LG Hamburg, Urteil vom 13.03.2015, Az. 315 O 283/14 – nicht rechtskräftig
§ 3 UWG, § 5 UWG
Das LG Hamburg hat entschieden, dass die Unilever Deutschland GmbH in ihrer Werbung nicht erklären darf, dass die Halbfettmargarine Becel pro.aktiv den Cholesterinspiegel um mehr als 20 Prozent senken könne. Unter einer Abbildung der Margarine und der Überschrift „Cholesterin senken – mit Erfolg“ hieß es: „Innerhalb von drei Wochen konnte Siegrid K. ihren Cholesterinwert mit ausgewogener Ernährung, ausreichend Bewegung und Becel pro.aktiv deutlich reduzieren. ‚Mit Hilfe des Programms konnte ich meinen Cholesterinwert erfolgreich von 275 auf 211 mg/dl senken.'“ Das entspricht einer Senkung um rund 23 Prozent. Eine solche gesundheitsbezogene Aussage sei nach der Health-Claims-Verordnung nur dann zulässig, wenn sie von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) zugelassen sei, was vorliegend nicht der Fall war. Keine Rolle spielte der Umstand, dass die cholesterinsenkende Wirkung nicht allein auf Becel pro.aktiv zurückgeführt worden war, sondern auch auf ausgewogene Ernährung und ausreichend Bewegung. Der Verbraucher, so die Kammer, sehe Becel pro.aktiv in der Werbung als maßgebliche Komponente für die Cholesterinreduzierung an. Zum Volltext der Entscheidung:
Landgericht Hamburg
Urteil
In der Sache
…
erkennt das Landgericht Hamburg – Zivilkammer 15 – durch … auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 25.02.2015 für Recht:
I.
Die Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens € 250.000,00; Ordnungshaft insgesamt höchstens 2 Jahre), zu unterlassen, im Rahmen geschäftlicher Handlungen für das Produkt „Becel pro.activ“ mit der Aussage „Mit Hilfe des Programms konnte ich meinen Cholesterinwert erfolgreich von 275 auf 211 mg/dl senken“ wie in der Anlage zum Urteil abgebildet zu werben oder werben zu lassen.
II.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 214,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 21.07.2014 zu zahlen.
III.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
IV.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von € 25.000,00 bzgl. Ziffer I. des Tenors und in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages bzgl. Ziffer II. des Tenors und der Kosten.
Tatbestand
Der Kläger begehrt Unterlassung eines behaupteten Verstoßes gegen die Health-Claims-VO (HCVO) sowie die Erstattung von Abmahnkosten.
Der Kläger ist der bundesweit tätige Dachverband aller 16 Verbraucherzentralen der Bundesländer und weiterer 26 verbraucher- und sozialorientierter Organisationen in Deutschland. Seine Klagebefugnis nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 UKlaG bzw. nach § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG aufgrund seiner Listung gemäß § 4 UKlaG ist zwischen den Parteien unstreitig.
Die Beklagte schaltete in der Ausgabe der Apotheken Umschau vom 15. November 2013 die streitgegenständliche, in der Anlage zum Urteil wiedergegebene ganzseitige Anzeige.
Unten rechts heißt es dort unter der Zwischenüberschrift „Cholesterin senken – mit Erfolg!“:
„Innerhalb von drei Wochen konnte Siegrid K. mit ausgewogener Emährung, ausreichend Bewegung und Becel pro.activ ihren Cholesterinspiegel deutlich reduzieren. ‚Mit Hilfe des Programms konnte ich meinen Cholesterinwert erfolgreich von 275 auf 211 mg/dl senken. Mit dem Resultat bin ich mehr als zufrieden und auch meine Familie ist ganz stolz auf mich!'“
Der Kläger mahnte die Beklagte mit Schreiben vom 12.02.2014 (Anlage K 2) ab und forderte sie zur Abgabe einer strafbewehrten Unter1assungsverpflichtungserklärung auf. Die Beklagte ließ die Ansprüche zurückweisen.
Dem Kläger entstehen für eine Abmahnung durchschnittlich Kosten in Höhe von € 213,65.
Der Kläger trägt vor, dass ihm der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nach § 2 UKlaG i.V.m. Art. 10 Abs. I VO (EG) Nr. 1924/2006 (HCVO) i. V. m. EU-VO Nr. 432/2012 (Liste) zustehe.
Es handele sich hier um eine Angabe nach Art. 14 HCVO, für die eine Zulassung nicht bestehe. Die Aussage beziehe der angesprochene Verkehr auf das Produkt, nicht auf ein Programm. Das Lebensmittel sei unbestreitbar eines von 3 Komponenten des erwähnten Programmes. Die Botschaft der streitgegenständlichen Passage laute, dass die erfolgreiche Senkung des Cholesterinspiegels ohne den Verzehr des Lebensmittels nicht möglich gewesen sei. So werde die Werbebotschaft von den Verbrauchern auch verstanden. Diese Aussage sei nicht von einer zugelassenen Angabe gedeckt.
Verjährung sei nicht eingetreten, der Anspruch nach § 2 UKlaG verjähre gemäß §§ 195, 199 BGB.
Er, der Kläger, könne auch Ersatz seiner Aufwendungen verlangen. Er mache hier eine Kostenpauschale von € 200,00 zzgl. 7 % MwSt. geltend, mithin € 214,00.
Der Kläger beantragt,
I. die Beklagte zu verurteilen, es bei Vermeidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu unterlassen, im Rahmen geschäftlicher Handlungen für das Produkt „Becel pro.activ“ mit der Aussage „Mit Hilfe des Programms konnte ich meinen Cholesterinwert erfolgreich von 275 auf 211 mg/dl senken“ wie in der Anlage zum Urteil abgebildet zu werben oder werben zu lassen.
II. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 214,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Klagerhebung zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte trägt vor, die Klage sei unbegründet.
Sie erhebt zunächst die Einrede der Verjährung. Die Verjährung folge aus § 11 Abs. 1 UWG, da der Kläger einen Unterlassungsanspruch nach dem UWG geltend mache. Er nenne die Anspruchsgrundlage zwar nicht ausdrücklich, berufe sich aber auf „unlauteren Wettbewerb“. Er stütze den Anspruch auf eine Printanzeige vom 15.11.2013. Damit wäre der behauptete Anspruch bei Erscheinen entstanden. Es sei davon auszugehen, dass der Kläger zeitnah davon Kenntnis erlangt habe. Die Abmahnung sei vom 12.02.2014. Die Zustellung der Klage sei erst am 21.07.2014 erfolgt, die Abmahnung hemme nicht die Verjährung. Selbst wenn der Anspruch auf § 2 UKlaG gestützt werde, würde sich die Verjährung nach § 11 UWG richten, da sich im UKlaG keine eigenständigen Verjährungsregeln fänden, so dass für die Verjährung die Regelungen geltend müssten, die sich in dem Gesetz befinden, gegen das die Beklagte vermeintlich verstoßen habe.
Höchst vorsorglich werde weiter vorgetragen, dass aber auch im Übrigen keine Ansprüche bestünden. Der Anwendungsbereich der HCVO werde nicht eröffnet, da es sich nicht um eine Werbung für ein Lebensmittel gemäß Art. 1 Abs. 2 HCVO handele. Die Anzeige beziehe sich ausdrücklich auf eine Cholesterinsenkung aufgrund der Teilnahme an einem aus mehreren Komponenten bestehenden Ernährungs- und Bewegungsprogramms. Selbst wenn der Anwendungsbereich eröffnet wäre, würde es sich aber nicht um eine gesundheitsbezogene Angabe gemäß der Definition in Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 HCVO handeln, da gerade nicht zum Ausdruck gebracht werde, dass ein Zusammenhang zwischen dem Produkt „Becel pro.activ“ und der angegebenen Senkung des Cholesterinwertes von 275 auf 211 mg/dl gegeben ist. Es sei ausdrücklich angegeben, dass sich die Senkung auf das Programm beziehe. Entsprechend werde im Kasten darauf hingewiesen, dass durch den bloßen Verzehr von „Becel pro.activ“ der Cholesterinspiegel lediglich um 7-10 % gesenkt werden könne, während bei Frau K. der Spiegel um ca. 23 % gesenkt worden sei. Nur die Angabe im Kästchen sei eine gesundheitsbezogene Angabe, die aber von der zugelassenen Angabe „Pflanzensterole senken/reduzieren nachweislich den Cholesterinspiegel. Ein hoher Cholesterinwert gehört zu den Risikofaktoren der koronaren Herzerkrankungen.“ gedeckt sei. Selbst wenn man annehmen würde, dass auch die streitgegenständliche Passage eine gesundheitsbezogene Angabe für das Produkt sei, werde diese mit der zugelassenen Angabe aber auch ausdrücklich zugelassen. Es sei anerkannt, dass die zugelassene Angabe nicht in ihrem konkreten Wortlaut verwendet werden müsse, sondern dass auch eine andere, sinngleiche Formulierung verwendet werden dürfe. Die streitgegenständliche Aussage gehe in keiner Weise über die zugelassene hinaus und entspreche zudem den Tatsachen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die eingereichten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 25.02.2015 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet.
I.
Dem Kläger steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gemäß § 2 UKlaG i.V.m. Art. 10 Abs. I VO (EG) Nr. 1924/2006 (HCVO) i. V. m. EU-VO Nr. 432/2012 (Liste) zu.
1.
Nach § 2 UKlaG kann derjenige, der in anderer Weise als durch Verwendung oder Empfehlung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen Vorschriften zuwiderhandelt, die dem Schutz der Verbraucher dienen (Verbraucherschutzgesetze), im Interesse des Verbraucherschutzes auf Unterlassung in Anspruch genommen werden.
a.
Bei Art. 10 HCVO handelt es sich um ein Verbraucherschutzgesetz i. S. d. § 2 UKlaG (Köhler/Bornkamm, UWG, 33. Aufl. 2015, § 2 UKlaG Rn. 10). Die Liste in § 2 Abs. 2 UKlaG ist nicht abschließend („insbesondere“).
b.
Der Anwendungsbereich der HCVO ist eröffnet. Nach Art. 1 Abs. 2 HCVO gilt die Verordnung für nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben, die in kommerziellen Mitteilungen bei der Kennzeichnung und Aufmachung von oder bei der Werbung für ein Lebensmittel gemacht werden, die als solche an den Endverbraucher abgegeben werden sollen.
Bei der in der Apotheken Umschau geschalteten Anzeige handelt es sich um eine Werbung, die an Verbraucher gerichtet ist. Sie bezieht sich auch auf ein Lebensmittel, da jedenfalls relevante Teile der angesprochenen Verkehrskreise – wie die zu den angesprochenen Verkehrskreisen gehörenden Kammermitglieder aus eigener Kenntnis beurteilen können – die streitgegenständliche Aussage in der konkreten Anzeigengestaltung auf das Produkt „Becel pro.activ“ und nicht nur auf ein Programm aus den Komponenten „ausreichender Bewegung“, „ausgewogener Ernährung“ und „Becel pro.activ“ beziehen werden. Denn einem situationsadäquat aufmerksamen Leser der Apotheken Rundschau werden zunächst die drei Fotografien auf der ganz überwiegend aus Text bestehenden ganzseitigen Anzeige ins Auge fallen. Dabei handelt es sich um zwei Personenabbildungen und um eine Abbildung des Produktes „Becel pro.activ“. Die ganze Seite ist als Anzeige gekennzeichnet. Daher wird der situationsadäquat aufmerksame Leser davon ausgehen, dass es sich um eine Werbung für das Produkt „Becel pro.activ“ handelt. Entsprechend wird er weiter davon ausgehen, dass sich die in dem unter der Abbildung befindlichen Absatz mit folgendem Wortlaut „Cholesterin senken – mit Erfolg! Innerhalb von drei Wochen konnte Siegrid K. mit ausgewogener Ernährung, ausreichend Bewegung und Becel pro.activ ihren Cholesterinspiegel deutlich reduzieren. ‚Mit Hilfe des Programms konnte ich meinen Cholesterinwert erfolgreich von 275 auf 211 mg/dl senken. Mit dem Resultat bin ich mehr als zufrieden und auch meine Familie ist ganz stolz auf mich!‘ Lesen Sie ihre und andere Erfolgsgeschichten auf www.becelproactiv.de und erfahren Sie, wie auch Sie ihr erhöhtes Cholesterin in den Griff bekommen.“ befindliche streitgegenständliche Passage „Mit Hilfe des Programms konnte ich meinen Cholesterinwert erfolgreich von 275 auf 211 mg/dl senken.“ gerade auf das mit der Anzeige beworbene Produkt bezieht, zumal ausreichende Bewegung und ausgewogene Ernährung an sich als vorteilhaft bekannt sind und die entscheidende Komponente für relevante Teile des Verkehrs daher das Produkt „Becel pro.activ“ sein wird. Dem steht auch nicht die übrige Gestaltung der Seite entgegen, insbesondere nicht der Text in dem Kästchen um die Abbildung des Produktes, in dem es heißt, dass die Halbfettmargarine „Becel pro.activ“ den Cholesterinspiegel um 7-10 % senken könne. Denn die angesprochenen Verkehrskreise werden entgegen der Auffassung der Beklagten nicht auf einen Blick erkennen, dass es sich hier um einen anderen Prozentsatz handelt, und nicht daraus den Umkehrschluss ziehen, dass sich die Senkung von ca. 23 % von 275 auf 211 mg/dl dann nicht auf das Produkt, sondern nur auf ein Programm als Gesamtheit beziehen kann.
c.
Die streitgegenständliche Passage in der konkreten Ausgestaltung der Anzeige ist nach Art. 10 Abs. 1 HCVO verboten, da es sich um eine gesundheitsbezogene Angabe handelt, die nicht den allgemeinen Anforderungen in Kapitel II der HCVO und den speziellen Anforderungen des Kapitels IV der HCVO entspricht, gemäß der HCVO zugelassen und in die Liste der zugelassen Angaben gemäß Art. 13 und 14 HCVO aufgenommen ist.
Die Angabe, dass der Cholesterinwert erfolgreich von 275 auf 211 mg/dl und somit umgerechnet um ca. 23 % gesenkt werden könne, ist gesundheitsbezogen. Es handelt sich um eine Angabe über die Verringerung eines Krankheitsrisikos gemäß Art. 14 HCVO, für die keine Zulassung besteht.
Denn diese Angabe ist auch nicht von der zugelassenen Angabe „Pflanzensterole senken/reduzieren nachweislich den Cholesterinspiegel. Ein hoher Cholesterinwert gehört zu den Risikofaktoren der koronaren Herzerkrankungen.“ gedeckt, bei der bei der Angabe zum Ausmaß der Wirkung die Spannweite „von 7 bis 10 %“ und die Dauer, bis die Wirkung eintritt, d.h. „nach 2 bis 3 Wochen“, angegeben werden muss (VO (EU) Nr. 983/2009, Anlage B 1).
2.
Der Unterlassungsanspruch ist nicht verjährt. Der Kläger hat den Unterlassungsanspruch schon in der Klage ausdrücklich auf § 2 UKlaG gestützt, nicht auf UWG (Seite 4 der Klagschrift unter III.1). Für § 2 UKlaG gilt die regelmäßige dreijährige Verjährung nach §§ 195, 199 BGB (vgl. auch Köhler/Bornkamm, UWG, 33. Auf!. 2015, § 2 UKlaG Rn. 24), nicht aber die kurze Verjährung des UWG. Danach kommt eine Verjährung nicht in Betracht, da die streitgegenständliche Printanzeige vom 15.11.2013 stammt und die Klage bereits am 21.07.2014 zugestellt wurde.
II.
Dem Kläger steht gegen die Beklagte auch ein Anspruch auf Zahlung einer Kostenpauschale für die Abmahnung aus § 5 UKlaG in Höhe von € 214,00 zu. Die Angemessenheit der Pauschale ist zwischen den Parteien unstreitig. Auch insoweit ist keine Verjährung eingetreten. Auf die Ausführungen unter Ziffer 1.2. wird Bezug genommen.
Der Zinsanspruch folgt aus §§ 288, 291 BGB.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.