LG Hamburg: Zur Rechtswidrigkeit gekaufter Kundenrezensionen bei Amazon

veröffentlicht am 29. März 2022

LG Hamburg, Urteil vom 07.10.2021, Az. 327 O 407/19 – nicht rechtskräftig
§ 3 UWG, § 3a UWG, § 5 UWG, § 5a UWG, § 8 UWG

Das LG Hamburg hat entschieden, dass Gesellschafter und/oder Geschäftsführer einer Gesellschaft, die ein Portal besitzen, welches „gekaufte“ Kundenrezensionen anbietet, wegen Wettbewerbsverstoßes auf Unterlassung in Anspruch genommen werden können. Diese könnten nicht einfach vorgeben, so die Kammer, dass sie das Geschäftsmodell oder die daraus resultierenden Tathandlungen nicht aktiv steuerten; sie trügen diesbezüglich vielmehr schon eine sekundäre Darlegungslast. Im Übrigen ergäbe sich für sie eine persönliche Haftung aus mittätersschaftlichem Handeln, indem sie eine Tatherrschaft kraft Kontrolle und Steuerung des von dem Portal ausgeführten Geschäftsmodells innehätten. Das LG Hamburg ging jedoch noch weiter: Die angesprochene sekundäre Darlegungslast könne auch denjenigen treffen, der keine gesellschaftsrechtliche Verbindung zu dem Portal aufweise. Indizien für eine die sekundäre Darlegungslast auslösende Mittäterschaft wären dann u.a. die Übernahme der Gestaltung eines anderen Portals, Verlinkungen zwischen den Portalen und die Übernahme der Kunden des anderen Portals. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Es ist zwischenzeitlich Berufung bei dem OLG Hamburg eingelegt worden (Az. 15 U 124/21). Bemerkenswert: Der Streitwert des vorliegenden Verfahrens wurde auf über 300.000 EUR bemessen. Zum Volltext der Entscheidung:

Landgericht Hamburg

Urteil

1. Der Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens EUR 250.000,00, Ordnungshaft insgesamt höchstens zwei Jahre) zu unterlassen, geschäftlich handelnd

a) auf www.amazon.de Kundenrezensionen, die von Personen erstellt wurden, die hierfür bezahlt werden und/oder andere vermögenswerte Vorteile erhalten, zu veröffentlichen und/oder veröffentlichen zu lassen, ohne darauf hinzuweisen, dass die Kundenrezension beauftragt wurde und der Rezensent dafür eine Bezahlung und/oder einen anderen vermögenswerten Vorteil erhalten hat;

und/oder

b) Vertragspartner der AS LLC, Tbilisi, Georgien, und/oder der LO LLC, Tbilisi, Georgien, und/oder der SD GmbH, Langenfeld, in die Lage zu versetzen, auf www.amazon.de von diesen Vertragspartnern angebotene Waren mit Kundenrezensionen zu bewerben und/oder bewerben zu lassen, die von Personen hergestellt werden, die hierfür bezahlt werden und/oder andere vermögenswerte Vorteile erhalten, ohne dass darauf hingewiesen wird;

und/oder

c) Vertragspartner der AS LLC, Tbilisi, Georgien, und/oder der LO LLC, Tbilisi, Georgien, in die Lage zu versetzen, ihre Verkäufer-Accounts auf www.amazon.de mit Verkäufer-Rezensionen zu bewerben und/oder bewerben zu lassen, die von Personen hergestellt werden, die hierfür bezahlt werden und/oder andere vermögenswerte Vorteile erhalten, ohne dass darauf hingewiesen wird;

und/oder

d) Kundenrezensionen zu Produkten, die auf www.amazon.de verkauft werden, anzubieten und/oder anbieten zu lassen, wenn die Kundenrezensionen von Personen erstellt werden, die hierfür bezahlt werden und/oder andere vermögenswerte Vorteile erhalten, ohne darauf hinzuweisen, dass die Entgeltlichkeit der Bewertung bei deren Veröffentlichung offenzulegen ist;

und/oder

e) Kundenrezensionen auf www.amazon.de als „nützlich“ zu markieren und/oder von Personen als „nützlich“ markieren zu lassen, die hierzu beauftragt wurden und/oder hierfür ein Entgelt und/oder einen anderen vermögenswerten Vorteil erhalten haben.

2. Der Beklagte wird verurteilt, schriftlich Auskunft zu erteilen über die Handlungen gemäß dem Tenor zu 1., insbesondere über die Amazon-Standard-Identifikationsnummern („ASIN“) zu den Produkten, für die Kundenrezensionen in Auftrag gegeben wurden, die Verkäufer-Accounts, für die Verkäufer-Rezensionen in Auftrag gegeben wurden, die Anzahl und den Zeitpunkt der Veröffentlichung der Rezensionen, den Text der Kunden- und/oder Verkäuferrezensionen sowie die Kundenrezensionen, für die „Nützlich“-Markierungen in Auftrag gegeben wurden.

3. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 1.186,37 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 08.12.2020 zu zahlen.

4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

5. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.

6. Das Urteil ist hinsichtlich des Tenors unter Ziffer 1. a) bis d) gegen Sicherheitsleistung in Höhe von jeweils 45.000,- €, hinsichtlich des Tenors unter Ziffer 1. e) gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 100.000,- €, hinsichtlich des Tenors unter Ziffer 2 gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 20.000,- € und hinsichtlich des Tenors unter Ziffern 3 und 5 des Tenors in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

7. Der Streitwert wird auf 302.372,74 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin verlangt von dem Beklagten die Unterlassung mehrerer Handlungen in Bezug auf die Veröffentlichung, Ermöglichung und das Angebot von Kundenrezensionen sowie Upvotings für den Internet-Marktplatz Amazon sowie Auskunft über die Abnehmer solcher Rezensionen und Upvotings.
Randnummer2
Die Klägerin tritt auf amazon.de als Verkäuferin mit Angeboten auf, die mit der Kennzeichnung „Verkauf und Versand durch Amazon“ oder „Warehouse Deals“ versehen sind. Eine Schwestergesellschaft der Klägerin bietet daneben Drittanbietern die Möglichkeit, direkt mit Verbrauchern auf amazon.de Kaufverträge abzuschließen (Angebote, die mit der Kennzeichnung „Amazon Marketplace“ versehen sind). Käufer, die Inhaber eines Amazon-Kundenkontos sind, können auf amazon.de Kundenrezensionen zu Produkten abgeben, die dort von der Klägerin oder Drittanbietern zum Verkauf angeboten werden. Die Kundenrezensionen nennen das Gesamtergebnis der in ihr enthaltenen Produktbewertung in Form von einem bis fünf Sternen und enthalten häufig noch einen ergänzenden erläuternden Bewertungstext. Hat der Verfasser einer Kundenrezension das bewertete Produkt zuvor auf amazon.de erworben, so wird die Rezension mit dem Hinweis „verifizierter Kauf“ gekennzeichnet. Die Klägerin hat das Programm „Amazon Vine – Club der Produkttester“ aufgesetzt. Im Rahmen dieses Programms überlässt sie Kunden ein Produkt gegen die Anfertigung einer Rezension gratis. Derartige Rezensionen sind stets mit dem Hinweis „Vine Kundenrezension eines kostenfreien Produktes“ versehen. Drittanbietern ist es demgegenüber nach den Amazon-Richtlinien verboten, Kundenrezensionen zu veröffentlichen oder veröffentlichen zu lassen, für die der Rezensent einen finanziellen Vorteil – sei es ein Honorar oder einen Rabatt auf das rezensierte Produkt – erhält.
Randnummer3
Der Beklagte ist Geschäftsführer der SD GmbH mit Sitz in Langenfeld (im Folgenden: SD), an welcher er über die zwischengeschaltete SAC GmbH ebenfalls mit Sitz in Langenfeld, deren Alleingesellschafter er ist, 75 % der Anteile hält. SD betreibt die Webseite SD.de.
Randnummer4
Der Beklagte ist außerdem mittelbar an der AS LLC (im Folgenden: AS) mit Sitz in Georgien beteiligt, indem er Alleingesellschafter der SAC GmbH ist, die 40 % an der PAS GmbH mit Sitz in Langenfeld hält, deren Geschäftsführer er ist und die wiederum Alleingesellschafterin von AS ist. In dieser Funktion gründete er die AS LLC in Ausführung eines Gesellschafterbeschlusses der PAS GmbH. Geschäftsführerin der AS LLC ist Frau O. Die AS LLC hat die Webseite www.AS.com im Jahr 2018 von der S. Internet GmbH übernommen, die ebenfalls eine Amazon-Deal-Plattform betrieb. Dabei war zunächst beabsichtigt, den Service von AS einzustellen und das Angebot von SD fortführen zu lassen (Meldung auf der Webseite SD.de, Anlage K 34). Die Einzelheiten der Beteiligungen und Organstellungen des Antragsgegners hinsichtlich SD und AS ergeben sich aus den Schaubildern auf Seite 31 der Klageschrift vom 27.11.2019, auf die insofern verwiesen wird.
Randnummer5
LO.com wird von der LO LLC (im Folgenden: LO) mit Sitz in Georgien betrieben, die im Mai 2019 gegründet wurde. Nach der Gründung hat LO im Mai 2019 auf Facebook einen Beitrag geteilt, in welchem es unter anderem heißt „AS wird zu LO“ (Anlage K 40). Zudem hieß es in den Nutzungsbedingungen von LO, Stand November 2019, unter § 1, 1.1 erneut und ebenso wie in jenen von AS: „Die nachfolgenden Nutzungsbedingungen regeln das vertragliche Verhältnis zwischen dem Anbieter und Plattformbetreiber SD (nachfolgend Anbieter) und dem Nutzer der Produkttesterplattform (nachfolgend Nutzer)“. (Anlage K 46). Geschäftsführerin und alleinige Gesellschafterin von LO ist erneut Frau O. Unter „Kontakt“ ist auf LO.com eine deutsche Telefonnummer mit Kölner Vorwahl angegeben. Der Beklage hält weder direkt noch über eine seiner Gesellschaften Anteile an LO und hat keine Organstellung bei LO inne.
Randnummer6
Das Geschäftsmodell von SD.de gestaltete sich wie folgt: Drittanbieter, die unter verschiedenen, kostenpflichtigen Abonnements auswählen konnten, hatten als Abonnent die Möglichkeit, Gutschein-Kampagnen für ein bestimmtes, von ihnen auf amazon.de angebotenes Produkt zu buchen. Dazu mussten sie die Amazon Standard Identification Number (ASIN) angeben und Gutschein-Codes für die Produkte hinterlegen. Produkttester, die ebenfalls bei SD.de registriert waren, konnten sich sodann auf das jeweilige Produkt bewerben. Voraussetzung dafür, Produkttester bei SD.de zu werden, war unter anderem, dass man über ein gültiges Amazon-Kundenkonto verfügte. Waren die Tester für das Produkt angenommen, konnten sie dieses mit dem Gutschein-Code entweder kostenlos oder stark vergünstigt bei dem Drittanbieter auf Amazon-Marketplace erwerben. Im Gegenzug waren sie allerdings verpflichtet, das Produkt auf der internen SD-Plattform zu bewerten. Inwiefern zusätzlich die Möglichkeit und Anreize dazu bestanden, das getestete Produkt ebenfalls auf amazon.de zu bewerten, ist zwischen den Parteien streitig. Das Geschäftsmodell von SD.de wurde Drittanbietern wie potentiellen Testern in einem Video mit dem Titel „Ranking und Verkäufe auf Amazon verbessern? Verkäufe optimieren und mehr Kundenrezensionen erhalten“ anschaulich erklärt (Anlage K 18). Auch das SD-Tutorial auf der SD-Webseite für die Gutschein-Kampagnen wurde als „Amazon Kampagne“ mit der Erläuterung „Dies ist eine Kampagne für Amazon (Auch für verifizierte Bewertungen)“ bezeichnet (Anlagen K 15 und K 23). Die Rezension, die SD selbst bei amazon.de veröffentlichte und die den Produkttestern in dem Youtube-Video von SD „SD Deals Angebote nutzen und Produkte testen“ (Anlage K 18) als Anleitung dienen sollte, enthielt keinen Hinweis darauf, dass die Rezensenten das Produkt jeweils vergünstigt oder kostenlos erhalten hatten.
Randnummer7
Die Texte, Grafiken und Bilder auf der Website AS.com ähnelten bzw. entsprachen teilweise denen von SD.de; für Einzelheiten wird auf S. 32 der Klageschrift vom 27.11.2019 verwiesen. Dies beruhte darauf, dass den Mitarbeitern von AS im Rahmen der gesellschaftsrechtlichen Zusammenarbeit gestattet wurde, sich an den Werbematerialien der SD GmbH zu bedienen. Dementsprechend wurden auch die Nutzungsbedingungen von SD durch AS kopiert (Nutzungsbedingungen von AS, Stand April 2019, § 1, 1.1: „Die nachfolgenden Nutzungsbedingungen regeln das vertragliche Verhältnis zwischen dem Anbieter und Plattformbetreiber SD (nachfolgend Anbieter) und dem Nutzer der Produkttesterplattform (nachfolgend Nutzer)“.). Das Geschäftsmodell von AS.com wies leichte Modifizierungen gegenüber jenem von SD.de auf. Erstens gab es neben Kampagnen mit Gutscheincodes auch solche nach einem Cash-Back-Modell. Zweitens gab es für sämtliche Kampagnen ein internes Ranking-System (“Tester-Status“), welches den Anreiz, positive Rezensionen auf amazon.de zu veröffentlichen, noch deutlich erhöhte. Exemplarisch sei dazu auf die Webseite von AS für Tester (Anlage K 27, S. 9) verwiesen, wo es unter der Überschrift „Wie verbessere ich meinen Tester Status, um Premium Produkttester zu werden und meine Chance auf noch mehr Zuschläge zu erhöhen?“ gerichtet an die Produkttester hieß:
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„Unser Algorithmus berechnet Deinen Tester Status unter anderem mithilfe von zwei Faktoren. Zum einen anhand der Händlerbewertung Deiner abgegebenen Rezensionen (ob hilfreich oder nicht), zum anderen mit dem Durchschnitt der Sternebewertungen, die Du für getestete Produkte intern und extern vergeben hast. Je hilfreicher Deine Bewertungen für den Händler und für potentielle Neukunden sind, desto besser wird Deine Rezension gewertet.“
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Weiter hieß es in den FAQ für Händler (Anlage K 25, S. 23) unter der Frage „Werden bei AS auch negative Bewertungen generiert?“:
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„Bei tausenden von Produkttestern kann es vorkommen, dass sich nicht alle an die Richtlinien halten. AS reagiert bei negativ bewerteten Produkttestern sofort – es gibt laut Produkttester-Vereinbarung für diese Art von Produkttestern keine zweite Chance.“
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Zu den Einzelheiten der Vergütungsstrukturen von AS.com wird im Übrigen auf die Klageschrift vom 27.11.2019, dort insbesondere Seite 10 bis 30, ein Video (Anlage K 18) und auf die weiteren dazu gereichten Anlagen verwiesen.
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Neben den Produktrezensionen bot AS auch Bewertungen der Drittverkäufer-Accounts an. Erneut war das Anreizsystem so ausgestaltet, dass Händlerrezensionen generiert wurden, ohne dass die indirekte Vergütung für diese Bewertungen offengelegt wurde. Die Produkttester konnten ihren Tester-Status, der für ihre Chance, für Produktrezensionskampagnen ausgewählt zu werden, maßgeblich war, nicht nur durch positive Produktrezensionen, sondern auch durch positive Händlerrezensionen steigern (siehe Webseite für Tester, Anlage K 27, S. 11 unter der Frage „Wie kann ich Punkte sammeln, um meinen Rang in der Hall of Fame zu verbessern?“).
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LO vermittelt Drittverkäufern ebenfalls Produkt- und Händlerrezensionen auf amazon.de. Für die genaue Ausgestaltung des Angebots wird auf S. 38 ff der Klageschrift vom 27.11.2019 sowie S. 12 ff des Schriftsatzes vom 28.04.2021 verwiesen. Die Preismodelle und einzelne der Frequently Asked Questions sind dabei mit jenen von AS identisch. Daneben sind auch einzelne Texte und Grafiken jenen auf SD und AS sehr ähnlich oder sogar mit diesen identisch. Dazu ist erneut insbesondere auf S. 38 ff der Klageschrift vom 27.11.2019 zu verweisen. Mit AS abgeschlossene Abonnements wurden von LO nahtlos weitergeführt und die Abonnenten können unter LO auf ihre unter AS angelegten Kampagnen nach wie vor zugreifen und diese verwalten. Neben Rezensionen bietet LO den Verkaufspartnern zusätzlich an, „Nützlich“-Markierungen von positiven Kundenrezensionen über ihre Produkte zu erwerben (sog. Upvoting-Kampagnen). Inhaber eines Amazonkontos können die auf amazon.de veröffentlichten Kundenrezensionen durch Klicken eines unter den Rezensionen befindlichen Buttons als „nützlich“ markieren. Wurde eine Rezension als „nützlich“ markiert, erscheint unter dem Text der Rezension und über dem Button „Nützlich“ in grauer Schrift die Angabe, dass eine bestimmte Anzahl von Personen die Rezension als nützlich bzw. hilfreich empfunden hat. Die „Nützlich“-Markierungen haben Einfluss auf die Produktbewertungen. Sie zählen einerseits zu den Faktoren, die bei der Berechnung der Sternebewertungen eines Produkts berücksichtigt werden. Andererseits gehören sie zu den Faktoren, nach denen die Reihenfolge bestimmt wird, in der die Kundenrezensionen auf der Angebotsseite eines Produkts auf amazon.de angezeigt werden. Sie beeinflussen auch, welche Rezensionen dem Interessenten als „Am höchsten bewertete positive Rezension“ sowie als „Am höchsten bewertete kritische Rezension“ angezeigt werden, indem die als nützlich markierten Rezensionen für Besucher der Webseite hervorgehoben werden, wenn sie sich die Rezensionsseite zu einem bestimmten Produkt ansehen. Die „Nützlich“-Markierungen tragen mithin dazu bei, dass bestimmte Rezensionen besonders in das Blickfeld des Nutzers rücken. Als Gegenleistung für die „Nützlich“-Markierungen erhalten die Tester im internen Bewertungssystem 25 Punkte. Punkte gab es auch für Rezensionen und der Punktestand der Tester wirkte sich nach dem oben für AS beschriebenen Modell auf die Chance, neue Produkte zu testen aus: Je mehr Punkte, desto größer die Chance, in den Genuss vergünstigter Produkte zu Rezensionszwecken zu gelangen.
Randnummer14
Das Landgericht Frankfurt am Main hat am 29.05.2019 auf Antrag der hiesigen Klägerin gegen AS (2-06 O 194/19) und den Beklagten hinsichtlich des Angebots von AS (Az.: 2-06 O 195/19) sowie am 11.06.2019 ebenfalls auf Antrag der hiesigen Klägerin gegen SD (2-03 O 234/19) jeweils einstweilige Unterlassungsverfügungen erlassen, nachdem sich der Beklagte sowohl persönlich als auch für SD sowie AS abgelehnt hatte, eine Unterlassungserklärung abzugeben.
Randnummer15
Nach Erlass dieser einstweiligen Verfügungen, die sich auf den Vertrieb von Kundenrezensionen auf amazon.de bezogen, wurden Besucher der Webseiten von SD und AS automatisch auf die Webseite LO.com weitergeleitet. SD hat am 22.09.2020 eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben, in der sie sich verpflichtet hat, es zu unterlassen, „von ihrer Internetseite SD.deals wie nachstehend wiedergegeben auf die Internetseite LO.com zu verlinken.“ (Anlage B 5). Unterzeichnet ist die Unterlassungserklärung vom Beklagten des hiesigen Verfahrens. Die wiedergegebenen Screenshots entsprechen der Anlage K 47. Dementsprechend erfolgt derzeit keine Weiterleitung von SD auf LO.com. Besucher der Webseite AS.com werden hingegen auch gegenwärtig automatisch auf die Webseite LO.com umgeleitet.
Randnummer16
Die Klägerin behauptet, SD habe jedenfalls nach der Gestaltung der Webseite in der Vergangenheit gezielt darauf hingewirkt, dass die Tester ihre Bewertung nicht nur auf der internen SD-Plattform abgegeben, sondern auch als Rezension auf amazon.de veröffentlicht hätten. Dies ergebe sich aus dem YouTube-Video von SD mit dem Titel „SD Deals Angebote nutzen und Produkte testen“ (Anlage K 18), dass noch im Mai 2019 verwendet worden sei und aus dem ersichtlich sei, dass unter dem Eingabefenster für die Bewertung auf der internen SD-Plattform eine Verlinkung für die Abgabe einer Amazon-Rezension vorhanden gewesen sei bzw. eine Ankreuzmöglichkeit „Ich habe das Produkt auf Amazon bewertet.“ In dem Video werde auch erläutert, wie eine Rezension auf amazon.de verfasst und veröffentlicht werde. Dazu passe auch die Bezeichnung als „Amazon Kampagne“ mit der Erläuterung „Dies ist eine Kampagne für Amazon (Auch für verifizierte Bewertungen)“ im SD-Tutorial. Dass dies auch zu Rezensionen unter Verschweigen des kommerziellen Zwecks geführt habe, zeige etwa die Rezension der Nutzerin „L“ auf amazon.de im Vergleich zu dem ebenfalls von ihr stammenden Beitrag auf Instagram unter „li“. Für die Einzelheiten der wird insofern auf S. 3 f des Schriftsatzes vom 28.04.2021 verwiesen.
Randnummer17
Für AS ergebe sich die Tatsache, dass Rezensionen auf amazon.de generiert worden seien, neben dem darauf angelegten Geschäftsmodell, aus den von der Klägerin durchgeführten Testkäufen, für deren Einzelheiten auf S. 28 ff der Klageschrift vom 27.11.2019 (Anlagen K 29 und K 30) sowie auf S. 6 ff des Schriftsatzes vom 28.04.2021 (Anlagen K 64, K 65, K 66) verwiesen wird. Die Rezensionsliste des Testerprofils auf AS, die später auch bei LO verfügbar gewesen sei, umfasse nicht alle von der Testerin auf amazon.de abgegebenen Bewertungen, sondern zeige nur solche an, die auf Kampagnen von AS zurückgingen. Dies zeigten ein Vergleich etwa im Falle der Testerin „Sunny“, insbesondere aber die beiden Testkäufe, bei denen sich klar ergeben habe, dass von den Testern nicht nur Rezensionen auf der AS-Plattform, sondern auch auf amazon.de verfasst worden seien.
Randnummer18
Die Klägerin ist in der Sache der Ansicht, die von dem Beklagten angebotene Dienstleistung verstoße gegen die Amazon-Richtlinien sowie – soweit die auf amazon.de veröffentlichten Produktrezensionen keinen Hinweis auf die Gewährung eines vermögenswerten Vorteils an den Rezensenten als Gegenleistung für die jeweilige Rezension enthalten – wegen der Nichtkenntlichmachung des kommerziellen Zwecks einer geschäftlichen Handlung gegen § 3 Abs. 1, § 5 Abs. 1 Nr. 1, § 5a Abs. 6 UWG. Ein Wettbewerbsverhältnis bestehe dergestalt, dass der Beklagte über die von ihm betriebenen Plattformen den Wettbewerb der Drittanbieter fördere, die wiederum als Verkäufer im Wettbewerb mit der Klägerin stünden, die selbst Waren über amazon.de anbiete und verkaufe. Ein Wettbewerbsverhältnis ergebe sich zudem aus der Konkurrenz des Vine-Programms mit den Angeboten von SD, AS und LO. Geschäftliche Handlungen lägen sowohl im Angebot über die Bereitstellung von Rezensionen als auch im Verfassen und Veröffentlichen von Rezensionen durch die Tester, da es beiden um kommerzielle Interessen gehe, die wiederum nicht kenntlich gemacht würden und auch nicht ohne jeden Zweifel vom Verkehr erkannt würden, weil dieser davon ausgehe, dass Rezensionen freiwillig und unbeeinflusst von Dritten erstellt würden. Da für den angesprochenen Verkehr in Gestalt der auf amazon.de einkaufenden Verbraucher die Anzahl positiver Rezensionen ein Kriterium für die Kaufentscheidung sei, würden die Verbraucher durch die fehlende Kenntlichmachung auch zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlasst, die sie andernfalls nicht getroffen hätten. In dieser Nichtkenntlichmachung liege nicht nur ein Verstoß gegen § 5a Abs. 6 UWG, sondern auch eine Irreführung des angesprochenen Verkehrs iSd. § 5 Abs. 1 Nr. 1 UWG. In den Upvotings liege ebenfalls eine Irreführung des angesprochenen Verkehrs, da dieser davon ausgehe, dass die Rezension aufgrund ihres Inhalts und nicht deswegen als nützlich bewertet worden sei, weil die sie als nützlich markierende Person dafür einen geldwerten Vorteil erhalte, indem sie seinen Punktestand als Tester erhöhe, was die Chance auf neue vergünstigte Testprodukte steigere. Das Upvoting veranlasse den angesprochenen Verkehr auch zu einer geschäftlichen Handlung, da Verbraucher ein Produkt, das im Rezensionsabschnitt zunächst zahlreiche positive Bewertungen enthalte, eher kauften.
Randnummer19
Die Haftung des Beklagten nach § 8 Abs. 1 UWG ergebe sich im Hinblick auf das Angebot von SD aus seiner Eigenschaft als deren alleiniger Geschäftsführer. Als solcher habe er das auf Rechtsverletzungen ausgerichtete Geschäftsmodell selbst ins Werk gesetzt, welches SD gemeinschaftlich mit Drittanbietern und Produkttestern als Mittäterin verwirklicht habe. Im Übrigen hafte SD auch nach § 8 Abs. 2 UWG, da die Rezensenten in die Organisation der geschäftlichen Tätigkeit eingebunden gewesen seien, wobei sich die persönliche Haftung des Beklagten erneut aus seiner Stellung als Geschäftsführer ergebe.
Randnummer20
Die Haftung des Beklagten im Hinblick auf das Angebot von AS ergebe sich daraus, dass der Beklagte auch deren Angebot nach der Übernahme im Jahre 2018 jedenfalls neu ins Werk gesetzt habe, indem er das Konzept von SD nahezu identisch und mit teilweise deckungsgleichem Inhalt der Webseiten auf AS übertragen habe. Dass der Beklagte formell nur Geschäftsführer der PAS GmbH als Muttergesellschaft von AS gewesen sei, hindere seine Haftung nicht, da die Ausgestaltung des Angebots von AS zeige, dass das Angebot von AS auf seine Weisungen zurückgehe und der Beklagte daher der faktische Geschäftsführer der AS sei. Sich darauf zu berufen, er sei nur Geschäftsführer der Gesellschafterin der AS, sei vor diesem Hintergrund rechtsmissbräuchlich. Vermittelt durch diese Stellung habe er nicht nur faktisch, sondern auch rechtlich Einfluss auf das Angebot vom AS gehabt. Ein weiteres Indiz dafür, dass die AS LLC nur vorgeschoben sei, liege darin, dass auf ihren Rechnungen ebenso wie bei SD eine deutsche Kontoverbindung bei der Commerzbank angegeben sei. Zudem hafte der Beklagte als Teilnehmer gemäß § 830 Abs. 2 BGB, da er sein für SD entwickeltes rechtsverletzendes Konzept AS zur Verfügung gestellt habe und im Übrigen auch das Geschäftsmodell von AS über SD unterstützt habe, indem dort Gutscheincodes für eine rabattierte Nutzung von AS angeboten worden seien (Anlage K 54). Damit habe er Beihilfe zu den von AS begangenen Wettbewerbsverstößen geleistet. Schließlich treffe den Beklagten als Geschäftsführer der PAS GmbH eine sekundäre Darlegungslast, wie die Entscheidungen über das Geschäftsmodell von AS getroffen worden seien bzw. würden, der er nicht nachgekommen sei.
Randnummer21
Die Haftung des Beklagten im Hinblick auf das Angebot von LO ergebe sich daraus, dass LO die Fortführung des AS-Angebots sei, LO unmittelbar nach der Abmahnung des Beklagten gegründet worden sei, die geschäftsführende Gesellschafterin O. nur vorgeschoben sei, alle Spuren von LO nach Langenfeld führten, wo sowohl SD als auch die PAS GmbH ihren Sitz haben, und zwischenzeitlich die Drittanbieter und Tester von SD und AS an LO weitergeleitet worden seien bzw. noch immer weitergeleitet würden. Der Beklagte sei also erneut faktischer Geschäftsführer. Eine Haftung ergebe sich zudem jedenfalls über § 830 Abs. 2 BGB, da der Beklagte LO über seine Gesellschaft SD bei der Umsetzung des wettbewerbswidrigen Geschäftsmodells unterstützt habe, indem er ihr über die zeitweise Verlinkung jedenfalls im Herbst 2019 Drittanbieter sowie Produkttester als Kunden zugeleitet habe. Dass der Beklagte von der Verlinkung nichts gewusst habe, sei eine reine Schutzbehauptung, die zudem unsubstantiiert sei. Vielmehr ergebe sich aus einer Meldung auf dem damaligen Login-Bereich (Anlage K 72), dass eine Überleitung von SD an LO geplant gewesen sei (“projekt- und firmen-technische Trennung“). Ein weiteres Indiz für die Verantwortlichkeit des Beklagten für das Angebot von LO sei die Übernahme von Blog-Beiträgen von SD auf der Webseite von LO (Anlage K 73). Die Verbindung zwischen AS und LO zeige sich daran, dass das Abonnement eines Testkäufers der Klägerin bei AS von LO weitergeführt worden sei und er seine bei AS angelegte Kampagne nun bei LO einsehen könne (Anlage k 74).
Randnummer22
Der Anspruch nach Ziffer I.d) des Antrags ergebe sich daraus, dass bereits das Angebot derartiger gekaufter Rezensionen irreführend sei, da dem Drittanbieter verschwiegen werde, dass in den Bewertungen auf die Entstehung gegen Entgelt hingewiesen werden müsse und dass gegen Entgelt erlangte Bewertungen gegen die Richtlinien von Amazon verstießen.
Randnummer23
Die Klägerin ist schließlich der Ansicht, ihr stehe wegen der vorstehenden Wettbewerbsverletzung der geltend gemachte Auskunftsanspruch gegen den Beklagten nach § 242 BGB – auch in Gestalt eines selbständigen Auskunftsanspruchs zur Vorbereitung von Ansprüchen gegen Dritte – zu. Konkret habe sie Unterlassungsansprüche gegen die Kunden der Beklagten gemäß § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1, § 3, § 5a Abs. 6 UWG, welche sie jedoch mangels Informationen zur Identität dieser Kunden nicht durchsetzen könne. Im Hinblick auf den unselbständigen Auskunftsanspruch, bezogen auf ASIN, Anzahl und Zeitpunkt der Rezensionen und „Nützlich“-Markierungen sei die Klägerin auf die Auskunft angewiesen, da aus den Rezensionen gerade nicht zu erkennen sei, ob sie auf einer Kampagne von SD, AS oder LO beruhten. Dem Beklagten sei die diesbezügliche Informationsbeschaffung dagegen ein Leichtes und ohne weiteres zumutbar. Im Rahmen einer Interessenabwägung spreche für die Pflicht zur Auskunftsgewährung das Interesse der Allgemeinheit am Schutz vor Irreführung, das Interesse der Klägerin daran, den von ihr aufgebauten Ruf des Amazon Marketplace und ihres eigenen Vine-Programms zu erhalten, sowie das Interesse der Klägerin, das auch von ihr angebotene Produkte nicht mit manipulierten Rezensionen beworben würden, was aufgrund der gleichlautenden ASIN nicht zu verhindern sei. Schließlich spräche auch der Schutz der ehrlichen Drittanbieter für eine Auskunftserteilung. Zudem könne ohne eine Kenntnis der Drittanbieter, die derartige Kampagnen starten, die Quelle der Rechtsverletzungen nicht zum Versiegen gebracht werden, da sich diese schlicht nach neuen Rezensionsanbietern umsehen würden, wenn der Beklagte sein Geschäftsmodell einstelle. Demgegenüber sei ein Geheimhaltungsinteresse des Beklagten nicht einmal erkennbar, da sein Geschäftsmodell auf Irreführung ausgerichtet sei.
Randnummer24
Die Klägerin hat den Beklagten mit Schreiben vom 25.04.2019 (Anlage K 39) wegen des Angebots von AS abgemahnt und mit Schreiben vom 08.10.2019 zur Erstattung der Abmahnkosten mit Fristsetzung bis zum 22.10.2019 aufgefordert, welcher der Beklagte nicht nachgekommen ist. Die Klage ist dem Beklagten am 07.01.2020 zugestellt worden. Die Klägerin hat den Beklagten hinsichtlich der LO Upvotings (Nützlich-Markierungen) mit Schreiben vom 07.08.2020 abgemahnt und ihre Klage mangels Unterwerfung mit Schriftsatz vom 02.12.2020 dementsprechend um den Antrag zu Ziffer I. e) erweitert sowie hinsichtlich der Anträge II. und III. entsprechend modifiziert. Der klageerweiternde Schriftsatz wurde dem damaligen Prozessbevollmächtigten des Beklagten am 07.12.2020 zugestellt.
Randnummer25
Die Klägerin beantragt nunmehr,
Randnummer26
1. wie erkannt unter Ziffer 1 des Tenors;
Randnummer27
2. den Beklagten zu verurteilen, schriftlich Auskunft zu erteilen über die Handlungen gemäß dem Antrag zu 1., insbesondere über die Namen und die Adressen der Kunden der AS LLC Tbilisi, Georgien, der LO LLC, Tbilisi, Georgien, und der SD GmbH, Langenfeld, die Amazon-Standard-Identifikationsnummern („ASIN“) zu den Produkten, für die Kundenrezensionen in Auftrag gegeben wurden, die Verkäufer-Accounts, für die Verkäufer-Rezensionen in Auftrag gegeben wurden, die Anzahl und den Zeitpunkt der Veröffentlichung der Rezensionen, den Text der Kunden- und/oder Verkäuferrezensionen sowie die Kundenrezensionen, für die „Nützlich“-Markierungen in Auftrag gegeben wurden;
Randnummer28
3. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin EUR 1.186,37 nebst Zinsen in Höhe von neun Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 23. Oktober 2019 sowie weitere EUR 1.186,37 nebst Zinsen seit Rechtshängigkeit der Klageerweiterung zu zahlen.
Randnummer29
Der Beklagte beantragt,
Randnummer30
die Klage abzuweisen.
Randnummer31
Der Beklagte ist zunächst der Ansicht, die Unterlassungsanträge seien zu unbestimmt, da sie weder auf eine konkrete Verletzungsform gestützt seien noch klar zu Ausdruck brächten, welche konkreten Handlungen vom Beklagten zu unterlassen seien, und da sie zahlreiche unbestimmte Rechtsbegriffe enthielten.
Randnummer32
Im Hinblick auf SD behauptet der Beklagte, der Tester erhalte weder eine Aufforderung, das getestete Produkt bei Amazon zu bewerten, noch böte die SD-Plattform eine solche Möglichkeit an. Insbesondere sei nie eine Verlinkung auf die Rezensionsseite von Amazon erfolgt. Dies ergebe sich aus den als Anlage B 1 vorgelegten Kampagnen. Weder in den AGB noch auf Hilfeseiten noch in sonstigen Texten auf der Webseite von SD erfolge ein Hinweis auf Amazon-Bewertungen oder gar eine Aufforderung, eine solche abzugeben. Dies ergebe sich, so meint der Beklagte, nicht aus den von der Klägerin vorgelegten Screenshots, die insofern keinen Beweis erbringen könnten. Zudem veröffentliche SD nicht selbst Rezensionen auf amazon.de, so dass der Antrag zu I.a) insofern ins Leere gehe. Schließlich könne das Video in Anlage K 18 den Klageantrag zu I.a) insofern nicht stützen, als in dem Video ein Bestellvorgang aus dem Juni 2017 gezeigt werde, die SD GmbH jedoch erst im Dezember 2017 ins Handelsregister eingetragen worden sei. Eine Schaltfläche „Jetzt deine Bewertung kopieren und auf Amazon veröffentlichen“ sei bei Übernahme der SD GmbH durch den Beklagten abgeschaltet worden.
Randnummer33
Der Beklagte ist darüber hinaus der Ansicht, dass er mangels Passivlegitimation für das Angebot von AS nicht hafte. Für eine Haftung reichten weder die Ähnlichkeit der Internetauftritte noch das Führen einer Gesellschaft mit einem ähnlichen Angebot aus. Ebenso begründe die bloße Organstellung des Beklagten bei der PAS GmbH, die zudem nur Gesellschafterin der AS LLC sei, also nicht selbst das Angebot an Drittverkäufer bereithalte, keine Haftung des Beklagten nach den Grundsätzen zur Geschäftsführerhaftung. Es sei weder eine Haftung der PAS GmbH für etwaige Wettbewerbsverstöße der AS LLC ersichtlich, da diese keinen Einfluss auf die laufenden Geschäftsvorgänge der AS LLC genommen habe und nehme, noch – wenn man ersteres unterstelle – eine persönliche Haftung des Beklagten, da er das in Rede stehende Angebot der AS weder selbst ins Werk gesetzt noch in Auftrag gegeben habe. Die bloße Kenntnis des Beklagten von einer etwaigen Rechtswidrigkeit des Angebots von AS begründe keine persönliche Haftung. Für eine Haftung durch Unterlassen fehle es an einer Garantenstellung sowohl der PAS GmbH als auch des Beklagten.
Randnummer34
Hinsichtlich des Angebots von LO scheitere eine Haftung des Beklagten bereits daran, dass dieser keinerlei gesellschaftsrechtliche oder organschaftliche Verbindung mit der LO aufweise, so dass für eine persönliche Haftung kein Raum sei. Mit den Inhalten von LO habe er nichts zu tun. Die Weiterleitung von AS zu LO habe der Beklagte ebenso wenig veranlasst wie den Facebook-Beitrag. Auch die zeitweise Weiterleitung von SD zu LO habe der Beklagte weder selbst vorgenommen noch veranlasst. Dies müsse ein Mitarbeiter eigenmächtig getan haben. Dementsprechend habe sich die SD GmbH auch in einer strafbewehrten Unterlassungserklärung (Anlage B 5) unterworfen.
Randnummer35
Bezogen auf alle drei Anbieter, SD, AS und LO, fehle es zudem an jeglichem Nachweis, dass es bislang zu durch sie ermöglichten Verstößen in Gestalt von gekauften Bewertungen auf amazon.de, sei es für Produkte oder für das Verkäuferprofil, gekommen sei. Dazu tauge insbesondere der Verweis auf den Beitrag von LisaW90 und die Rezension von lisa4290will nicht, da mit Nichtwissen zu bestreiten sei, dass diese personenidentisch seien. Ein Wettbewerbsverhältnis zwischen den Parteien sei ebenfalls nicht ersichtlich, da durch das Angebot der drei Plattformen nicht einmal fremder Wettbewerb gefördert werde, weil die Tester nicht dazu aufgefordert würden, Bewertungen auf Amazon abzugeben.
Randnummer36
Hinsichtlich des Auskunftsantrages ist der Beklagte der Ansicht, dieser sei zu weit, da er alle Kunden unabhängig von den in Anspruch genommenen Leistungen erfasse, da SD überhaupt keine Bewertungen von Verkäufer-Accounts angeboten habe und da er zeitlich unbestimmt sei. Dem Auskunftsanspruch stehe zudem der Unclean Hands-Einwand entgegen, da die Klägerin die Verbraucher mit ihrem Vine-Programm selbst in die Irre führe, da der Hinweis auf den kommerziellen Zweck nur versteckt erfolge, insbesondere nicht im Rahmen der Sterneübersicht unmittelbar unterhalb der Produktbezeichnung und zu Beginn des Rezensionsabschnitts. Auch habe der Beklagte im Hinblick auf den selbständigen Auskunftsanspruch ein schutzwürdiges Interesse daran, seine Kunden geheimzuhalten, da die Klägerin Amazon-Händlern ebenfalls gekaufte Bewertungen in Gestalt ihres Vine-Programms anbiete. Der Klägerin gehe es somit nicht um ein transparentes, lauteres Rezensionssystem, das sie selbst nicht verwirkliche, sondern darum, das Rezensionsgeschäft bei ihr zu monopolisieren. Schließlich stelle die selbständige Auskunft in Form der Kundendaten einen Verstoß gegen die DSGVO dar.
Randnummer37
Hinsichtlich des Anspruchs auf Zahlung der Abmahnkosten für die Abmahnung vom 25.04.2019 erhebt der Beklagte die Einrede der Verjährung.
Randnummer38
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 06.05.2021 verwiesen (§ 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO).
Entscheidungsgründe
Randnummer39
Die Klage ist zulässig und im tenorierten Umfang begründet. Im Übrigen unterlag sie der Abweisung.

I.
Randnummer40
Die Klage ist zulässig.
Randnummer41
1. Die mit klägerischem Schriftsatz vom 02.12.2020 erfolgte Klageerweiterung – Antrag zu I.e) sowie Modifizierungen der Anträge II. und III. – stellt eine zulässige Klageänderung gemäß § 263 ZPO dar. Die Einwilligung des Beklagten wird gemäß § 267 ZPO vermutet, da dieser sich in den vorbereitenden Schriftsätzen und auch im Termin zur mündlichen Verhandlung am 06.05.2021 insofern rügelos eingelassen hat.
Randnummer42
2. Die Klageanträge sind entgegen der Ansicht des Beklagten hinreichend bestimmt iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die Klägerin begehrt ein Totalverbot, so dass es gerade nicht auf eine bestimmte, konkrete Verletzungsform ankommt, auf die der Unterlassungsantrag beschränkt ist. Ebenso bringen die Klageanträge deutlich zum Ausdruck, welche Handlungen vom Beklagten zu unterlassen sind, wobei sie insofern sehr weit gefasst sind. Ob der Unterlassungsanspruch in dieser Weite und Allgemeinheit besteht, ist jedoch eine Frage der Begründetheit, nicht der Zulässigkeit über das Vehikel der Bestimmtheit. Schließlich vermag die Kammer auch keine derart unbestimmten Rechtsbegriffe in den Klageanträgen zu finden, die zur Unbestimmtheit derselben führen würden. Insbesondere der Begriff des „anderen vermögenswerten Vorteils“ ist in Gleichstellung mit dem Begriff der „Bezahlung“ eine hinreichend bestimmte Beschreibung der Situation, dass der Betroffene durch eine Handlung, hier das Herstellen von Kundenrezensionen, sein Vermögen auf andere Weise als durch eine Bezahlung, etwa Rabatte, mehrt. Aber auch die Formulierung „in die Lage zu versetzen“ ist insofern hinreichend bestimmt, als sie die verschiedenen technischen Gestaltungen erfasst, die zu dem in der weiteren Formulierung der Anträge I.b) und c) dargestellten Ergebnis von unlauter erlangten Rezensionen führen. Erneut ist dies im Lichte des begehrten Totalverbots als hinreichend bestimmt anzusehen.
Randnummer43
3. Ein rechtsmissbräuchliches Vorgehen der Klägerin ist unter keinem denkbaren Gesichtspunkt erkennbar, weder unter dem Gesichtspunkt der Aufspaltung von Verfahren noch unter dem Gesichtspunkt der unclean hands. Letzteres gilt unabhängig davon, ob das Vine-Programm der Klägerin als wettbewerbswidrig anzusehen ist, bereits deswegen, weil die Klägerin mit ihren Unterlassungsanträgen auch die Interessen der Allgemeinheit an nicht manipulierten Rezensionen verfolgt (siehe dazu OLG Hamburg GRUR-RR 2018, 479 Rn 62).

II.
Randnummer44
Der Klägerin stehen die geltend gemachten Unterlassungsansprüche, der begehrte Auskunftsanspruch – allerdings nur im tenorierten Umfang – sowie ein Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten – allerdings ebenfalls nur im tenorierten Umfang – zu.
Randnummer45
1. Der in Ziffer 1.a) tenorierte Unterlassungsanspruch steht der Klägerin aus § 8 Abs. 1, 3 Nr. 1, §§ 3, 5a Abs. 6 sowie § 5 Abs. 1 Nr. 1 UWG zu (zur persönlichen Haftung des Beklagten unter 6.).
Randnummer46
a) SD, AS und LO haben über die von ihnen unterhaltenen Webseiten SD.de, AS.com und LO.com als Mittäter mit den auf ihren Plattformen tätigen Produkttestern (dazu unter d) Kundenrezensionen veröffentlicht und/oder veröffentlichen lassen, wobei die Rezensionen von Produkttestern erstellt worden sind, die dafür bezahlt worden sind oder andere vermögenswerte Vorteile erhalten haben, ohne dass darauf hingewiesen wurde.
Randnummer47
aa) Dies ergibt sich aus dem Geschäftsmodell der drei Anbieter. Während der Beklagte das Geschäftsmodell von AS und LO insofern nicht bestritten hat, sondern lediglich seine Verantwortung dafür in Abrede stellt, hat er die von der Klägerin vorgelegten Screenshots und das Video in Anlage K 18 pauschal mit der nicht weiter substantiierten Behauptung bestritten, die SD-Plattform biete keine Möglichkeit, das getestete Produkt bei Amazon zu bewerten, es erfolge keine Verlinkung auf die Rezensionsseite von Amazon und es erfolge weder in den AGB noch in sonstigen Texten ein Hinweis auf Amazon oder gar eine Aufforderung zur Abgabe einer Amazon-Bewertung. Dieses Bestreiten ist unbeachtlich. Bei der Bildschirmdatei, die als Anlage K 18 übergeben wurde, handelt es sich um ein elektronisches Dokument iSd. § 371 Abs. 1 S. 2 ZPO, bei den daraus ausgedruckten Screenshots auf Papier um ein Augenscheinobjekt iSd. § 371 Abs. 1 Satz 1 ZPO, allerdings in Form eines Augenscheinsurrogats (OLG Jena, MMR 2019, 471 Rn 15). Die Beweiskraft sowohl des Videos als auch der daraus vorgelegten Screenshots unterliegt somit der freien richterlichen Beweiswürdigung nach § 286 ZPO und damit einer umfassenden Würdigung der vorgetragenen Tatsachen und des gesamten Prozessstoffs. Danach steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass jedenfalls zum relevanten Zeitpunkt im Jahr 2019 die Möglichkeit, Aufforderung und Verlinkung zu Amazon-Rezensionen für die Tester von SD vorhanden war, insbesondere in Gestalt der Schaltfläche „Jetzt deine Bewertung kopieren und auf Amazon veröffentlichen“. Für deren konkrete Ausgestaltung wird auf das als Anlage K 18 vorgelegte Video Bezug genommen. Der Beklagte hat noch nicht einmal behauptet, dass die Screenshots und das Video gefälscht oder aus anderen Gründen die tatsächliche Gestaltung der SD-Plattform unzutreffend wiedergeben würden, sondern deren Existenz schlicht übergangen und ohne Substanz behauptet, es habe keine Möglichkeit, Aufforderung und Verlinkung zu Amazon-Rezensionen gegeben, die Schaltfläche sei bei Übernahme der SD GmbH durch den Beklagten abgestellt worden. Dies reicht nicht aus, um die Beweiskraft des Videos und der Screenshots im Rahmen der nach § 286 ZPO gebotenen Gesamtwürdigung zu erschüttern (dazu erneut OLG Jena, MMR 2019, 471 Rn 16). Unerheblich ist in diesem Zusammenhang auch der Vortrag des Beklagten, in dem Video werde ein Bestellvorgang aus dem Juni 2017 gezeigt. Es ist nämlich unstreitig, dass das Video von SD noch im Jahr 2019 verwendet wurde, um die SD Plattform zu vermarkten. Allein darauf kommt es an. Schließlich ergibt sich auch aus den als Anlage B 1 vorgelegten Kampagnen nichts Abweichendes. Auf SD.de wurden eine Reihe verschiedener Kampagnen angeboten und durchgeführt und es ist aus der Anlage B 1 überhaupt nicht ersichtlich, ob es sich um die von der Klägerin angegriffenen Kampagnen handelt. Nach dem äußeren Erscheinungsbild erscheint dies unwahrscheinlich.
Randnummer48
bb) Ob bzw. in welchem Umfang es vermittelt durch SD, AS oder LO zu dergestalt gekauften Rezensionen gekommen ist, wovon die Kammer angesichts der von der Klägerin dargelegten Testkäufe (Anlagen K 29 und K 30, noch deutlicher Anlagen K 64 bis K 66) und des erneut bloß pauschalen und insofern nicht ausreichenden Bestreitens des Beklagten überzeugt ist, kann für die Frage, ob der Klägerin ein Unterlassungsanspruch zusteht, dahinstehen. Aufgrund des skizzierten Geschäftsmodells und seiner Anpreisung auf den jeweiligen Webseiten SD.de, AS.com und LO.com besteht jedenfalls eine erhebliche Erstbegehungsgefahr hinsichtlich einer Wettbewerbsverletzung, die für einen Unterlassungsanspruch ausreicht. Dies gilt ungeachtet dessen, ob SD, AS und LO das Layout ihrer Webseiten und die Ausgestaltung ihrer Kampagnen mittlerweile in Einzelpunkten verändert haben.
Randnummer49
b) Das soeben beschriebene Geschäftsmodell stellt jeweils einen Verstoß gegen §§ 3, 5a Abs. 6 UWG dar. Danach handelt unlauter, wer den kommerziellen Zweck einer geschäftlichen Handlung nicht kenntlich macht, sofern sich dieser nicht unmittelbar aus den Umständen ergibt, und das Nichtkenntlichmachen geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.
Randnummer50
aa) Das Veröffentlichen bzw. Vermitteln von Rezensionen durch SD, AS und LO sind geschäftliche Handlungen iSd. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG, da alle drei Anbieter insofern zugunsten der Absatzförderung des eigenen Unternehmens handeln.
Randnummer51
bb) Die Klägerin und SD bzw. AS und LO sind auch als Mitbewerber der Klägerin bzw. iSd. § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG anzusehen. Mitbewerber ist, wer mit einem oder mehreren Unternehmern als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis steht. Dies ist hier in zweierlei Hinsicht der Fall. Erstens konkurrieren SD, AS und LO im Hinblick auf die von ihnen angebotenen Kampagnen für Produktrezensionen mit dem Vine-Programm der Klägerin. Zweitens fördern SD, AS und LO durch die Veröffentlichung und Vermittlung von Produktrezensionen den Wettbewerb der Drittverkäufer mit der Klägerin um Kunden der auf amazon.de angebotenen Produkte. Darin liegt eine für ein Wettbewerbsverhältnis ausreichende Förderung fremden Wettbewerbs, durch welche die Klägerin in eigenen wettbewerbsrechtlich geschützten Interessen berührt ist (dazu BGH WRP 2012, 77 Rn 20 – Coaching-Newsletter; BGH GRUR 2014, 573 Rn 19 – Werbung für Fremdprodukte; OLG Frankfurt, MMR 2019, 313 Rn 36).
Randnummer52
cc) In den von SD, AS und LO veröffentlichten bzw. vermittelten Rezensionen wird deren kommerzieller Zweck iSd. § 5a Abs. 6 UWG nicht hinreichend kenntlich gemacht. Zu diesem Tatbestandsmerkmal führt das OLG Frankfurt (MMR 2019, 313 Rn 27) in einem insofern gleich gelagerten Fall zutreffend Folgendes aus:
Randnummer53
„Dieser kommerzielle Zweck ist hier auch nicht kenntlich gemacht. Ein Nichtkenntlichmachen des kommerziellen Zwecks liegt vor, wenn das äußere Erscheinungsbild der geschäftlichen Handlung so gestaltet wird, dass der Verbraucher ihren kommerziellen Zweck nicht klar und eindeutig erkennen kann (BGH, U. v. 31.10.2012 – I ZR 205/11, Rdnr. 15 – Preisrätselgewinnauslobung V). Dabei ist auf den konkreten Fall abzustellen und es sind alle tatsächlichen Umstände sowie die Beschränkungen des verwendeten Kommunikationsmittels zu berücksichtigen. Maßgebend ist nach § 3 Abs. 4 Satz 1 UWG die Sicht des durchschnittlich informierten, situationsadäquat aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers oder des durchschnittlichen Mitglieds der angesprochenen Verbrauchergruppe. Der Verkehr wird bei Produktbewertungen grds. davon ausgehen, dass diese grds. ohne Gegenleistung erstellt werden. Er mag den Bewertungen zwar nicht den gleichen Stellenwert einräumen wie redaktionellen Beiträgen, jedoch davon ausgehen, dass die Bewerter die Produkte auf Grund eines eigenen Kaufentschlusses erworben haben und nunmehr ihre Bewertung unbeeinflusst von Dritten mitteilen. Auf dieser Grundlage basiert die Idee eines jeden Bewertungsportals bzw. der Produktbewertung in Verkaufsportalen. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Erwartung des Verkehrs – im Gegensatz zu redaktionellen Angeboten – bei Produktbewertungen zunehmend auch auf subjektiv gefärbte positive oder negative Stellungnahmen gerichtet ist, denen er erfahrungsgemäß mit größerer Skepsis begegnet (Ahrens/Richter, WRP 2011, 814, 816). Er wird jedenfalls weiterhin die Erwartung haben, dass der – subjektiv urteilende – Bewerter für seine Bewertung keine Gegenleistung erhalten hat, diese zwar möglicherweise nicht ähnlich „objektiv“ wie ein idealtypischer redaktioneller Bericht ist, aber doch in dem Sinne authentisch, dass sie eben nicht „gekauft“ ist. Der Verpflichtung zur Kenntlichmachung des kommerziellen Zwecks steht auch nicht entgegen, dass dieser sich i.S.v. § 5a Abs. 6 UWG unmittelbar aus den Umständen ergibt. Ergibt sich der kommerzielle Zweck bereits aus dem Zusammenhang, ist kein gesonderter Hinweis erforderlich. Der Verbraucher muss jedoch auf den ersten Blick und ohne jeden Zweifel (BGH, a.a.O., Rdnr. 21 – Preisrätselgewinnauslobung V; KG WRP 2018, 224 [= MMR 2018, 245], Rdnr. 13) erkennen können, dass der Handlung ein kommerzieller Zweck zu Grunde liegt. Nur in diesem Fall ist es unnötig, darauf noch gesondert hinzuweisen. Dies ist hier jedoch nicht der Fall.“
Randnummer54
Es ist in einem solchen Fall auch nicht nötig, dass die Klägerin konkrete Produktbewertungen auf amazon.de benennt, die infolge einer Kampagne vermittelt durch SD, AS oder LO ohne entsprechende Kenntlichmachung generiert wurden. Vielmehr genügt es, dass ein auf die Veröffentlichung solcher Bewertungen gerichtetes Geschäftsmodell betrieben wird. Dazu hat das OLG Frankfurt in einem weiteren insofern gleich gelagerten Fall zutreffend wie folgt ausgeführt (GRUR-RS 2020, 45913 Rn 30):
Randnummer55
„Es liegt bei einem solchen Geschäftsmodell auf der Hand, dass in den entsprechenden Bewertungstexten nicht erwähnt wird, dass der Tester hierfür einen vermögenswerten Vorteil erhalten hat (vgl. OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 6.4.2020, 6 W 101/20 und 6 W 102/20). Einen entsprechenden Hinweis wird der Tester schon deshalb nicht geben, da es nach den A.-Richtlinien sowohl Drittanbietern als auch Testern, die über ein A.-Kundenkonto verfügen, verboten ist, „gekaufte“ Bewertungen zu veröffentlichen. Dies gilt auch für Bewertungen, bei denen Rezensionen an Vorzüge wie kostenlose oder vergünstigte Produkte geknüpft sind (Anlage Ast 2, 3). Tester und Drittanbieter würden daher mit der Offenlegung des kommerziellen Zwecks die Sperrung ihres Accounts riskieren. Bei dieser Sachlage ist es nicht erforderlich, dass die Antragstellerin Produktbewertungen auf der Plattform A. benennt, die über Y ohne entsprechende Kenntlichmachung generiert wurden. Es genügt, dass ein auf die Veröffentlichung solcher Bewertungen gerichtetes Geschäftsmodell betrieben wird. Es spricht der erste Anschein dafür, dass es vorliegend auch zu Bewertungen kam, die dem Angebot entsprachen. Wäre von dem Angebot auf der Plattform Y in keinem einzigen Fall Gebrauch gemacht worden, hätte der Antragsgegner dies konkret darlegen müssen. Daran fehlt es.“
Randnummer56
Ebenso liegt der Fall hier. Der Beklagte hat lediglich pauschal und ohne jegliche Substantiierung bestritten, dass es bislang zu von SD, AS oder LO ermöglichten Verstößen in Gestalt von gekauften Produktbewertungen auf amazon.de gekommen sei. Zu dem von der Klägerin substantiiert ins Feld geführten Testkauf einer Kampagne bei AS (S. 6 ff des Schriftsatzes vom 28.04.2021 mit Anlagen K 64 bis K 66) hat sich der Beklagte gar nicht und zu der Bewertung von LisaW90 bzw. lisa4290will lediglich mit einem Bestreiten der Personenidentität geäußert. Auch auf die von der Klägerin nachgelieferte Substantiierung hinsichtlich der Bewertungen der Nutzerin Sunny im Schriftsatz vom 28.4.2021, dort S. 4 ff, hat der Beklagte nicht weiter reagiert und ist damit seiner sekundären Darlegungslast nicht nachgekommen.
Randnummer57
dd) Das Nichtkenntlichmachen des kommerziellen Zwecks ist dazu geeignet, die Verbraucher iSd. § 5a Abs. 6 UWG zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die sie andernfalls nicht getroffen hätten. Der Verbraucher, der auf amazon.de einkauft, bringt Bewertungen, die aus freien Stücken aufgrund eines Kaufs ohne Vergünstigung gegen Bewertung verfasst worden sind, ein ungleich höheres Vertrauen entgegen, als solchen Bewertungen, für die der Rezensent eine Gegenleistung für die Bewertung bekommen hat.
Randnummer58
c) In der Veröffentlichung bzw. Vermittlung von – wie unter b) erläutert – gekauften Rezensionen liegt gleichzeitig eine wettbewerbswidrige Irreführung iSd. § 5 Abs. 1 Nr. 1 UWG. Sowohl zur Irreführung einschließlich der Verkehrsvorstellung als auch zur Eignung, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte, ist auf die Ausführungen unter a) und b) zu verweisen.
Randnummer59
d) Die drei Portal-Anbieter SD, AS und LO veröffentlichten bzw. veröffentlichen die wettbewerbswidrigen Bewertungen zwar nicht selbst auf amazon.de bzw. lassen sie selbst dort veröffentlichen, dies geschieht vielmehr durch die auf ihren Portalen registrierten Produkttester, doch haften sie insofern als Mittäter.
Randnummer60
Täter im Sinne eines Verletzers des Wettbewerbsrechts ist derjenige, der den objektiven Tatbestand einer Zuwiderhandlung i.S.d. § 3 UWG oder des § 7 UWG adäquat kausal verwirklicht (BGH GRUR 2016, 961 Rn 32 – Herstellerpreisempfehlung bei Amazon; BGH GRUR 2011, 340 Rn 27 – Irische Butter). Der Täterbegriff des Wettbewerbsrechts folgt dem des allgemeinen Deliktsrechts (§ 830 BGB), das wiederum an die entsprechenden strafrechtlichen Begriffe anknüpft. Wird der Verstoß von mehreren Personen begangen, kommen eine Mittäterschaft oder eine Teilnahme in Betracht. Mittäterschaft setzt eine gemeinschaftliche Begehung (§ 830 Abs. 1 S. 1 BGB), also ein bewusstes und gewolltes Zusammenwirken voraus (BGH GRUR 2016, 946 Rn 40 – Freunde finden; BGH GRUR 2009, 597 Rn 14 – Halzband). Jeder (Mit-)täter muss Tatherrschaft haben und einen bestimmenden Einfluss auf das Tatgeschehen ausüben.
Randnummer61
Gemessen an diesen Voraussetzungen, begehen die drei Anbieter SD, AS und LO den unter b) erörterten Wettbewerbsverstoß durch „gekaufte“ Produktrezensionen als Mittäter. Nach dem Geschäftsmodell der drei Anbieter verwirklichen diese in bewusstem und gewollten Zusammenwirken mit den bei ihnen registrierten Produkttestern den Tatbestand des § 5a Abs. 6 UWG. Die Anbieter stellen die Tools und Anleitungen auf ihren Portalen zur Verfügung, welche die Produkttester in Kenntnis der Umstände des Wettbewerbsverstoßes – jedenfalls der ihn begründenden Tatsachen – nutzen. Die von den Anbietern vorgenommene Bewerbung gegenüber Produkttestern und Drittverkäufern, die von ihnen geschaffene Verlinkung und Hinweise auf die Rezensionsmöglichkeit bei amazon.de (insb. SD) sowie die Anreizstruktur in Gestalt von „Tester-Status“ und Punktesystemen (insb. AS und LO) vermittelt ihnen dabei die notwendige Tatherrschaft. Dass die Produkttester ihre Rezension zunächst auf dem Portal der drei Anbieter verfassen, ist insofern ohne Belang. Allen Beteiligten ist angesichts der erörterten Ausgestaltung der Portale klar, dass es allein darum geht, möglichst hoch bewertende Produktrezensionen auf amazon.de zu kreieren. Darin besteht das für alle Beteiligten offenkundige Geschäftsmodell der drei Anbieter, von dem alle Beteiligten auch wissen, dass dieses nur in Kooperation zwischen den Anbietern und den bei ihnen registrierten Produkttestern erreicht werden kann. Somit haben die Anbieter nicht nur objektiv Tatherrschaft über die wettbewerbswidrigen Handlungen, sondern auch subjektiv den Willen dazu, diese gemeinschaftlich mit den bei ihnen registrierten Produkttestern zu begehen.
Randnummer62
2. Der in Ziffer 1.b) tenorierte Unterlassungsanspruch steht der Klägerin aus § 8 Abs. 1, 3 Nr. 1, §§ 3, 5a Abs. 6 sowie § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG zu (zur persönlichen Haftung des Beklagten unter 6.).
Randnummer63
Auf der Grundlage des unter 1.a) dargelegten Geschäftsmodells der drei Anbieter wird dadurch, dass die Kunden der drei Anbieter, also die Drittverkäufer, auf amazon.de in die Lage versetzt werden, ihre Produkte mit „gekauften“ Produktrezensionen zu bewerben, erneut ein Wettbewerbsverstoß gegen §§ 3, 5a Abs. 6 UWG, hier nun mittäterschaftlich von den Anbietern und ihren Kunden begangen. Durch die Bewerbung ihrer Produkte mit „gekauften“ Produktrezensionen ohne einen Hinweis auf den kommerziellen Zweck verstoßen die Drittverkäufer als direkte Wettbewerber der Klägerin gegen §§ 3, 5a Abs. 6 UWG, da sie den kommerziellen Zweck der geschäftlichen Handlung nicht kenntlich machen (ebenso OLG Frankfurt MMR 2019, 313 Rn 32). Die Verbraucher werden dadurch auch zu einer geschäftlichen Handlung veranlasst, die sie andernfalls nicht getroffen hätten, da die Bewertung der Produkte durch Rezensenten für die Verbraucher ein entscheidendes Kriterium für oder gegen einen Kauf ist. Zu der Bewerbung mit „gekauften“ Produktrezensionen werden die Drittverkäufer erst durch das Angebot von SD, AS und LO in die Lage versetzt, die ihnen die dafür nötigen Produkttester vermitteln, denen – siehe oben unter 1.d) – klar ist, dass es allein um die Generierung positiver Rezensionen auf amazon.de geht. Es liegt also ein bewusstes und gewolltes Zusammenwirken der Portal-Anbieter mit ihren Kunden vor, im Rahmen dessen die Portal-Anbieter einen Tatherrschaft begründenden, bestimmenden Einfluss auf die Wettbewerbsverletzung ihrer Kunden haben, indem sie ihnen die Möglichkeit zur Wettbewerbsverletzung mittels ihrer Portale eröffnen. Darin liegt erneut eine geschäftliche Handlung iSd. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG, da alle drei Anbieter insofern zugunsten der Absatzförderung des eigenen Unternehmens in Gestalt des Abschlusses von Abonnements und der Buchung von Kampagnen handeln. Das Wettbewerbsverhältnis zwischen der Klägerin und den drei Portal-Anbietern wird dadurch vermittelt, dass letztere den Wettbewerb ihrer Kunden, der Drittverkäufer, mit der Klägerin fördern.
Randnummer64
3. Der in Ziffer 1.c) tenorierte Unterlassungsanspruch steht der Klägerin aus § 8 Abs. 1, 3 Nr. 1, §§ 3, 5a Abs. 6 UWG zu (zur persönlichen Haftung des Beklagten unter 6.).
Randnummer65
Gegenstand der Ziffer 1.c) des Tenors sind die Händler-Rezensionen, die auf AS.com und LO.com vermittelt werden. Das dahinter stehende Geschäftsmodell einschließlich des Anreizsystems ist unstreitig. Zur Frage der Haftung der zwei Portal-Anbieter ist weitestgehend auf die Ausführungen unter 2. zu verweisen. Dadurch, dass die Kunden der Portal-Anbieter, die Drittverkäufer bzw. Händler auf amazon.de, in die Lage versetzt werden, ihre Verkäufer-Accounts mit „gekauften“ Rezensionen zu bewerben, begehen die Anbieter einen Wettbewerbsverstoß gegen §§ 3, 5a Abs. 6 UWG, erneut mittäterschaftlich von den Anbietern und ihren Kunden begangen. Durch die Bewerbung ihres Verkäufer-Accounts mit „gekauften“ positiven Bewertungen ohne einen Hinweis auf den kommerziellen Zweck verstoßen die Drittverkäufer als direkte Wettbewerber der Klägerin gegen §§ 3, 5a Abs. 6 UWG, da sie den kommerziellen Zweck dieser geschäftlichen Handlung nicht kenntlich machen. Erneut hat diese Bewerbungsmöglichkeit Einfluss auf die geschäftliche Entscheidung der angesprochenen Verkäufer. Zahlreiche Produkte auf amazon.de werden von verschiedenen Verkäufern – darunter häufig auch der Klägerin – angeboten. Muss der Verbraucher nach der Entscheidung für den Kauf des Produkts eine Auswahl zwischen den Verkäufern treffen, wird er sich maßgeblich von den Bewertungen des Verkäufers durch andere Nutzer leiten lassen. Zu der angegriffenen Bewerbung mit Verkäufer-Rezensionen werden die Drittverkäufer erst durch das Angebot von AS und LO in die Lage versetzt, die ihnen die dafür nötigen Produkttester vermitteln, denen aufgrund der Anreizstruktur vermittelt durch den Tester-Status (Pluspunkte oder Punktabzüge) vollkommen klar ist, dass es allein um die Generierung positiver Rezensionen der Händler geht. Es liegt also erneut ein bewusstes und gewolltes Zusammenwirken der Portal-Anbieter mit den Händlern vor, im Rahmen dessen die Portal-Anbieter Tatherrschaft dadurch haben, dass sie ihren Kunden die Möglichkeit zur Wettbewerbsverletzung mittels ihrer Portale verschaffen. Darin liegt erneut eine geschäftliche Handlung iSd. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG zur Förderung des eigenen Absatzes von Abonnements und Kampagnen, durch die der Wettbewerb ihrer Kunden, der Drittverkäufer bzw. Händler, mit der Klägerin gefördert wird.
Randnummer66
4. Der in Ziffer 1.d) tenorierte Unterlassungsanspruch steht der Klägerin aus § 8 Abs. 1, 3 Nr. 1, §§ 3, 5 Abs. 1 UWG zu (zur persönlichen Haftung des Beklagten unter 6.).
Randnummer67
Gegenstand der Ziffer 1.d) des Tenors ist das Angebot „gekaufter“ Kundenrezensionen, ohne darauf hinzuweisen, dass die Entgeltlichkeit der Bewertung bei deren Veröffentlichung offenzulegen ist. Darin ist eine Irreführung nach dem allgemeinen Verbot des § 5 Abs. 1 UWG zu sehen, indem den Drittverkäufern als Kunden der Portal-Anbieter unzutreffend, da gegen die Rezensionsrichtlinien von Amazon und gegen das UWG verstoßend, suggeriert wird, es sei lauteres Geschäftsgebaren, „gekaufte“ Rezensionen ohne Hinweis auf ihren kommerziellen Hintergrund sowohl für Produkte als auch die Verkäufer selbst zu verwenden. Würden die Drittverkäufer darüber informiert, dass derart „gekauften“ Rezensionen die Löschung und den Drittverkäufern eine wettbewerbsrechtliche Abmahnung droht, wenn die Wahrheit der Entstehung der Rezension ans Licht kommt, würden sie von einem Kauf der Dienstleistung der drei Portal-Anbieter absehen, so dass die Irreführung auch eine geschäftliche Entscheidung der Drittverkäufer veranlasst, die sie andernfalls nicht getroffen hätten.
Randnummer68
Im Angebot derartiger Rezensionen liegt erneut eine geschäftliche Handlung iSd. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG zur Förderung des eigenen Absatzes von Abonnements und Kampagnen, durch die der Wettbewerb ihrer Kunden, der Drittverkäufer bzw. Händler, mit der Klägerin gefördert wird, so dass ein Wettbewerbsverhältnis besteht.
Randnummer69
5. Der Klägerin steht gegen den Beklagten schließlich der in Ziffer 1.e) tenorierte Unterlassungsanspruch aus § 8 Abs. 1, 3 Nr. 1, § 5 Abs. 1 UWG zu (zur persönlichen Haftung des Beklagten unter 6.).
Randnummer70
a) Indem LO Kundenrezensionen auf amazon.de als nützlich markiert oder von Personen als nützlich markieren lässt, die hierzu beauftragt und/oder hierfür ein Entgelt und/oder einen anderen vermögenswerten Vorteil erlangen, führt es die angesprochenen Verkehrskreise iSd. § 5 Abs. 1 UWG unlauter in die Irre, gleichzeitig liegt darin erneut ein Verstoß gegen § 5a Abs. 6 UWG. Das Geschäftsmodell, von der Klägerin auf S. 8 ff des Schriftsatzes vom 02.12.2020 ausführlich beschrieben, ist unstreitig. Darin liegt eine irreführende geschäftliche Handlung. Die auf amazon.de einkaufenden Verbraucher als angesprochener Verkehrskreis gehen nämlich – was die Kammer als Teil des angesprochenen Verkehrs aus eigener Anschauung beurteilen kann – davon aus, dass der Nutzer, der eine Rezension mit „nützlich“ markiert, dies aus freien Stücken allein deswegen tut, weil er sich mit dem Produkt auseinandergesetzt und vor diesem Hintergrund die Rezension aufgrund ihres Inhalts für hilfreich bei der Entscheidungsfindung für oder gegen das Produkt hält. Dem stehen die von LO vorgenommenen bzw. vermittelten Nützlich-Markierungen gegenüber, die allein deswegen erfolgen, weil der markierende Nutzer dafür eine Gegenleistung in Gestalt von Punkten erhält, die wiederum seine Chance auf kostenlose oder stark vergünstigte Produkte im Rahmen von Produkttests unter den oben beschriebenen Rezensions-Kampagnen erhöht bzw. erhält. Vorstellung und Wirklichkeit weichen fundamental voneinander ab. Die aus dieser Abweichung resultierende Irreführung ist auch geeignet, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Dies folgt aus den Konsequenzen, die „Nützlich“-Markierungen haben: Sie haben Einfluss auf die durchschnittliche Sternebewertung, die für den Verbraucher von ganz zentraler Bedeutung für die Kaufentscheidung ist, und sie haben Einfluss auf die Reihenfolge, in welcher die Rezensionen im Rezensionsabschnitt erscheinen – je mehr „Nützlich“-Markierungen, desto weiter oben erscheinen sie und desto stärker werden sie vom Verbraucher wahrgenommen.
Randnummer71
Ein Wettbewerbsverhältnis besteht insofern erneut dadurch, dass durch die Markierung von Rezensionen mit Nützlich-Markierungen durch LO der Wettbewerb ihrer Kunden, der Drittverkäufer, mit der Klägerin gefördert wird.
Randnummer72
b) LO markiert oder lässt Kundenrezensionen zwar nicht selbst als nützlich markieren, dies geschieht vielmehr durch die auf ihrem Portal registrierten Produkttester, doch haftet LO insofern erneut als Mittäter. Dazu ist auf die Ausführungen unter 1.d) zu verweisen, die hier entsprechend gelten.
Randnummer73
LO stellt ebenso wie im Fall der Rezensionen das Tool und die Anreizstruktur zum Nützlich-Markieren über den „Tester-Status“ her und vermittelt die Produkttester als Nützlich-Markierer an die Drittverkäufer. Anders als bei den Markierungen erfolgen hier nicht erst Markierungen im internen System von LO, sondern die Nützlich-Markierungen sind von vornherein und ausschließlich auf Rezensionen auf amazon.de bezogen. Sie werden auch ganz offen als solche beworben. Die bei LO registrierten Produkttestern verwirklichen die von LO gegenüber ihren Kunden angebotene Dienstleistung in Kenntnis der Umstände des Wettbewerbsverstoßes, jedenfalls aber der ihn begründenden Tatsachen: Sie kennen die Anreizstruktur, nutzen dies aus und legen diese nicht offen. Darin liegt ein bewusstes und gewolltes Zusammenwirken von LO mit den bei ihr registrierten Produkttester zur Irreführung der Verbraucher. Es liegt ein klassischer Fall arbeitsteiliger Verwirklichung des Wettbewerbsverstoßes in Gestalt der Mittäterschaft vor, der von LO und den Produkttestern auch genau so gewollt ist.
Randnummer74
6. Der Beklagte persönlich ist als Mittäter sämtlicher der unter 1. bis 5. dargelegten Wettbewerbsverstöße (Ziffern 1.a) bis e) des Tenors), welchen die drei Anbieter SD, AS und LO teilweise in Mittäterschaft mit den bei ihnen registrierten Produkttestern, teilweise in Mittäterschaft mit den Drittverkäufern als ihren Kunden und teilweise in Alleintäterschaft begangen haben, anzusehen und als solcher für die Verstöße von SD, AS und LO gegen §§ 3, 5a Abs. 6 UWG bzw. § 5 Abs. 1 UWG verantwortlich. Er verwirklicht die zu den Wettbewerbsverstößen führenden Tathandlungen zwar nicht persönlich, übt jedoch maßgeblichen Einfluss auf das in den Tathandlungen zum Ausdruck kommende Geschäftsmodell von SD, AS und LO aus, so dass er auf dieser Grundlage als Mittäter sämtlicher Tathandlungen durch die drei Portal-Anbieter anzusehen ist.
Randnummer75
aa) Im Hinblick auf die Wettbewerbsverstöße von SD ergibt sich die mittäterschaftliche Haftung des Beklagten aus seiner Stellung als Mehrheitsgesellschafter und Geschäftsführer wegen aktiven Tuns oder aber aufgrund einer deliktischen Garantenstellung, da er das wettbewerbswidrige Geschäftsmodell in seiner ganzen Bandbreite selbst ins Werk gesetzt hat. Zudem hat er zwar, wenn auch – wie unter 1.a) aa) ausführlich dargelegt – in unzureichender Weise Vortrag zur seiner Ansicht nach mangelnden Wettbewerbswidrigkeit des Geschäftsmodells von SD vorgetragen, jedoch in keiner Weise seine Rolle bei der Schaffung dieses Geschäftsmodells in Abrede gestellt.
Randnummer76
bb) Im Hinblick auf die Wettbewerbsverstöße von AS ergibt sich die mittäterschaftliche Haftung des Beklagten aus einer Gesamtschau und -würdigung der Umstände, aufgrund derer die Kammer zu der Überzeugung gelangt ist, dass der Beklagte das in den dargelegten wettbewerbswidrigen Tathandlungen zum Ausdruck gekommene Geschäftsmodell aktiv gesteuert hat.
Randnummer77
Dazu hat man sich zunächst zu vergegenwärtigen, dass der Beklagte Geschäftsführer der PAS GmbH ist, die 100% der Anteile der AS LLC hält. Er ist zudem Alleingesellschafter der SAC GmbH, die 40% der Anteile an der PAS GmbH und 75% der Anteile an der SD GmbH hält, deren Geschäftsführer er ebenfalls ist. Die gesellschaftsrechtlichen Verbindungen, aber auch die Geschäftsführung der zwei Gesellschaften, die am nächsten am operativen Geschäft dran sind, vereinigen sich somit in der Person des Beklagten. Berücksichtigt man nun noch, dass diese Gesellschaften ihren Sitz allesamt am selben Ort in Langenfeld haben, dass die SD zeitlich zuerst ein entsprechendes Geschäftsmodell betrieben hat, welches der Beklagte ins Werk gesetzt hat, dass die AS LLC zahlreiche Textpassagen, Layoutgestaltungen, Fotos und die Nutzungsbedingungen infolge einer unstreitigen Gestattung durch die SD GmbH übernommen hat und dass, vom Beklagten ebenfalls als solches unbestritten, auf der offiziellen Webseite der SD GmbH, SD.de, die Weiterführung des Angebots von AS durch SD angekündigt war, stattdessen sodann aber – was aufgrund der gesellschaftsrechtlichen Verflechtung anders kaum denkbar ist – anstelle einer Einstellung von AS ein neues, auf SD aufbauendes, aber darüber hinausgehendes Angebot aufgebaut wurde, wird mehr als deutlich, das die beiden Portale nicht nur über gesellschaftsrechtliche Beteiligungen, sondern vermittelt durch die Person des Beklagten auch personell und inhaltlich verflochten sind.
Randnummer78
Vor diesem Hintergrund spricht alles dafür, dass der Beklagte als Geschäftsführer der PAS GmbH, die 100% der Anteile der AS LLC hält, maßgeblichen Einfluss auf die Ausgestaltung des Geschäftsmodells von AS genommen hat. Auch wenn die neu gegründete AS LLC die Webseite AS.com nur von der S. Internet GmbH übernommen hat, ist das Geschäftsmodell unter maßgeblicher Anlehnung bzw. Übernahme des Geschäftsmodells von SD neu ins Werk gesetzt worden. Berücksichtigt man, dass der Beklagte Geschäftsführer der SD GmbH ist, drängt es sich auf, dass er es war, der auch das Geschäftsmodell der AS LLC auf AS.com neu ins Werk gesetzt hat. Dass Letzteres durch die georgische Geschäftsführerin O geschehen ist, liegt fern, wenn man sich vergegenwärtigt, dass AS.com auf den deutschen Markt ausgerichtet war, indem die gesamte Webseite einschließlich der AGB in deutscher Sprache verfasst war, deutsches Recht für anwendbar erklärt wurde und die Produkttester ein Konto auf amazon.de haben mussten. Vielmehr erscheint es nahezu unausweichlich, dass die georgische Gesellschaft nur vorgeschoben ist, um einer Haftung zu entgehen, beide Portale jedoch nicht nur beteiligungsmäßig bei dem Beklagten zusammen laufen, sondern auch inhaltlich von dem Beklagten gesteuert und beherrscht werden.
Randnummer79
Angesichts einer Gesamtschau der skizzierten Umstände trifft den Beklagten eine sekundäre Darlegungslast im Hinblick auf seine fehlende aktive Steuerung des Geschäftsmodells und der daraus resultierenden Tathandlungen von AS. Aufgrund der von der Klägerin vorgetragenen, konkreten Anhaltspunkte für die aktive Steuerung durch den Beklagten und seiner gesellschaftsrechtlichen Stellung als Geschäftsführer der Alleingesellschafterin der AS LLC war es ihm dabei tatsächlich wie rechtlich möglich und zumutbar, nähere Angaben zu einer abweichenden Steuerung des Geschäftsmodells und der damit verbundenen Tathandlungen der AS LLC zu machen. Aus § 138 Abs. 1 und 2 ZPO folgt insofern, dass sich jede Partei über die vom Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären hat und dass dies vollständig und der Wahrheit gemäß zu erfolgen hat (OLG Frankfurt GRUR-RS 2020, 45913 Rn 27). Vor diesem Hintergrund kann sich der Beklagte nicht darauf beschränken, seine Verantwortlichkeit schlicht in Abrede zu stellen. Mehr hat er jedoch nicht getan, indem er lediglich pauschal und ohne nähere Substantiierung vorgetragen hat, er selbst habe das in Rede stehende Angebot von AS weder selbst ins Werk gesetzt noch in Auftrag gegeben. Dazu, wer es nach seiner unstreitigen Gründung der AS LLC ersonnen, ins Werk gesetzt und fortlaufend gesteuert hat, ist der Beklagte jeglichen Vortrag schuldig geblieben. Im Gegenteil: Er hat nicht bestritten, dass zahlreiche Texte, Layouts und die Nutzungsbedingungen von der SD GmbH stammen, deren Geschäftsführer er ist, und mit keinem Wort erklärt, wie eine georgische Gesellschaft mit einer georgischen Geschäftsführerin ein komplett in deutscher Sprache verfasstes und in seiner rechtlichen Ausgestaltung auf den deutschen Markt ausgerichtetes Portal ins Werk gesetzt und fortlaufend gesteuert haben will. Andere Verantwortliche, die dazu in der Lage gewesen sein könnten, hat er ebenfalls nicht benannt. Damit ist er seiner sekundären Darlegungslast nicht nachgekommen.
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Angesichts des insofern zur Überzeugung der Kammer feststehenden aktiven Ins-Werk-Setzens und der fortlaufenden Steuerung des Geschäftsmodells der AS LLC, das in den wettbewerbswidrigen Tathandlungen zum Ausdruck kommt, hat der Beklagte nach den oben skizzierten Grundsätzen die für eine neben dem Portal-Anbieter bestehende Mittäterschaft mit den Produkttestern und Drittanbietern notwendige Tatherrschaft inne, so dass seine Verantwortlichkeit ungeachtet der Tatsache gegeben ist, dass er nicht Geschäftsführer der AS LLC ist. Während AS eine Tatherrschaft kraft gemeinschaftlicher Ausführung des Geschäftsmodells mit den Produkttestern und Drittverkäufern innehat, hat der Beklagte eine Tatherrschaft kraft Kontrolle und Steuerung des von AS ausgeführten Geschäftsmodells inne.
Randnummer81
cc) Im Hinblick auf die Wettbewerbsverstöße von LO ergibt sich die mittäterschaftliche Haftung des Beklagten erneut aus einer Gesamtschau und -würdigung der Umstände, welche die Kammer ebenfalls zu der Überzeugung haben gelangen lassen, dass der Beklagte das in den wettbewerbswidrigen Tathandlungen zum Ausdruck gekommene Geschäftsmodell auch der LO LLC aktiv gesteuert hat.
Randnummer82
Die Situation stellt sich insofern von der AS LLC abweichend dar, als weder der Beklagte noch von ihm beherrschte oder geführte Gesellschaften gesellschaftsrechtliche Verbindungen zu der LO LLC aufweisen. Zahlreiche andere Indizien weisen jedoch darauf hin, dass der Beklagte die inhaltliche Gestaltung des Geschäftsmodells ebenfalls in Werk gesetzt hat und fortlaufend steuert. Dazu ist zunächst zu berücksichtigen, dass die LO LLC von derselben Geschäftsführerin geführt wird, die auch die AS LLC führt, welche der Beklagte vermittelt durch die PAS GmbH, deren Geschäftsführer er ist, beherrscht. Zwar ist der Webauftritt auf LO.com nicht mehr so auf den deutschen Markt fixiert wie jener von AS, die AGB enthalten aber nach wie vor eine Rechtswahl zugunsten deutschen Rechts und der Support erfolgt über eine deutsche Telefonnummer. Zudem sind ebenso wie bei AS einige Textpassagen von SD übernommen worden, wobei sich der gesamte Webauftritt in Layout, Ausgestaltung der Abonnements und Preise sowie zahlreicher Textpassagen nunmehr an AS.com orientiert. Dies führt zu dem zentralen Indiz für ein aktives Ins-Werk-Setzen und die anschließende Steuerung der LO LLC bzw. ihres Geschäftsmodells durch den Beklagten: der unstreitigen, dauerhaften Umleitung von AS.com auf LO.com und der ebenfalls unstreitigen Fortführung der mit AS abgeschlossenen Abonnements durch LO, der so weit geht, dass die Abonnenten nahtlos unter LO auf ihre unter AS angelegten Kampagnen zugreifen und diese verwalten können. Dies verdeutlicht in einer keinen vernünftigen Zweifel zulassenden Deutlichkeit, dass AS sein Geschäftsmodell, vor allem aber seine Geschäftstätigkeit schlicht auf LO mit der Folge übertragen hat, dass der Beklagte nun nicht mehr das Geschäftsmodell von AS, sondern das von LO steuert, welches sich inhaltlich kaum unterscheidet. Diese Übertragung des Geschäftsmodells von AS auf LO per Verlinkung lässt – auch wegen der zeitlichen Koinzidenz der Gründung der LO LLC mit der Verlinkung von AS.com keinen anderen Schluss zu, als dass der Beklagte das Geschäftsmodell auch von LO ungeachtet seiner fehlenden gesellschaftsrechtlichen Beteiligung aktiv ins Werk gesetzt hat und fortlaufend steuert.
Randnummer83
Bei einer Gesamtwürdigung der skizzierten Umstände trifft den Beklagten erneut eine sekundäre Darlegungslast, der er nicht dadurch entkommen kann, dass er sich auf den formalen Standpunkt zurückzieht, keine gesellschaftsrechtliche Verbindung zur LO LLC zu haben. Dies ergibt sich insbesondere aus der Verlinkung des Portals von AS, das er beherrscht, auf das Portal von LO, zu der sich der Beklagte mit keinem Wort äußert. Einer solchen Verlinkung müssen insbesondere angesichts der Fortführung der Abonnements Vereinbarungen zugrunde liegen, aus denen sich die Steuerung und Verantwortung für die beiden Portale ergibt und zu denen sich der Beklagte hätte äußern können und müssen. Dies wird durch die Übernahme des Layouts und der Abonnement- und Preisstrukturen noch untermauert. Angesichts dessen ist es auch nicht ausreichend, schlicht zu behaupten, Frau O. habe die LO LLC gegründet, führe die Gesellschaft und die Konzeptionierung und Erstellung der Webseite LO.com einschließlich von Verlinkungen sei durch Webdesigner und Online-Redakteure der LO LLC erfolgt, ohne auf die Verlinkung von AS.com auf LO.com einzugehen, die nicht durch die LO LLC, sondern durch die AS LLC oder allenfalls beide gemeinschaftlich erfolgt ist, so dass der Beklagte hierzu näher hätte vortragen können. Der Vortrag des Beklagten ist insofern bereits viel zu unsubstantiiert und verhält sich nicht zu den entscheidenden Indizien, so dass es gar nicht darauf ankommt, dass der Beklagte sie unter den Zeugenbeweis von Frau O. gestellt hat.
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Angesichts des insofern zur Überzeugung der Kammer feststehenden aktiven Ins-Werk-Setzens und der fortlaufenden Steuerung des Geschäftsmodells der LO LLC hat der Beklagte auch die für eine neben der LO LLC bestehende Mittäterschaft mit den Produkttestern und Drittanbietern notwendige Tatherrschaft inne, so dass seine Verantwortlichkeit ungeachtet der Tatsache gegeben ist, dass er weder Gesellschafter noch Geschäftsführer der LO LLC ist.
Randnummer85
2. Ein Auskunftsanspruch gemäß § 242 BGB steht der Klägerin gegen den Beklagten nur im Umfang des geltend gemachten unselbständigen, nicht hingegen im Umfang des selbständigen Auskunftsanspruchs zu.
Randnummer86
a) Angesichts der unter 1. erörterten Wettbewerbsverletzungen steht der Klägerin gegen den Beklagten aus § 242 BGB ein Anspruch auf Auskunftserteilung betreffend die Handlungen nach Ziffer 1 des Tenors zu, die – wie unter Ziffer 2 des Tenors ausgeführt – insbesondere die Amazon-Standard-Identifikationsnummern („ASIN“) zu den Produkten, für die Kundenrezensionen in Auftrag gegeben wurden, die Verkäufer-Accounts, für die Verkäufer-Rezensionen in Auftrag gegeben wurden, die Anzahl und den Zeitpunkt der Veröffentlichung der Rezensionen, den Text der Kunden- und/oder Verkäuferrezensionen sowie die Kundenrezensionen, für die „Nützlich“-Markierungen in Auftrag gegeben wurden, umfasst.
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b) Ein darüber hinausgehender Auskunftsanspruch gerichtet auf die Namen und Adressen der Kunden der drei Portal-Anbieter steht der Klägerin hingegen nicht zu.
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Neben dem unselbständigen, akzessorischen Auskunftsanspruch folgt aus dem gesetzlichen Schuldverhältnis zwischen Anspruchsteller und Verletzer in Verbindung mit § 242 BGB unter bestimmten Voraussetzungen auch ein selbständiger Auskunftsanspruch zur Vorbereitung von Ansprüchen gegen Dritte. Die Rechtsprechung hat einen solchen insbesondere für solche Fallkonstellationen bejaht, in denen der durch die Wettbewerbsverletzung geschaffene Störungszustand letztlich nur zu beseitigen ist, wenn auch gegen Dritte vorgegangen werden kann, so etwa in Fällen des ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes nach § 4 Nr. 3 UWG (etwa BGH GRUR 1994, 630, 633 – Cartier-Armreif), der Rufausbeutung oder -beeinträchtigung nach § 6 Abs. 2 Nr. 4 und 6 UWG (BGH GRUR 2010, 343 Rn 35 ff – Oracle), des Vertriebs decodierter Ware durch Außenseiter eines legalen Vertriebssystems (BGH GRUR 2001, 841, 842 – Entfernung der Herstellungsnummer II), der Verbreitung geschäftsschädigender Äußerungen Dritter (BGH GRUR 1995, 427, 429 – Schwarze Liste) und eines Wettbewerbsverstoßes durch dem Verletzten nicht bekannte Mitarbeiter und Beauftragte eines Unternehmers iSd. § 8 Abs. 2 UWG. (siehe die Übersicht bei Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, 39. Aufl. 2021, § 9 UWG Rn 4.2). Dies ist bei der Verbreitung irreführender Werbeaussagen wegen der fehlenden Vergleichbarkeit der tatsächlichen Ausgangskonstellationen (zumindest unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten) häufig nicht der Fall (Fritzsche in: Gloy/Loschelder/Danckwerts, Handbuch des Wettbewerbsrechts, 5. Aufl. 2019, § 79 Rn 76).
Randnummer89
So verhält es sich auch im vorliegenden Fall. Der hier in Rede stehende Sachverhalt unterfällt keiner der von der Rechtsprechung anerkannten, wenn auch nicht abschließenden Fallgruppen und ist bei umfassender Interessenabwägung iRd. § 242 BGB auch nicht mit den genannten Fallgruppen vergleichbar.
Randnummer90
Selbst wenn man das von der Klägerin ins Feld geführte Interesse daran, den von ihr aufgebauten Ruf des Amazon Marketplace zu erhalten, berücksichtigt und dabei bedenkt, dass wegen der Verwendung einer einheitlichen ASIN auch von der Klägerin angebotene Produkte mit derlei „gekauften“ Bewertungen versehen werden können, überwiegt dieses Interesse nicht gegenüber dem legitimen Interesse des Beklagten und der von ihm beherrschten Plattformanbieter daran, die Daten ihrer Kunden geheim zu halten, auch wenn man in Rechnung stellt, dass von diesem Interesse aufgrund des wettbewerbswidrigen Handelns des Beklagten ein Abschlag zu machen ist. Dies ergibt sich insbesondere daraus, dass – insofern abweichend von den von der Rechtsprechung anerkannten Fallgruppen – hier kein Verstoß gegen unmittelbar einen Wettbewerber, hier die Klägerin, schützende Normen des Wettbewerbsrechts in Rede steht, sondern gegen die unmittelbar nur die Verbraucher und die Allgemeinheit schützenden Irreführungsverbote der §§ 5, 5a UWG, die insofern auch keine übergeordneten, in einer Interessenabwägung möglicherweise überwiegenden Interessen der Allgemeinheit, etwa den Gesundheitsschutz oder die Produktsicherheit in besonders gefährdeten Bereichen, betreffen (in diese Richtung auch OLG Frankfurt GRUR-RS 2020, 16134 Rn 17).
Randnummer91
Ebenso wenig führt das Argument der Klägerin, ohne Kenntnis der Drittanbieter, die derartige Kampagnen starten würden, könne die Quelle der Rechtsverletzungen nicht zum Versiegen gebracht werden, da sich diese schlicht nach neuen Rezensionsanbietern umsehen würden, dazu, dass das Informationsinteresse der Klägerin gegenüber dem Geheimhaltungsinteresse des Beklagten überwiegt. Mithilfe der ihr gewährten Unterlassungs- und Auskunftsansprüche kann die Klägerin die Löschung aller wettbewerbswidrigen Rezensionen und Nützlich-Markierungen auf amzon.de erreichen und damit den durch die angegriffenen Wettbewerbshandlungen geschaffenen Störungszustand beseitigen. Sofern sich die Drittverkäufer neue Rezensionsanbieter suchen, ist es der Klägerin zuzumuten, erneut gegen eben jene Rezensionsanbieter vorzugehen und auf diese Weise den Markt von unlauter erlangten Rezensionen zu bereinigen, um den Ruf des Amazon Marketplace und ihres eigenen Angebots zu erhalten bzw. wieder herzustellen. Zudem ist davon auszugehen, dass Drittverkäufer, denen die Unlauterkeit „gekaufter“ Rezensionen einmal mit der Konsequenz ihrer Löschung deutlich geworden ist, derartige Rezensionskampagnen auch bei anderen Anbietern nicht mehr buchen werden, da sich die Investition im Falle des Auffliegens des Rezensionsanbieters als verloren darstellt.
Randnummer92
3. Der Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten ist nur zum Teil begründet.
Randnummer93
a) Der Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten für die Abmahnung vom 25.04.2019 ist gemäß § 11 Abs. 1 und 2 UWG verjährt; der Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben. Die Klägerin hat die Erstattung erstmals mit der Klage geltend gemacht. Diese wurde mit Schriftsatz vom 27.11.2019 eingereicht, während die Forderung gemäß § 11 Abs. 2 UWG bereits am 25.10.2019 verjährt ist. Die Aufforderung zur Erstattung der Abmahnkosten vom 08.10.2019 hat nicht zu einer Hemmung der Verjährung geführt; insbesondere begründet eine derart einseitige Aufforderung keine verjährungshemmende Verhandlung iSd. § 203 BGB.
Randnummer94
b) Der Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten für die Abmahnung vom 07.08.2020, der infolge der Zustellung des klageerweiternden Schriftsatzes am 07.12.2020 nicht verjährt ist, besteht nach § 13 Abs. 3 UWG n.F. bzw. § 12 Abs. 1 S. 2 UWG a.F.; der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 288 Abs. 1, 291 BGB und besteht lediglich in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz. Eine Zinsforderung gem. § 288 Abs. 2 BGB i. H. v. 9 Prozentpunkten setzt eine Entgeltforderung voraus. Dies betrifft Forderungen, die auf Zahlung eines Entgelts für die Lieferung von Gütern oder die Erbringung von Dienstleitungen gerichtet sind. Auf Schadensersatz, Vertragsstrafen, GoA u. s. w. findet diese Bestimmung nach ständiger Rechtsprechung der Kammer keine Anwendung (vgl. auch EuGH, Urteil v. 9.7.2020 – C-199/19, BeckRS 2020, 15190, beck-online; Palandt/Grüneberg, BGB, 80. Aufl. 2021, § 286 Rn. 27).

III.
Randnummer95
1. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 S. 1 und 2 ZPO.
Randnummer96
2. Die Festsetzung des Streitwerts unter Ziffer 7 des Tenors erfolgte gemäß § 51 Abs. 2 GKG. Dabei entfällt auf die Unterlassungsanträge nach Ziffern I.a) bis d) der Klage jeweils ein Streitwert von 45.000,- €, auf die Klageerweiterung nach Ziffer I.e) ein Streitwert von 100.000,-, da sie einen von den Ziffern I.a) bis d) unabhängigen Wettbewerbsverstoß zum Gegenstand hat, und auf den Auskunftsantrag unter Ziffer II. der Klage ein Streitwert von 20.000,- €.

I