daher in der Lage sein, das Fristende selbst zu erkennen oder zu errechnen. Unzulässig sei danach eine Klausel, die den Fristbeginn von einem Ereignis im Bereich des Verwenders abhängig machen, etwa von der Bestätigung des Verwenders. Dies sei vorliegend der Fall gewesen.


Landgericht Frankfurt am Main

Urteil

In dem Rechtsstreit

gegen

hat die 31. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main durch … als Einzelrichterin aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 12.06.2008 für Recht erkannt:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages
vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger tritt unter der Firmierung … unter anderem unter der 00-main.de im Internet auf und bietet gewerbsmäßig Artikel rund um das Thema Hochzeit Endverbrauchern zum Kauf an. Die Beklagten vertreiben unter der Domain de ebenfalls gewerblich diverse Artikel rund um das Thema Hochzeit.

Mit Datum vom 21.03.2007 wurde durch die Prozessbevollmächtigten der Beklagten für diese aufgrund einer Abmahnung des Klägers eine Unterlassungserklärung (BI. 6 – 9 d. A.) abgegeben. In dieser haben sich die Beklagten „bei Meidung einer für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Vertragsstrafe in Höhe von 5.100,00 EUR verpflichtet,

1. es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken im Zusammenhang mit Kauf- und Lieferverträgen gegenüber Verbrauchern wörtlich oder inhaltsgleich nachstehende Klauseln zu verwenden oder sich bei der Abwicklung bestehender Verträge auf diese zu berufen:

Liefertermine sind nur bindend, wenn diese schriftlich von uns zugesagt werden.

Lebensmittel sind von der Rückgabe ausgeschlossen.

Es bedarf keiner näheren Erläuterung, dass die vorstehenden Unterlassungspflichten selbstverständlich unter dem Vorbehalt einer anders lautenden höchstrichterlichen Rechtsprechung zu bewerten sind und sich unsere Mandantschaft im Übrigen vorbehält, Ihre AGB nach dem derzeitigen Stand der Rechtsprechung sowie einschlägigen Kommentarliteratur entsprechend zu gestalten, ohne dass hiermit gleich automatisch ein Verstoß gegen die vorstehende Unterlassungsverpflichtung einhergehen muss.“

Im Rahmen einer Kontrolle der Angebote der Beklagten wurde der Kläger darauf aufmerksam, dass u. a. in den AGB unter § 4 Abs. 1 (BI. 10 d. A.) folgende Klausel verwendet wurde: „Angaben über die Lieferfrist verstehen sich als voraussichtliche Lieferzeiten.“ In der Artikelliste (BI. 11 – 14 d. A.) war der folgende Hinweis zu finden: „Hochzeitsmandeln (Lebensmittel) sind aus hygienischen-rechtlichen Vorgaben vom Umtausch ausgeschlossen.“

Zu welchem Zeitpunkt dieser Artikel in dieser Form im Internet zu finden war, ist zwischen den Parteien im Streit. Aufgrund dieser behaupteten Verstöße wurden die Beklagten am 26.3.2007 (BI. 15 – 18 d. A.) erneut abgemahnt und zur Unterlassung und zur Zahlung der Vertragsstrafe aufgefordert. Der Bundesverband Digitale Wirtschaft eV. (BVDW) empfahl auf seiner Internetseite: „Zur Vermeidung einer irreführenden Werbung sollten bei dem jeweiligen Warenangebot stets voraussichtliche Lieferzeiten angegeben werden. Die Irreführung kann auch ausgeschlossen werden, indem die konkrete Menge angegeben wird. Wichtig ist, dass der Hinweis leicht lesbar ist und sofort ins Auge fällt. Solche Zusätze müssen natürlich mit den AGB und der Werbung korrespondieren, d.h. wer keinen großen Vorrat hat, muss sich bei der Werbung entsprechend zurückhalten.“ Ferner führt er dort aus:

„Gemeinsam die digitale Welt bewegen

Der Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) e. V. ist die Interessenvertretung aller am digitalen Wertschöpfungsprozess beteiligten Unternehmen. Der BVDW steht im ständigen Dialog mit Politik, Öffentlichkeit und anderen Interessengruppen (Verbraucherorganisationen, andere Branchenverbände etc.), um ergebnisorientiert, praxisnah und effektiv die dynamische Entwicklung der Branche zu unterstützen. Zudem bietet der BVDW ein Expertennetzwerk, das Unternehmen und Interessierten innerhalb wie außerhalb der Branche schnell und gezielt Antworten auf konkrete Fragestellungen nJnd um die Lösungen der Digitalen Wirtschaft liefert. Der BVDW bietet ein umfangreiches Service- und Informationsportfolio für seine Mitgliedsunternehmen. Er hat sich zur Aufgabe gemacht, Effizienz und Nutzen digitaler Technologientransparent zu machen und so den Einsatz in der Gesamtwirtschaft, Gesellschaft und Administration zu fördern. „

Die Widerrufsbelehrung auf der Webseite der Beklagten lautet wie folgt:

„Widerrufsrecht
Der Kunde, sofern dieser Verbraucher ist, kann seine Vertragserklärung innerhalb von zwei Wochen ohne Angabe von Gründen in Textform (z. B. Brief, Fax, E-Mail) oder durch Rücksendung der Sache widerrufen. Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt einer in Textform noch gesondert mitzuteilenden Widerrufsbelehrung nicht jedoch, vor Erhalt der Ware. Zur Wahrung der Widerrufsfrist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs oder der Sache. Der Widerruf ist zu richten an:

Folgen des Widerrufs
Im Falle eines wirksamen Widerrufs sind die beiderseits empfangenen Leistungen zurückzugewähren und ggfs. gezogene Nutzungen herauszugeben. Kann der Kunde die empfangene Leistung ganz oder teilweise nicht oder nur in verschlechtertem Zustand zurückgewähren, muss insoweit ggfs. Wertersatz leisten. Bei der Überlassung von Sachen gilt dies nicht, wenn die Verschlechterung der Sache ausschließlich auf deren Prüfung – wie sie dem Kunden etwa im Ladengeschäft möglich gewesen wäre – zurückzuführen ist. Im Übrigen kann der Kunde die Wertersatzpflichtvermeiden, indem er die Sache nicht wie ein Eigentümer in Gebrauch nimmt und alles unterlässt, was deren Wert beeinträchtigt.

Übt der Kunde sein Widerrufsrecht aus, so ist er zur Rücksendung der Ware verpflichtet, sofern diese zur Rücksendung geeignet ist. Der Kunde hat die Kosten der Rücksendung zu tragen, wenn die gelieferte Ware der bestellten entspricht und wenn der Preis der zurückzusendenden Sache einenBetrag von 40,00 EUR nicht Übersteigt oder wenn der Kunde bei einem höheren Preis der Sache zum Zeitpunkt des Widerrufs noch nicht die Gegenleistung oder eine vertraglich vereinbarte Teilzahlung erbracht hat. Anderenfalls ist die Rücksendung für den Kunden kostenfrei.

Ausnahmen von Widerrufsrecht

Das Widerrufsrecht besteht nicht bei Vertragen
(1) zur Lieferung von Ware, die nach Kundenspezifikationen angefertigt werden oder eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse zugeschnitten sind oder die aufgrund ihrer Beschaffenheit nicht für die Rücksendung geeignet sind oder schnell verderben können oder deren Verfallsdatum überschritten wurde
(2) zur Lieferung von Audio- oder Videoaufzeichnungen oder von Software, sofern die gelieferten Datenträger vom Verbraucher entsiegelt worden sind.
Ende der Widerrufsbelehrung“

Die Beklagten haben die Unterwerfungsvereinbarung sowohl angefochten als auch aus wichtigem Grund die Kündigung erklärt.

Der Kläger behauptet, die Beklagten hätten Silberne Hochzeitsmandeln am 25.3.2007 wie auf BI. 118 d. A. ersichtlich, beworben. Er habe regelmäßig 550 – 580 verschiedene Artikel im Angebot seines Online-Shops. Er habe 2007 einen Umsatzerlös mit Hochzeitsartikeln von … EUR erzielt. Die Beklagten hätten seit August 2007 Kenntnis von Abmahnungen anderer Mitbewerber.

Der Kläger ist der Ansicht, die Vertragsstrafe sei verwirkt.

Der Kläger beantragt, die Beklagten zu verurteilen, an ihn 10.200,00 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.6.2007 zu zahlen.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Die Beklagten behaupten, der Kläger habe mindestens 19 Internethändler von Hochzeitsartikeln abgemahnt. Jedes Mal sei ein unangemessen hoher Streitwert zugrunde gelegt worden. In den vorformulierten Unterlassungserklärungen hätten die Abgemahnten jeweils auf die Einrede des Fortsetzungszusammenhangs verzichten müssen. Ferner habe es sich um Schreiben aus Textbausteinen gehandelt.

Die Beklagten sind der Ansicht, die Klauseln seien weder identisch, noch inhaltsgleich oder kerngleich weiter verwendet worden. Jedenfalls treffe sie kein Verschulden, da sie ihre AGB nach Abgabe der Unterlassungserklärung umfangreich durch ihren Prozessbevollmächtigten unter Heranziehung der einschlägigen Kommentarliteratur sowie der zum Zeitpunkt der Ausarbeitung ersichtlichen Rechtsprechung haben überarbeiten lassen. Die Vertragsstrafe sei unverhältnismäßig hoch. Die Abmahnung sei rechtsmissbräuchlich nach § 8 Abs. 4 UWG.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

Die Beklagten haben die Vertragsstrafe nicht durch eine Zuwiderhandlung der Unterlassungsverpflichtung verwirkt (§ 339 Satz 2 BGB).  Unstreitig haben sich die Beklagten zunächst strafbewehrt verpflichtet, es zu unterlassen, die Klausel „Liefertermine sind nur bindend, wenn diese schriftlich von uns zugesagt werden“ zu verwenden. Mit der Verwendung der Klausel ,,Angaben über die Lieferfrist verstehen sich als voraussichtliche Lieferzeiten“ haben sie dieser Unterlassungsverpflichtung nach Auffassung des Gerichts nicht zuwider gehandelt.

Offensichtlich wurde die Klausel nicht identisch verwendet. Die neue Regelung ist mit der alten jedoch auch nicht inhalts- oder kerngleich. Die ursprünglich verwendete Klausel musste sich an § 308 Nr. 1 BGB messen lassen. Danach ist eine Bestimmung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, durch die sich der Verwender nicht hinreichend bestimmte Fristen für die Erbringung einer Leistung vorbehält. Der Kunde muss daher in der Lage sein, das Fristende selbst zu erkennen oder zu errechnen (Palandt, Kommentar zum BGB, § 308 BGB, Rn. 8). Unzulässig ist danach eine Klausel, die den Fristbeginn von einem Ereignis im Bereich des Verwenders abhängig machen, etwa von der Bestätigung des Verwenders (Palandt, § 308 BGB, Rn. 8). Dies war vorliegend der Fall. Denn Liefertermine sollten nur dann bindend sein, wenn sie von den Beklagten schriftlich zugesagt werden. Die neue Klausel hat keinerlei Bezug zu einer Abhängigkeit der Verbindlichkeit von einer (schriftlichen) Bestätigung.

Im Übrigen würde es nach Auffassung des Gerichts auch am Verschulden der Beklagten fehlen. Auch für § 339 Satz 2 BGB genügt für die Verwirkung der Vertragsstrafe nicht die objektive Zuwiderhandlung, sondern setzt ein Verschulden voraus (Palandt, § 339 BGB, Rn. 4). Die Beklagten haben jedoch zum einen dargelegt, dass sie sich mit der Neureglung exakt an die Empfehlung des Bundesverband Digitale Wirtschaft eV. gehalten haben, der zur Vermeidung einer irreführenden Werbung die Angabe der voraussichtlichen Lieferzeit empfiehlt. Zum anderen kann inhaltlich kein Unterschied zwischen „Zirka-Fristen“ und „voraussichtlichen Lieferzeiten“ ausgemacht werden. Erstere werden jedoch als wirksam i. S des § 308 Nr. 1 BGB angesehen (Palandt, § 308 BGB, Rn. 8). Was jedoch als AGB-Klausel einhellig in Literatur und Rechtsprechung als wirksam betrachtet wird, kann auf der Verschuldensebene bei Auslegung der Unterlassungserklärung vom 21.3.2007 nicht als strafbewehrter Verstoß betrachtet werden.

Ebenso liegt in der Verwendung der Artikelbeschreibung „Hochzeitsmandeln (Lebensmittel) sind aus hygienisch-rechtlichen Vorgaben vom Umtausch ausgeschlossen“ keine Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung zum Unterlassen der Verwendung der Klausel „Lebensmittel sind von der Rückgabe  ausgeschlossen“. Zunächst handelt es sich bei der beanstandeten Formulierung um den Teil einer Artikelbeschreibung und nicht um eine Klausel nach Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Im Rahmen der inhaltlichen Auslegung der Unterlassungsverpflichtung und der verwendeten Formulierung sind Hochzeitsmandeln zwar noch als Lebensmittel anzusehen.

Nach Auffassung des Gerichts ist der Begriff „Umtausch“ jedoch nicht mit dem Begriff der „Rückgabe“ in der Unterlassungserklärung gleichzusetzen. Unter Umtausch versteht der Verbraucher in der Regel den Austausch der gekauften Ware aus Kulanz, während es sich bei der Rückgabe um die Rücknahme aus gesetzlichen Gründen handelt. Darüber hinaus wurde das Widerrufsrecht von den Beklagten zutreffend angegeben. Darüber hinaus hat der Kläger die Verwendung der behaupteten Formulierung nach dem 21.3.2007 durch die Anlagen K 3 bzw. K 9 nicht bewiesen. Zwar enthält die Fußzeile einiger Seiten der Anlage K 3 auch das Datum 25.3.2007, jedoch ist nicht nachzuvollziehen, ob es sich hierbei objektiv um das Datum des Ausdrucks handeln muss, denn so ist beispielsweise die Systemzeit eines Rechners beliebig einstellbar.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in § 709 ZPO.

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