LG Hamburg: Datenbankbetreiber OpenJur haftet nicht für unzureichend anonymisiertes Urteil / 2025

veröffentlicht am 10. Oktober 2025

LG Hamburg, Urteil vom 09.05.2025, Az. 324 O 278/23
§§ 823 Abs. 1 BGB, § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog, Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG, § 17 DSGVO, § 85 Abs. 2 DSGVO

Das LG Hamburg hat entschieden, dass die Betreiberin der kostenfreien Entscheidungsdatenbank OpenJur nach der Bereichsausnahme des Art. 85 Abs. 2 DSGVO nicht für die versehentliche Veröffentlichung des Klarnamens eines Prozessbeteiligten im Rahmen einer Urteilsveröffentlichung hafte, da die Beklagte im Zusammenhang mit dem Betrieb der Rechtsprechungsdatenbank in einer Weise tätig sei, die eine Einordnung als redaktionelle Tätigkeit rechtfertige. Auch eine Haftung nach §§ 823 Abs. 1 BGB, § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog komme nicht in Betracht: Zwar beeinträchtige die Veröffentlichung der Entscheidung mit dem Klarnamen des Klägers als Ergebnis der Abwägung mit der Informations- und Medienfreiheit der Beklagten das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers, weil kein überwiegendes öffentliches Interesse an der beruflichen und finanziellen Situation des Klägers und daran, dass das Versorgungswerk der Rechtsanwälte gegen ihn Zwangsvollstreckungsmaßnahmen betrieben hat, bestehe. Es handele sich auch um Informationen, die geeignet seien, dem beruflichen Fortkommen des Klägers zu schaden und es seien keine Gründe ersichtlich, die für ein überwiegendes öffentliches Interesse gerade an der Person des Klägers sprächen. Allerdings habe die Beklagte bei der Veröffentlichung des Beschlusses in Wahrnehmung berechtigter Interessen und damit gerechtfertigt gehandelt. Zum Volltext der Entscheidung:

Landgericht Hamburg

Urteil

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 31.000 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Ansprüche im Zusammenhang mit einer von der Beklagten in einer Rechtsprechungsdatenbank veröffentlichten Gerichtsentscheidung.

Der Kläger ist ein bei der Rechtsanwaltskammer Berlin zugelassener Rechtsanwalt. Die Beklagte betreibt unter www.openjur.de eine frei zugängliche Rechtsprechungsdatenbank, auf der sie Rechtsprechung im Volltext dokumentiert. Sie ist eine als gemeinnützig anerkannte Gesellschaft mit Sitz in Hamburg. Zum Gesellschaftszweck der Beklagten gehört unter anderem auch die Förderung von Bildung, Wissenschaft und Forschung.

Die von der Beklagten betriebene Rechtsprechungsdatenbank speist sich zum Teil aus automatisiert übernommenen Gerichtsentscheidungen, etwa aus einer von der juris GmbH betriebenen Rechtsprechungsdatenbank des Landes Berlin. Zum anderen fordert die Beklagte gezielt zuvor unveröffentlichte Entscheidungen von Gerichten oder von Dritten an, wählt aus, welche von Dritten eingesandten Entscheidungen veröffentlicht werden, verfasst eigene Orientierungssätze und Schlagworte zu Entscheidungen, hebt Entscheidungen auf ihrer Startseite und über die Social Media-Auftritte der Beklagten hervor und veröffentlicht Hinweise auf Presseberichte zu juristischen und gesellschaftlichen Themen. Wegen der Einzelheiten solcher nicht-automatisierten Tätigkeiten wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 14.06.2024 Bezug genommen.

Der Kläger trat in einem einstweiligen Anordnungsverfahren vor dem Verwaltungsgericht Berlin als Antragsteller auf. In dem Verfahren, das sich gegen das Versorgungswerk der Rechtsanwälte in Berlin richtete, ging es unter anderem darum, dass der Kläger mit der Entrichtung von Versorgungsbezügen in Verzug war, weswegen das Versorgungswerk gegen ihn die Zwangsvollstreckung betrieb. Ein Beschluss in der Sache erging am 05.05.2022. Eine mündliche Verhandlung fand nicht statt. Unklar ist, ob der Beschluss öffentlich verkündet wurde. Unter anderem sind in dem Beschluss Ausführungen zu dem ehemaligen Arbeitsplatz des Klägers, dazu, dass er eine gewisse Zeit Arbeitslosengeld 1 bezogen habe und dazu, dass er mit der Entrichtung von Beiträgen zum berufsständischen Versorgungswerk in Verzug sei, enthalten. Weiterhin finden sich in dem Beschluss Angaben zu der finanziellen Situation des Klägers. Nähere Einzelheiten ergeben sich aus der Anlage K 2.

Die Beklagte veröffentlichte diesen Beschluss auf der von ihr verantworteten Internetseite openjur.de unter Nennung des Klarnamens des Klägers, der in der Randnummer 27 des Beschlusses enthalten war.

Der streitgegenständliche, von der Beklagten veröffentlichte Beschluss wurde in der Folge von gängigen Internet-Suchmaschinen indexiert. Streitig ist zwischen den Parteien, ob – wie von dem Kläger vorgetragen – bei Eingabe des Vor- und Nachnamens des Klägers in eine Suchmaschine die Veröffentlichung der Beklagten als einer der ersten Treffer erschien.

Der Kläger forderte die Beklagte am 05.05.2023 zur Unterlassung der weiteren Verbreitung des Beschlusses, zur datenschutzrechtlichen Auskunftserteilung sowie zur Kostenerstattung und Schadensersatzzahlung auf. Die Beklagte wies die geltend gemachten Ansprüche mit E-Mail vom gleichen Tag zurück, entfernte aber umgehend den Namen des Klägers aus dem auf ihrer Webseite veröffentlichten Beschluss und teilte dem Kläger mit, dass der Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin automatisiert aus der amtlichen Datenbank des Landes Berlin übernommen worden sei.

Der Kläger macht geltend, dass die Beklagte durch die nicht anonymisierte Veröffentlichung des streitgegenständlichen Beschlusses seine personenbezogenen Daten und privaten Lebensumstände durch weltweite Abrufbarkeit der Allgemeinheit zugänglich gemacht habe. Dadurch sei ein unzumutbarer Kontrollverlust bei dem Kläger eingetreten, der sich zudem konkret rufschädigend ausgewirkt und das berufliche Fortkommen des Klägers möglicherweise erheblich erschwert habe. Potenzielle Mandaten seien abgeneigt, einen Rechtsanwalt zu mandatieren, der für einen gewissen Zeitraum arbeitslos gewesen ist, seine Zahlungspflichten nicht rechtzeitig erfüllen konnte sowie unter Hinweis auf besondere Härte um den Erlass bzw. Stundung solcher Ansprüche gebeten hatte. Zudem sei der Kläger weiterhin über das genaue Ausmaß der Verletzung seiner Rechte im Unklaren.

Dem Kläger komme wegen der erfolgten Veröffentlichung ein Unterlassungsanspruch nach §§ 823 Abs. 11004 Abs. 1 S. 2 BGB analog i.V.m. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG zu. Die nicht anonymisierte Veröffentlichung habe in das Recht des Klägers auf informationelle Selbstbestimmung eingegriffen. Der Klarname des Klägers stelle ein personenbezogenes Datum im Sinne von Art. 4 Nr. 1 DSGVO dar. Es sei kein überwiegendes Interesse der Beklagten an der Nennung seines Namens erkennbar. Insbesondere habe auch der Inhalt des Beschlusses keinen Anlass geboten, den Namen des Klägers zu nennen. Entgegen der Auffassung der Beklagten entfalle ihre Haftung auch nicht deswegen, weil sie davon ausgehe, die Veröffentlichung nicht verschuldet zu haben. Sie habe bei der Veröffentlichung des Beschlusses jedenfalls fahrlässig gehandelt. Sie habe sich den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin zu eigen und diesen einer neuen Öffentlichkeit zugänglich gemacht, ohne im Einzelfall vorab eine gebotene Anonymisierung vorzunehmen und alle personenbezogenen Informationen aus der Entscheidung zu entfernen.

Der Kläger habe auch nicht die von der Beklagten veröffentlichten Umstände selbst in die Öffentlichkeit getragen. Er habe lediglich von seinem Recht Gebrauch gemacht, den Rechtsweg zu beschreiten. Er habe auch nicht die Veröffentlichung seines Namens widerspruchslos geduldet, sondern von dieser erst im März/April 2023 Kenntnis erlangt. Zudem habe der Kläger auch keinen Antrag auf Ausschluss der Öffentlichkeit stellen können, da der streitgegenständliche Beschluss ohne mündliche Verhandlung ergangen sei.

Nachdem der Kläger ursprünglich mit Nichtwissen bestritten hatte, dass die Beklagte den streitgegenständlichen Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin automatisiert in nicht anonymisierter Form aus der Rechtsprechungsdatenbank des Landes Berlin übernommen habe, und die Beklagte sodann schriftsätzlich sowie durch ihren Geschäftsführer in der mündlichen Verhandlung vom 26.04.2024 nähere Ausführungen zu den technischen Einzelheiten im Zusammenhang mit der Veröffentlichung des Beschlusses gemacht hat, hat der Kläger sein Bestreiten nicht länger aufrechterhalten. Der Kläger hat, etwa mit Schriftsatz vom 08.11.2024, unstreitig gestellt, dass der Abruf der Entscheidung automatisch und in einer nicht anonymisierten Form aus der Datenbank des Landes Berlin erfolgte. Der Kläger hat sich allerdings auf den Standpunkt gestellt, dass in einer solchen automatisierten Übernahme keine redaktionelle oder wissenschaftliche Tätigkeit liege, die eine privilegierte Behandlung der Beklagten rechtfertigen könne.

Es sei kein die Interessen des Klägers überwiegendes Interesse an der Nennung des Namens des Klägers durch die Beklagte zu erkennen. Dass, wie es die Beklagte geltend mache, das Verwaltungsgericht Berlin einen Abwägungsprozess durchgeführt habe, um den Klarnamen des Klägers zu veröffentlichen, werde mit Nichtwissen bestritten.

Auch der geltend gemachte Schadensersatzanspruch sei begründet. Der Schadensbegriff des Art. 82 DSGVO sei als europarechtlich autonomer Begriff insbesondere im Lichte der Ziele der DSGVO auszulegen und erfordere keine besondere Erheblichkeit des eingetretenen Schadens. Bereits die erstmalige Veröffentlichung des nicht anonymisierten Beschlusstextes habe den Kläger empfindlich beeinträchtigt. Es liege auf der Hand, dass die Beklagte fahrlässig gehandelt habe. Denn es entspreche dem Pflichtenprogramm bei der Veröffentlichung potenziell persönlichkeitsrechtlich relevanter Daten, diese vor Veröffentlichung zu prüfen und, wo nötig, zu anonymisieren. Zudem werde das Verschulden der Beklagten nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO vermutet. Die entsprechende Vermutung sei auch nicht widerlegt.

Der Kläger hat ursprünglich gegen die Beklagte auch einen auf Art. 15 DSGVO gestützten Auskunftsanspruch geltend gemacht. Die Beklagte, die die Auffassung vertreten hat, dass ein etwaiger Auskunftsanspruch des Klägers bereits vorgerichtlich erloschen sei, hat dem Kläger mit einer der Klagerwiderung beigefügten Anlage B 4 Auskunft erteilt. Die Parteivertreter haben daraufhin in der mündlichen Verhandlung vom 28.03.2025 den auf Erteilung einer Auskunft gerichteten Klagantrag übereinstimmend für erledigt erklärt.

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

1. Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, personenbezogene Daten des Klägers im Zusammenhang mit dem Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 5. Mai 2022 zum Az. VG 12 L 25/22 im Internet zu veröffentlichen oder öffentlich verfügbar zu halten, wie geschehen bei Veröffentlichung des nicht anonymisierten Beschlusstextes des Verwaltungsgerichts Berlin (Az. VG 12 L 25/22) in der Rechtsprechungsdatenbank der Beklagten, abrufbar bis zum 5. Mai 2023 unter https://openjur.de/u/2395992.html und aus der Anlage K 2 ersichtlich.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Schmerzensgeld in angemessener Höhe, mindestens jedoch in Höhe von insgesamt 5.500 €, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.375,88 € nebst Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27. Mai 2023 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie beruft sich darauf, dass der Kläger die in dem Beschluss enthaltenen Lebensumstände selbst in die Öffentlichkeit getragen habe, indem er am Verwaltungsgericht Berlin einen Verwaltungsrechtsstreit initiiert und darin die Umstände seiner Berufstätigkeit sowie seines Einkommens zum Gegenstand seines Vortrags gemacht habe, ohne den Ausschluss der Öffentlichkeit bei Verkündung des Beschlusses zu beantragen. Damit habe der Kläger selbst die ihn betreffenden Umstände aus der Hand gegeben und auf die Wahrung seiner Geheimhaltungsinteressen verzichtet. Das Verwaltungsgericht Berlin habe seinen Beschluss öffentlich verkündet und die Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz habe den Beschluss in einer nicht vollständig anonymisierten Fassung online abrufbar in der Rechtsprechungsdatenbank des Landes Berlin unter gesetze.berlin.de zum freien Abruf bereitgestellt. Darin sei der Name des Klägers im Begründungsteil der Entscheidung enthalten gewesen. Diese Veröffentlichung habe sie, die Beklagte, in unveränderter Form übernommen. Der Kläger habe die Veröffentlichung in der Datenbank der Senatsverwaltung Berlin über ein Jahr hingenommen, bevor er sich um die Löschung seines Namens bemüht habe. Die Nennung des Klägers in der Entscheidungsveröffentlichung spreche dafür, dass die Senatsverwaltung das Interesse der Öffentlichkeit an einem vollständigen Zugang zu der Entscheidung höher gewichtet habe als das Geheimhaltungsinteresse des Klägers. Dabei könnte es auch eine Rolle gespielt haben, dass der Kläger das Verfahren selbst initiiert und die ihn betreffenden Umstände selbst vorgetragen habe.

Die Entscheidungen der Senatsverwaltung Berlin seien frei abrufbar. Jeder könne die Rechtsprechungsdatenbank aufrufen und so zu den darin enthaltenen Gerichtsentscheidungen gelangen. Diese Entscheidungen aus der Datenbank würden auch bei Google indexiert, sodass sie in den Suchergebnissen auftauchen. Deswegen dürfte auch die den Kläger betreffenden Entscheidung aus der Rechtsprechungsdatenbank des Landes Berlin bei Google auffindbar gewesen sein.

Die Beklagte erhalte auch Gerichtsentscheidungen von Dritten oder Gerichten. Wenn dies der Fall sei, führe sie vor der Veröffentlichung eine manuelle Anonymisierung durch. Den streitgegenständlichen Beschluss indes habe sie nicht von einem Gericht oder von Dritten erhalten, sondern durch einen automatisierten Abgleich der docID aus der Rechtsprechungsdatenbank des Landes Berlin übernommen. Bei einer solchen Übernahme führe sie keine manuelle Überprüfung durch.

Die Beklagte habe, nachdem sie am 05.05.2023 um 18.07 Uhr die Abmahnung des Klägers erhalten habe, – was unstreitig ist – bereits um 18:25 Uhr den Namen des Klägers aus der von ihr veröffentlichten Entscheidung entfernt. Anschließend habe die Beklagte eine Neuindexierung durch Google sowie die Entfernung aus den Google-Cache-Einträgen beantragt und an demselben Abend den Kläger über die unternommenen Schritte informiert. Die technischen Vorkehrungen der Beklagten verhinderten eine weitere Veröffentlichung des Beschlusses in der Datenbank der Beklagten, da diese so ausgestaltet sei, dass jede Gerichtsentscheidung nur einmal veröffentlicht werden könne.

Der Unterlassungsantrag sei unbegründet. Ein von dem Kläger behaupteter Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung liege nicht vor. Diese Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts sei von vornherein nicht einschlägig. Es könne allenfalls die äußerungsrechtliche Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einschlägig sein. Dies müsse aber in der Abwägung mit der Meinungs- und Pressefreiheit der Beklagten zurücktreten.

Die Rechtsprechungsdatenbank der Beklagten sei durch die Pressefreiheit geschützt. Sie bereite deutsche und europäische Gerichtsentscheidungen auf und mache sie auf der Website openjur.de als medialem Verbreitungsweg einem unbestimmten Personenkreis zugänglich. In der vorzunehmenden Abwägung hätten die Interessen des Klägers an dem Unterbleiben der Veröffentlichung zurückzutreten. Dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Klägers komme dabei nur ein geringes Gewicht zu, da der Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin bereits vor dem Hinweis des Klägers vom 05.05.2023 einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gewesen sei. Zudem habe er die ihn betreffenden Umstände selbst nach außen getragen. Er habe auf die Wahrung seiner Geheimhaltungsinteressen bei der Verkündung des Beschlusses verzichtet. Zudem habe er die Verfügbarkeit des Beschlusses im Internet in der Rechtsprechungsdatenbank des Landes Berlin fast ein Jahr lang hingenommen. Die Veröffentlichung in der Datenbank der Beklagten habe den Rezipientenkreis nicht wesentlich erweitert. Zudem würden nur wahre Tatsachen aus der Sozialsphäre des Klägers verbreitet.

Vorliegend bestehe ein besonderes öffentliches Interesse an dem Zusammentragen und Bündeln einer möglichst großen Anzahl an Gerichtsentscheidungen, wie es die Beklagte praktiziere. Die Beklagte könne keine frei zugängliche und umfassende Rechtsprechungsdatenbank anbieten, wenn sie jede Entscheidung individuell auf vermutliche Rechtsverletzungen überprüfen müsste. Hinzu komme, dass es angesichts des Ermessensspielraums der Justizbehörden bei der Veröffentlichung von Entscheidungen faktisch unmöglich sei, die für die Entscheidung maßgeblichen Erwägungen nachzuvollziehen. Eine Einzelfallprüfung könne daher von ihr nicht verlangt werden. Umstände, die in öffentlich zugänglichen Datenbanken erscheinen, dürfe sie, die Beklagte, nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts guten Glaubens verwerten, solange sie nicht erkennbar überholt oder widerrufen seien.

Für den Unterlassungsanspruch fehle es auch an der Wiederholungsgefahr. Die Beklagte habe im Vertrauen auf die Rechtmäßigkeit der Veröffentlichung durch eine staatliche Behörde gehandelt. Den Verlautbarungen amtlicher Stellen dürfe ein gesteigertes Vertrauen entgegengebracht werden. Dies gelte auch für die Veröffentlichungen von Gerichtsentscheidungen in den Rechtsprechungsdatenbanken der Länder. Die Beklagte habe zu Grunde legen dürfen, dass die Entscheidung des Landes Berlin, den Namen des Klägers in den Gründen zu veröffentlichen, rechtmäßig gewesen sei. Dieses Vertrauen sei erst durch den Hinweis des Klägers vom 05.05.2023 erschüttert worden. Auf diesen habe sie aber sofort reagiert.

Dem Kläger stehe auch der geltend gemachte Schmerzensgeldanspruch nicht zu. Die Zahlung einer Geldentschädigung komme bereits mangels Verschulden der Beklagten nicht in Betracht. Die Beklagte habe auf die Veröffentlichung des Landes Berlin vertraut. Sie handele zudem gemeinnützig und zum Wohle der Allgemeinheit. Auch ein Kostenerstattungsanspruch komme dem Kläger nicht zu.

Gründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

I. Dem Kläger steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte nicht zu, und zwar weder aus Art. 17 DSGVO noch aus nationalem Recht.

1. Ein Unterlassungsanspruch aus Art. 17 DSGVO besteht nicht.

Die Tätigkeit der Beklagten im Zusammenhang mit der Veröffentlichung von Gerichtsentscheidungen in der von der Beklagten betriebenen Rechtsprechungsdatenbank unterfällt der Bereichsausnahme des Art. 85 Abs. 2 DSGVO. Dies hat zur Folge, dass sich die Frage, ob dem Kläger gegen die Beklagte ein Unterlassungsanspruch zusteht, nicht nach den Regelungen der DSGVO, sondern nach dem einschlägigen nationalen Recht richtet.

a) Gemäß Art. 85 Abs. 2 DSGVO sehen die Mitgliedsstaaten für die Verarbeitung, die zu journalistischen Zwecken oder zu wissenschaftlichen, künstlerischen oder literarischen Zwecken erfolgt, Abweichungen oder Ausnahmen von Kapitel II (Grundsätze), Kapitel III (Rechte der betroffenen Person), Kapitel IV (Verantwortlicher und Auftragsverarbeiter), Kapitel V (Übermittlung personenbezogener Daten an Drittländer oder an internationale Organisationen), Kapitel VI (Unabhängige Aufsichtsbehörden), Kapitel VII (Zusammenarbeit und Kohärenz) und Kapitel IX (Vorschriften für besondere Verarbeitungssituationen) vor, wenn dies erforderlich ist, um das Recht auf Schutz der personenbezogenen Daten mit der Freiheit der Meinungsäußerung und der Informationsfreiheit in Einklang zu bringen.

Der Begriff des journalistischen Zwecks ist unionsrechtsautonom auszulegen. Er ist weit zu verstehen. Dies ergibt sich aus Erwägungsgrund 153, S. 7 der DSGVO, der lautet: „Um der Bedeutung des Rechts auf freie Meinungsäußerung in einer demokratischen Gesellschaft Rechnung zu tragen, müssen Begriffe wie Journalismus, die sich auf diese Freiheit beziehen, weit ausgelegt werden.“

Nach der Rechtsprechung des EuGH ist vor allem das Ziel der Veröffentlichung maßgeblich. Es kommt darauf an, ob die Veröffentlichung zum Ziel hat, Informationen, Meinungen oder Ideen in der Öffentlichkeit zu verbreiten. Allerdings hält auch der EuGH fest, dass nicht jegliche im Internet veröffentlichte Information unter den Begriff der journalistischen Tätigkeit falle (EuGH GRUR 2019, 760 Rn. 59 – Buivids). Auf eine berufliche Ausübung der Tätigkeit (Berufsjournalist) kommt es allerdings ebenso wenig an wie auf eine Anbindung an eine Zeitungs- oder Rundfunkredaktion (BeckOK InfoMedienR/Cornils, 47. Ed. 1.2.2021, Art. 85 DSGVO Rn. 70, beck-online).

Die Einordnung von Intermediären, die keine eigenen Texte oder Inhalte veröffentlichen, sondern Inhalte Dritter verbreiten, wird differenziert beurteilt: Im Falle eines Ärztebewertungsportals hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass das Medienprivileg aus Art. 85 Abs. 2 DSGVO nicht eingreife, weil es an einer journalistisch-redaktionelle Bearbeitung der Bewertungen fehle (BGHZ 202, 242 Rn. 13 – Ärztebewertung II; BGHZ 217, 340 Rn. 10 – Ärztebewertung III). Dies begegnete Kritik, weil der Portalbetreiber im Fall Ärztebewertung III durchaus in die Präsentation der Arztprofile eingegriffen hatte (vgl. BGHZ 217, 340 Rn. 18) und damit gerade seine Stellung als neutraler Informationsmittler verlassen habe (BeckOK InfoMedienR/Cornils, 47. Ed. 1.2.2021, Art. 85 DSGVO Rn. 75.1, beck-online). Eine Privilegierung von Informationsintermediären wird dann für möglich gehalten, wenn diese ein Mindestmaß an Bearbeitung leisten (BeckOK DatenschutzR/Lauber-Rönsberg, 50. Ed. 1.11.2024, Art. 85 DSGVO Rn. 21, beck-online).

b) Die Voraussetzungen der Bereichsausnahme für journalistische Zwecke liegen nach diesem Maßstab hier vor, denn die Beklagte ist im Zusammenhang mit dem Betrieb der Rechtsprechungsdatenbank in einer Weise tätig, die eine Einordnung als redaktionelle Tätigkeit rechtfertigt.

So fordert die Beklagte zuvor unveröffentlichte Entscheidungen von Gerichten gezielt zur Veröffentlichung an. Dies gilt etwa für den in den Medien viel diskutierten Beschluss des Kammergerichts vom 06.12.2021, Az. 3 Ws 250/21 zur Einstellung des datenschutzrechtlichen Bußgeldverfahrens gegen das Unternehmen Deutsche Wohnen oder das historische Urteil im Frankfurter Auschwitz-Prozess. Im Jahr 2023 wurden auf diese Weise rund 300 Entscheidungen von Gerichten angefordert und erstveröffentlicht (vgl. Auswahl in Anlage B 8). Außerdem fordert die Beklagte auch Entscheidungen von Dritten an. Dies gilt etwa für das Urteil des Landgerichts München I im sogenannten Badewannen-Prozess, das die Beklagte von den Prozessbevollmächtigten des dortigen Verfahrens angefragt und erhalten hat, nachdem ihr Antrag auf Übersendung vom Präsidenten des Landgerichts abgelehnt wurde. Die Beklagte beschreitet auch den Rechtsweg, um Entscheidungen zu erhalten, etwa wenn Gerichte die Zusendung von Entscheidungen verweigern oder für die Zusendung Gebühren verlangen. Soweit Dritte Entscheidungen einsenden, wählt die Beklagte aus, welche dieser Entscheidung sie veröffentlicht. Die Beklagte verfasst eigene Orientierungssätze zu Entscheidungen und verschlagwortet Entscheidungen. Sie hebt Entscheidungen auf der Startseite und über die Social Media-Auftritte der Beklagten hervor und stellt auf ihrer Startseite unter der Überschrift „Aktuell“ individuell ausgewählte, besonders relevante und neu veröffentliche Rechtsprechung vor.

Diese Tätigkeit unterscheidet sich maßgeblich von einem bloßen Datensammeln oder einem bloßen Verbreiten von Inhalten Dritter, wie es etwa auf Bewertungsportalen geschieht. Ein wesentlicher Unterschied liegt schon darin, dass die Beklagte Gerichtsentscheidungen auch gezielt anfordert, wodurch ihre Tätigkeit einen redaktionellen und auch meinungsbildenden Charakter erhält. Darüber hinaus leistet die Beklagte ein Mindestmaß an Bearbeitung auch dadurch, dass sie Entscheidungen für eine hervorgehobene Veröffentlichung auswählt und Entscheidungen mit einer Beschreibung versieht.

c) Die Tätigkeit der Beklagten im Zusammenhang mit der von ihrer betriebenen Rechtsprechungsdatenbank unterfällt auch insgesamt der Bereichsausnahme. Dies gilt auch im Hinblick darauf, dass es sich bei der streitgegenständlichen Urteilsveröffentlichung – wie bei vielen anderen Urteilsveröffentlichungen der Beklagten – um eine automatisiert und ohne Änderungen aus Rechtsprechungsdatenbanken übernommene Entscheidungen handelt.

Von entscheidender Bedeutung ist dabei, dass sich in der Entscheidungsdatenbank der Beklagten, die im Zentrum der Tätigkeit der Beklagten steht, Entscheidungen, die die Beklagte aktiv anfordert, Entscheidungen, die die Beklagte mit eigenen Orientierungssätzen versieht und auch Entscheidungen, die – wie die streitgegenständliche – von der Beklagten nicht bearbeitet wurden, vermengen. Da die Tätigkeit der Beklagten gerade darin besteht, die Datenbank als Ganzes bereitzuhalten, muss sich die anzuerkennende Bereichsausnahme auf die Veröffentlichung aller Inhalte beziehen und nicht nur auf solche Beiträge in der Datenbank, die bereits bei isolierter Betrachtung, etwa aufgrund einer Formulierung eines Orientierungssatzes oder einer aktiven Recherche nach der Entscheidung, als redaktionelle Tätigkeit einzustufen sind.

Daran ändert sich auch dann nichts, wenn – worauf der Kläger hinweist – die Mehrzahl der Entscheidungen, die die Beklagte in ihre Datenbank aufnimmt, in automatisierter Weise übernommen werden und die Entscheidungen, die die Beklagte individuell bearbeitet oder besonderen Rechercheaufwand für ihren Erhalt betreibt, demgegenüber nur in geringerer Anzahl vorhanden sind. Soweit der BGH davon spricht, dass die meinungsbildende Wirkung prägender Bestandteil des Angebots und nicht nur „schmückendes Beiwerk“ sein dürfe (BGH, Urt. v. 23.06.2009 – VI ZR 196/08 –, BGHZ 181, 328-345, Rn. 21 – spickmich.de, noch zur Bereichsausnahme im BDSG), stellen die von der Beklagten vorgenommenen redaktionellen Bearbeitungen hier nicht nur „schmückendes Beiwerk“ dar. Sie sind im Rahmen der einheitlich angebotenen Datenbank vielmehr untrennbar mit den übrigen, automatisiert vorgenommenen Abläufen verbunden. Es verhält sich daher nicht so, dass die Beklagte ihr Angebot lediglich mit einem „schmückenden Beiwerk“ von solchen Zusatzinformationen, aktuellen Meldungen oder Meinungsäußerungen Dritter versieht, die gerade in der Online-Welt dank einfacher Programmiertechnik und Verlinkungsmöglichkeiten regelmäßig ohne größeren Aufwand möglich sind (vgl. Kühling/Buchner/Buchner/Tinnefeld, 4. Aufl. 2024, Art. 85 DSGVO Rn. 25, beck-online). Vielmehr ist der redaktionelle Aufwand der Beklagten prägender Bestandteil im Rahmen der Vervollständigungen der von ihr betriebenen Entscheidungsdatenbank, so dass es weder auf das konkrete Verhältnis zwischen automatisierter und „händischer“ Tätigkeit ankommt, noch darauf, ob die einzelne, hier die konkret streitige Entscheidung automatisiert abgerufen oder inhaltlich bearbeitet wurde. Auch wenn es sich so verhalten sollte, dass der überwiegende Teil der in der Datenbank bereitgehaltenen Entscheidungen automatisiert abgerufen wurde, tritt die Bedeutung der redaktionellen Tätigkeit der Beklagten für die Bereithaltung der Rechtsprechungsdatenbank keineswegs völlig in den Hintergrund.

d) Ohne dass es hierauf noch ankäme, dürfte auch die Bereichsausnahme für eine Verarbeitung zu wissenschaftlichen Zwecken vorliegen. Der Begriff der wissenschaftlichen Forschung umfasst jede wissenschaftliche Tätigkeit und damit eine solche Tätigkeit, die nach Inhalt und Form als ernsthafter planmäßiger Versuch zur Ermittlung von Wahrheit anzusehen ist (Kühling/Buchner/Buchner/Tinnefeld, 4. Aufl. 2024, Art. 85 DSGVO Rn. 21, beck-online m.w.N.).

Im vorliegenden Fall spricht einiges dafür, dass die Beklagten wissenschaftliche Zwecke für sich in Anspruch nehmen kann. Dies gilt etwa im Hinblick darauf, dass rechtswissenschaftliche Veröffentlichungen häufig Gerichtsentscheidungen über die Datenbank der Beklagten zitieren (vgl. zu einer Literatursuche nach dem Stichwort „openjur“ in der Datenbank Beck-Online Anlage B 12). Zudem ist die Beklagte auch Partnerin der Initiative „OpenRewi“, eines Zusammenschlusses von Rechtswissenschaftlern, der sich der Nutzung frei zugänglicher Informationen für die rechtswissenschaftliche Forschung verschrieben hat.

2. Bleibt es danach für die Beurteilung des Unterlassungsbegehrens des Klägers bei der Anwendbarkeit des nationalen Rechts, das aufgrund der Bereichsausnahme anstelle der Regelungen der DSGVO Geltung beansprucht, steht dem Kläger auch insoweit kein Unterlassungsanspruch zu. Insbesondere besteht kein Unterlassungsanspruch aus §§ 823 Abs. 11004 Abs. 1 S. 2 BGB analog, Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG.

a) Zwar beeinträchtigt die Veröffentlichung der Entscheidung mit dem Klarnamen des Klägers als Ergebnis der Abwägung mit der Informations- und Medienfreiheit der Beklagten das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers, weil kein überwiegendes öffentliches Interesse an der beruflichen und finanziellen Situation des Klägers und daran, dass das Versorgungswerk der Rechtsanwälte gegen ihn Zwangsvollstreckungsmaßnahmen betrieben hat, besteht. Das gilt auch, soweit man berücksichtigt, dass diese Umstände (nur) die Sozialsphäre des Klägers betreffen. Denn es handelt sich um Informationen, die geeignet sind, dem beruflichen Fortkommen des Klägers zu schaden. Es sind keine Gründe ersichtlich, die für ein überwiegendes öffentliches Interesse gerade an der Person des Klägers sprechen. Am Ergebnis dieser Abwägung ändert sich auch dann nichts, wenn, wie die Beklagte vorträgt, der Beschluss in dem den Kläger betreffenden verwaltungsgerichtlichen Eilverfahren öffentlich verkündet worden sein sollte. Dies gilt bereits deswegen, weil die Gerichtsöffentlichkeit eine andere ist als die Internetöffentlichkeit.

b) Allerdings hat die Beklagte bei der Veröffentlichung des Beschlusses in Wahrnehmung berechtigter Interessen und damit gerechtfertigt gehandelt.

Die Wahrnehmung berechtigter Interessen im Zusammenhang mit einer Äußerung stellt einen Rechtfertigungsgrund nach § 193 StGB dar. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wird der Rechtfertigungsgrund des § 193 StGB als eine Ausprägung des Grundrechts der freien Meinungsäußerung im Rahmen der Prüfung einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts berücksichtigt und ist im Hinblick auf die Funktion der Presse im demokratischen Staat anerkannt (BGH, Urt. v. 22.12.1959 – VI ZR 175/58 –, BGHZ 31, 308-321, Rn. 9).

Einen Anwendungsfall der Wahrnehmung berechtigter Interessen stellen sog. privilegierte Quellen dar. Verlautbarung von privilegierten Quellen darf ein gesteigertes Vertrauen entgegengebracht werden (BGH NJW 2014, 2029 Rn. 30, beck-online). Neben dem Umstand, dass amtliche Stellen an die Grundrechte gebunden sind und damit schon ihrerseits vor einer Verlautbarung eine Rechtsgüterabwägung vorzunehmen habe, liegt die Sonderbehandlung privilegierter Quellen auch darin begründet, dass Medienanbieter im Interesse der Gewährleistung einer möglichst breiten Pluralität in die Lage versetzt werden sollen, auch über solche Themen zu berichten, die – gemessen an den zur Verfügung stehenden personellen und wirtschaftlichen Ressourcen – jenseits ihres eigenen „Rechercheradius“ liegen (vgl. Korte PresseR, 2. Aufl. 2019, § 2 Rn. 241).

Die von der Rechtsprechungsdatenbank des Landes Berlin veröffentlichten Entscheidungen stellen eine solche privilegierte Quelle dar. Solange für die Beklagte keine konkreten Zweifel daran bestanden, dass eine Veröffentlichung einer Entscheidung in ihrer Datenbank in der identischen Form, wie sie bereits in der Rechtsprechungsdatenbank des Landes Berlin veröffentlicht wurde, Rechte Dritter verletzt, handelte die Beklagte gerechtfertigt und unterlag auch keiner Pflicht zur Nachrecherche (vgl. Korte aaO Rn. 244). Solche Zweifel mussten bei der Beklagten erst mit der Anfrage durch den Kläger entstehen. Hierauf ist die Beklagte unverzüglich tätig geworden und hat den Namen des Klägers aus der Entscheidung entfernt.

II. Dem Kläger steht kein Schadensersatzanspruch im Hinblick auf die Verarbeitung der persönlichen Daten durch die Veröffentlichung des Namens des Klägers zu.

1. Ein Schadensersatzanspruch nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO kommt nicht in Betracht. Insoweit ist Art. 82 DSGVO schon nicht anwendbar, weil die in Kapitel II der DSGVO geregelten Grundsätze der Datenverarbeitung und die in Kapitel III der DSGVO geregelten Rechte der betroffenen Person aufgrund der Bereichsausnahme des Art. 85 DSGVO für den vorliegenden Fall nicht anwendbar sind. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liegt es „auf der Hand, dass ein Schadensersatzanspruch gem. Art. 82 Abs. 1 DSGVO nicht auf die Verletzung datenschutzrechtlicher Bestimmungen durch eine journalistische Tätigkeit gestützt werden kann, wenn die Bestimmungen für die Tätigkeit gar nicht gelten“. Dabei spiele auch keine Rolle, dass die Öffnungsklausel des Art. 85 Abs. 2 DSGVO die in Kapitel VIII der Verordnung enthaltene Vorschrift des Art. 82 Abs. 1 DSGVO nicht ausdrücklich erfasse (BGH GRUR 2022, 735 Rn. 18, beck-online).

2. Da sich die Veröffentlichung des Namens nach nationalem Recht aufgrund der Wahrnehmung berechtigter Interessen als gerechtfertigt darstellt, kommt auch ein Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung nach § 823 Abs. 1 BGB nicht in Betracht.

III. Auch im Hinblick auf die vom Kläger als zu spät gerügte Auskunft steht dem Kläger ein Schadensersatzanspruch nicht zu.

1. Art. 82 DSGVO ist insoweit allerdings anwendbar. Denn wenn ein Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO grundsätzlich besteht, kann im Falle einer Verletzung dieses Auskunftsanspruchs auch ein Schadensersatzanspruch nach Art. 82 DSGVO bestehen. Der Auskunftsanspruch beurteilt sich vorliegend auch in Ansehung der Bereichsausnahme des Art. 85 Abs. 2 DSGVO nach Art. 15 DSGVO. Denn es ist nicht ersichtlich, dass nach nationalem Recht eine Regelung eingreift, die einen Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO deswegen ausschließen könnte, weil dies, wie es Art. 85 Abs. 2 DSGVO verlangt, erforderlich wäre, um das Recht auf Schutz der personenbezogenen Daten mit der Freiheit der Meinungsäußerung und der Informationsfreiheit in Einklang zu bringen.

2. Dem Kläger stand ursprünglich ein Auskunftsanspruch nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO zu, denn die Beklagte hat durch die Veröffentlichung des Beschlusses mit dem darin enthaltenen Namen des Klägers und den ihn betreffenden Informationen personenbezogene Daten des Klägers im Sinne von Art. 4 Nr. 1 DSGVO verarbeitet.

3. Im vorliegenden Fall dürfte die Auskunft auch verspätet erteilt worden sein. Gemäß Art. 12 Abs. 3 DSGVO stellt der Verantwortliche der betroffenen Person Informationen über die auf Antrag gemäß den Artikeln 15 bis 22 ergriffenen Maßnahmen unverzüglich, in jedem Fall aber innerhalb eines Monats nach Eingang des Antrags zur Verfügung; diese Frist kann um weitere zwei Monate verlängert werden, wenn dies unter Berücksichtigung der Komplexität und der Anzahl von Anträgen erforderlich ist. Hier hat der Kläger am 05.05.2023 Auskunft verlangt. Die Beklagte hat zwar noch am gleichen Tag geantwortet und die Auskunft auch teilweise erteilt – etwa im Hinblick auf die Herkunft der Daten mitgeteilt, dass die Entscheidung automatisiert aus der amtlichen Datenbank des Landes Berlin übernommen worden sei –, im Übrigen aber auf die allgemeinen Datenschutzinformationen verwiesen. Eine weitergehende und nach Ansicht der Beklagten vollständige Auskunft hat die Beklagte erst im Laufe des gerichtlichen Verfahrens mit der Klagerwiderung vom 20.10.2023 (dort Anlage B 4) erteilt, somit rund 5 Monate nach dem Auskunftsbegehren.

In rechtlicher Hinsicht umstritten ist, ob der Umstand, dass eine Auskunft verspätet erteilt wird, überhaupt einen Schadensersatzanspruch begründen kann. Teilweise wird dagegen eingewandt, dass von Art. 82 DSGVO nur solche Schäden erfasst seien, die „durch eine nicht dieser Verordnung entsprechende Verarbeitung“ entstanden sind und dass damit Verstöße gegen Auskunftspflichten aus Art. 12 Abs. 3 bzw. Art. 15 DSGVO nicht als Grundlage für einen Ersatzanspruch dienen können (LAG Düsseldorf, Urt. v. 28.11.2023 – 3 Sa 285/23 –, Rn. 31, juris; LG Düsseldorf, Urt. v. 28.10.2021 – 16 O 128/20; aA OLG Köln NJW-RR 2023, 564 Rn. 14, beck-online).

4. Ob die Auskunft verspätet war und eine solche Verspätung einen Schadensersatzanspruch begründen kann, kann hier aber offen bleiben. Denn es fehlt an der schlüssigen Darlegung eines (immateriellen) Schadens, den der Kläger gerade durch die verspätete Auskunft erlitten habe.

Der Begriff des immateriellen Schadens ist autonom unionsrechtlich zu definieren. Der bloße Verstoß gegen die Bestimmungen der Datenschutz-Grundverordnung reicht nach der Rechtsprechung des EuGH nicht aus, um einen Schadensersatzanspruch zu begründen (vgl. EuGH, Urt. v. 20.06.2024 – C-590/22 –, Rn. 24, juris). Allerdings muss ein Schaden nicht einen bestimmten Grad an Schwere oder Erheblichkeit erreichen (vgl. EuGH, Urt. v. 20.06.2024 – C-590/22 –, Rn. 26, juris). Schon der – selbst kurzzeitige – Verlust der Kontrolle über personenbezogene Daten kann einen immateriellen Schaden darstellen, ohne dass dieser Begriff des „immateriellen Schadens“ den Nachweis zusätzlicher spürbarer negativer Folgen erfordert (EuGH, Urt. v. 04.10.2024 – C-200/23 –, Rn. 145, 156 i.V.m. 137, juris). Auch nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs stellt der bloße Verlust der Kontrolle über personenbezogene Daten einen immateriellen Schaden im Sinne von Art. 82 Abs. 1 DSGVO dar (BGH, Urt. v. 18.11.2024, VI ZR 10/24, Rn. 27-45).

Der Kläger hat vorgetragen, dass ihm durch die versagte Auskunft ein immaterieller Schaden entstanden sei, da er sich im Ungewissen darüber befinde, welche und wie konkret seine personenbezogenen Daten von der Beklagten verarbeitet wurden und werden. Der hiermit verbundene, sich noch weiter vertiefende Kontrollverlust des Klägers im Hinblick auf den Umgang mit seinen persönlichen Daten sowie die konkrete Gefahr einer Rufschädigung und der Beeinträchtigung seines beruflichen Fortkommens sei für den Kläger unzumutbar, spürbar unangenehm und emotional stark belastend. Nachdem die Beklagte mit der Klageerwiderung weitergehende Auskunft erteilt hat, hat der Kläger vorgetragen, ihm sei durch die monatelang versagte Auskunft ein konkreter immaterieller Schaden entstanden, da er sich stets im Ungewissen darüber befunden habe, welche und wie konkret seine personenbezogenen Daten von der Beklagten verarbeitet wurden und werden. Der hiermit verbundene Kontrollverlust des Klägers im Hinblick auf den Umgang mit seinen persönlichen Daten sowie die konkrete Gefahr einer Rufschädigung und der Beeinträchtigung seines beruflichen Fortkommens sei für den Kläger unzumutbar, enorm unangenehm und emotional stark belastend.

Dem Vortrag ist nicht zu entnehmen, inwiefern der Kläger allein durch den Umstand, dass die Auskunft verspätet erteilt worden sei, einen immateriellen Schaden erlitten habe. Dies gilt umso mehr, als ein ganz maßgeblicher Bestandteil der Auskunft – nämlich zur Herkunft der Daten – bereits am Tag des Auskunftsbegehrens beantwortet und dem Kläger mit E-Mail vom 05.05.2024 mitgeteilt wurde, dass die Entscheidung in dieser Form aus der amtlichen Entscheidungsdatenbank des Landes Berlin übernommen wurde. Auch war für den Kläger erkennbar, welche personenbezogene Daten die Beklagte veröffentlicht hatte und an wen sie sich mit dieser Veröffentlichung wandte, nämlich an die gesamte Internetöffentlichkeit. Insofern liegt in der bloß zeitlich verzögerten vollständigen Auskunftserteilung auch kein weitergehender Kontrollverlust als der, der bereits durch die nicht hinreichend anonymisierte Veröffentlichung der Entscheidung eingetreten war.

Der Fall liegt auch ganz maßgeblich anders als die vom Kläger angeführte Entscheidung des OLG Köln, worin eine Entschädigung in Höhe von 500 € wegen einer verspäteten Auskunftserteilung zugesprochen wurden. Im dortigen Fall hat die Klägerin von einem Rechtsanwalt die Herausgabe der Handakten zu ihrem Mandat verlangt. Die dortige Klägerin war für eine nicht unerhebliche Dauer vom Rechtsanwalt über das weitere Schicksal des Mandates im Unklaren gelassen worden und war über Monate nicht in der Lage, auf die Handakte zuzugreifen, Kenntnis über den Inhalt der dort gespeicherten Daten zu erlangen und das sie betreffende Verfahren mit dem neuen Prozessbevollmächtigten voran zu treiben (OLG Köln, Urt. v. 14.07.2022 – I-15 U 137/21 –, Rn. 26, juris).

IV. Es besteht auch kein Anspruch auf Ersatz vorgerichtlich angefallener Rechtsverfolgungskosten aus § 823 Abs. 1 BGB. Soweit der Kläger die Beklagte durch seinen Prozessbevollmächtigen mit Schreiben vom 05.05.2023 zur Unterlassung, zur Auskunft sowie zur Zahlung eines Schadensersatzes auffordern ließ, bestehen Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche nicht, so dass insoweit auch kein Anspruch auf Ersatz von Rechtsverfolgungskosten vorliegen kann. Hinsichtlich der Aufforderung zur Auskunft bestand zum Zeitpunkt des anwaltlichen Tätigwerdens mangels einer vorherigen Aufforderung kein Verzug der Beklagten mit der Auskunft, der für eine Erstattungsfähigkeit – auch in Ermangelung einer vertraglichen Verbindung zwischen den Parteien – aber erforderlich ist.

V. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 9191a92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Soweit hinsichtlich des übereinstimmend für erledigt erklärten Kostenantrags ursprünglich ein Auskunftsanspruch bestand, wären die hierauf entfallenden Kosten zwar grundsätzlich der Beklagten anzulasten, da der Auskunftsanspruch erst dadurch erfüllt wurde und gemäß § 362 BGB erloschen ist, dass die Beklagte durch die mit der Klagerwiderung übersandten Anlage B 4 das Auskunftsbegehren des Klägers beantwortet hat. Nach dem Rechtsgedanken des § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO fällt der Wert der Auskunft allerdings gegenüber dem übrigen, auf Unterlassung und Schadenersatz entfallenden Wert der Klage nicht ins Gewicht.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.

Die Festsetzung des Streitwerts orientiert sich an §§ 348 Abs. 2 GKG. Die Kammer hat den Wert des auf Unterlassung gerichteten Antrags, der außergerichtlich vom Kläger begründeten Wertvorstellung aus dem Schreiben vom 05.05.2023 folgend, auf 25.000 €, den Wert des auf Schadensersatz gerichteten Antrags auf 5.500 € und den Wert des Auskunftsantrags auf 500 € festgesetzt.

Diese Entscheidung finden Sie – natürlich – bei OpenJur, nämlich hier.

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