LG Hagen: Zur Zustellung einer einstweiligen Verfügung per beA / Ersatzzustellung gem. § 189 ZPO

veröffentlicht am 6. September 2022

LG Hagen, Urteil vom 16.03.2022, Az. 23 O 57/21
§ 189 ZPO, § 936 ZPO, § 929 Abs. 2 S. 1 ZPO, § 3 UWG, 3a UWG, § 8 Abs. 1 S. 1 UWG, § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG, Art. 10 Abs. 1 HCVO, § 3 Nr. 1 HWG

Das LG Hagen hat entschieden, dass eine wettbewerbsrechtlich begründete einstweilige Verfüung zwar nicht bei einer Übermittlung per beA zwar nicht regelgerecht zugestellt werde; die Zustellung per beA erfülle jedoch die Voraussetzungen einer Ersatzzustellung und heile die Zustellungsmängel gemäß § 189 ZPO. Zum Volltext der Entscheidung:



Landgericht Hagen

Urteil

Das LG Hagen – 3. Kammer für Handelssachen – hat durch … entschieden:

Die einstweilige Verfügung vom 17.12.2021 wird bestätigt.

Der Verfügungsbeklagte trägt die weiteren Kosten des Verfahrens.

3Tatbestand:

4Die Verfügungsklägerin hat mit ihrem Antrag vom 16.12.2021 Erlass einer einstweiligen Verfügung gerichtet auf Unterlassung Lebensmittel, Nahrungsergänzungsmittel oder Medizinprodukte, insbesondere die folgenden Produkte xxx xxx xxx xxx einzeln und in Kombination unter Verwendung der Begriffe „Entsäuerung“ und/oder „Entgiftung“ sowie davon abgewandelter Begriffe zu kennzeichnen, anzubieten oder zu verkaufen begehrt. Zum Inhalt des Antrags im Einzelnen wird auf die Antragsschrift vom 16.12.2021, Bl. 1 ff. d. A. verwiesen.

5Die Kammer hat mit Beschluss vom 17.12.2021 die einstweilige Verfügung antragsgemäß erlassen, siehe im Einzelnen Bl. 98 ff. d. A.

6Der Verfügungsklägerin ist eine Ausfertigung der erlassenen Beschlussverfügung sowie eine Abschrift der Beschlussverfügung am 21.12.2021 zugestellt worden. Beigefügt war ein gerichtliches Schreiben vom 17.12.2021 mit folgendem Inhalt:

7„[…]

8Sie werden darauf hingewiesen, dass die mit dem Antrag verbundene Entscheidung zur Zustellung an die gegnerische Partei zu benutzen ist und die Zustellung (und ggf. der Vollzug der einstweiligen Verfügung) der Partei selbst obliegt, §§ 936, 922 Abs. 2 ZPO. Die mit dem Antrag verbundene Entscheidung ist zu diesem Zwecke zusammen mit der/den beglaubigten Abschrift(en) dem zuständigen Gerichtsvollzieher zu übergeben. Nach Durchführung der Zustellung durch den Gerichtsvollzieher erhalten Sie die Entscheidung verbunden mit der Zustellungsurkunde zurück. Auf die Einhaltung der Fristen gemäß §§ 936, 929 Abs. 2, 3 ZPO wird besonders hingewiesen.

9Bitte beachten Sie: Damit das Gericht dem Antragsgegner die Kosten des Verfahrens in Rechnung stellen kann, muss die Zustellung der einstweiligen Verfügung nachgewiesen werden.[…]“

10Die Verfügungsklägerin hat anwaltlich vertreten die Gerichtsvollzieherverteilerstelle mit Schreiben vom 22.12.2021 um Zustellung ersucht, siehe Anlage SKW 9, Bl. 210 d. A. In dem Schreiben heißt es auszugsweise:

11„Anliegend erhalten Sie die Ausfertigung des Beschlusses des Landgerichts Hagen vom 17. Dezember 2021 zum Aktenzeichen 23 O 57/21 nebst der Antragsschrift sowie den Anlagen zur Antragsschrift mit der Bitte um kurzfristige Zustellung an den Antragsgegner, xxx.

12Nach erfolgter Zustellung bitten wir um Rücksendung der Ausfertigung nebst Zustellvermerk.“

13Am 23.12.2021 hat der Prozessbevollmächtigte der Verfügungsklägerin per beA eine Abschrift der Beschlussverfügung nebst einfacher Abschrift der Antragsschrift dem Prozessbevollmächtigten der Verfügungsbeklagten zur Kenntnisnahme übermittelt. In dem Begleitschreiben heißt es „Wir haben die Zustellung per Gerichtsvollzieher direkt an Ihren Mandanten veranlasst, da uns von Ihnen keine Vollmacht vorliegt.“, siehe im Einzelnen Anlage SKW 13, Bl. 215 d. A.

14Ob aufgrund des Schlusssatzes im Schreiben vom 22.12.2021, die Ausfertigung zurückzusenden, weil die Ausfertigung entgegen der Mitteilung dem Schreiben nicht beigefügt war oder aus anderen Gründen hat die Gerichtsvollzieherin nicht die vom Landgericht erstellte Ausfertigung des Beschlusses zur Zustellung verwendet.

15Vielmehr ist am 28.12.2021 eine Abschrift des Beschlusses einschließlich der Antragsschrift an den Beklagten im Wege der Ersatzzustellung durch Einlegen in den Briefkasten zugestellt worden, siehe im Einzelnen die Zustellurkunde der Gerichtsvollzieherin xxx, Bl. 112 d. A. Die Abschrift nebst Antragsschrift war nicht geheftet oder mit Faden verbunden, sondern nur durch einen Schnellhefterstreifen gehalten. Am Schluss der Beschlussverfügung sowie auf der letzten Seite der Antragsschrift findet sich der Stempel „beglaubigt und zugestellt am: (xxx) Gerichtsvollzieherin (b)“. Die Worte „und zugestellt am“ sind gestrichen worden. Der Stempel ist von der Gerichtsvollzieherin, die inzwischen Obergerichtsvollzieherin ist, unterschrieben.

16Im Eingangstext der Zustellungsurkunde vom 28.12.2021 hat die Gerichtsvollzieherin es unterlassen zu streichen, was nicht zugestellt worden ist. Der Text lautet „Beglaubigte Abschrift, Ausfertigung, Urschrift des hiermit verbundenen Schriftstücks, und zwar B. v. 16.12.2021, Hagen, Az: 23 O 57/21 nebst Anl. habe ich heute […] in einen zu der Wohnung u. dem Geschäftsraum gehörenden Briefkasten eingelegt. Das Datum der Zustellung habe ich auf dem Umschlag des zuzustellenden Schriftstücks vermerkt.“

17Die Verfügungsklägerin vertritt die Auffassung, eine reine Zustellung im Parteibetrieb sei nicht angezeigt gewesen, da der Prozessbevollmächtigte des Antragsgegners keine entsprechende Prozessvollmacht vorgelegt habe und zudem keine ausdrückliche Erklärung abgegeben habe, für ein einstweiliges Verfügungsverfahren empfangsbevollmächtigt zu sein. Jedenfalls sei eine etwa fehlerhafte Zustellung an den Verfügungsbeklagten gem. § 189 ZPO geheilt, da hierfür bereits die Übermittlung des Beschlusses an den Prozessbevollmächtigten genüge, selbst wenn ihn eine Ausfertigung nie erreicht hat.

18Die Verfügungsklägerin beantragt,

19              die einstweilige Verfügung vom 17.12.2021 aufrecht zu erhalten.

20Die Verfügungsbeklagte beantragt,

21die einstweilige Verfügung vom 17.12.2021 (23 O 57/21) aufzuheben und den Antrag auf Erlass zurückzuweisen.

22Die Beklagte greift die erlassene einstweilige Verfügung mit ihrem Widerspruch vom 10.1.2022 inhaltlich nicht an, meint aber, die einstweilige Verfügung sei nicht rechtzeitig gem. § 929 Abs. 2 S. 1 ZPO vollzogen worden.

23Sie vertritt die Auffassung, es handele sich bei dem zugestellten Schriftstück schon nicht um ein zur Zustellung geeignetes Dokument, da es bei dem Schnellhefter an einer hinreichend festen Verbindung fehle, die erfordere, dass das Schriftstück nicht zerstörungsfrei geöffnet werden könne.

24Außerdem habe die Zustellung an den Prozessbevollmächtigten ausgeführt werden müssen, weil sich aus dem anwaltlichem Schreiben vom 25.11.2021, siehe im Einzelnen Anlage SKW 3, Bl. 75 d. A., hinreichend eine anwaltliche Bevollmächtigung ergeben habe, sodass die Vorlage einer Vollmacht nicht mehr erforderlich gewesen sei. Eine Heilung gem. § 189 ZPO könne nicht angenommen werden, weil eine Ausfertigung des Beschlusses an keinen zugestellt worden sei und die Prozessbevollmächtigten nicht die Abschrift erhalten hätten, die dem Verfügungsbeklagten übermittelt worden sei. Die Übermittlung der einfachen Abschrift per beA an den Prozessbevollmächtigten genüge nicht für eine Heilung gem. § 189 ZPO. Der Schriftsatz sei – insoweit unstreitig – weder qualifiziert signiert noch mit einem elektronischen Empfangsbekenntnis übersandt worden. Es habe im Übrigen insoweit am erkennbaren Zustellwillen der Verfügungsklägerin gefehlt, da es den Prozessbevollmächigten nur zur Kenntnisnahme übermittelt worden sei.

25Wegen des weiteren Vortrags der Parteien im Übrigen wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst beigefügten Anlagen sowie auf den Inhalt des Sitzungsprotokolls vom 23.2.2022 verwiesen.

26Entscheidungsgründe:

27Die einstweilige Verfügung vom 17.12.2021 war auf den Widerspruch des Verfügungsbeklagten auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen. Dies führte zur Bestätigung.

28Die einstweilige Verfügung ist zulässig und begründet.

29Die Vollziehungsfrist gem. §§ 936, 929 Abs. 2 S. 1 ZPO ist eingehalten. Die Verfügungsklägerin hat die Beschlussverfügung vom 17.12.2021 binnen eines Monats ab Zustellung der Beschlussverfügung gegenüber der Verfügungsklägerin vollzogen.

30Nach Zustellung der Beschlussverfügung an die Klägerin am 21.12.2021 musste die einstweilige Verfügung bis zum 21.1.2022 vollzogen worden sein.

31Allerdings war die (Ersatz-)zustellung am 28.12.2021 an den Verfügungsbeklagten schon aus formalen Gründen unwirksam.

32Denn ihm ist weder eine Ausfertigung der Beschlussverfügung noch eine zumindest durch die Gerichtsvollzieherin gefertigte beglaubigte Abschrift worden (vgl. BGH, NJW 2019, 1374 Rn. 14). Darüber hinaus war er möglicherweise nicht mehr der richtige Zustelladressat, weil die Beschlussverfügung gegenüber seinen Prozessbevollmächtigten gem. §§ 191, 172 Abs. 1 S. 1 ZPO hätte zugestellt werden müssen.

33Gem. §§ 936, 922 Abs. 2 ZPO hat die Verfügungsklägerin die von ihr im Beschlusswege erwirkte einstweilige Verfügung der Verfügungsbeklagten im Parteibetrieb zuzustellen. Gem. § 192 Abs. 1 und 2 ZPO hat sie hierfür das zuzustellende Schriftstück der mit der Zustellung beauftragten Gerichtsvollzieherin zu übergeben. Ebenso wie eine Urteilsverfügung genügt für eine Beschlussverfügung die Übergabe und Zustellung einer vom Gericht beglaubigten Abschrift, §§ 329 Abs. 1 S. 2, 317 Abs. 2 S. 1, 169 Abs. 2 S. 1 ZPO. Zwar genügte auch eine von der Gerichtsvollzieherin beglaubigte einfache Abschrift gem. § 189 ZPO (vgl. BGH, NJW 2019, 1374, zitiert nach BeckRS 2019, 3278 Rn. 12, 14). Indes genügt die von der Gerichtsvollzieherin angefertigte Abschrift nicht den Anforderungen, die an eine Beglaubigung des Titels zu stellen sind. Besteht das Schriftstück aus mehreren Blättern, müssen diese als Einheit derart miteinander verbunden sein, dass die körperliche Verbindung als dauernd gewollt erkennbar und nur durch Gewaltanwendung zu lösen ist (BGH, NJW 2004, 506, 507 f; Häublein/Müller, in: MüKo, ZPO, 6. Aufl. 2020, § 169 Rn. 6). Bei dem Schnellhefterstreifen war es aber ohne weiteres möglich, durch Entfernen des Bügels einzelne Blätter zu entfernen und so die dauerhafte Verbindung aufzulösen. Darüber hat sich das Gericht durch Inaugenscheinnahme des dem Verfügungsbeklagten zugestellten Schriftstücks selbst vergewissert.

34Allerdings kann dahinstehen, ob die Zustellung an den Verfügungsbeklagten auch deshalb unwirksam war, weil seine Prozessbevollmächtigten gem. §§ 191, 172 Abs. 1 ZPO Zustellungsbevollmächtigte waren. Dafür spricht, dass die Prozessbevollmächtigten bereits mit außergerichtlichem Schreiben vom 25.11.2021 den Prozessbevollmächtigten der Verfügungsklägerin mitgeteilt hatten, dass die ordnungsgemäße Bevollmächtigung anwaltlich versichert wird. Zwar war diesem Schreiben unstreitig keine schriftliche Prozessvollmacht des Verfügungsbeklagten beigefügt, allerdings ist damit mehr als nur eine bloße Zustellungsbevollmächtigung mitgeteilt worden (dagegen: OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2005, 102-103, zitiert nach juris Rn. 4, wohl auch Musielak, ZPO, § 172 Rn. 2; Zöller, ZPO dafür OLG Hamburg, Beschluss v. 16.12.2020, 3 W 79/20, Zurückweisung der Beschwerde gegen LG Hamburg, 327 O 176/2020). Allerdings betraf diese Mitteilung eine Auseinandersetzung umgekehrten Rubrums, sodass insoweit durchaus Raum für die Annahme der Prozessbevollmächtigten der Verfügungsklägerin blieb, dass eine Bevollmächtigung für dieses Verfahren nicht hinreichend klar gegeben war.

35Letztlich braucht diese Frage aber nicht abschließend entschieden zu werden, denn sämtliche Zustellungsmängel sind gem. § 189 ZPO geheilt, und zwar unabhängig davon, ob die Zustellung an den Verfügungsbeklagten hätte erfolgen müssen oder eine Zustellung an seine jetzigen Prozessbevollmächtigten wegen hinreichender Mitteilung der Prozessvollmacht.

36Der BGH hat hierzu Folgendes ausgeführt (BGH, GRUR 2020, 776, 777, Rn. 21 ff.):

37„Nach § 189 ZPO gilt ein Dokument, dessen formgerechte Zustellung sich nicht nachweisen lässt oder das unter Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften zugegangen ist, in dem Zeitpunkt als zugestellt, in dem das Dokument der Person, an die die Zustellung dem Gesetz gemäß gerichtet war oder gerichtet werden konnte, tatsächlich zugegangen ist. Eine Heilung durch den tatsächlichen Zugang des Schriftstücks i. S. d. § 189 ZPO setzt voraus, dass das Schriftstück so in den Machtbereich der Adressatin gelangt, dass sie es behalten kann und Gelegenheit zur Kenntnisnahme von dessen Inhalt hat (zu § 187 S. 1 ZPO aF vgl. BGH NJW 2001, 1946 [1947]). Bei der Anwendung von § 189 ZPO ist allerdings umstritten, ob es für die Heilung ausreicht, dass ein dem zuzustellenden Dokument inhaltsgleiches Schriftstück zugeht.

38Nach einer Ansicht ist der Zugang des zuzustellenden Dokuments selbst erforderlich (OLG Hamm OLGZ 1991, 450 [451]; BayObLGZ 1995, 61 [72]; OLG Zweibrücken FamRZ 2006, 128 [129]; OLG Karlsruhe NZG 2008, 714 [715]; Roth in Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl., § 189 Rn. 7; Zöller/Schultzky, ZPO, 33. Aufl., § 189 Rn. 4).

39Nach anderer Ansicht kann die Heilung auch durch den Zugang eines anderen, dem zuzustellenden Dokument inhaltsgleichen Schriftstücks bewirkt werden (KG WRP 2011, 612 [613]; OLG Frankfurt a. M. Beschl. v. 6.2.2017 – 19 U 190/16, BeckRS 2017, 102284; OLG Dresden DGVZ 2018, 208; MüKoZPO/Häublein, 5. Aufl., § 189 Rn. 9; Müller ZWE 2018, 375 [377]; Riecke IMR 2018, 310; zu § 187 S. 1 ZPO aF vgl. OLG Braunschweig NJW-RR 1996, 380 [381]).

40Die zuletzt genannte Ansicht ist zutreffend. Für den tatsächlichen Zugang als Voraussetzung der Heilung ist nicht der Zugang des zuzustellenden Originals erforderlich. Die erfolgreiche Übermittlung einer (elektronischen) Kopie in Form – beispielsweise – eines Telefaxes, einer Fotokopie oder eines Scans ist ausreichend. Dieses Verständnis entspricht dem Sinn und Zweck der Heilungsvorschrift des § 189 ZPO. […]

41Die mit § 189 ZPO eröffnete Heilungsmöglichkeit hat den Sinn, die förmlichen Zustellungsvorschriften nicht zum Selbstzweck erstarren zu lassen; deshalb ist die Zustellung auch dann als bewirkt anzusehen, wenn der Zustellungszweck anderweitig erreicht wird. Die Vorschrift des § 189 ZPO ist deshalb grundsätzlich weit auszulegen. Der Zweck der Zustellung liegt darin, dem Adressaten oder der Adressatin angemessene Gelegenheit zu verschaffen, von einem Schriftstück Kenntnis zu nehmen, und den Zeitpunkt der Bekanntgabe zu dokumentieren (vgl. Begr. d. RegE eines Gesetzes zur Reform des Verfahrens bei Zustellungen im gerichtlichen Verfahren, BT-Drs. 14/4554, 14; BGHZ 188, 128 = NJW 2011, 1965 Rn. 47; BGHZ 208, 255 = NJW 2016, 1517 Rn. 21; BGH NJW 2017, 2472 Rn. 38; NJW-RR 2018, 970 Rn. 27). Ist die Gelegenheit zur Kenntnisnahme gewährleistet und steht der tatsächliche Zugang auch ohne die durch die förmliche Zustellung gewährleistete Dokumentation fest, bedarf es besonderer Gründe, die Zustellungswirkung entgegen dem Wortlaut der Regelung in § 189 ZPO nicht eintreten zu lassen (BGHZ 188, 128 = NJW 2011, 1965 Rn. 47). Der Zustellungszweck wird danach in gleicher Weise erreicht, wenn die Empfängerin – wie hier – eine technische Reproduktion des Originaldokuments erhält; diese verschafft ihr zuverlässig Kenntnis über den Inhalt des zuzustellenden Schriftstücks (vgl. OLG Frankfurt a. M. Beschl. v. 6.2.2017 – 19 U 190/16, BeckRS 2017, 102284). Die bloße mündliche Überlieferung oder eine handschriftliche oder maschinenschriftliche Abschrift des Dokuments führen dagegen wegen der Fehleranfälligkeit einer solchen Übermittlung nicht zur Heilung des Zustellungsmangels. Eine dahingehende Auslegung von § 189 ZPO wäre weder mit dessen Wortlaut noch mit dem Zustellungszweck zu vereinbaren (vgl. BGH NJW-RR 2018, 970 Rn. 30 mwN).“

42Die Kammer schließt sich diesen in ihrer Klarheit nicht ergänzungsbedürftigen Ausführungen an.

43Dass die hierdurch eröffnete Erweiterung der Ersatzzustellung gem. § 189 ZPO den Authentizitätsnachweis erschwert, ist ein der Heilung innewohnendes Risiko. Selbst bei einer beglaubigten Abschrift kann der Empfänger nicht verlässlich feststellen, dass ihn genau das Dokument erreicht, welches dem Vollziehenden zugestellt wurde. Es liegt in der Natur der Heilung, dass sie – sofern ihre Voraussetzungen nachgewiesen werden können, bestimmte Formalitäten entbehrlich macht (vgl. Häublein/Müller, in: MüKo, ZPO, 6. Aufl. 2020, § 189 Rn. 18).

44Der Mangel der Zustellung wäre danach in beiden Fällen der Zustellung durch tatsächlichen Erhalt der Beschlussverfügung in schriftlicher Form geheilt, sei es durch Erhalt der fehlerhaft beglaubigten Abschrift am 28.12.2021 durch den Verfügungsbeklagten oder sei es in Form des beA-Schriftsatzes bereits am 23.12.2021 durch den Prozessbevollmächtigten (vgl. BGH, GRUR 2020, 776, 777 Rn. 22 – 26).

45Der Heilung gem. § 189 ZPO steht nicht, wie der Verfügungsbeklagte meint, entgegen, dass den Prozessbevollmächtigten die Beschlussverfügung nur zur Kenntnisnahme übermittelt worden ist. Nur in Fällen, in denen nicht einmal eine Zustellung angestrebt war, scheidet eine Heilung gem. § 189 ZPO aus. Ihren Zustell- und Vollziehungswillen hat die Verfügungsklägerin aber eindeutig durch Übergabe einer Ausfertigung oder jedenfalls einer Abschrift an die Gerichtsvollzieherverteilerstelle mit Schreiben vom 22.12.2021 kundgetan und dies auch den Prozessbevollmächtigten des Verfügungsbeklagten bei Übermittlung der Beschlussverfügung zur Kenntnisnahme mitgeteilt. Es bestand also bei Erhalt des beA-Schriftsatzes kein Zweifel am Vollziehungswillen der Verfügungsklägerin.

46Entscheidend für beide ist, dass die Beschlussverfügung erkennbar mit Vollziehungswillen abgegeben worden sind.

47Schließlich hat der Verfügungsbeklagte sich durch Erhebung des Widerspruchs innerhalb der Vollziehungsfrist hinreichend seinen Annahmewillen zum Ausdruck gebracht.

48Der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung war auch begründet. Dies ergibt sich aus der mit der einstweiligen Verfügung verknüpften Antragsschrift, auf die insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird. Durch Vorlage der Anlagen SKW 1 – SKW 6 waren sowohl die den Anspruch (§§ 3, 3a, 8 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 Nr. 1 UWG i. V. m. Art. 10 Abs. 1 HCVO, § 3 Nr. 1 HWG) begründenden Tatsachen wie die Voraussetzungen glaubhaft gemacht, unter denen wegen des dringenden Verfügungsgrundes eine einstweilige Verfügung ohne mündliche Verhandlung und durch die Vorsitzende allein erfolgen konnte (§§ 935, 937 Abs. 2, 940, 944 ZPO).

49Soweit die Verfügungsklägerin die Anordnung begehrte, ihr, der Verfügungsklägerin, die Befugnis zu erteilen, für jeden Fall der Zuwiderhandlung eine fällige, von ihr festzusetzende und im Streitfall von dem zuständigen Landgericht lediglich zu überprüfende angemessenen Vertragsstrafe auszusprechen, war der Antrag mangels Anspruchsgrundlage zurückzuweisen.

50Das darin enthaltene Minus der Androhung des Ordnungsmittels gem. § 890 ZPO war auszusprechen.

51Der Verfügungsbeklagte hat in der Sache keine Einwände erhoben. Solche sind auch sonst nachträglich nicht ersichtlich geworden.

52Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO.

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