LG Karlsruhe: Bei der Vertragsauslegung einer bei eBay angebotenen Ware ist auch die vom Verkäufer verwendete eBay-Kategorie zu berücksichtigen / Goldverkauf

veröffentlicht am 15. August 2013

LG Karlsruhe, Urteil vom 09.08.2013, Az. 9 S 391/12
§ 434 Abs. 1 S. 1 BGB; § 7 S. 1 FeinGehG

Das LG Karlsruhe hatte darüber zu entscheiden, ob ein bei eBay angebotenes „massives goldenes Armband“ als Armband aus Massivgold oder als golden aussehendes Armband von massiver Form und Gestalt zu interpretieren ist. Der Käufer hatte auf Schadensersatz geklagt, nachdem das Armband nicht aus Gold war. Das Gericht würdigte zu Gunsten des Käufers, dass das Armband in der Kategorie „Edelmetall: Gold“ eingestellt und sowohl im Text wie auch in der Kategorie „Goldanteil“ mit 750er-Gold und 18 Karat näher ausgezeichnet war. Nach § 7 S. 1 FeinGehG bestehe eine Garantiehaftung des Verkäufers für die Richtigkeit des angegebenen Feingehalts. Erst recht habe der Verkäufer sich dann an einer entsprechenden Beschaffenheitsangabe festhalten zu lassen. Der Feingehalt dürfe nach § 8 Abs. 1 FeinGehG bei Gold- und Silberwaren zudem von vornherein nicht angegeben werden, wenn diese mit anderen metallischen Stoffen ausgefüllt seien. Die Vorschriften dienten dem Schutz des Vertrauens, reelle Gold- und Silberware zu erhalten. Damit sei der Verkehrs- und Vertrauensschutz bei solchen Waren deutlich gegenüber dem Verkauf sonstiger Artikel gesteigert. Dies beeinflusst die Auslegung, welche Beschaffenheit die Parteien vorliegend vereinbart hätten. Zum Volltext der Entscheidung:


Landgericht Karlsruhe

Urteil

1.
Die Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts Karlsruhe vom 17.07.2012 – 7 C 76/12 – wird zurückgewiesen.

2.
Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3.
Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.
Die Parteien streiten über Ansprüche aus dem Verkauf eines vergoldeten Armbands auf der Auktionsplattform Ebay. Die Klägerin hatte das Armband in der Kategorie „Edelmetall: Gold“ als „massives goldenes Armband“ unter Angabe eines Goldanteils von „750er/18 kt.“ eingestellt, woraufhin der Beklagte es zum Preis von EUR 500 erwarb. Im Anschluss stellte sich heraus, dass es sich um eine Messinglegierung mit vergoldeter Oberfläche handelte. Auf Veranlassung des Beklagten kam es zur Rückabwicklung des Kaufvertrages.

Von der weiteren Darstellung des Sachverhalts wird gemäß §§ 540, 313a ZPO abgesehen und auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das Amtsgericht hat den klägerischen Anspruch auf Kaufpreiszahlung i.H.v. EUR 500 Zug um Zug gegen erneute Übergabe und Übereignung des Armbandes als unbegründet abgewiesen. Der Beklagte sei wirksam zurückgetreten, da das Armband nicht die vereinbarte Beschaffenheit von massivem 18-karätigem Gold habe. Eine solche Vereinbarung ergebe sich aber im Wege der Auslegung des Anzeigetextes. Auf die Widerklage des Beklagten hin hat das Amtsgericht diesem einen Schadensersatzanspruch i.H.v. EUR 1559,75 zugesprochen, welcher sich aus dem Materialpreis für ein derartiges massives Goldarmband abzüglich des Kaufpreises von EUR 500 zusammensetzt.

Gegen das ihr am 03.08.2012 zugestellte amtsgerichtliche Urteil legt die Klägerin am 03.09.2012 Berufung ein und verfolgt damit ihr erstinstanzliches Begehren weiter. Aus dem Wortlaut der Anzeige ergebe sich klar, dass lediglich ein massives, goldenes Armband, keinesfalls jedoch ein Armband aus Massivgold zum Verkauf gestanden habe. Es sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin als Laie die genaue Qualität gar nicht gekannt und nur die Stempelung – zutreffend – wiedergegeben habe. Der Beklagte sei daher weder zum Rücktritt berechtigt gewesen, noch stehe ihm der zugesprochene Schadensersatzanspruch zu. Auch sei nicht bewiesen worden, dass er das Armband zu dem geltenden gemachten Preis hätte weiterverkaufen können.

Hilfsweise rechnet die Klägerin mit einem Schadensersatzanspruch i.H.v. EUR 49,98 auf, da der Beklagte das Armband in beschädigter Form zurückgeschickt habe.

Die Klägerin beantragt: Unter Abänderung des amtsgerichtlichen Urteils vom 17.07.2012 – 7 C 76/12 – wird der Beklagte verurteilt, an die Klägerin EUR 500 nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 31.05.2011 sowie Mahnkosten i.H.v. EUR 20 und EUR 83,54 vorgerichtliche Anwaltskosten Zug um Zug gegen Übergabe des gemäß Kaufvertrags vom 22.11.2010 erworbenen und unter Artikel-Nr. … am 17.11.2010 auf der Auktionsplattform www.ebay.de angebotenen Damenarmbands zu zahlen.

Die Widerklage wird abgewiesen.

Der Beklagte beantragt Zurückweisung der Berufung und verteidigt das angefochtene Urteil. Berechtigterweise habe er nach der Artikelbeschreibung der Klägerin davon ausgehen dürfen, dass es sich um ein aus Gold bestehendes Armband handele. Hieran sei die Klägerin unabhängig von ihrem Kenntnisstand gebunden. Dies gelte umso mehr in Hinblick auf den gesteigerten Vertrauensschutz bei der Angabe des Feingehalts von Goldwaren. Der Rücktritt sei daher berechtigt gewesen. Auch der Schadensersatz sei in der ausgeurteilten Höhe begründet, insbesondere stütze sich dieser auf die Gewichtsangaben und nicht auf einen Erlös beim Weiterverkauf. Zu einem Gegenanspruch auf Schadensersatz wegen Beschädigung des Armbandes sei unsubstantiiert vorgetragen.

Ergänzend wird auf das zweitinstanzliche Vorbringen der Parteien Bezug genommen.

II.
Die zulässige Berufung ist in der Sache nicht begründet. Der Klägerin steht kein Anspruch auf Kaufpreiszahlung aus § 433 Abs.2 BGB zu, da der Beklagte wirksam vom Vertrag zurückgetreten ist. Die Widerklage auf Schadensersatz ist – wie vom Amtsgericht zutreffend ausgeführt – begründet.

1.
Als Voraussetzung für einen Rücktritt nach §§ 323, 434 Abs. 1 S. 1, 437 Nr. 2 BGB liegt hier ein Sachmangel des Armbandes in Form einer Abweichung von der zwischen den Parteien getroffenen Beschaffenheitsvereinbarung vor. Dabei ist die gesamte Ebay-Anzeige gemäß §§ 133, 157 BGB auszulegen, wobei insbesondere auch die gesetzlichen Bestimmungen beim Verkauf von Goldwaren zu berücksichtigen sind.

Der reine Anzeigetext mit dem Wortlaut „massives goldenes Armband“ lässt zunächst bei Zugrundelegung eines objektiven Empfängerhorizonts zwei Auslegungsschlüsse zu; darunter kann ein Armband aus Massivgold ebenso verstanden werden wie die Beschreibung eines golden aussehenden Armbands von massiver Form und Gestalt.

Das Gericht geht nicht davon aus, dass die Klägerin die genaue Qualität des Armbandes kannte und darauf spekulierte, durch Verwendung zweideutiger Formulierungen einen Käufer hierüber in die Irre zu führen. Dies ist jedoch unerheblich für die Annahme einer Beschaffenheitsvereinbarung i.S.v. § 434 Abs. 1 S. 1 BGB sowie für das Rücktrittsrecht bei Abweichung hiervon.

Vielmehr muss sich die Klägerin daran festhalten lassen, wie ihre Anzeige insgesamt zu verstehen war (vgl. LG Frankfurt, Urteil vom 31.01.2007 – 2-16 S 3/06 -, juris, Rn. 13). Dabei sind auch ihre Angaben in den sog. Kategorien des Anzeigetextes zu berücksichtigen. Das Armband wurde in der Kategorie „Edelmetall: Gold“ eingestellt. Sowohl im Text wie auch in der Kategorie „Goldanteil“ wird es mit 750er-Gold und 18 Karat näher ausgezeichnet. Eine Relativierung der Kategorienangabe ist dem Text der Anzeige nicht zu entnehmen. Bei Gesamtbetrachtung der Anzeige verdichten sich daher die Merkmale, die nur ein Auslegungsergebnis dahingehend zulassen, dass die Klägerin ein Armband aus Massivgold angeboten hat.

Dies bestätigen auch die Bestimmungen aus dem Feingehaltsgesetz. Nach § 7 S. 1 FeinGehG besteht eine Garantiehaftung des Verkäufers für die Richtigkeit des angegebenen Feingehalts. Erst recht hat der Verkäufer sich dann an einer entsprechenden Beschaffenheitsangabe festhalten zu lassen. Der Feingehalt darf nach § 8 I FeinGehG bei Gold- und Silberwaren zudem von vornherein nicht angegeben werden, wenn diese mit anderen metallischen Stoffen ausgefüllt sind. § 9 I Nr. 4 FeinGehG normiert eine Ordnungswidrigkeit für vorsätzliches oder fahrlässiges Feilhalten von Ware, deren Bezeichnung gegen diese Bestimmungen verstößt. Die Vorschriften dienen dem Schutz des Vertrauens, reelle Gold- und Silberware zu erhalten (vgl. KG, Urteil vom 25.11.1986 – 5 U 6103/85 -, GRUR 1987, 448, m.w.N.). Damit ist der Verkehrs- und Vertrauensschutz bei solchen Waren deutlich gegenüber dem Verkauf sonstiger Artikel gesteigert. Dies beeinflusst die Auslegung, welche Beschaffenheit die Parteien vorliegend vereinbart haben.

Bei dem von der Klägerin unter zweifacher Feingehaltsangabe – in Text und Kategorie – zum Verkauf gestellten Armband handelt es sich tatsächlich – unstreitig und ausweislich des Gutachtens vom 15.01.2011 – um eine Messinglegierung. Lediglich die Oberfläche ist vergoldet. Unabhängig von der Richtigkeit der Angaben bezogen auf die Vergoldung, verstoßen diese angesichts der metallischen Füllstoffe gegen § 8 I FeingehG. Des Weiteren sind solche Feingehaltsstempelungen mit Karatangabe – wie vorliegend „750er/18 kt.“ – gerade als Kennzeichen massiven Goldschmucks verkehrsbekannt. Für lediglich vergoldete Ware dürfen sie wegen der damit verbundenen Qualitätsvorstellungen nicht verwendet werden, da andernfalls der Anschein einer in Wahrheit nicht bestehenden Hochwertigkeit erzeugt wird (vgl. KG, a.a.O., m.w.N.; Bornkamm, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 31. Aufl. 2013, § 5 Rn. 4.31).

Unter sinngemäßer Heranziehung dieser Grundsätze zum Verkauf von Goldwaren ergibt sich, dass die Klägerin die Angaben zum Feingoldgehalt im vorliegenden Fall nicht hätte machen dürfen. Vielmehr konnte ein Käufer, dessen Vertrauen in diesem Bereich gesteigerten Schutz genießt, die Anzeige nur so verstehen, dass es sich um ein Armband aus Massivgold handele. Dies wird durch Einstellen in der Kategorie „Edelmetall: Gold“ noch verstärkt (vgl. den ähnlich gelagerten Fall eines versilberten Teeservices, LG Frankfurt, a.a.O.).

Der Beklagte durfte sich – unabhängig von seiner eigenen Gut- oder Bösgläubigkeit – zudem darauf verlassen, dass die Artikelbeschreibung zutreffend war, nachdem bei Käufen über den virtuellen Marktplatz Ebay eine körperliche Untersuchung der Kaufgegenstände regelmäßig nicht möglich ist. Eine Rückfrageobliegenheit bei der Klägerin traf den Beklagten nicht, vielmehr liegt die Verantwortung für eine eindeutige und zutreffende Artikelbeschreibung beim Anbieter.

Die Abweichung von der Beschaffenheitsvereinbarung berechtigte den Beklagten nach §§ 323, 434 Abs. 1 S. 1, 437 Nr. 2 BGB zu seinem konkludent erklärten Rücktritt.

2.
Auch die Widerklage auf Schadenersatz nach §§ 280 I, III, 281, 434 I 1, 437 Nr. 3 BGB i.H.v. EUR 1559,75 ist begründet. Rücktritt und Schadenersatz können nach § 325 BGB nebeneinander geltend gemacht werden. Die Auslegung hat ergeben, dass die Klägerin ein Armband aus massivem Gold schuldete. Diese Leistungspflicht hat sie mit Übergabe und Übereignung des lediglich vergoldeten Armbandes verletzt. Für die anscheinend in ihrem Auftrag von ihrer Tochter gemachten Angaben auf www.ebay.de haftet die Klägerin nach § 278 BGB.

§ 249 I BGB bestimmt, dass der Geschädigte so zu stellen ist, wie er ohne das schädigende Ereignis stünde. Maßgeblich für die konkret vorzunehmende Schadensberechnung ist auch eine ausbleibende Vermögensmehrung (Grüneberg, in: Palandt, BGB, 72. Aufl., Vorb. v. § 249, Rn. 21). Dabei ist auf den Wert der Sache im Zeitpunkt der Internetauktion abzustellen (OLG Oldenburg, Urteil vom 28.07.2005 – 8 U 93/05 -, NJW 2005, 2556, 2557). Vorliegend errechnet sich der Schaden aus einem unstreitigen Materialpreis für ein solches Goldarmband von EUR 2059,75 im Vertragszeitpunkt. Nach Abzug des Kaufpreises von EUR 500 ergibt sich hieraus der geltend gemachte Schaden. Auf einen etwaigen Erlös beim Weiterverkauf kommt es daher bei der vom Amtsgericht zutreffend vorgenommenen Schadensberechnung nicht an (Grüneberg, a.a.O., Rn. 16).

Die Zinsentscheidung ergibt sich aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB.

3.
Ebenfalls zutreffend hat das Amtsgericht den hilfsweise geltend gemachten Anspruch auf Schadenersatz i.H.v. EUR 49,98 wegen Beschädigung des Armbandes durch den Beklagten abgelehnt. Die Klägerin trifft für die anspruchsbegründende Tatsache, dass eine Beschädigung beim Beklagten eingetreten ist, die Beweislast. Die Würdigung im amtsgerichtlichen Urteil, wonach die Klägerin diesen Beweis nicht führen konnte, ist nicht zu beanstanden, § 529 ZPO. Insbesondere trifft der Kostenvoranschlag vom 24.04.2012 keine Aussage darüber, ob der defekte Verschluss und die vorhandenen Kratzer/Feilspuren vom Beklagten verschuldet wurden.

4.
Die Klägerin hat die Kosten ihrer erfolglosen Berufung zu tragen, § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Gründe für eine Zulassung der Revision sind nicht gegeben.

I