LG Frankfurt a.M.: Zur markenrechtswidrigen Nutzung einer fremden Marke in AdWords-Anzeigen

veröffentlicht am 22. August 2014

LG Frankfurt a.M., Urteil vom 02.10.2013, Az. 3-08 O 103/13
§ 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG , § 14 Abs. 5 MarkenG

Das LG Frankfurt hat entschieden, dass die Nutzung einer fremden Marke in einer Google AdWords-Anzeige zu unterlassen ist, wenn die herkunftshinweisende Funktion der Marke dadurch beeinträchtigt wird. Dies sei z.B. der Fall, wenn mit der konkreten Verwendung des Zeichens suggeriert werde, dass zwischen der Antragsgegnerin und der Antragstellerin als Markeninhaberin der Wortmarke eine wirtschaftliche Verbindung bestehe oder der Verbraucher auf Grund der vagen Angaben nicht erkennen könne, ob eine solche Verbindung möglicherweise bestehe. Zum Volltext der Entscheidung:


Landgericht Frankfurt am Main

Urteil

Die einstweilige Verfügung vom 15.7.2013 wird hinsichtlich der Aussprüche zu 1.1. und 2. mit der Maßgabe bestätigt, dass der Domainname (Ausspruch zu 1.2.) nur für die Dienstleistungen Hilfestellung bei der Erlangung von Selbstauskünften und anwaltliche Überprüfung der erlangten Selbstauskünfte nicht verwendet werden darf.

Im Übrigen wird die einstweilige Verfügung aufgehoben, auch soweit die Antragstellerin auf den Antrag zu 1. 3. verzichtet hat, und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.

Die Kosten des Antragsverfahrens haben die Antragstellerin zu 40 Prozent und die Antragsgegnerin zu 60 Prozent zu tragen.

Die weiteren Kosten des Verfahrens (Widerspruchsverfahren) haben die Antragstellerin zu 10 Prozent und die Antragsgegnerin zu 90 Prozent zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Antragstellerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Antragsgegnerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 130 Prozent der beizutreibenden Kosten abzuwenden, wenn nicht die Antragsgegnerin zur Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Der Streitwert für das Widerspruchsverfahren wird auf 100.000,– EURO festgesetzt.

Tatbestand

Die Antragstellerin wurde 1927 als Schutzgemeinschaft für allgemeine Kreditsicherung gegründet und ist Inhaberin der am 12.3.1982 für die Klassen 35, 36, 45 eingetragenen Wortmarke „X1″ (Bl. 16 – 18 d. A.) und der am 23.2.1998 für die Klassen 35, 36, 38, 41, 42 und 45 (unter anderem Erteilung von Finanzauskünften und Erteilung von Auskünften über Kreditwürdigkeit Dritter) eingetragenen Wortmarke „X1″ (Bl. 19 – 22 d. A.).

Die Antragstellerin ist nach § 34 BDSG verpflichtet, Verbrauchern einmal pro Jahr auf Antrag eine kostenlose Übersicht ihrer Daten zur Verfügung zu stellen. Hierfür stellt die Antragstellerin über ihre Internetseite „X2.de“ und „meineX2.de“ Formulare zum Erhalt der Datenübersicht zur Verfügung.

Die Antragsgegnerin ist ein Auskunfts-Service-Unternehmen, dessen Gegenstand insbesondere die Verschaffung eines erleichterten Zugangs zu den für die Verbraucher bei Dritten gespeicherten Registerinformationen und die fachkundige Überprüfung der gespeicherten Informationen ist. Außerdem stellt sie eine Broschüre mit weitergehenden Informationen zur Schuldnerberatung zur Verfügung und vermittelt Partneranwälte im Falle weiteren Beratungsbedarfs. Ihre Dienstleistungen bietet sie unter anderem über ihre Internetseite unter dem Domainnamen „A-services-fuer-X1.de“ an. Insoweit wird auf Bl. 45 – 49 d. A. verwiesen.

Außerdem bewarb die Antragsgegnerin ihre Dienstleistungen mit Google AdWords-Anzeigen, wegen deren Inhalts auf die Seite 3 des Schreibens des Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin vom 4.7.2013 in Bl. 41 d. A. verwiesen wird.

Die Antragstellerin nahm die Entscheidung des Landgerichts Hamburg vom 30.1.2013 (GRUR-RR 2013, 263) zum Anlass, am 11.3.2013 eine Markenbeschwerde bei Google … zu hinterlegen. Insoweit wird auf Bl. 282 – 289 d. A. verwiesen. Die Markenbeschwerde führte zur Sperrung der AdWords-Anzeigen der Antragsgegnerin bei Google.

Mit E-Mail vom 11.4.2013 teilte Google … der Antragsgegnerin mit, dass ihre Anzeige „X1-Auskunft-Paket“ wegen Probleme mit der Marke „X2″ und dem Anzeigeninhalt abgelehnt worden sei (Bl. 170/171 d. A.).

Mit Schreiben vom 11.4.2013 (Bl. 244 – 246 d. A.) an die Antragstellerin beschwerte sich ein Herr B darüber, dass er bei Eingabe des Suchworts „X2.de“ bei Google auf der Internetseite der Antragsgegnerin gelandet war, die ein Service-Auskunfts-Paket zum Preis von 18,50 EURO anbot. Mit diesem Schreiben schickte B der Antragstellerin auch eine E-Mail vom 20.2.2013 an die Antragsgegnerin, auf die in Bl. 251/252 d. A. verwiesen wird.

Das Schreiben des Herrn B vom 11.4.2013 ging am 23.4.2013 bei der Antragstellerin ein und wurde vom für Verbraucherbeschwerden zuständigen Sachbearbeiter bearbeitet.

Die Antragstellerin beantragte am 15.7.2013 den Erlass einer einstweiligen Verfügung und mahnte die Antragsgegnerin mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 17.7.2013 (Bl. 180 – 184 d. A.) ab. Die Kammer erließ am 15.7.2013 eine einstweilige Verfügung, wegen deren Inhalts auf Bl. 51- 53 d. A. verwiesen wird.

Die Antragsgegnerin gab im Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 22.7.2013 (Bl. 185 – 187 d. A.) eine strafbewährte Unterlassungserklärung bezüglich des „X1-Services-Logos“ ab (Bl. 186 d. A.). Mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 25.7.2013 (Bl. 189 d. A.) teilte die Antragstellerin der Antragsgegnerin mit, dass sie auf die Rechte aus der einstweiligen Verfügung hinsichtlich der Ziffer 1 c) einschließlich der sich hierauf beziehenden Kosten verzichte. Gleichzeitig wurde die einstweilige Verfügung vom 15.7.2013 von Anwalt zu Anwalt zugestellt.

Die Antragstellerin trägt vor, dass sie von den im Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin vom 4.7.2013 aufgelisteten Anzeigentexten erst durch dieses Schreiben Kenntnis erlangt habe. Im März 2013 habe sie lediglich von der von Google … angebotenen Möglichkeit, ihre Marke „X1″ zu deren Schutz zu hinterlegen, Gebrauch gemacht. Dies bedeute aber nicht, dass sie seit März 2013 Kenntnis von dem Domainname der Antragsgegnerin und den Google AdWords-Anzeigen gehabt habe.

Die E-Mail-Adresse in der mit dem Beschwerdeschreiben vom 11.4.2013 mitgeschickten E-Mail vom 20.2.2013 (Bl. 251 d. A.) sei dem die Beschwerde bearbeitenden Sachbearbeiter nicht aufgefallen. Vielmehr sei die E-Mail-Adresse für die Beschwerdeabteilung unbeachtlich gewesen. In der Beschwerde selbst sei es auch in keinster Weise um markenrechtliche Fragen oder die Benutzung der Marke X1 gegangen. Deshalb sei für die Bearbeitung der Beschwerde auch nicht die Überprüfung der E-Mail-Adresse notwendig oder angebracht gewesen, ebenso wenig eine Durchsicht der Anlagen. Die nicht erfolgte Kenntnisnahme der E-Mail-Adresse sei auch nicht als fahrlässig zu werten.

Die Antragstellerin macht aus § 14 Abs. 2 und Abs. 5 MarkenG wegen Verletzung der am 23.2.1998 eingetragenen Wortmarke Unterlassungsansprüche geltend.

Die Antragstellerin trägt vor, dass die Antragsgegnerin die Zeichen X1 in den Anzeigen markenmäßig verwendet habe. Denn die konkrete Ausgestaltung der Anzeigen, insbesondere die direkte Bezugnahme auf die von ihr betriebene Internetpräsenz „meineX2.de“ oder die Verknüpfung der Marke X1 mit Service-, Sichtungs- und Auskunftspaket suggerieren dem Verbraucher jedenfalls eine wirtschaftliche Verbindung zwischen der Antragsgegnerin und der Antragstellerin.

Es liege auch hinsichtlich der Dienstleistung „Erteilung von Finanzauskünften“ und „Erteilung von Auskünften über die Kreditwürdigkeit Dritter“ Dienstleistungsidentität, zumindest aber Dienstleistungsnähe vor.

Die Antragsgegnerin könne sich auch nicht auf § 23 MarkenG berufen, weil im Anwendungsbereich dieser Vorschrift ohnehin von Vornherein die Fälle ausgenommen seien, in denen eine Irreführungsgefahr, insbesondere die Vortäuschung einer Handelsbeziehung mit dem Markeninhaber, hervorgerufen werde. Die konkrete Ausgestaltung der angegriffenen Anzeigentexte führe dazu, dass ein nicht unerheblicher Teil des Verkehrs irrig zumindest eine vertragliche oder gesellschaftsrechtliche Verbindung zwischen den Parteien annehme.

In den Anzeigentexten fehle jeglicher klarstellende Hinweis, dass dem so nicht sei.

Innerhalb des zusammengesetzten Zeichens „A-services-fuer-X2.de“ sei allein der Bestandteil „X2″ kennzeichnungskräftig. Demgegenüber seien „services-fuer“ rein beschreibend und über den Bestandteil „A“ könne der Verkehr nur spekulieren.

Neben der hochgradigen Zeichenähnlichkeit bestehe auch Dienstleistungsidentität, soweit es um die Erteilung von Finanzauskünften gehe.

Die Antragstellerin beantragt,

die einstweilige Verfügung vom 15.7.2013 hinsichtlich der Nummern I.1. und II. zu bestätigen, hilfsweise bezüglich der Nummer I.2. mit der Maßgabe zu untersagen, für die zur Verfügungstellung von Auskunftsformularen für X1-Auskünfte, Broschüren mit weitergehenden Informationen zur Schuldnerberatung, Vermittlung anwaltlicher Überprüfung von X1-Auskünften und/oder Vermittlung weitergehender Rechtsberatung zu X1-Auskünften www.A-services-fuer-X2.de zu verwenden.

Im Übrigen verzichtet Antragstellerin auf die Rechte bezüglich der Nummer I.3.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die einstweilige Verfügung hinsichtlich der Nummern I.1. und II. aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung insoweit zurückzuweisen und im Übrigen hinsichtlich der Nummer I.3. durch Verzichtsurteil zu entscheiden.

Die Antragsgegnerin trägt vor, dass es bereits am Verfügungsgrund fehle, weil die Antragsgegnerin seit April 2013 Kenntnis von dem Domainnamen und den konkreten Anzeigentexten gehabt habe. Sie verweist auf das Schreiben des Herrn B vom 11.4.2013 und trägt hierzu vor, dass die Antragstellerin aus der mit übersandten E-Mail vom 20.2.2013 (Bl. 251 d. A.) von der Internetadresse der Antragsgegnerin Kenntnis erlangt habe. Zeitgleich habe die Antragstellerin bei Google … eine Markenbeschwerde eingereicht, woraufhin sämtliche Anzeigentexte der Antragsgegnerin gesperrt worden seien.

Sämtliche Anzeigentexte, die die Antragstellerin in ihrem Verfügungsantrag beanstandet habe, habe sie im April 2013 verwendet.

Selbst wenn die Antragstellerin keine positive Kenntnis von den Anzeigentexten gehabt haben sollte, so läge zumindest ein fahrlässiges Verschließen gegenüber der Kenntnis von den Anzeigentexten vor. Die Antragstellerin hätte spätestens im April 2013 den zahlreichen Hinweisen auf die Antragsgegnerin nachgehen müssen.

Der Antrag sei auch unbegründet.

Die Antragsgegnerin trägt vor, dass die Internetseite der Antragsgegnerin zahlreiche unmissverständliche Klarstellungen enthalte, dass es sich bei ihrem Angebot nicht um ein Angebot der Antragstellerin handele. Auch in den Anzeigentexten selbst würden sich eindeutig klarstellende Hinweise befinden.

Sie verwende das Zeichen X1 rein beschreibend und nicht kennzeichenmäßig. Bei dem Hinweis „X1-Auskunft“ handele es sich um eine Angabe über Merkmale einer Dienstleistung im Sinne von § 23 Nr. 2 MarkenG, die nicht gegen die guten Sitten verstoße. Den Begriff verwende sie in den Anzeigentexten und der URL rein Produkt beschreibend, nämlich zur Kennzeichnung einer bestimmten Art der Bonitätsauskunft.

Sie habe auch gar keine andere Möglichkeit, ihre Dienstleistungen in dem kurzen Anzeigentext für Google AdWords zu beschreiben. Denn sie könne den Begriff X1 wegen dessen besonderen beschreibenden Bedeutung eben gerade nicht weglassen. Denn X1 sei und bleibe der Goldstandard, an deren Scoring sich im Ernstfall orientiert werde.

Hinsichtlich des Antrags zu I.2. liege bereits keine Begehungsgefahr vor, weil sie unter der Domain keine Finanzauskünfte erbringe und auch zukünftig nicht erbringen werde.

Ihre URL verweise eindeutig auf einen anderen Anbieter, A, und mache zusätzlich durch die Formulierung „A-serives für“ deutlich, dass es sich um Leistungen zu einem Drittangebot, nämlich der Antragstellerin handele.

Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die Sitzungsniederschrift vom 02. 10. 2013 in Bl. 241/242 d. A. verwiesen.

Entscheidungsgründe

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist hinsichtlich der Anträge zu I.1. und 2. zulässig und auch überwiegend begründet. Soweit die Antragstellerin auf ihre Rechte aus der einstweiligen Verfügung verzichtet hat – Antrag zu I.3. -, ist die einstweilige Verfügung nach § 306 ZPO durch Verzichtsurteil aufzuheben und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung insoweit zurückzuweisen.

Ein Verfügungsgrund ist nach §§ 935, 940 ZPO gegeben.

Denn §§ 935, 940 ZPO sind gemäß Artikel 2 Satz 2, 9 Abs. 1 lit. a Richtlinie 2004/48/EG (Rechte-Durchsetzungs-RL) richtlinienkonform dahingehend auszulegen, dass ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung bereits dann zulässig ist, wenn die Verletzung eines Markenrechts droht, ohne dass weitere zusätzliche Voraussetzungen, wie zum Beispiel die Besorgnis, dass die Verwirklichung des Markenrechts der Antragstellerin vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (§ 935 ZPO), gegeben sein müssen.

Die Richtlinie wendet sich zwar an die Mitgliedstaaten der EU. Aber diese sollten die Richtlinie bis zum 29.04.2006 umsetzen (Art. 20), mit der Folge, dass die Richtlinie ab diesem Zeitpunkt bei Anwendung der §§ 935, 940 ZPO mit zu berücksichtigen ist. Denn im Rahmen ihrer Zuständigkeit haben die Gerichte das nationale Recht im Lichte des Wortlauts und des Zwecks der Richtlinie auszulegen (EuGH NJW 1984, 2.221, 2.222; WRP 1998, 290 Tz. 40; BGHZ 138, 55, 60 f.).

Im Übrigen bedeutet die Nichtanwendung des § 12 Abs. 2 UWG im Markenrecht nicht, dass deshalb an die Darlegungs- und Glaubhaftmachung eines Verfügungsgrundes nach §§ 935, 940 ZPO wesentlich höhere Anforderungen zu stellen wären. Vielmehr ist aufgrund der von jeder Markenverletzung ausgehenden Gefährdung für die geschützte Marke ein berechtigtes Interesse des Markeninhabers, weitere Verletzungshandlungen im Wege des einstweiligen Rechtschutzes alsbald zu unterbinden, regelmäßig zu bejahen; insoweit kann jedenfalls der in § 12 Abs. 2 UWG zum Ausdruck kommende allgemeine Rechtsgedanke auch auf das Markenrecht angewendet werden (OLG Frankfurt WRT 2002, 1.457).

Ebenso wenig hat die Antragstellerin durch zu langes Zuwarten mit der Antragstellung die Dringlichkeit selbst widerlegt.

Denn die Dringlichkeit geht erst dann verloren, wenn die Antragstellerin mit der Rechtsverfolgung ohne sachlichen Grund zu lange zuwartet, da sie in diesem Fall selbst zu erkennen gibt, dass sie nicht derart eilig auf das begehrte Verbot angewiesen ist, dass es ihr nicht zugemutet werden könnte, ihr Rechtsschutzziel in einem Hauptsacheverfahren durchzusetzen. Dabei ist auf den Zeitraum zwischen positiver Kenntniserlangung von den Tatsachen, die aus objektiver Sicht für eine Erfolg versprechende Beantragung einer einstweiligen Verfügung genügen, und den Zeitpunkt der Antragstellung abzustellen. Sofern dieser Zeitraum länger als 8 Wochen ist, spricht dies grundsätzlich dafür, dass die Antragstellerin nicht derart eilig auf die einstweilige Verfügung angewiesen war, dass es ihr nicht zugemutet werden könnte, ihr Rechtsschutzziel in einem Hauptsacheverfahren durchzusetzen, es sei denn, es liegen ausnahmsweise besondere Umstände vor, die eine längere Frist rechtfertigen.

Die für die Widerlegung der Dringlichkeit darlegungs- und beweisbelastete Antragsgegnerin hat nicht glaubhaft gemacht, dass die Antragstellerin schon vor Zugang des Schreibens vom 4.7.2013 Kenntnis von den angegriffenen AdWords-Anzeigen und dem Domainnamen der Antragsgegnerin hatte.

Allein die von der Antragsgegnerin vorgelegte E-Mail vom 11.4.2013 reicht nicht aus, um aus deren Inhalt zu schließen, die Antragstellerin hatte seit diesem Zeitpunkt Kenntnis von den Anzeigen und dem Domainnamen. Zumal in der E-Mail selbst nur eine Anzeige wiedergegeben wird, die auch nicht inhaltlich mit einer der sechs angegriffenen Anzeigen identisch ist.

Denn die Antragstellerin hat vorgetragen und urkundlich belegt, dass sie am 11.3.2013 lediglich ihre Wortmarke „X1″ zu deren Schutz bei Google … hinterlegt, nicht aber eine bestimmte AdWords-Anzeige der Antragsgegnerin bei Google … beanstandet habe (Bl. 282 – 289 d. A.).

Auf das Schreiben des Herrn B vom 11.4.2013 nebst den dazugehörigen Anlagen reicht allein oder im Zusammenhang mit der E-Mail vom 11.4.2013 nicht aus, um auf eine Kenntnis der Antragstellerin von dem Domainnamen der Antragsgegnerin oder deren AdWords-Anzeigen seit März/April 2013 zu schließen.

Ein Indizienschluss ist nämlich erst dann zwingend, das heißt, die Kammer ist überzeugt, aufgrund von Hilfstatsachen – hier: E-Mail vom 11.4.2013 und Schreiben des Herrn B vom 11.4.2013 – von der Haupttatsache – hier: Kenntnis der Antragstellerin von den AdWords-Anzeigen und dem Domainnamen – überzeugt, wenn eine andere Möglichkeit nicht ernsthaft in Betracht gezogen werden kann. Die Kammer kann einen solchen ausreichend sicheren Schluss auf die Haupttatsache nicht ziehen, weil die Antragstellerin ihre Markenbeschwerde bei Google schon am 11.3.2013 gestellt hat, so dass das Schreiben des Herrn B vom 11.4.2013 nicht Anlass für die Markenbeschwerde der Antragstellerin war. Zumal dieses Schreiben der Antragstellerin erst am 23.4.2013, also 6 Wochen nach Einreichung der Markenbeschwerde, zugegangen ist.

Das Schreiben vom 11.4.2013 befasste sich mit einer Beschwerde über die Antragsgegnerin darüber, dass Herr B dachte, dass seine Anfragen bei der Antragstellerin und der Antragsgegnerin identisch seien, was sich im Nachhinein als nicht richtig herausstellte. Zwar kann aus der dem Schreiben beigefügten E-Mail vom 20.2.2013 der Domainname der Antragsgegnerin entnommen werden (Bl. 251 d. A.). Allerdings folgt daraus noch nicht, dass Mitarbeiter der Antragstellerin den Domainnamen auch zur Kenntnis genommen haben. Dies ist zumindest nicht unwahrscheinlich, weil die Beschwerde selbst sich nicht mit Kennzeichenverletzungen oder dem Domainnamen der Antragsgegnerin befasste, so dass dem die Beschwerde bearbeitenden Mitarbeiter der Antragstellerin der Domainname im Adressfeld der E-Mail entgangen sein kann, weil dieser für die Bearbeitung der Beschwerde keine Bedeutung hatte.

Dies war auch nicht grob fahrlässig.

Insbesondere kann der Antragstellerin nicht vorgehalten werden, dass sie sich in grob fahrlässiger Weise der Möglichkeit verschlossen hat, von den Verletzungshandlungen der Antragsgegnerin Kenntnis zu nehmen.

Zwar ist in dem Schreiben vom 11.4.2013 die Rede davon, dass bei Eingabe des Suchworts „X2.de“ auf die Internetseite der Antragsgegnerin verwiesen worden sei und die Antragsgegnerin auf ihrer Internetseite ein Service-Auskunft-Paket angeboten habe. Ob die Antragstellerin aufgrund dieser Informationen verpflichtet war, eine entsprechende Suchanfrage zu starten, um die Beschwerde des Herrn B zu überprüfen, kann offen bleiben. Denn eine solche Suchanfrage hätte im Hinblick auf die E-Mail von Google vom 11.4.2013 keine AdWords-Anzeigen der Antragsgegnerin bei Google mehr zu Tage gefördert, weil Google die Anzeigen der Antragsgegnerin schon eingestellt hatte. Denn die Einstellung der AdWords-Anzeigen der Antragsgegnerin erfolgte spätestens zum 11.4.2013 und die Antragstellerin konnte frühestens zum 23.4.2013 – Zugang des Schreibens vom 11.4.2013 – eine Suchanfrage starten.

Eine darüber hinausgehende Recherche, ob und inwieweit vor diesem Zeitpunkt, insbesondere im Februar und März 2013, AdWords-Anzeigen der Antragsgegnerin bei Eingabe des Suchworts „X1″ erschienen waren, musste die Antragstellerin nicht anstellen.

Soweit die Antragsgegnerin eine eidesstattliche Versicherung vom 25.9.2013 vorlegte, aus der sich ergibt, dass die streitgegenständlichen Anzeigen im April 2013 vorhanden gewesen seien, steht diese Aussage der vorstehenden Beurteilung nicht entgegen. Denn in der Aussage fehlt die Angabe des genauen Zeitpunkts, bis wann die Anzeigen bei Google noch erschienen. Im Hinblick auf die E-Mail vom 11.4.2013 ist davon auszugehen, dass dies nur noch bis zum 10. oder 11.4.2013 der Fall war. Da die Antragstellerin erst nach Zugang des Schreibens vom 11.4.2013 – also frühestens am 23.4.2013 – eine Suchanfrage starten konnte, wäre eine Recherche ins Leere gelaufen.

Allenfalls hinsichtlich des Domainnamens hätte eine Recherche der Antragstellerin dieser im April 2013 zur Kenntnis der Antragstellerin gelangen können. Aber das Unterlassen einer solchen Recherche ist nur dann als grob fahrlässig zu bewerten, wenn Mitarbeiter der Antragstellerin tatsächlich den Domainnamen in der E-Mail vom 20.2.2013 wahrgenommen haben sollten. Davon kann jedoch nicht ohne Weiteres ausgegangen werden. Vielmehr ist es möglich, dass der Domainname dem für die Beschwerde zuständige Mitarbeiter nicht aufgefallen ist.

Ebenso wenig handelte die Antragstellerin grob fahrlässig, weil sie aufgrund der Beschwerde des Herrn B keine Recherche nach dem Domainnamen der Antragsgegnerin angestellt hat.

Danach ist die Antragsgegnerin beweisfällig geblieben, dass die Antragstellerin vor dem 4.7.2013 Kenntnis erlangte. Da die Antragstellerin ihren Antrag schon am 15.7.2013 stellte, liegt noch nicht einmal ein Zeitraum von 14 Tagen zwischen Kenntniserlangung und Antragstellung vor, der für eine Widerlegung der Dringlichkeit nicht ausreicht.

Der Antrag zu I.1. ist begründet.

Insoweit ist vorab klarzustellen, dass Gegenstand des Antrags nur die sechs im Antrag wiedergegebenen Google-AdWords-Anzeigen sind und nicht deren Erscheinen bei Eingabe bestimmter Suchwörter. Dies bedeutet, dass es nicht darauf ankommt, welche Suchwörter/Metatags die Antragsgegnerin verwendet hat, damit die Anzeigen erschienen. Deshalb kommt als Anspruchsgrundlage auch nur § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG in Betracht, weil die Antragsgegnerin das Zeichen „X1″ in ihren Anzeigen nicht in Alleinstellung benutzt hat, sondern immer im Zusammenhang mit anderen Begriffen wie Auskunft, Sichtung, Daten und Paket, mit der Folge, dass eine markenmäßige Verwendung nur gegeben ist, wenn die Herkunftsfunktion der Marke X1 durch die Verwendung des Zeichens X1 in den Anzeigentexten der Antragsgegnerin beeinträchtigt ist.

Der Antragstellerin steht wegen Verletzung ihrer am 23.2.1998 eingetragenen Wortmarke X1, aus der die Antragstellerin in erster Linie vorgeht, in den angegriffenen AdWords-Anzeigen der Antragsgegnerin ein Unterlassungsanspruch aus § 14 Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 5 MarkenG zu.

Die Antragsgegnerin verwendete das Zeichen X1 in ihren AdWords-Anzeigen markenmäßig. Eine markenmäßige Nutzung ist immer dann anzunehmen, wenn ein Zeichen zum Zwecke des Produktabsatzes verwendet wird und dazu geeignet ist, die gekennzeichneten Dienstleistungen von Dienstleistungen anderer Unternehmen zu unterscheiden (BGH GRUR 2.005, 583, 584 – Lila-Postkarte). Eine markenmäßige Benutzung eines fremden Kennzeichens liegt deshalb vor, wenn sein Gebrauch im konkreten Fall dazu geeignet ist, die Funktion der Marke, als Hinweis auf die Herkunft der Dienstleistung gegenüber Verbrauchern zu dienen, zu beeinträchtigen oder beeinträchtigen zu können (EuGH 2008, 698 Tz. 57 und 59 – O2 und O2 (UK) / H3G; GRUR 2.010, 445 Tz. 75 – 85 – Google und Google France). Ob dies der Fall ist, bestimmt sich nach der Verkehrsauffassung, d. h. im Regelfall nach der Auffassung der angesprochenen Verkehrskreise (hier: Verbraucher, die sich für eine Selbstauskunft bei der Antragstellerin interessieren). Dabei wird die Verkehrsauffassung durch den Marktauftritt des angegriffenen Zeichens bestimmt, wobei alle Umstände der angegriffenen Verletzungshandlung und deren Begleitumstände zu berücksichtigen sind (Ströbele/Hacker Markengesetz, 9. Aufl. § 14 R. 83). Insbesondere sind die Umstände mit zu berücksichtigen, unter denen der durchschnittlich informierte und verständige Verbraucher das angegriffene Zeichen wahrnimmt (BGH GRUR 2010, 1.103 Tz. 32 – Pralinenform II).

Danach liegt eine markenmäßige Verwendung im Sinne von § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG (Verwechslungsgefahr) vor, wenn die Hauptfunktion der eingetragenen Wortmarke (X1), d. h. die Gewährleistung der Herkunft der Dienstleistung gegenüber Verbrauchern, durch die konkrete Verwendung des Zeichens X1 in den AdWords-Anzeigen der Antragsgegnerin beeinträchtigt wird oder immerhin beeinträchtigt werden könnte (BGH GRUR 2010, 1.103 Tz. 25 – Pralinenform II).

Auf eine Beeinträchtigung der herkunftshinweisenden Funktion ist zu schließen, wenn mit der konkreten Verwendung des Zeichens suggeriert wird, dass zwischen der Antragsgegnerin und der Antragstellerin als Markeninhaberin der Wortmarke eine wirtschaftliche Verbindung besteht (EuGH GRUR 2010, 445 Tz. 89 – Google und Google France) oder das Bestehen einer wirtschaftlichen Verbindung so vage gehalten wird, dass ein normal informierter und angemessen aufmerksamer Verbraucher nicht erkennen kann, ob der Benutzer des Zeichens X1 im Verhältnis zum Markeninhaber Dritter oder vielmehr mit diesem wirtschaftlich verbunden ist (EuGH GRUR 2010, 445 Tz.90 – Google und Google France).

Dabei ist auf die Kennzeichnungsgewohnheiten in dem maßgeblichen Dienstleistungssektor abzustellen (BGH GRUR 2010, 838 Tz. 20 – DDR-Logo).

Der Durchschnittsverbraucher wird jedenfalls aus dem Inhalt der Anzeigen nicht erkennen können, ob der mit den Anzeigen Werbende im Verhältnis zum Inhaber der Wortmarke X1, die Antragstellerin, Dritter oder mit ihr wirtschaftlich verbunden ist. Insbesondere der Domainname

„A-services-fuer-X2.de/X2″

legt eine wirtschaftliche Verbundenheit nahe, weil der Domainname der Antragstellerin X2.de, Bestandteil des Domainnamens ist. Außerdem spricht hierfür die mehrfache Verwendung des Wortes „X1″ in den Anzeigen. Ein zusätzliches Indiz ist in den beiden Anzeigen

– meine X1-Auskunft und

– meine X1-Sichtung

auch der Umstand, dass die Antragstellerin im Internet unter der Adresse „meineX1.de“ auftritt. Jedenfalls sind die Anzeigen in diesem Punkt – wirtschaftliche Verbundenheit zwischen den Parteien – so vage gehalten, dass ein Durchschnittsverbraucher ohne Weiteres auf den Gedanken kommen kann, dass eine wirtschaftliche Verbundenheit besteht. Zumal die Antragsgegnerin in keiner Anzeige in ausreichender Weise klarstellt, dass sie im Verhältnis zur Antragstellerin Dritte ist. Denn hierfür genügen die dem Zeichen X1 vorangestellten – Meine – oder nachgestellten Begriffe – Auskunft, Sichtung, Paket, Daten und Service-Paket – nicht. Diese Begriffe sind so neutral gehalten, dass sie für eine klare Aufklärung nicht genügen.

Ebenso wenig reichen klarstellende Hinweise auf der Internetseite der Antragsgegnerin, weil Gegenstand des Antrags nur die AdWords-Anzeigen sind und nicht deren Verlinkung mit der Internetseite der Antragsgegnerin. Außerdem hat die von den Anzeigen ausgehende Anlockwirkung schon stattgefunden, wenn ein Verbraucher den Link auf die Internetseite der Antragsgegnerin anklickt und dort aufgeklärt wird. Dann kann nämlich ein aufklärender Hinweis die durch die Anzeige hervorgehobene Beeinträchtigung der Herkunftsfunktion der Wortmarke X1 nicht mehr beseitigen.

Die Verwendung des Zeichens X1 in den Anzeigentexten stellt auch eine Verwechslungsgefahr nach § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG dar.

Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr im Sinne von § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmen. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen den in Betracht zu ziehenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Zeichen und der mit ihnen gekennzeichneten Dienstleistungen sowie der Kennzeichnungskraft der älteren Marke, so dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Zeichen oder durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann (BGH GRUR 2010, 729, Tz. 22 – MIXI).

Für die Beurteilung der Zeichenähnlichkeit ist der jeweilige Gesamteindruck der sich gegenüberstehenden Zeichen zu berücksichtigen. Das schließt nicht aus, dass unter Umständen ein oder mehrere Bestandteile einer komplexen Marke für den durch die Marke im Gedächtnis der angesprochenen Verkehrskreise hervorgerufenen Gesamteindruck prägend sein könne (BGH GRUR 2009, 484 Tz. 32 – Metrobus). Weiterhin ist nicht ausgeschlossen, dass ein Zeichen, dass als Bestandteil in einer zusammengesetzten Marke aufgenommen wird, eine selbständig kennzeichnende Stellung behält, ohne dass es das Erscheinungsbild der Marke dominiert oder prägt (EuGH GRUR 2005, 1.042 Tz. 30 – Thomson Life – BGH GRUR 2009, 155 Tz. 23 – airdsl).

Danach stehen sich die Wortmarke, X1, und das Wort X1 als Bestandteil der angegriffenen Anzeichen gegenüber, weil „X1″ die angegriffenen AdWords-Anzeigen prägt. Denn die übrigen Bestandteile wie Auskunft, Sichtung, Paket etc. sind rein beschreibend. Dies gilt für den Begriff X1 im Hinblick auf die von der Antragsgegnerin angebotenen Dienstleistungen gerade nicht.

Außerdem behält das Wort X1 in dem in den Anzeigen verwendeten Domainnamen A-services-fuer-X2.de/ eine selbständig kennzeichnende Stellung. Zwar müssen besondere Umstände vorliegen, die es rechtfertigen, in einem zusammengesetzten Kennzeichen einzelne oder mehrere Bestandteile als selbständig kennzeichnend anzusehen (BGH GRUR 2012, 64 Tz. 26 – Maalox/Melox-Gry; 2013, 833 Tz. 50 – Culinaria/Villa Culinaria). Aber ein solcher Umstand liegt vor, wenn eine ältere Marke von einem Dritten in einem zusammengesetzten Zeichen benutzt wird, das die Unternehmensbezeichnung dieses Dritten enthält (BGH GRUR 2013, 833 Tz. 51 – Culinaria/Villa Culinaria). In dem Domainnamen ist das Firmenschlagwort A enthalten, so dass der Verkehr Anlass hat,

das Zeichen „X1″ im Domainnamen allein wahrzunehmen und nicht nur als Bestandteil einer einheitlicher Bezeichnung.

Die Frage der Ähnlichkeit einander gegenüberstehender Zeichen ist nach deren Ähnlichkeit im (Schrift-) Bild, im Klang oder in der Bedeutung zu beurteilen, weil Marken auf die mit ihnen angesprochenen Verkehrskreise in bildlicher, klanglicher und begrifflicher Hinsicht wirken können. Um die Zeichenähnlichkeit zu bejahen, reicht in der Regel bereits eine Ähnlichkeit in einem der genannten Wahrnehmungsbereiche aus (BGH GRUR 2009, 1.055 Tz. 26 – airdsl).

Danach ist von klanglicher Identität und hoher schriftbildlicher Ähnlichkeit (es bestehen lediglich Unterschiede in der Groß- und Kleinschreibung) der sich gegenüber stehenden Zeichen auszugehen.

Der Wortmarke X1 kommt von Haus aus eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft für die Dienstleistung Erteilung von Auskünften über die Kreditwürdigkeit Dritter zu.

Schließlich ist von Dienstleistungsnähe auszugehen. Insoweit ist auf Seiten der Antragstellerin darauf abzustellen, welche Dienstleistungen sie konkret unter der Bezeichnung „X1″ vornimmt, weil die Marke länger als 5 Jahre eingetragen ist. Dies sind Erteilung von Finanzauskünften und von Auskünften über die Kreditwürdigkeit Dritter.

Die Antragsgegnerin bietet aufgrund der angegriffenen Anzeigen Verbrauchern Hilfestellung bei der Erlangung von Selbstauskünften von der Antragstellerin und deren fachkundige Überprüfung an. Dies ist zumindest eine ähnliche Dienstleistung wie die Erteilung von Auskünften über die Kreditwürdigkeit Dritter. Zwar erteilt die Antragsgegnerin selbst keine Auskünfte über die Kreditwürdigkeit Dritter, sondern leistet nur Hilfestellung bei der Erlangung solcher Auskünfte. Auch geht es nicht um die Auskünfte über Dritte, sondern um Selbstauskünfte. Dennoch ist eine Dienstleistungsnähe anzunehmen.

Denn eine die Verwechslungsgefahr begründende Ähnlichkeit von Dienstleistungen liegt bereits dann vor, wenn das Publikum annimmt, die Dienstleistung stamme aus demselben Unternehmen oder wirtschaftlich verbundenen Unternehmen. Dabei dürfen keine unüberwindbar hohen Anforderungen gestellt werden (BGH GRUR 2012, 145 Tz. 35).

Soweit es um die Verpflichtung der Antragstellerin geht, Verbrauchern Selbstauskünfte zu erteilen, gehört diese Dienstleistung zum Oberbegriff Erteilung von Auskünften über die Kreditwürdigkeit Dritter, weil die Verpflichtung zur Selbstauskunft mit der Speicherung von Daten über die Kreditwürdigkeit, die Voraussetzung für eine Erteilung von Auskünften über die Kreditwürdigkeit Dritter ist, korrespondiert. Soweit es um die Hilfestellung zur Erlangung von Selbstauskünften geht, handelt es sich um eine mit den im Rahmen der Dienstleistung „Erteilung von Auskünften über die Kreditwürdigkeit Dritter“ zu erbringenden Tätigkeiten verwandte Dienstleistungen. Sie fällt deshalb noch unter den Oberbegriff „Erteilung von Finanzauskünften Dritter“. Dies gilt auch noch für die fachkundige Überprüfung der Selbstauskunft, nicht jedoch für die zur Verfügungstellung von Broschüren für die Schuldnerberatung und die Vermittlung von Rechtsanwälten.

Die Dienstleistungsnähe ist als durchschnittlich zu beurteilen.

Danach ist im Rahmen der Wechselwirkung von klanglicher Identität der sich gegenüber stehenden Zeichen, durchschnittlicher Kennzeichnungskraft der Wortmarke und durchschnittlicher Dienstleistungsnähe auszugehen. Dies reicht für die Annahme aus, dass die Bezeichnung des Zeichens „X1″ in den angegriffenen Anzeigentexten eine Verwechslungsgefahr begründet. Denn der Durchschnittsverbraucher kann auf den Gedanken kommen, dass die Parteien miteinander wirtschaftlich verbunden sind (Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne).

Eine solche Verwechslungsgefahr (im weiteren Sinne) kann zwar nur dann angenommen werden, wenn besondere Umstände, die über die bloße Assoziationen an ein fremdes Kennzeichen hinaus wirtschaftliche oder organisatorische Verbindungen zwischen den Unternehmen nahe legen, vorliegen (BGH GRUR 2010, 729 Tz. 42 – 44 – MIXI).

Solche Umstände ergeben sich hier aber daraus, dass die Klagemarke X1 in den beanstandeten Anzeigentexten eine selbstständig kennzeichnende Stellung behalten hat (BGH GRUR 2010, 729 Tz. 44 – MIXI).

Die Antragsgegnerin kann sich auch nicht auf § 23 MarkenG berufen, weil sie mit der konkreten Verwendung des Zeichens „X1″ gegen die guten Sitten verstoßen hat.

Der Sache nach geht es bei den guten Sitten darum, dass ein Dritter den berechtigten Interessen des Markeninhabers nicht in unlauterer Weise zuwider handeln darf (BGH GRUR 2011, 1.135 Tz. 23 – GROSSE INSPEKTION FÜR ALLE).

Bei der Beurteilung der Frage, ob diese Voraussetzung erfüllt ist, ist insbesondere zu berücksichtigen, inwieweit diese Benutzung durch den Dritten die beteiligten Verkehrskreise oder zumindest einen erheblichen Teil von ihnen dazu veranlasst, eine Verbindung zwischen den Dienstleistungen des Dritten und denen des Markeninhabers oder einer zur Benutzung der Marke befugten Person anzunehmen, und inwieweit der Dritte sich dessen hätte bewusst sein müssen (EuGH GRUR 2010, 841 Tz. 67 – Portakabin/Primakabin).

Dass die Anzeigen den Durchschnittsverbraucher dazu veranlassen, eine wirtschaftliche Verbundenheit zwischen den Parteien anzunehmen, hat die Kammer bereits im Rahmen der Ausführungen zur markenmäßigen Nutzung festgestellt. Denn es ist für einen Durchschnittsverbraucher nur schwer zu erkennen, ob die in den Anzeigen beworbenen Dienstleistungen von einem mit dem Markeninhaber verbundenen Unternehmen oder sogar vom Markeninhaber selbst stammen oder einem Dritten. Deshalb kann es auch nicht angenommen werden, dass die Antragsgegnerin sich dieser Unklarheit nicht bewusst war. Zumal die Antragsgegnerin selbst es war, die im Rahmen ihrer Werbestrategie und in genauer Kenntnis der Branche, in der sie tätig ist, die Anzeigen erstellt und damit in ihrer Gestaltung festgelegt hat.

Dies bedeutet nicht, dass die Antragsgegnerin die Wortmarke X1 nicht zur Beschreibung ihrer Dienstleistungen verwenden darf. Vielmehr geht es nur darum, dass die konkrete Verwendung des Zeichens X1 in den Anzeigentexten der Antragsgegnerin nicht durch § 23 MarkenG gerechtfertigt ist. Eine darüber hinausgehende Feststellung trifft die Kammer nicht.

Ebenso ist der Antrag zu I.2. aus § 14 Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 5 MarkenG begründet, allerdings nur insoweit, als Dienstleistungsnähe zwischen den von den Parteien erbrachten Dienstleistungen vorliegt.

Die angegriffene Verwendung des Domainnamens „A-services-fuer-X2.de“ stellt eine markenmäßige Verwendung dar.

Denn Domainnamen, die zu einer aktiven, im geschäftlichen Verkehr verwendeten Homepage führen, kommt in der Regel neben der Adressfunktion eine kennzeichnende Funktion zu. Der Verkehr sieht in ihnen einen Hinweis auf die betriebliche Herkunft der unter den Bezeichnungen im Internet angebotenen Dienstleistungen (BGH GRUR 2009, 1.055 Tz. 49 – airdsl und GRUR 2011, 617 Tz. 19 – Sedo).

Die Antragsgegnerin bietet unter dem angegriffenen Domainnamen unter anderem Hilfestellungen bei der Erlangung von Selbstauskünften von der Antragstellerin und deren fachkundige Überprüfung an. Der Domainname „A-services-fuer-X2.de“ erscheint damit als Hinweis auf die Herkunft der angebotenen Leistungen. Der Domainname ist weder reine Adressbezeichnung noch ist er für die von der Antragsgegnerin auf der in Rede stehenden Internetseite angebotenen Dienstleistungen glatt beschreibend. Vielmehr bleibt offen, welche Dienstleistungen konkret die Antragsgegnerin anbietet.

Insbesondere ergibt sich aus dem Domainnamen selbst nicht, dass es um die Hilfestellung von Selbstauskünften geht.

Der Domainname wird auch nicht als Unternehmensbezeichnung verstanden. Zwar finden sich im Domainnamen die Firmenbestandteile A und service wieder. Aber der Domainname geht insbesondere mit dem Zeichen „X2″ über die Firma der Antragsgegnerin hinaus, so dass es ausgeschlossen ist, dass der Domainname nur als Unternehmenskennzeichen verstanden wird. Vielmehr stellt insbesondere das Zeichen X2 einen ausreichenden Bezug zu dem Dienstleistungsangebot der Antragsgegnerin her.

Zwischen der Wortmarke der Antragstellerin und dem Domainnamen der Antragsgegnerin besteht auch Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG.

Denn das der Wortmarke „X1″ sehr ähnliche Zeichen „X2″ behält im Domainnamen eine selbständig kennzeichnende Stellung. Insoweit wird auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen. Aus ihnen ergibt sich auch, dass eine Begehungsgefahr nur gegeben ist, soweit die Antragsgegnerin Hilfestellung bei der Erlangung von Selbstauskünften von der Antragstellerin leistet und anwaltliche Überprüfung der erlangten Selbstauskünfte anbietet. Im Übrigen ist die einstweilige Verfügung zu I.2. aufzuheben und der Antrag insoweit zurückzuweisen.

Den Antrag kann die Kammer nach § 938 ZPO von Amts wegen umformulieren, weil die Dienstleistung „Hilfestellung bei der Erlangung von Selbstauskünften und deren anwaltliche Überprüfung“ als Minus in der Dienstleistung „Finanzauskünfte“ enthalten ist und kein Aliud darstellt. Auch insoweit kann auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen werden. Deshalb fehlt es auch nicht am erforderlichen Verfügungsgrund.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.

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