LG Hanau: Verein pro Verbraucherschutz e.V. wird mit Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen / Alkohol-Testkauf an Tankstellen durch Minderjährige ist ordnungswidrig

veröffentlicht am 6. Oktober 2010

Rechtsanwalt Dr. Ole DammLG Hanau, Urteil vom 14.09.2010, Az. 6 O 104/10 §§ 3, 4 Nr. 11 UWG iV.m. § 9 Abs. 1 Nr. 2 JuSchuG

Das LG Hanau hat einen Antrag des Vereins pro Verbraucherschutz e.V. auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Im vorliegenden Fall sollte dem Pächter einer Tankstelle ein Verstoß gegen das Jugendschutzgesetz, der gleichzeitig ein Wettbewerbsverstoß ist, nachgewiesen werden. Zu diesem Zweck beauftragte der Verein einen Jugendlichen (17-jährig) zum Erwerb eines alkoholhaltigen Getränks in der Tankstelle unter Aufsicht einer erwachsenen Begleitperson. Der Alkohol wurde dem Testkäufer ohne Prüfung eines Ausweises ausgehändigt. Zum Nachweis eines Wettbewerbsverstoßes ließ das Gericht den durchgeführten Testkauf jedoch nicht gelten und lehnte den Erlass einer einstweiligen Verfügung ab. Die mit dem Testkauf gewonnenen Ergebnisse seien nicht verwertbar. Es sei anerkannt, dass Testmaßen unlauter seien, wenn keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine begangene oder bevorstehende Verletzung vorlägen und der Tester vielmehr lediglich die Absicht verfolge, mit verwerflichen Mitteln, insb. mit strafbaren oder rechtswidrigen Handlungen oder besonderen Verführungskünsten auf einen Wettbewerbsverstoß hinzuwirken. Eine Wiederholungs- oder Erstbegehungsgefahr des Tankstellenpächters hinsichtlich Verstößen gegen das Jugendschutzgesetz sei bei Außerachtlassung des Testkaufes nicht erkennbar. Zum Volltext der Entscheidung:

Landgericht Hanau

Urteil

In dem Rechtsstreit Verein pro Verbraucherschutz e. V. gegen … hat die 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Hanau durch … aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 14.09.2010 für Recht erkannt:

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Verfügungskläger auferlegt. Der Verfahrenswert wird auf 15.000,- € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten um einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch und dabei insb. um die Frage, ob der Kläger Verstöße gegen Alkoholabgabeverbote an Jugendliche verfolgen darf, wenn diese im Rahmen von durch den Kläger initiierten Testkäufen mit minderjährigen Käufern erfolgen. Der Verfügungskläger ist aufgrund Bescheid des Bundesamts für Justiz vom 23.03.2010 seit dem 01.04.2010 als qualifizierte Einrichtung im Sinne von § 8 III Nr. 3 UWG in die Liste nach § 4 UKlaG eingetragen und führt mit Minderjährigen breit gestreut Testkäufe durch. Die Verfügungsbeklagte betreibt eine Tankstelle, an welcher außer Treibstoff für Kraftfahrzeuge u. a. auch alkoholische Getränke erworben werden können. Der Verfügungskläger behauptet, am 27.07.2010 habe sich in seinem Auftrag der am 17.09.1993 geborene  …in Begleitung der erwachsenen Testperson … in die Verkaufsstelle des Beklagten begeben. Der Testkäufer habe den Laden betreten, das alkoholhaltige Getränk, Jack Daniels & Cola (10 % Alkoholanteil), aus dem Regal genommen, an der Kasse vorgezeigt, bezahlt und nach Verlassen der Verkaufsräume die Alkoholika der Begleitperson ausgehändigt. Die Begleitperson habe unabhängig von dem Testkäufer den Laden betreten und den Vorgang die ganze Zeit über beobachtet. Mit Scheiben vom 03.08.2010 hat der Verfügungskläger die Verfügungsbeklagte wegen dieses Sachverhaltes vergeblich zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung und Ersatz der Kostenpauschale in Höhe von 150,- € aufgefordert (Anlage GI 6, BI. 25). Der Verfügungskläger ist der Ansicht, die Verfügungsbeklagte habe durch den Verkauf des alkoholischen Getränks an einen Minderjährigen gegen Verbraucherschutzvorschriften (§ 9 I JuSchG) verstoßen; er habe gegen diese daher einen Unterlassungsanspruch aus den §§ 3,4 Nr. 11, 8 111 Nr. 3 UWG.

Der Verfügungskläger ist der Ansicht, die Testkäufe seien zulässig gewesen. Den Tatbestand des § 28 IV JuSchG hätten er nicht erfüllt, da die Testkäufer den Alkohol unmittelbar nach dem Testkauf an die erwachsene Begleitperson herausgegeben hätten. § 28 Abs. 1 Nr. 10 JuSchG beziehe sich nur auf den Verzehr von Alkohol durch Jugendliche nicht auf den Besitz.

Dies zeige schon der Umstand, dass Testkäufe mit Minderjährigen in einzelnen Bundesländern (Niedersachsen, Hamburg) von Ordnungsämtern und Verbraucherschutzzentralen vielfach vorgenommen würden.

Der Verfügungskläger beantragt, der Verfügungsbeklagten aufzugeben, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- €, ersatzweise Ordnungshaft oder der Ordnungshaft bis zu 6 Monaten zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des geschäftlichen Handeins Jack Daniels & Cola an Jugendliche unter 18 Jahren abzugeben. Die Verfügungsbeklagte beantragt, den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen. Die Verfügungsbeklagte hält den Kläger nicht für prozessführungsbefugt und anspruchsberechtigt. Gemäß § 8 Abs. 4 UWG sei im Missbrauchsfall die Geltendmachung von Abwehransprüchen unzulässig. Auf Testmaßnahmen gestützte Unterlassungsklagen seien rechtsmissbräuchlich, wenn die Tester mit verwerflichen Mitteln vorgingen. Die Anstiftung von Jugendlichen zum Alkoholkauf stelle eine Ordnungswidrigkeit nach § 28 Abs. 4 JuSchG dar. § 28 Abs. 1 Nr. 10 JuSchG verbiete nicht nur das Hinwirken auf den Konsum, sondern bereits die Förderung der Abgabe von Alkohol an Jugendliche.

Der Kläger verfolge die Interessen des Jugendschutzes nur nachrangig; tatsächlich ziele seine Vorgehensweise nur darauf ab, einen Anspruch auf Erstattung von Rechtsverfolgungskosten entstehen zu lassen. Der Vorsitzende des Klägers sei bereits im Zusammenhang mit anderen angeblichen verbraucherschützenden Vereinen aufgetaucht. Auch der Klägervertreter sei bereits als Abmahnanwalt aufgefallen.

Die Verfügungsbeklagte bestreitet den Vorfall am 27.07.2010 mit Nichtwissen. Es fehle auch an der entsprechenden Glaubhaftmachung. Die eidesstattlichen Versicherungen des Testkäufers und der erwachsenen Begleitperson seien vorgefertigt und nicht aussagekräftig. Sollte ein Verkauf erfolgt sein, so habe das seinen Grund darin, dass der Käufer deutlich älter als 18 Jahre gewirkt habe. Die Verfügungsbeklagte behauptet, sämtliche Mitarbeiter wiederholt und regelmäßig geschult und angewiesen zu haben, Alkohol an minderjährig wirkende Personen nicht, bzw. nur nach Vorlage des Personalausweises, der belege, dass die Person erwachsen ist, zu verkaufen. Die Verfügungsbeklagte ist der Ansicht, es fehle an einem Rechtsbruch im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG. Die Vorschriften des Jugendschutzgesetzes seien nicht marktbezogen. Wegen des weiteren Sachvortrages der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung ist zurückzuweisen. Der klagende Verein kann von der Beklagten Unterlassung der Abgabe von Jack Daniels & Cola an Jugendliche unter 18 Jahren nicht verlangen. Ein dahingehender Anspruch folgt nicht aus §§ 3,4 Nr. 11 UWG iV.m. § 9 Abs. 1 Nr. 2 JuSchuG. Es steht außer Frage, dass die Abgabe alkoholhaltiger Getränke an Jugendliche gegen das Jugendschutzgesetz verstößt und es ist auch davon auszugehen, dass es sich bei diesen Vorschriften um Marktverhaltenregelungen handelt.

Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 2.08.2007 (I ZR 18i04 zitiert nach juris) entschieden, dass die Beschränkungen des Versandhandels mit jugendgefährdenden Medien auch wettbewerbliche Interessen der Verbraucher schützt. In Fortführung dieser Rechtsprechung ist deshalb zu folgern, dass auch den übrigen Regelungen des Jugendschutzgesetzes im Zusammenhang mit dem Bezug von Waren die Qualität von Marktverhaltensregeln (Rn. 34, 35 des vorgenannten Urteils, so auch Hefermehl/Köhler, 27. Aufl., Rn. 11.35d zu § 4 UWG) zukommt.

Der Antrag hat aber in der Sache keinen Erfolg, weil die zur Begründetheit eines Unterlassungsanspruchs notwendige Begehungsgefahr nicht ausreichend glaubhaft gemacht ist; jedenfalls der klageweisen Geltendmachung der rechtsvernichtende Einwand der unzulässigen Rechtsausübung (vgl. Baumbach/Köhler, a.a.O., Rn 4.4 zu § 8 UWG) entgegensteht. Soweit die Verfügungsklägerin eine Wiederholungsgefahr deshalb als gegeben ansieht, weil die Verfügungsbeklagte, bzw. deren Mitarbeiter, für deren Verhalten sie einstehen muss, am 27.07.2010 ein alkoholhaltiges Getränk an einen knapp 17-jährigen Jugendlichen verkauft hat und das regelmäßig die Vermutung der Gefahr einer erneuten Begehung begründet, genügt das vorliegend nicht. Weil die Verfügungsbeklagte diese Erkenntnis nur dadurch erworben hat, dass sie einen Testkauf durch einen Jugendlichen hat durchführen lassen und damit selbst eine Ordnungswidrigkeit begangen hat, handelt es sich um eine unzulässige Maßnahme. Die damit gewonnenen Ergebnisse sind nicht verwertbar Es ist anerkannt (Baumbach/Köhler, a.a.O., Rn. 10.162 m.w.N.), dass Testmaßen unlauter sind, wenn keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine begangene oder bevorstehende Verletzung vorliegen und der Tester vielmehr lediglich die Absicht verfolgt, mit verwerflichen Mitteln, insb. mit strafbaren oder rechtswidrigen Handlungen oder besonderen Verführungskünsten auf einen Wettbewerbsverstoß hinzuwirken. Das ist hier der Fall. Nur dadurch, dass der Verfügungskläger den Jugendlichen angeworben und den Alkoholtestkauf mit ihm -aller Erfahrung nach gegen Zahlung einer Vergütung- vereinbart hat, kam es zu der in der eidesstattlichen Versicherung vom 27.07.2010 beschriebenen Handlung. Der Verfügungskläger hat damit eine Ordnungswidrigkeit gemäß §§ 28 Abs. 4 JuSchG begangen. Nach § 28 Abs. 1 Nr. 10 JuSchuG handelt ordnungswidrig, wer als Gewerbetreibender alkoholische Getränke an jugendliche Personen abgibt oder einem Jugendlichen den Verzehr von Alkohol gestattet.

Nach § 28 Abs. 4 JuSchuG handelt außerdem ordnungswidrig, wer als Person über 18 Jahren ein Verhalten eines Jugendlichen herbeiführt oder fördert, das durch ein in § 28 Absatz 1 Nr. 10 JuSchuG bezeichnetes Verbot verhindert werden soll.

Der klagende Verein bzw. die Person, die für den klagenden Verein gehandelt hat, hat dadurch, dass er den in der Klageschrift genannten Jugendlichen mit dem Testkauf eines alkoholischen Getränks in der Tankstelle der Beklagten beauftragt hat, das in § 28 Abs. 1 Nr. 10 beschriebene Verhalten eines Jugendlichen, nämlich den Erwerb von Alkohol außerhalb von Privaträumen herbeigeführt. § 28 Abs. 1 Ziff. 10 JuSchG verbietet nicht nur die Gestattung des Verzehrs von Alkohol, sondern bereits die Abgabe an Jugendliche. § 28 Abs. 4 JuSchuG nimmt uneingeschränkt auf § 28 Abs. 1 Ziff 10 JuSchG Bezug. Von daher kann dieser Verweis nur so verstanden werden, dass kein Erwachsener auf einen Jugendlichen einwirken soll, damit dieser alkoholische Getränke erwirbt. Es soll nicht nur verhindert werden, dass Erwachsene den Konsum von Alkohol durch Jugendliche fördern, sondern Jugendliche sollen auch nicht zum Einkaufen von alkoholischen Getränken angehalten werden. Das macht auch Sinn, weil damit erreicht werden soll, dass Jugendliche überhaupt nicht in Versuchung kommen. Soweit die Klägerin damit argumentiert, dass es sich jedenfalls um keine Ordnungswidrigkeit handeln würde, weil durch die Vereinbarung zwischen Testperson und Beobachter gesichert werde, dass der erworbene Alkohol sofort nach Verlassen der Tankstelle der erwachsenen Person ausgehändigt werde und durch die Beaufsichtigung die Vollziehung dieser Vereinbarung auch gesichert sei, ist das nicht zutreffend. Zum Einen kann durch die Herausgabevereinbarung zwischen dem Testkäufer und der Begleitperson nicht sichergestellt werden, dass es zu Alkoholkonsum der minderjährigen Testkäufer nicht kommt. Der Verfügungskläger kann nämlich eine solche Herausgabe – im Gegensatz zur Lage beim behördlichen Testkauf – nicht erzwingen. Der Minderjährige nimmt den Alkohol im Zuge des Eigentumserwerbs in Besitz und ist damit in der Lage, ihn noch an Ort und stelle zu konsumieren, ohne dass die Begleitperson dies auf legalem Wege, insbesondere ohne Anwendung von Gewalt, verhindern könnte.

Zum anderen ist der Tatbestand des § 28 Abs. 4 JuSchG bereits erfüllt durch die Hingabe von Geld und das Losschicken des Jugendlichen durch den Verfügungskläger zum Einkauf alkoholischer Getränke. Tatbestandsmerkmai ist das Fördern oder Herbeiführen der Entgegennahme (=Inbesitznahme) von alkoholischen Getränken durch den Jugendlichen. Auf die Frage, ob der Jugendliche auch Gelegenheit hat, den Alkohol zu konsumieren, kommt es nicht an.

Die Durchführung des Testkaufs zur Ermittlung von Verstößen ist kein Rechtfertigungsgrund, der der Annahme einer Rechtswidrigkeit im Sinne des Ordnungswidrigkeitenrechts entgegensteht. Wie der Bundesgerichtshof bereits in seinem Urteil „Mietwagen-Testfahrt“ (NJW-RR 1989, 428 = LM § UWG § 1 UWG Nr. 505) ausgesprochen hat, können strafbare Handlungen oder Ordnungswidrigkeiten von Testpersonen nicht deshalb hingenommen werden, damit konkurrierende Unternehmen ihre wettbewerblichen Interessen besser verfolgen können. Der Bundesgerichtshof hat insoweit ausgeführt, dass die öffentlichrechtlichen Vorschriften des Personenbeförderungsgesetzes und des Ordnungswidrigkeitengesetzes nicht deshalb zurücktreten, damit ein Mitbewerber die Gesetzestreue seiner Mitbewerber testen kann. Entsprechendes gilt im Hinblick auf Verbraucherverbände. Das Testinteresse gibt keinen Rechtfertigungsgrund für das Begehen einer Ordnungswidrigkeit. Fraglich kann vorliegend allenfalls sein, ob sich der Kläger in einem Irrtum über Rechtfertigungsgründe oder in einem Verbotsirrtum befand, er also glaubte, er handele nicht ordnungswidrig, wenn er einen Jugendlichen zum Testkauf von alkoholischen Getränken anhält und dabei beobachtet. Das bedarf aber keiner näheren Erörterung, weil das nur eine Bestrafung verhindern könnte, hier es aber um die Ebene der objektiven Missbräuchlichkeit der Testmaßnahme geht. Eine Erstbegehungsgefahr ist ebenfalls nicht gegeben. Hierzu müsste vorgetragen und glaubhaft gemacht sein, dass der Verkäufer auch unabhängig von dem ordnungswidrigen Verhalten des Klägers, den Jugendlichen zum Einkaufen von Alkohol zu schicken, sowieso zum Verkauf des Alkohols an Jugendliche bereit ist. Das müsste der Verfügungskläger darlegen und beweisen. Hieran fehlt es. Vielmehr ist auf Grund der seitens der Verfügungsbeklagten zu den Akten gereichten Teilnahmenachweise der Mitarbeiter der Beklagten an Fortbildungsveranstaltungen, die den Komplex Alkoholabgabe an Jugendliche zum Gegenstand hatten, glaubhaft gemacht, dass dieses Problem im Betrieb der Verfügungsbeklagten ernst genommen wird und man an der sachgerechten Behandlung arbeitet.

Da der Verfügungskläger unterlegen ist, hat er die Kosten des Verfahrens nach § 91 ZPO zu tragen.

Die Festsetzung des Werts beruht auf § 3 ZPO.

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