LG Hamburg: Wer eigenmächtig fremde Privathäuser fotografiert, riskiert erhebliche Schadensersatzzahlungen an den Eigentümer

veröffentlicht am 5. Juni 2009

LG Hamburg, Urteil vom 22.05.2009, Az. 324 O 791/08
§§ 812 Abs. 1 S. 1, 2. Alt., 818 Abs. 2 BGB

Das LG Hamburg hat darauf hingewiesen, dass die Aufnahme fremder Privathäuser (hier: Innenaufnahmen) ohne – nachgewiesene – Erlaubnis des Eigentümers den jeweiligen Fotografen zur Zahlung von fiktiven Lizenzgebühren verpflichtet, weil das Zurverfügungstellen von Wohnräumen zu Werbezwecken üblicherweise vergütet werde. Darüber hinaus hat das Landgericht aber Schmerzensgeldzahlungen an den Hauseigentümer abgelehnt, welcher behauptet hatte, er würde befürchten, Opfer von Einbrechern zu werden, leide an Ein- und Durchschlafstörungen, an ausgeprägten Ängsten und Phobien sowie Herzbeschwerden, deretwegen er sich in ärztliche Behandlung habe begeben müssen (!). Im Ergebnis zugesprochen wurden 2.500,00 EUR an fiktiven Lizenzgebühren, welche etwaige Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht mit abdeckten.

Der Kläger begehrte 10.000,00 EUR als Ausgleich für die Veröffentlichung eines virtuellen Rundgangs durch den von ihm bewohnten Hof. Der Rundgang erfolgte in sog. QVTR-Technik auf der vom Beklagten verantworteten Internetseite www. … de. Die Scheunen des Hofs wurde für Sommerfeste benutzt, wobei die Wohnräume nicht zugänglich warne.

Der Beklagte war Fotograf. Auf der Internetseite www. … de stellte er seine Arbeiten vor und bewarb diese, darunter auch die Außen- und Innenansichten des Hofs in Form eines virtuellen Rundgangs. Der Rundgang enthielt Aufnahmen von Ansichten, die von öffentlich zugänglichen Stellen nicht frei einsehbar waren. Ein Hinweis auf die Herkunft der Bilder war nicht veröffentlicht. Wie es zu der Erstellung der Aufnahmen gekommen ist, war zwischen den Parteien streitig.

Der Kläger trug vor, dass er erst durch einen Hinweis seiner Prozessbevollmächtigten davon erfahren habe, dass sich die streitgegenständlichen Aufnahmen auf der Internetseite des Beklagten befanden. Er fühle sich seitdem nicht mehr wohl in seinem eigenen Haus und gab vor, seit dem Eingriff in seine Rechte an gesundheitlichen Beeinträchtigungen zu leiden. Es handele sich um einen besonders schweren Eingriff in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht, der eine Geldentschädigung rechtfertige. Außerdem sei der Beklagte ungerechtfertigt bereichert, da er die Aufnahmen unentgeltlich erlangt und für seine Werbezwecke eingesetzt habe. Für die Zurverfügungstellung seines Anwesens habe er, der Kläger, unter verständigen Vertragspartnern eine Lizenzgebühr von wenigstens 10.000,00 EUR verlangen können.

Der Beklagte verteidigte sich, dass er mit dem Kläger mehre Jahre bekannt gewesen sei, von diesem auf den Hof eingeladen worden sei und den virtuellen Rundgang unterstützend zum Verkauf des Hofs online gestellt habe. Den virtuellen Rundgang habe er dem Kläger noch zeigen wollen. Geld habe er hierfür weder verlangt noch erhalten.

Das LG Hamburg sah in der angegriffenen Veröffentlichung einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers. Die Wohnung einer Person sei Teil ihrer geschützten Privatsphäre. Sie bilde den räumlichen Rückzugsbereich, in dem der Einzelne abgeschirmt von der Öffentlichkeit bei sich sein könne. Die Aufnahmen der nicht frei zugänglichen Bereiche der Wohnung des Klägers stellten den privaten Lebensbereich des Klägers dar. Der Kläger müsse selbst entscheiden können, wem er einen Einblick in diesen Bereich ermöglichen wolle und wem nicht. Dieses Selbstbestimmungsrecht sei dem Kläger entzogen worden, indem ein virtueller Rundgang durch seine Wohnräume durch den Beklagten im Internet veröffentlicht worden ist. Diesem Bestandteil des Persönlichkeitsrechts, in das der Beklagte mit der Veröffentlichung eingegriffen habe, kommt eine vermögenswerte Bedeutung zu. Wohnräume für Werbezwecke zur Verfügung zu stellen, wird üblicherweise vergütet.

Der Beklagte habe die Aufnahme des Hofs auf seiner Website genutzt, um für seine Arbeiten und die von ihm eingesetzte QVTR-Technik zu werben ohne Lizenzgebühren zu zahlen und habe somit auf Kosten des Klägers einen Vermögensvorteil erlangt.

Der Kläger könne die Zahlung einer nachträglichen Vergütung in Form einer fiktiven Lizenz in der Höhe verlangen, die auch hätte gezahlt werden müssen, wenn der Beklagte die Einwilligung zur Veröffentlichung vorher eingeholt hätte. Dabei muss sich der Verletzer an die von ihm geschaffene Sachlage festhalten lassen. Der Einwand, zur Zahlung eines nachträglichen Honorars in der üblichen Höhe wirtschaftlich nicht in der Lage zu sein, sei ihm ebenso verwehrt wie der Einwand, er hätte die rechtswidrige Nutzung nicht vorgenommen, wenn er die Lizenzpflicht gekannt hätte (Wanckel in: Hamburger Kommentar, Gesamtes Medienrecht, 44. Abschnitt Rz. 41 m.w.N.). Im vorliegenden Fall sei eine fiktive Lizenz in Höhe von 2.500,00 EUR angemessen. Diese Höhe ergebe sich gemäß § 287 ZPO unter Berücksichtigung aller Umstände des konkreten Falles.

Entscheidend sei zunächst, dass der private Rückzugsbereich des Klägers betroffen sei, den er grundsätzlich nicht der allgemeinen Öffentlichkeit zugänglich gemacht habe und der Eingriff über einen Zeitraum von mehr als vier Jahren im Internet einsehbar gewesen sei. Nach der Verkehrsanschauung komme diesem Rückzugsrefugium ein eigener Wert zu, dessen Aufgabe mit einem nicht nur rein symbolischen Geldwert auszugleichen sei. Allerdings sei dieser Geldwert nicht mit 10.000,00 EUR zu bemessen. Maßgeblich sei  hierfür zum einem der Umstand, dass es für die Werbewirkung nicht im besonderen Maß darauf ankomme, dass es sich bei der Darstellung um den Hof des Klägers gehandelt habe. Dieser sei vielmehr lediglich Mittel zum Zweck, um die vom Beklagten bei Erstellung der Aufnahmen verwandte QVTR-Technik darzustellen. Dieser Zweck hätte aber auch erreicht werden können, wenn ein anderes Objekt abgebildet worden wäre. In diesem Zusammenhang war auch zu berücksichtigen, dass sich kein Hinweis auf die Herkunft der Aufnahmen bei der Veröffentlichung befand. Es sei zwar davon auszugehen, dass ein Teil der potentiellen Rezipienten die Abbildungen als den Hof des Klägers erkennen würden. Gleichwohl handele es sich um einen begrenzten Kreis. Ein weiteres maßgebliches Kriterium sei der Verbreitungsgrad des Mediums, der als relativ gering anzusehen sei. Es handele sich um den Internetauftritt des Beklagten als Fotografen. Dessen Verbreitungsgrad sei nicht denen einer Werbung in einer Zeitschrift oder im Fernsehen vergleichbar. Auch der Umstand, dass der Kläger über einen Zeitraum von über vier Jahren nicht auf die Veröffentlichung aufmerksam gemacht worden sei, sei ein Indiz für den relativen geringen Verbreitungsgrad. Schließlich sei auch die Art der Gestaltung für die Höhe der zu zahlenden Lizenz zu berücksichtigen. Es handelt sich um eine neutrale Darstellung der Wohnräume des Klägers, die weder bloßstellenden noch sonst ehrabträglichen Charakter habe. Es seien auch keine intimen Details seines Privatlebens abgebildet worden.

Daneben stehe dem Kläger kein Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung gemäß §§ 823 Abs. 1, 249 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG zu. Bereicherungs- und Geldentschädigungsansprüche schlössen sich zwar nicht grundsätzlich aus. Selbst wenn im vorliegenden Fall jedoch von einer, einen Geldentschädigungsanspruch rechtfertigenden besonders schweren Persönlichkeitsrechtsverletzung auszugehen wäre, wäre sie mit der Zuerkennung eines Lizenzanspruchs in Höhe von 2.500,00 EUR hinreichend kompensiert. Der Genugtuungs- und Präventivfunktion des Geldentschädigungsanspruchs wäre bereits entsprochen worden, da sämtliche Aspekte, die im Rahmen des Geldentschädigungsanspruchs maßgeblich waren, bereits bei der Bemessung der Lizenzhöhe berücksichtigt worden seien.

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