LG Hamburg, Urteil vom 27.05.2011, Az. 324 O 648/10
§ 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB, § 823 Abs. 1 BGB; Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 2 Abs. 1 GG; § 22 KunstUrhG, § 23 Abs. 2 KunstUrhG
Das LG Hamburg hat entschieden, dass eine erneute Einwilligung zur Bildveröffentlichung erforderlich ist, wenn das Bild nachträglich erheblich bearbeitet wurde. Dies lasse eine zuvor erteilte Einwilligung unwirksam werden. Vorliegend war durch die Bearbeitung der Eindruck erweckt worden, die Klägerin schminke sich stark, obwohl sie im ursprünglichen Bild ein natürliches Erscheinungsbild gehabt habe. Dies sei als nicht unerhebliche Bearbeitung einzustufen. Zum Volltext der Entscheidung:
Landgericht Hamburg
Urteil
In der Sache
…
wegen Unterlassung
erlässt das Landgericht Hamburg – Zivilkammer 24 – durch … am 27.05.2011aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 15.04.2011 folgendes Urteil:
I.
Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens Euro 250.000,-; Ordnungshaft insgesamt höchstens 2 Jahre) zu unterlassen,
das Titelbild der Zeitschrift … so, wie dort geschehen, erneut zu veröffentlichen und/oder zu verbreiten und/oder veröffentlichen und/oder verbreiten zu lassen.
II.
Die Kosten des Rechtsstreites trägt die Beklagte.
III.
Das Urteil ist zu Ziffer I. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von Euro 20.000,- und zu Ziffer II. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Und beschließt: Der Streitwert wird auf Euro 20.000,- festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin ist die Ehefrau des Journalisten und Moderators … . Die Beklagte verlegt die Zeitschrift … . Auf der Titelseite der Ausgabe … veröffentlichte die Beklagte ein Foto der Klägerin und ihres Ehemannes … . Die Klägerin trägt auf dem Bild auffälligen blauen Lidschatten oberhalb und unterhalb der Augen (Kopie: Anlage K 1, Original: Anlage K 8). Dieses Foto wurde technisch bearbeitet, hinsichtlich des Aussehens des Originalfotos und des Umfangs der Bearbeitung sind die Einzelheiten zwischen den Parteien streitig. Das ursprüngliche Foto war dunkel. Es wurden seitens der Beklagten zunächst die Helligkeitswerte des Bildes erhöht. Infolgedessen ging die Farbkraft des Fotos verloren. Bei dem Bild wurde sodann eine Farbkorrektur vorgenommen. Die Beklagte legt mit Anlage B 1 zwei Fotos vor, wobei sie unbestritten vorträgt, das Foto auf der linken Seite sei das unbearbeitete Foto und das Foto auf der rechten Seite sei die von ihr veröffentlichte Version.
Die Klägerin behauptet, bei dem Ausdruck gem. Anlage K 2 handele es sich um das Originalfoto. In der Zeitschrift … sei das Foto mit anderer Farbgebung parallel veröffentlicht worden (Kopie: Anlage K 3).
Die Klägerin ist der Ansicht, die Bildmanipulation der Beklagten wirke typverändernd, sie sei nicht annähernd so stark geschminkt gewesen, wie es auf Anlage K 1 den Anschein habe, wo sie mit einem leuchtend bzw. dick glänzend blauem Lidschatten zu sehen sei. Aufgrund der Veränderung des Bildes liege auch keine Einwilligung in die Verbreitung vor. Die Veränderung des Bildnisses gehe über reproduktionstechnisch bedingte und für den Aussagegehalt unbedeutende Veränderungen hinaus und sei daher unzulässig. Ein Betrachter denke, sie habe es nötig, sich besonders stark zu schminken – tatsächlich habe die Klägerin auf den Originalbildern ein natürliches Erscheinungsbild, sie wirke ungeschminkt. Die Darstellung der Beklagten entstelle ihre natürliche Ausstrahlung.
Die Klägerin beantragt,
der Beklagten bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, letztere zu vollziehen an der Geschäftsführung, zu untersagen, das Titelbild der Zeitschrift … so, wie dort geschehen, erneut zu veröffentlichen und/oder zu verbreiten und/oder veröffentlichen und/oder verbreiten zu lassen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte bestreitet, dass es sich bei der Veröffentlichung in der Zeitschrift … (Anlage K 3) um das Originalfoto bzw. das Foto mit den Bildwerten des Originals handele. Sie habe auch keine Bearbeitung über das übliche Maß hinaus vorgenommen. Es liege eine wahrheitsgemäße Abbildung der Klägerin vor. Insbesondere sei die Gesichtspartie der Klägerin nicht nachbearbeitet worden, um die vorhandene Schminke stärker herauszustellen. Das Foto sei gerade nicht über reproduktionstechnisch bedingte und für den Aussagegehalt unbedeutende Veränderungen hinaus verändert worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der Sitzung vom 15.4.2011 Bezug genommen.
Gründe
I.
Die zulässige Klage ist auch begründet. Der Klägerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog in Verbindung mit §§ 22, 23 Abs. 2 KUG zu, denn die Veröffentlichung des Bildnisses gem. Anlage K 1 bzw. K 8 verletzt bei fortbestehender Wiederholungsgefahr ihr Recht am eigenen Bild.
1)
Die Verbreitung des Bildnisses der Klägerin erfolgte ohne deren Einwilligung. Die fehlende Einwilligung der Klägerin in die Veröffentlichung des konkret veröffentlichten Bildnisses ergibt sich – obgleich das Foto ersichtlich zunächst zu Veröffentlichungszwecken aufgenommen wurde – aus der nachträglichen Bildbearbeitung der Beklagten. Davon, dass eine Einwilligung in die Veröffentlichung eines Bildnisses zugleich auch die Veröffentlichung mit farblichen Veränderungen wie im vorliegenden Fall umfasst, kann nicht ausgegangen werden. Das Bundesverfassungsgericht hat hinsichtlich der Veränderung von Bildnissen in der Entscheidung vom 14.2.2005 1 BvR 240/04 (NJW 2005, 3271 ff. – Ron Sommer, zitiert nach Juris, Juris Abs. 25) ausgeführt:
bb)
Das fotografische Abbild übermittelt ohne Verwendung von Worten Informationen über die abgelichtete Person. Fotos suggerieren Authentizität und die Betrachter gehen davon aus, dass die abgebildete Person in Wirklichkeit so aussieht. Diese Annahme aber trifft bei einer das Aussehen verändernden Bildmanipulation, wie sie heute relativ einfach mit technischen Mitteln herbeigeführt werden kann, nicht zu. Der Träger des Persönlichkeitsrechts hat zwar kein Recht darauf, von Dritten nur so wahrgenommen zu werden, wie er sich selbst gerne sehen möchte (vgl. BVerfGE 97, 125 <148 f.>; 97, 391 <403>; stRspr), wohl aber ein Recht, dass ein fotografisch erstelltes Abbild nicht manipulativ entstellt ist, wenn es Dritten ohne Einwilliguno des Abgebildeten zugänglich gemacht wird. Die Bildaussage wird jedenfalls dann unzutreffend, wenn das Foto über rein reproduktionstechnisch bedingte und für den Aussagegehalt unbedeutende Veränderungen hinaus verändert wird. Solche Manipulationen berühren das Persönlichkeitsrecht, einerlei ob sie in guter oder in verletzender Absicht vorgenommen werden oder ob Betrachter die Veränderung als vorteilhaft oder nachteilig für den Dargestellten bewerten. Stets wird die in der bildhaften Darstellung in der Regel mitschwingende Tatsachenbehauptung über die Realität des Abgebildeten unzutreffend.
Im vorliegenden Fall hat die Beklagte auch unter Zugrundelegung ihres eigenen Vortrags das Foto über rein reproduktionstechnisch bedingte und für den Aussagegehalt unbedeutende Veränderungen hinaus verändert, so dass die Bildaussage unzutreffend wird und es unter Zugrundelegung des vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Maßstabs nicht mehr als von einer Einwilligung der Klägerin umfasst angesehen werden kann.
Auch ohne Berücksichtigung der zwischen den Parteien streitigen Anlagen K 2 und K 3 und bei alleiniger Zugrundelegung von Anlage B 1 (linke Seite: Originalfoto, rechte Seite: veröffentlichtes Foto), liegt eine Bildbearbeitung vor, die nicht rein reproduktionstechnisch bedingt ist und aufgrund derer das Foto über für den Aussagegehalt unbedeutende Veränderungen hinaus verändert wird, so dass die Bildaussage unzutreffend wird. Unstreitig hat die Beklagte das Bild nicht nur optisch aufgehellt, sondern anschließend eine Farbkorrektur vorgenommen. Diese Farbkorrektur ist jedenfalls im Hinblick auf den Lidschatten nicht allein reproduktionstechnisch bedingt. Sie verändert zudem das Erscheinungsbild der Klägerin. Der Lidschatten auf dem Bildnis auf der linken Seite von Anlage B 1 ist (unabhängig davon, dass das Bildnis sich dunkler darstellt) weit weniger intensiv, als auf dem Bild auf der rechten Seite der Anlage B 1.
Zwar mag es zutreffen, dass eine optische Aufhellung des Bildes erforderlich war, damit dies als Titelbild einer Illustrierten verwendet werden konnte. Auch mag es zutreffend sein, dass diese Maßnahme das Erfordernis einer Farbkorrektur nach sich zog. Ein solches Erfordernis rechtfertigt indes nicht jegliche nachträgliche Farbgestaltung. Jedenfalls eine Farbkorrektur, bei der ein Lidschatten deutlich stärker hervorgehoben wird, als auf dem ursprünglichen Bildnis, ist nicht mehr allein reproduktionstechnisch bedingt.
Diese Maßnahme der nachträglichen Intensivierung des Umfangs des Lidschattens verändert zudem auch das Erscheinungsbild der Klägerin und damit den Aussagegehalt des Bildes. Die Klägerin erscheint damit als jemand, der sich stärker schminkt, als dies tatsächlich der Fall ist. Das Bild bekommt so den Aussagegehalt, dass es bei der Klägerin jedenfalls vorkomme, dass sie blauen Lidschatten großflächig und in auffälliger Weise verwende. Dieser Aussagegehalt lässt sich dem graphisch unveränderten Foto gem. Anlage B 1, linke Seite gerade nicht entnehmen, wo das Erscheinungsbild der Klägerin weit natürlicher ist. Der Unterschied in der Erscheinung ist auch nicht derart geringfügig, dass er vemachlässigbar wäre.
Soweit sich die Beklagte auf den Zeugen … dafür beruft, dass sie die Gesichtspartie der Klägerin nicht nachbearbeitet hat, um die vorhandene Schminke stärker herauszustellen war keine Beweisaufnahme durchzuführen. Ob die Klägerin den objektiv vorhandenen Effekt des stärkeren Herausstellens vorhandener Schminke bezweckt hat, ist irrelevant. Allein entscheidend ist, dass dieser Effekt eingetreten ist, was sich auch Anhand des Vergleichs der Anlage B 1 linkes und rechtes Foto erkennen lässt. In welcher Absicht die vorgenommene Veränderung vorgenommen wurde, ist unerheblich (vgL Bundesverfassungsgericht Az. 1 BvR 240/04 vom 14.2.2005 Juris Abs. 25).
Hinzu kommt noch, dass die Kammer auch mit eigenem Sachverstand zu erkennen vermag, dass das von der Zeitschrift … (Anlage K 3) veröffentlichte Bildnis auf dieselbe Originalaufnahme zurückgeht wie das Bildnis gem. Anlage B 1 rechte Spalte (=Anlage K 1/K 8). Dies lässt sich an den Details der wiedergegebenen Situation erkennen. So werden bei allen Bildern exakt in gleichem Umfang Weinblätter von den Köpfen der Klägerin und ihres Ehemannes verdeckt, auf allen Bildern fallen die Haare der bei den genau gleich, die Haltung bei der Hände des Ehemannes der Klägerin stimmt präzise überein und die Weintrauben, die er in der Hand hält, bedecken exakt dieselben Stellen seiner Finger. Auch sind die Gesichtszüge beider auf allen Bildern jeweils identisch. Diese Übereinstimmungen sind in ihrer Kombination unwiederholbar so dass für die Kammer feststeht, dass die Bilder gem. Anlage B 1 rechte Seite (= K 1 K 8 ) und K 3 auf dasselbe Ursprungsbild zurückgehen. Allein die Farbgebung ist unterschiedlich. Der Umstand, dass in der Publikation gemäß Anlage K 3 gerade kein kräftiger blauer Lidschatten bei der Klägerin zu sehen ist, belegt, dass eine Bearbeitung des Bildes zu Veröffentlichungszwecken ohne eine Intensivierung des Lidschattens der Klägerin ohne weiteres möglich war.
2)
Die Veröffentlichung des Bildnisses war auch nicht auf grund von § 23 KUG ohne Einwilligung rechtmäßig. Auch wenn man zugrunde legt, dass die Berichterstattung … ein zeitgeschichtliches Ereignis im Sinne dieser Vorschrift darstellt (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG), so würden doch durch die streitgegenständliche Veröffentlichung berechtigte Interessen der Klägerin gem. § 23 Abs. 2 KUG verletzt. Insoweit gilt das bereits unter Ziffer 1) Ausgeführte hier gleichermaßen.
3)
Es besteht auch die für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr. Die Wiederholungsgefahr wird durch die Erstbegehung indiziert, es wurde keine strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärung abgegeben und auch sonst sind keine Umstände ersichtlich, die eine Wiederholungsgefahr entfallen lassen könnten.
II.
Die prozessualen Nebenentscheidungen und der Streitwertbeschluss beruhen auf §§ 3, 91 Abs. 1 S.l, 709 S. 1, 2 ZPO.