LG Köln, Urteil vom 01.08.2024, Az. 14 O 59/22
§ 32a UrhG
Der BGH hat im Zusammenhang mit den Filmen „Das Boot I“ (BGH, Urteil vom 01.04.2021, Az. I ZR 9/18) und „Das Boot II“ (BGH, 20.02.2020 – I ZR 176/18) das sog. „Wiederholungsvergütungsmodell“ auf Grundlage des „Tarifvertrags für auf Produktionsdauer Beschäftigte“ anwendbar erklärt, um Nachvergütungen bei besonders erfolgreicher Nutzung eines Filmwerks berechnen zu können. Das LG Köln hat nun entschieden, dass diese Rechtsprechung des BGH nicht ohne Weiteres auf die Ausstrahlung von Filmen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk übertragbar sei. Die Kammer halte den hiesigen Fall für wesentlich anders gelagert. Sie erkenne in den Urteilen zu „Das Boot“ kein allgemeingültiges Schätzungsmodell für jegliche TV-Ausstrahlungen im gebührenfinanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunkt, insbesondere bei Filmproduktionen, an denen diese Rundfunkanstalten in keiner Weise beteiligt gewesen seien. Vielmehr handele es sich bei den „Das Boot“-Urteilen um Einzelfallentscheidungen für die dort konkret gegenständlichen Filmprojekte. Zum Volltext der Entscheidung:
Landgericht Köln
Urteil
…
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags.
1
Tatbestand:
2
Der Kläger ist der Sohn des am (…) verstorbenen Regisseurs Dr. Z. O., der ein populärer deutschsprachiger Filmregisseur war. Herr Dr. O. ist Regisseur der im unten dargestellten Antrag genannten Filme, u.a. der Winnetou-Reihe. Der Kläger ist alleiniger Erbe seines Vaters.
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Der Kläger ist bzw. war selbst Schauspieler und war als solcher für Eigenproduktionen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks tätig, u.a. bei Folgen des „L.“ und in den Jahren von 2009 bis 2011 für die Beklagten in der (…“). Der Kläger lebte von 1991 bis 2003 in den S.. Seit seiner Rückkehr aus den S. lebt er abwechselnd in X. und in C..
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Der Kläger führte in der Vergangenheit bereits Rechtsstreitigkeiten mit Blick auf den Nachlass seines Vaters und war insoweit:
5
zum einen Partei des Verfahrens, das zu dem Urteil des BGH in Sachen „Videozweitauswertung I“ (GRUR 1991, 133), wobei er hier nach eigenem Vortrag nur formell Partei nach dem Tod seines das Verfahren initiierenden Vaters gewesen sei und das Verfahren maßgeblich durch den Testamentsvollstrecker geführt worden sei,
6
und zum anderen Partei im Verfahren, das zu dem Urteil des BGH in Sachen „Der Frosch mit der Maske“ (Az. I ZR 18/09, GRUR 2011, 714) geführt hat. Fünf der hier streitgegenständlichen Filme, nämlich Winnetou I – III, Der Schatz im Silbersee und Almenrausch und Edelweiß waren dabei ebenfalls Gegenstand des BGH-Urteils zu „Der Frosch mit der Maske“.
7
Unbestritten geblieben ist der Beklagtenvortrag, wonach der Kläger als Rechtsnachfolger seines Vaters Ausschüttungen der Verwertungsgesellschaft VG Bildkunst erhält, die u.a. an die Ausstrahlungen von Fernsehsendern anknüpfende Zweitvergütungsansprüche von Regisseuren nach §§ 20b, 54 UrhG wahrnimmt. Die jährlichen Ausschüttungsmitteilungen der VG Bildkunst beinhalten die Sendedaten im TV.
8
Die Beklagten sind öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten, die neben dem Gemeinschaftsprogramm der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland („E.“) für die sog. „Dritten Programme“ verantwortlich sind.
9
Die Beklagten sind auch bei RP. beteiligt, einem Gemeinschaftsprogramm des deutschen Sprachraums, das gemeinsam von E., P., U. und dem VN. Radio und Fernsehen unter der Federführung des P. betrieben wird und einen kulturellen Schwerpunkt hat.
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Für alle streitgegenständliche Filme stand Herr Dr. O. als Regisseur bei der W. I. GmbH (ab Ende 1964 W. T. GmbH; nachfolgend: „W.“) unter Vertrag. W. ihrerseits „lieh“ Herrn Dr. O. als Regisseur jeweils an die Produktionsgesellschaften für die Herstellung der jeweiligen Filme, etwa die Q. GmbH, aus (vgl. Anlagen K 32 – K37), wobei an dieser Stelle Einzelheiten streitig sind.
11
Im Nachlass von Herrn Dr. O. befinden sich keine schriftlichen Verträge, aus denen sich eine Nutzungsrechtseinräumung ergibt. Es ist aber unstreitig, dass Herr Dr. O. Nutzungsrechte für die Auswertung der von ihm als Regisseur geschaffenen Filmwerke an W. einräumte.
12
Als Gegenleistung für die Regietätigkeiten und für die Einräumung der Nutzungsrechte vereinbarte Herr Dr. O. mit W. jeweils eine Pauschalvergütung und zwar wie folgt:
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14
Die Filme „Zimmer 13“ und „Die Schlangengrube…“ sind nicht streitgegenständlich.
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Mit Blick auf die übrigen im Antrag genannten Filme befinden sich im Nachlass des Herrn Dr. O. keine Unterlagen. Die Parteien behelfen sich mit Schätzungen der Pauschalvergütungshöhe, wobei sie sich weitestgehend einig sind. Einzelheiten zu streitigen Aspekten werden nachfolgend im streitigen Vortrag dargestellt.
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Die Beklagten waren bei der Produktion der streitgegenständlichen Filme nicht beteiligt – mit einer Ausnahme. Diese Ausnahme ist der Film „Im Dschungel ist der Teufel los“, wo die Beklagte zu 4) (=V.) zunächst bei der Produktion beteiligt, aber ihre Fernsehsenderechte im Jahr 1991 an die Filmherstellerin D. T. zurückübertragen hat (vgl. dazu Rn. 55 der Klageerwiderung, Bl. 1312 GA).
17
Die Beklagten haben für den Großteil der streitgegenständlichen Filme über das Unternehmen Degeto Film GmbH, der gemeinsamen Filmeinkaufsorganisation der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, gegen Zahlung von – nicht näher dargelegten – Lizenzgebühren Nutzungsrechte für die Ausstrahlung der Filme im TV erworben. Lediglich einige Ausstrahlungen der streitgegenständlichen Filme gehen auf von einzelnen Landesrundfunkanstalten abgeschlossene Lizenzverträge zurück (laut Anlage B1: „Die Fischerin vom Bodensee“ ab 2015; „Grün ist die Heide“ ab 2016;. „Die Prinzessin von St. Wolfgang“ ab 2015; alle jeweils nur in „Dritten Programmen“). Die Lizenzen der Degeto Film GmbH wurden dabei bei Filmhändlern wie N., A., M. F. oder H., zum Teil auch direkt bei den Filmproduktionsfirmen B. T. oder K. T. erworben und zwar als Inhalt verschiedener „Pakete“ für einen beschränkten Zeitraum und größtenteils für eine beschränkte Anzahl an Ausstrahlungen (vgl. dazu Rn. 52 ff. der Klageerwiderung Bl. 1311 ff. GA). Nach dem Hinweisbeschluss der Kammer vom 23.10.2023 legten die Beklagten konkrete Preise für Lizenzen einiger streitgegenständlicher Filme dar (Schriftsatz vom 22.12.2023, Bl. 1827 ff. GA), wonach etwa für die Filme der Winnetou-Reihe für die Jahre 2017 – 2019 jährliche Lizenzpreise in Höhe von 25.000,- bis 45.000,- € von der Degeto Film GmbH gezahlt worden seien. Nach der mündlichen Verhandlung am 25.04.2024 legten die Beklagten mit nachgelassenen Schriftsatz einen beispielhaften Lizenzvertrag der Degeto Film GmbH mit einem anonymisierten Lizenzgeber vor, aus dessen Anlage sich für die Filme „Winnetou I-III“ ein Lizenzpreis und der Nutzungsumfang ergeben (Anlage B33, Bl. 1998 ff. GA). Zwischen den Parteien ist streitig, ob es sich bei diesen Zahlungen um angemessene Lizenzgebührenbeträge gehandelt habe, wobei der Kläger dies mit Nichtwissen bestreitet.
18
Es ist unstreitig, dass folgende Kinoauswertungen erfolgt sind:
19
- 20
Der Schatz im Silbersee hatte im Dezember 1962 Premiere. Wiederaufgeführt wurde er daraufhin 1964, 1971 sowie 1975 und 2019 in einigen deutschen Kinos. Auch im Dezember 2022 fand wieder eine Kinoaufführung des Films statt. In der DDR kam Der Schatz im Silbersee 1984 in die Kinos.
- 21
Die weiteren Filme der Winnetou-Reihe wurden nach der Premiere, zum Teil mehrmals im Abstand von mehreren Jahren, wiederaufgeführt, wie folgt:
22
23
- 24
Die Fischerin vom Bodensee wurde nach der Premiere im Juli 1956 noch im Jahr 2018 von Kinos in Baden-Württemberg erneut gezeigt.
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Zum Erfolg der Kinoauswertung verweist die Beklagte – unbestritten – auf Folgende Umstände:
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27
28
Der Tod im Roten Jaguar erreichte ca. 2 Millionen Zuschauer und spielte ca. 4,4 Mio. DM ein. Todesschüsse am Broadway erreichte ca. 1,6 Millionen Zuschauer und spielte ca. 3,6 Mio. DM ein.
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Pepe, der Paukerschreck und Wir hau’n die Pauker in die Pfanne erreichten in den Jahren 1969 und 1970 jeweils ca. 2,5 Mio. Kinobesucher. Wir hau’n die Pauker in die Pfanne war 1970 unter den zehn erfolgreichsten Kinofilmen in Deutschland. Unter Ansatz eines Ticketpreises zwischen 2,00 DM und 2,50 DM haben die Einspielergebnisse der Filme zwischen 5 Mio. DM und 6,25 Mio. DM gelegen.
30
Die streitgegenständlichen Filme wurden auch im Ausland ausgewertet (siehe Tabelle Bl. 1304 GA). Informationen zum Erfolg der Kinoauswertung im Ausland sind nicht vorgetragen.
31
Ausweislich der TV-Datenbank der Spitzenorganisation der Filmwirtschaft (SPIO) liegt der Anteil der TV-Ausstrahlungen im Ausland je nach Film zwischen 2 % (bei Johannisnacht) und rund 15 % (bei Wer zuletzt lacht, lacht am besten). Details zu jedem Film sind in der Tabelle auf Bl. 1644 GA enthalten. Die Beklagten verweisen darauf, dass die SPIO nur Fernsehausstrahlungen der deutschen Sprachfassung der streitgegenständlichen Filme in Deutschland, Österreich und der Schweiz ausweise (Bl. 1733 GA).
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Hinzu kommt die Auswertung auf Speichermedien: die streitgegenständlichen Karl-May-Verfilmungen als VHS-Kassetten sind bereits seit Anfang der achtziger Jahre vertrieben worden. Später als DVD oder Blu-Ray. Diese Verwertungsform wird auch für die weiteren streitgegenständlichen Filme genutzt.
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Die Erstausstrahlungen im Fernsehen sind wie nachfolgend dargestellt erfolgt:
34
- 35
Die deutsche TV-Erstausstrahlung von Der Schatz im Silbersee fand am 23. März 1974 statt. In der DDR wurde der Film zum ersten Mal am 1. Januar 1983 im Fernsehen auf dem Sender DFF 1 ausgestrahlt.
- 36
Die Winnetou-Trilogie wurde im Jahre 1974 das erste Mal im deutschen Fernsehen ausgestrahlt im P..
- 37
Winnetou und Shatterhand im Tal der Toten wurde am 18. April 1987 zum ersten Mal im deutschen Fernsehen bei RP. ausgestrahlt (wobei an dieser Stelle die Parteien streiten, ob diese Ausstrahlung der Beklagten zuzurechnen sei, wobei die Beklagten vertreten, der Film sei von anderen Sendern für RP. zur Verfügung gestellt worden, siehe Bl. 1308 GA; laut Kläger erfolge die Fernsehsendung seit 1988, Bl. 1641 GA)
- 38
Der Klosterjäger wurde am 24.09.1967 im P. erstmals ausgestrahlt.
- 39
Die Prinzessin von St. Wolfgang wurde am 16.06.1985 auf VK. erstmals ausgestrahlt (Anmerkung: laut Kläger erfolge die Fernsehsendung erst seit 1988, Bl. 1639 GA).
- 40
Die Fernsehauswertung von Die Fischerin vom Bodensee begann im Jahr 1986 begann (Anlage K71).
- 41
Die Fernsehauswertung von Johannisnacht begann im Jahr 1979 begann (Anlage K71).
- 42
Die Fernsehauswertung von Almenrausch und Edelweiss begann im Jahr 1988 begann (Anlage K71).
- 43
Die Fernsehauswertung von Todesschüsse am Broadway begann im Jahr 1986 begann (Anlage K71).
- 44
Die Fernsehauswertung von Der Tod im roten Jaguar begann im Jahr 1986 begann (Anlage K71).
- 45
Die Fernsehauswertung von Pepe, der Paukerschreck begann im Jahr 1987 begann (Anlage K71).
- 46
Die Fernsehauswertung von Wir hau’n die Pauker in die Pfanne begann im Jahr 1987 begann (Anlage K71).
- 47
Die Fernsehauswertung von Wer zuletzt lacht, lacht am besten begann im Jahr 1988 begann (Anlage K71).
- 48
Die Fernsehauswertung von Grün ist die Heide begann im Jahr 1988 begann (Anlage K71).
- 49
Die Fernsehauswertung von Die blutigen Geier von Alaska begann im Jahr 1986 begann (Anlage K71).
- 50
Die Fernsehauswertung von Im Dschungel ist der Teufel losbegann im Jahr 1984 begann (Anlage K71).
51
Verschiedene Zeitungen berichteten 2011, 2014 und 2019 über die Ausstrahlungen der Karl-May-Filme zu den Feiertagen Ostern und Weihnachten. 2022 wird in den Online-News der TV Spielfilm darüber berichtet, dass die Winnetou-Filme einmal nicht an Ostern gesendet worden sind (siehe Anlagen B18 – B21).
52
Im Zeitraum vom 1. Januar 2008 bis zum 10. Februar 2021 erfolgten insgesamt 392 Ausstrahlungen der streitgegenständlichen Filme durch die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten wie folgt:
53
a)
54
55
b)
56
57
c)
58
59
d)
60
61
„Die Prinzessin von St. Wolfgang“ (Nr. 5 laut der obigen Tabelle) wurde am 29.06.2009 nicht in KT. NM., sondern im PO. ausgestrahlt.
62
e)
63
64
f)
65
66
g)
67
68
h)
69
70
i)
71
72
j)
73
74
Hierzu behaupten die Beklagten unter Verweis auf die Anlage B 1, dass die Ausstrahlung von „Winnetou und Shatterhand im Tal der Toten“ (Nr. 17 nach der obigen Tabelle) am 29.12.2017 nicht erfolgt sei.
75
k)
76
77
l)
78
79
m)
80
81
n)
82
83
84
Hierzu behaupten die Beklagten unter Verweis auf die Anlage B 1, dass die Ausstrahlung von „Wir hau’n die Pauker in die Pfanne“ (Nr. 31 laut der obigen Tabelle) am 25.12.2016 nicht erfolgt sei.
85
o)
86
87
88
p)
89
90
q)
91
92
Hierzu behaupten die Beklagten unter Verweis auf die Anlage B 1, dass die Ausstrahlung von „Grün ist die Heide“ (Nr. 18 laut der obigen Tabelle) am 20.05.2018 nicht erfolgt sei.
93
r)
94
95
s)
96
.
97
Die in den obigen Tabellen aufgeführten Ausstrahlungstermine hat der PO. dem Kläger gegenüber am 30. Januar 2019 vorgerichtlich bestätigt.
98
Auf die im hiesigen Verfahren gegenständlichen Ausstrahlungen in den Gemeinschaftsprogrammen KT. NM., OK. und RP. entfallen die folgenden Ausstrahlungen pro Film:
99
.
100
Für den Zeitraum zwischen dem 18. Mai 1990 und dem 1. Januar 2008 ergaben sich darüber hinaus 232 weitere Ausstrahlungen durch die E. und die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten (inkl. „Dritte Programme“) wie folgt:
101
.
102
Für die Zeit bis zum 28.03.2002 ergibt sich nachfolgend eingeblendete Anzahl an Ausstrahlungen im Fernsehen:
103
104
Mit Schreiben vom 7. Dezember 2018 forderte der Kläger die Beklagten auf, Auskunft und Rechnungslegung über Erträge und Vorteile aus der Nutzung von Filmwerken des Regisseurs Dr. Z. O. zu erteilen. Mit Schreiben vom 12. Dezember 2018 kontaktierte die Degeto Film GmbH den Kläger und erklärte im Namen aller Rundfunkanstalten, dass eine interne Aufarbeitung der Ausstrahlungen stattfinden wird. Mit Schreiben vom 14. Dezember 2018 wies der PO. im Namen der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten den Auskunftsanspruch des Klägers als unbegründet zurück.
105
Mit Schreiben vom 19. Dezember 2018 erwiderte der Kläger darauf hin, dass der Auskunftsanspruch begründet sei, da nachprüfbare Tatsachen für einen Ausgleichsanspruch vorlägen. Er setzte eine Frist bis zum 31. Januar 2019, um dem Auskunftsersuchen nachzukommen. Mit Fax vom 30. Januar 2019 antwortete der PO. im Namen aller E.-Rundfunkanstalten auf das Auskunftsersuchen mit einer Aufzählung der Ausstrahlungen der streitgegenständlichen Filme (s.o.).
106
Im Nachgang konnte außergerichtlich keine Einigung über etwaige Nachvergütungen erzielt werden. Der Kläger forderte mit dem Schreiben vom 26. November 2019 die Beklagten auf, eine auf Grundlage des „Wiederholungsvergütungsmodells“ errechnete Nachvergütung bis zum 10. Dezember 2019 zu begleichen.
107
Der Kläger leitete im Dezember 2019 gegen jede einzelne Beklagte Mahnverfahren beim AG Coburg ein (siehe Bl. 652, Rn. 188 der Klageschrift). Der Mahnbescheid gegen die Beklagten vom 7. Februar 2020 gemäß Antrag des Klägers vom 19. Dezember 2019 bzw. vom 23.01.2020 (Bl. 425 GA) wurde den Beklagten zu 1 (OI.), zu 2 (RY.), zu 3 (JI.), zu 6 (NL.) und zu 8 (WC.) am 27. Februar 2020 zugestellt. Den Beklagten zu 5 (GO.) und zu 7 (PO.) wurde der Mahnbescheid am 3. März 2020 zugestellt. Der Beklagten zu 4 (V.) wurde der Mahnbescheid am 6. März 2020 zugestellt.
108
Hiergegen erhoben die Beklagten jeweils Widerspruch. Nach Abgabe der einzelnen Sache an die Landgerichte am Sitz der jeweiligen Beklagten stellte der Kläger einen Antrag auf Gerichtsstandbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO. Hierüber hat das BayObLG am 20.08.2021 entschieden und die Zuständigkeit für die hier streitgegenständlichen Filme dem Landgericht Köln zugewiesen. Im Nachgang sind alle nicht ohnehin bereits beim LG Köln anhängigen Verfahren hierher verwiesen worden gem. § 281 ZPO. Die Verfahren für die Ausstrahlungen in den jeweiligen Dritten Programmen bzw. im Gemeinschaftsprogramm werden beim LG Köln in getrennten Aktenzeichen geführt. Die hiesige Sache betrifft nur die Ausstrahlungen im Gemeinschaftsprogramm, für die alle hiesigen Beklagten als Gesamtschuldner in Anspruch genommen werden. Für Ausstrahlungen in den jeweiligen „Dritten Programmen“ werden die Beklagten jeweils gesondert in Anspruch genommen.
109
Der Kläger behauptet, Herr Dr. O. habe für folgende Filme das jeweils genannte Pauschalhonorar erhalten:
110
111
112
Nach der Darstellung und Schätzung des Klägers habe Herr Dr. O. also 1.255.000 DM erhalten.
113
Der Kläger behauptet, die Auswertung der streitgegenständlichen Filmwerke in den Kinos habe nicht länger als zwei Jahre gedauert. Daran änderten auch die unstreitig teilweise erfolgten Wiederaufführungen in Kinos nichts, da diese jedenfalls nur eine wirtschaftlich untergeordnete Rolle spielten.
114
Er behauptet weiter, dass er seine Prozessbevollmächtigen erst im Zuge der Berichterstattung zum Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 26. September 2018 (4 U 2/18), das der Entscheidung des Bundesgerichtshofs das Boot II im Fall des Kameramanns G. Y. vorausging (vgl. BGH GRUR 2020, 611 ff.), kontaktiert habe und um rechtliche Prüfung möglicher Nachvergütungsansprüche wegen Fernsehausstrahlungen der streitgegenständlichen Filmwerke gebeten habe. Er habe erst nach dieser Beratung und der komplexen Berechnung Kenntnis von den Erträgen und Vorteilen der Beklagten gehabt. Sodann habe er zeitnah die Ansprüche durchgesetzt. Er behauptet insoweit, dass es in der Zeit nach dem Anwaltsschreiben vom 7. Dezember 2018 zwischen den Parteien zu einer sehr intensiven Erörterung über die Berechtigung der Nachvergütungsansprüche des Klägers gekommen sei.
115
Der Kläger bestreitet mit Nichtwissen (Bl. 1654 GA), dass die Beklagten angemessene und branchenübliche Lizenzgebühren gezahlt hätten. Dies sei eine bloße für den Kläger nicht nachvollziehbare Behauptung. Die von den Beklagten dargestellte Paketlizenzierung sei dazu geneigt, Inhalte untereinander quer zu subventionieren, was zu Lasten der Urheber von wertvollen Paketinhalten gehe. Es liege hier im Interesse der Rechteinhaber, uninteressante Inhalte mit wertvollen Inhalten zu koppeln und damit die wertvollen Inhalte unter Wert zu lizenzieren, während die uninteressanten Inhalte überbewertet würden. Die Degeto Film GmbH hätte diesen Umstand genutzt, um Lizenzpreise „nach unten zu drücken“.
116
Mit Blick auf die von den Beklagten vorgetragene Verwertung der Filme im Ausland bestreitet der Kläger, dass damit ins Gewicht fallende Einnahmen erzielt worden seien.
117
Der Kläger ist der Ansicht, von der Pauschalvergütung abgegolten seien jeweils die Nutzungsrechte zur Kino- und Fernsehauswertung, nicht aber die Zweitverwertungsrechte für VHS-Kassetten etc., da letztere unbekannte Nutzungsart gewesen seien.
118
Im Lichte der Rechtsprechung des BGH (v.a. Das Boot II, GRUR 2020, 611) schätzt der Kläger das nicht ausdrücklich vereinbarte Verhältnis der Pauschalvergütung nach Nutzungsart zwischen Kino- und Fernsehauswertung. In Abweichung der obigen Rechtsprechung schlägt der Kläger eine zeitlich basierte Schätzung vor, wonach für jeden Film ab Erscheinen pauschal eine zweijährige Kinoauswertung anzunehmen sei und sodann die nachfolgende, im Einzelnen vorgetragene Dauer seit der Erstausstrahlung im TV bis heute ins Verhältnis dazu und zur Gesamtdauer der Auswertung gesetzt wird. Hieraus ergäben sich durchweg Anteile für die Kinoauswertung von ca. 5% oder weniger (Detailrechnungen auf Bl. 1638 – 1643 der Akte). Im Rahmen einer pauschalisierten Betrachtung schätzt der Kläger für jeden streitgegenständlichen Film ein Verhältnis von 5% Kinoauswertung zu 95% Fernsehauswertung hinsichtlich des Anteils der Zuordnung der Pauschalvergütung. Der Kläger schätzt also einen Wert der Vergütung für die Fernsehauswertungsrechte wie folgt:
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120
121
Vorliegend sei die Schätzung nach Zeitintervallen angesichts der Unmöglichkeit der Sachaufklärung zu den konkreten Umsatzzahlen der Kinoauswertung sowie der frühen Fernsehverwertung die einzige sachgerechte Lösung. Sie bilde beim hiesigen Sonderfall von „Filmklassikern“ auch bestmöglich die tatsächliche Verwertungshistorie ab.
122
Mit Blick auf den Umstand, dass das Pauschalhonorar angesichts der Fernsehauswertung nochmals in Erstsendungen und Wiederholungssendungen zu unterteilen sei, nimmt der Kläger einen pauschalen Abschlag der obigen Vergütungswerte von 25 % vor, sodass er als maßgebliche Bemessungsgrundlage der nachfolgend dargestellten Wiederholungsvergütungen 70% des Pauschalhonorars ansetzt. Dieser Sicherheitsabschlag bilde auch die Unsicherheiten zum Wert der Auslandsverwertungen hinreichend ab. Dieser 70%-Ansatz ergebe folgende Werte:
123
124
Der Kläger ist der Ansicht, dass die Beklagten Vorteile erlangt hätten, indem sie die streitgegenständlichen Filmwerke ausstrahlten. Für die Berechnung dieses Vorteils könne mit der Rechtsprechung des BGH auf die Ersparnisse von Aufwendungen eines Fernsehsenders für die Erstellung eines Programms abgestellt werden. Als Maßstab für die Schätzung der Höhe der ersparten Aufwendungen könnten Wiederholungsvergütungen, wie sie für Ausstrahlungen von Filmen in Vergütungssätzen von Tarifverträgen im Bereich des Fernsehens geregelt sind, indiziell als Schätzungsgrundlage dienen. Indiziell heranziehbare Wiederholungsvergütungen für die Schätzung der von der Beklagten durch die Fernsehauswertungen der streitgegenständlichen Filmwerke erlangten Vorteile ergäben sich aus dem „Tarifvertrag für auf Produktionsdauer Beschäftigte“ des WC. (Anlage K63) bzw. des V. (Anlage K64) bzw. des PO. (insoweit veweist der Kläger auf die Rechtsprechung des BGH zu „Das Boot“). Demnach seien (Ziff. 23.2.13)
125
- 126
20 % der Erstvergütung für eine Wiederholungsausstrahlung im „Fernseh-Gemeinschaftsprogramm der E.-Rundfunkanstalten“ zur „Prime-Time”,
- 127
10 % der Erstvergütung werden bei einer Wiederholung im Fernsehvormittags- und Frühinformationsprogramm sowie
- 128
5% der Erstvergütung bei einer Wiederholung im Nachtprogramm (0 bis 6 Uhr)
129
zu berechnen.
130
Dies sei mit Blick auf den Hauptregisseur sogar noch zu verdoppeln, was der Kläger aber seiner Berechnung nicht zugrunde lege. Wiederholungsvergütungen für Produktionen, deren Erstsendung länger als zehn Jahre zurückliegt, würden um 40 % angehoben. Nach Ablauf jeweils weiterer fünf Jahre erhöhe sich der Anhebungsprozentsatz um je 5 %. Eine Kappung erfolge bei 100 % Steigerung (vgl. 23.4.4 des Tarifvertrags, Anlage K63).
131
Der Gedanke der Wiederholungsvergütung sei nicht nur im o.g. Tarifvertrag angelegt, sondern mittlerweile in der Praxis vorherrschend, wobei auf die Gemeinsame Vergütungsregel von BVR und P., auf die Gemeinsame Vergütungsregel vom Verband Deutscher Bühnen- und Medienverlage (VDB), in Kooperation mit dem Verband Deutscher Drehbuchautoren (VDD) mit den E.-Anstalten sowie die Gemeinsame Vergütungsregel des Bundesverband Regie e.V. mit der CW. TV Deutschland GmbH (allesamt in Anlagenkonvolut K72) verwiesen wird.
132
Hilfsweise bietet der Kläger eine Berechnung von Wiederholungsvergütungen nach der Gemeinsamen Vergütungsregel von BVR und P. an.
133
Die konkreten Wiederholungsvergütungen nach obiger Berechnungsmethode legt der Kläger in Anlage K65 vor. Auf die Beklagten im hiesigen Verfahren entfiele gesamtschuldnerisch ein Betrag in Höhe von 360.253,68 EUR für Ausstrahlungen in KT. NM., OK. und RP., die sich tabellarisch wie folgt auf die streitgegenständlichen Filme verteilten:
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135
136
Diese Beträge, ermittelt nach dem Wiederholungsvergütungsmodell, stellten auch die im Nachhinein angemessene Vergütung von Herrn Dr. O. dar.
137
Der von den Beklagten vorgeschlagene Ergänzungstarifvertrag Erlösbeteiligung Kinofilm könne strukturell nicht zur Ermittlung der Vorteile und Erträgnisse eines Senders herangezogen werden. Er betreffe das Verhältnis zwischen Urhebern und Filmproduzenten, nicht aber von Urhebern zu einem Fernsehsender. Herr Dr. O. sei entgegen der Behauptungen der Beklagten nicht dem Tarifvertrag unterfallen, da er kein Arbeitnehmer und auch nicht tarifgebunden gewesen sei. Dies ergebe sich auch aus früheren Urteilen, an denen der Kläger beteiligt war (Details Rn. 29 der Replik, Bl. 1632 GA).
138
Die Erträgnisse und Vorteile der Beklagten lägen jedenfalls nicht in den aufgewendeten Lizenzkosten. Dies wären allenfalls Vorteile des Rechteinhabers und Lizenzgebers. Vorteile eines Fernsehsenders seien aber im Verhältnis zum Urheber zu bewerten. Zu marktüblichen Lizenzpreisen könne der Kläger nicht vortragen und habe insoweit auch nach dem Hinweisbeschluss der Kammer keine Informationen erlangen können. Frei zugängliche Veröffentlichungen hierzu seien nicht recherchierbar. Vom Regieverband ließen sich hierzu keine näheren Informationen erhalten. Auch bekannte Filmproduzenten hätten dem Kläger nicht weiterhelfen können. Über Preise würden die Marktteilnehmer standardmäßig zur Verschwiegenheit verpflichtet. Die von Beklagtenseite vorgetragenen Lizenzpreise seien ohne Nachweis und nicht nachvollziehbar vorgetragen. Insbesondere die Problematik der Quersubventionierung in Filmpaketen stelle sich nach wie vor. Ein Lizenzkostenmodell sei rechtlich falsch und praktisch nicht handhabbar.
139
Nach dem Hinweisbeschluss der Kammer vom 23.10.2023 trägt der Kläger alternativ dazu vor, dass die Erträgnisse und Vorteile der Beklagten in den vereinnahmten und auf die einzelnen Sender verteilten Rundfunkgebühren zu erblicken seien. Er errechnet insoweit einen senderspezifischen Preis pro Sendeminute (siehe Schriftsatz vom 13.03.2024, Bl. 1875 ff. GA). Für den Wert der einzelnen Sendeminute auf “Das NM.” gelte Folgendes: Laut der Website der E. seien zuletzt vom Rundfunkbeitrag in Höhe von EUR 18,36 insgesamt EUR 2,83 für das Fernsehprogramm von “KT. NM.” verwandt worden, was 15,41 % der vereinnahmten Gebührengelder entspreche. Im Jahre 2018 wurden laut S. 8 des als Anlage K74 vorgelegten Jahresberichts des “E. P. MA. Beitragsservices” insgesamt EUR 8.008.639.120,91 über den Rundfunkbeitrag vereinnahmt. Nach dem Vorstehenden seien mithin EUR 1.234.131.288,53 (=15,41 %) auf “KT. NM.” entfallen. Wegen durchgehender Sendung, also 365 Tage im Jahr, 24 Stunden am Tag und 60 Minuten pro Stunde – insgesamt also 525.600 Minuten pro Jahr – entfalle auf jede Sendeminute im Jahr 2018 damit EUR 2.348,04. Diese Berechnung für das Jahr 2018 könne exemplarisch für den gesamten Zeitraum herangezogen werden.
140
Nach derselben Methodik entfalle auf den Sender RP. ein Anteil des Gesamtgebührenaufkommens von 0,11 %. Folglich entfalle auf den Sender RP. ein Betrag in Höhe von EUR 8.809.503,03. Dies entspreche pro Sendeminute EUR 16,76. Derselbe Betrag errechne sich für den Sender OK..
141
Unter Ansatz des Ergänzungstarifvertrags Erlösbeteiligung Kinofilm vom 13. Mai 2013 (Anlage B32) setzt der Kläger von dieser Rundfunkgebührenlösung eine Beteiligung von 3,68 % der Summe der Beträge für alle Sendeminuten der klägerischen Filme an und gelangt dabei zu hohen Beteiligungsansprüchen (Bl. 1896 ff. GA). Für „das Boot.“ wie folgt:
142
143
144
Für LY. wie folgt:
145
146
Für OK. wie folgt:
147
148
Für die Zeit ab dem 1. Januar 2008 seien die vereinbarten Vergütungen des Herrn Dr. O. zu den o.g. Filmen bereits „verbraucht“. Der Kläger meint, es liege schon für die Zeit bis 2008 ein auffälliges Missverhältnis zwischen der Vergütung des Herrn Dr. O. und den Vorteilen der Beklagten vor. Dabei legt er ausgehend von 70% der Pauschalhonorare diese Beträge auf die Jahre seit Erscheinen bis zum Jahr 2008 um und setzt diese ins Verhältnis zu dem Betrag der niedrigsten Wiederholungsvergütung. Die Wiederholungsvergütungen überstiegen dabei die Höhe der Vergütung pro Jahr um das Doppelte bis Vierfache (siehe Bl. 647 ff. GA). Da davon auszugehen sei, dass jeder streitgegenständliche Film mindestens einmal pro Jahr gezeigt worden sei, ergebe sich für jeden Film, dass die Vergütungen bereits verbraucht seien. Nach dem Hinweisbeschluss der Kammer trug der Kläger hierzu ergänzend mit einer anderen Berechnungsmethodik vor, wonach eine Erstvergütung pro Ausstrahlung vor dem Stichtag 28.03.2002 errechnet wird (siehe Tabelle Bl. 1907 GA).
149
Bei der Prüfung des „Verbrauchs“ der bereits erhaltenen Vergütung sei im Übrigen auf die Handlungen aller Verwerter abzustellen, nicht nur auf diejenigen des konkret in Anspruch genommenen Dritten. Somit sei selbst nach dem Vortrag der Beklagten von einem Verbrauch der Vergütung auszugehen, weil demnach bereits die erfolgreiche Kinoverwertung für einen Verbrauch ausgereicht habe. Dieser Befund ergebe sich aber auch bei einer isolierten Betrachtung der Fernsehauswertung, weil bis zum 28.03.2002 bereits zwischen 8 und 51 Fernsehausstrahlungen der jeweils streitgegenständlichen Filme stattgefunden habe (Details in der Tabelle Bl. 1648 GA). Eine solche Zahl von Wiederholungen würde nicht einmal nach heute üblichen Vergütungsregeln bei reinen Fernsehfilmen von der Erstvergütung umfasst sein. So sehe zum Beispiel (die im Anlagenkonvolut K72 vorgelegte) Gemeinsame Vergütungsregel BVR/P. in Ziffer 1 neben der Erstsendung maximal 6 weitere Ausstrahlungen vor. Jedenfalls bei Betrachtung beider Verwertungsformen ergebe sich der Verbrauch der Vergütung.
150
Der Kläger meint, es liege auch ein auffälliges Missverhältnis zwischen vereinbarter Gegenleistung (§ 32a Abs. 1 UrhG alte Gesetzesformulierung) bzw. eine unverhältnismäßig geringe Vergütung (neue Gesetzesfassung) des Herrn Dr. O. im Vergleich zu den Vorteilen der Beklagten für die Zeit ab dem 01. Januar 2008 vor. Beim Ansatz einer „verbrauchten Vergütung“ liege dies schon bei jedem zahlenmäßigen Vorteil der Beklagten vor, weil dieser jeweils über dem mit Null zu bemessenen Vergütungsbetrag liege. Im Ergebnis entspreche deshalb vorliegend die Höhe der Wiederholungsvergütungen dem Zahlungsanspruch nach § 32a Abs. 2 UrhG.
151
Der Kläger ist der Ansicht, dass keine Verjährung für den geltend gemachten Zeitraum ab dem 01.01.2008 vorliege. Für die Zeit davor gelte die in § 199 Abs. 4 BGB geregelte absolute Verjährung von Ansprüchen in zehn Jahren von ihrer Entstehung an, sodass insoweit keine Ansprüche geltend gemacht worden sind. Durch die – behauptete – sich an das erste Anwaltsschreiben im Dezember 2018 anschließende intensive Erörterung der Berechtigung der Nachvergütungsansprüche des Klägers zwischen den Parteien und dem umfangreichen gegenseitigen Meinungsaustausch hierzu sei die Verjährung der Nachvergütungsansprüche des Klägers gehemmt gem. § 203 BGB. Sodann hätten die Mahnbescheide die Verjährung gehemmt. Den Kläger habe – was rechtlich allgemeiner Meinung entspreche – keine Nachforschungs- oder gar Marktbeobachtungspflicht getroffen, sodass eine grob fahrlässige Unkenntnis ausscheide. Die Sach- und Rechtslage sei auch viel zu komplex, als dass man eine grob fahrlässige Unkenntnis annehmen könne. Diese zeige sich nicht zuletzt daran, dass selbst nach dem Hinweisbeschluss der Kammer mehrere Berechnungsmethoden möglich seien.
152
Nach den zunächst gesonderten Mahnverfahren gegen die Beklagten und der Zusammenfassung im hiesigen Rechtsstreit hat der Kläger zunächst beantragt,
153
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger für die Nutzung der Filmwerke
154
1. Almenrausch und Edelweiss
155
2. Der Klosterjäger
156
3. Der Schatz im Silbersee
157
4. Der Schrei der schwarzen Wölfe
158
5. Der Tod im roten Jaguar
159
6. Die blutigen Geier von Alaska
160
7. Die Fischerin vom Bodensee
161
8. Grün ist die Heide
162
9. Im Dschungel ist der Teufel Ios
163
10. Johannisnacht
164
11. Pepe, der Paukerschreck
165
12. Wer zuletzt lacht, lacht am besten
166
13. Winnetou 1
167
14. Winnetou II
168
15. Winnetou III
169
16. Winnetou und Shatterhand im Tal der Toten
170
17. Wir haun die Pauker in die Pfanne
171
18. Todesschüsse am Broadway
172
19. Die Prinzessin von St. Wolfgang
173
im Zeitraum vom 26. Januar 2008 bis zum 09. Juni 2019 eine weitere angemessene Beteiligung zu zahlen, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, die jedoch nicht weniger als 418.379,51 EUR zzgl. 7 % Punkten MwSt. und nebst Zinsen in Höhe von 9 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 23. Oktober 2019 betragen soll.
174
Dabei hat der Kläger erklärt, dass der Mahnantrag vom 18. Dezember 2019 (Az.: 20-7142273-001-N; 20-7142273-002-N; 20-7142273-003-N; 20-7142273-004-N; 20-7142273-005-N; 20-7142273-006-N; 20-7142273-007-N; 20-7142273-008-N; 20-7142273-009-N) in Höhe von 179.305,50 EUR zurückgenommen wird.
175
Der Kläger beantragt zuletzt,
176
Die Beklagten werden als Gesamtschuldnerinnen verurteilt, an den Kläger für die Fernsehausstrahlung in den Gemeinschaftsprogrammen E., OK. und RP. der Filmwerke
177
1. Der Klosterjäger
178
2. Die Fischerin vom Bodensee
179
3. Johannisnacht
180
4. Almenrausch und Edelweiss
181
5. Die Prinzessin von St. Wolfgang
182
6. Der Schatz im Silbersee
183
7. Winnetou I
184
8. Winnetou II
185
9. Winnetou III
186
10. Winnetou und Shatterhand im Tal der Toten
187
11. Todesschüsse am Broadway
188
12. Der Tod im roten Jaguar
189
13. Pepe, der Paukerschreck
190
14. Wir hau`n die Pauker in die Pfanne
191
15. Wer zuletzt lacht, lacht am besten
192
16. Der Schrei der schwarzen Wölfe
193
17. Grün ist die Heide
194
18. Die blutigen Geier von Alaska
195
19. Im Dschungel ist der Teufel los
196
im Zeitraum vom 1. Januar 2008 bis zum 10. Februar 2021 weitere angemessene Beteiligungen zu zahlen, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt werden, die jedoch in der Summe nicht weniger als insgesamt 360.253,68 EUR betragen sollen, wobei
197
7.945,48 EUR auf das Filmwerk Der Klosterjäger
198
3.865,36 EUR auf das Filmwerk Die Fischerin vom Bodensee
199
1.932,68 EUR auf das Filmwerk Johannisnacht
200
5.798,05 EUR auf das Filmwerk Almenrausch und Edelweiss
201
11.596,09 EUR auf das Filmwerk Die Prinzessin von St. Wolfgang
202
6.041,42 EUR auf das Filmwerk Der Schatz im Silbersee
203
30.242,21 EUR auf das Filmwerk Winnetou I
204
55.749,19 EUR auf das Filmwerk Winnetou II
205
42.740,94 EUR auf das Filmwerk Winnetou III
206
31.030,30 EUR auf das Filmwerk Winnetou und Shatterhand im Tal der Toten
207
8.508,10 EUR auf das Filmwerk Todesschüsse am Broadway
208
10.114,37 EUR auf das Filmwerk Der Tod im roten Jaguar
209
76.512,81 EUR auf das Filmwerk Pepe, der Paukerschreck
210
29.331,21 EUR auf das Filmwerk Wir hau`n die Pauker in die Pfanne
211
13.112,17 EUR auf das Filmwerk Wer zuletzt lacht, lacht am besten
212
5.905,42 EUR auf das Filmwerk Der Schrei der schwarzen Wölfe
213
4.724,34 EUR auf das Filmwerk Grün ist die Heide
214
9.556,02 EUR auf das Filmwerk Die blutigen Geier von Alaska
215
5.547,52 EUR auf das Filmwerk Im Dschungel ist der Teufel los
216
entfallen, zzgl. 7 % MwSt., d. h. insgesamt 385.471,44 EUR und nebst Zinsen in Höhe von 9 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 11. Dezember 2019.
217
Die Beklagten beantragen,
218
die Klage abzuweisen.
219
Die Beklagten erheben für alle Ausstrahlungen bis zum 31. Dezember 2016 die Einrede der Verjährung.
220
Insoweit behaupten die Beklagten, dass der Kläger seit Jahren genau wisse, dass die streitgegenständlichen Filme im Fernsehen ausgestrahlt werden. Der Kläger sei bereits sein Leben lang ein äußerst aktiver Teil der Film- und Fernsehbranche und offenkundig intensiv vertraut mit ihren Usancen. Die streitgegenständlichen Filme seien eine allgegenwärtige „Institution“ im deutschen Fernsehen, die natürlich auch dem Kläger seit den erstmaligen Ausstrahlungen allgemein bzw. bei den Beklagten gem. Tabelle Bl. 1308 GA nicht verborgen geblieben seien. Der Erfolg der Filme im Home-Entertainment Sektor (VHS, DVS etc.), der dem Kläger aus früheren Rechtsstreitigkeiten bekannt ist, lege auch eine Auswertung im TV nahe, die dem Kläger deshalb nicht verborgen hätte bleiben können. In der mündlichen Verhandlung beim OLG Köln in der Berufungsinstanz zu „Der Frosch mit der Maske“ sei ausdrücklich über die Fernsehausstrahlungen der dort gegenständlichen Filme, u.a. auch fünf der hier gegenständlichen Filme, gesprochen worden, was sich auch in den Urteilsgründen (ZUM 2009, 237) wiederspiegele. Über die Webseite www.entfernt.de lassen sich, wie der Kläger selbst vorträgt, TV-Ausstrahlungen der letzten Jahrzehnte der streitgegenständlichen Filme anzeigen. Die Seite kann seit 1999 abgerufen werden, sodass der Kläger hierüber jederzeit Informationen hätte beziehen können. Hinzu komme eine Kenntnis aus Ausschüttungsbenachrichtigungen der VG Bild-Kunst.
221
Es habe keine vom Kläger geschilderten vorgerichtlichen, intensiven Erörterungen gegeben. Eine Einigung habe nie im Raum gestanden.
222
Die Beklagten sind mit Blick auf die Einrede der Verjährung der Ansicht, dass der Kläger seit dem 01.01.2008 positive Kenntnis von Fernsehausstrahlungen im öffentlich-rechtlichen CQ. gehabt hatte, ihm jedenfalls eine grob fahrlässige Unkenntnis vorwerfbar sei. Eine Hemmung durch Verhandlung nach § 203 BGB habe es nicht gegeben.
223
Die Beklagten haben in der Klageerwiderung ausgeführt, dass sie die klägerischen Vergütungsschätzungen (s.o. im klägerischen streitigen Sachvortrag) für die Filme bis zum Jahr 1970 nachvollziehbar halten; bei den Filmen, die bis zum Jahr 1973 entstanden sind, sei die an Herrn O. gezahlte Vergütung höher zu schätzen, Rn. 76 der Klageerwiderung, Bl. 1320 GA; dies betrifft die letzten 5 Filme der oben eingeblendten Liste. In der Duplik tragen sie vor, dass ausweislich des Urteils des OLG München vom 08.12.1988 [Videozweitauswertung I – BeckRS 1988, 31151368] der Vater des Klägers für den Film Winnetou und Old Shatterhand im Tal der Toten unstreitig 150.000 DM erhalten hat. Da der Kläger selbst davon ausgeht, dass alle drei im Jahr 1968 gedrehten Filme jeweils dasselbe Honorar erzielten, sei hier jeweils von 150.000 DM auszugehen, Bl. 1728 GA.
224
Die Beklagten behaupten, für die Senderechte der streitgegenständlichen Filme über die Degeto Film GmbH jeweils branchenübliche und angemessene Lizenzgebühren gezahlt zu haben. Insoweit erläutern die Beklagten, was unstreitig geblieben ist (Bl. 1311 Rn. 52 der Klageerwiderung):
225
„Bei „alter“ Lizenzware werden Rechte üblicherweise für einen bestimmten Ausstrahlungszeitraum „im Paket“ erworben, d.h. für einen größeren Pauschalbetrag weitgehend die gleichen Rechte für eine Vielzahl von Filmen. Bei der Lizenzierung für Spartenkanäle beinhaltet dies regelmäßig eine unbegrenzte Anzahl an Ausstrahlungen. Innerhalb dieses Pakets werden Filme sodann entweder alle gleich bepreist oder je nach Wertigkeit des Films mit unterschiedlichen „Preisschildern“ versehen. Die Branche spricht anschaulich von „Library“-Filmen, also solchen Filmen, die man gewissermaßen „aus der Kiste“ holt – anders als neuwertige Lizenzware, bei welcher selbstverständlich jeder Film einen anderen, individuell verhandelten Lizenzpreis hat.“
226
Mit Blick auf die Kritik des Klägers an den Lizenzverhandlungen und der Sorge vor Quersubventionierung entgegnen die Beklagten, dass es eine Vielzahl an Sendern und Sendergruppen gebe, die ein Interesse an den sog. Library Filmen haben. Deshalb seien auch die streitgegenständlichen Filme in der Vergangenheit zu unterschiedlichen Zeiträumen von unterschiedlichen Sendern/Sendergruppen angekauft und ausgestrahlt worden. Diese Nachfragesituation reguliere nach den Marktgesetzen die Lizenzpreise und führe dazu, dass beim Sender als Lizenznehmer – wenn ihm wie hier nur zeitlich oder anzahlmäßig begrenzte Rechte eingeräumt sind – in aller Regel keine außerordentlichen Erträge oder Vorteile entstehen könnten. Aus den Marktgesetzen folge eine Vermutung zugunsten angemessener und üblicher Lizenzpreise. Diese müsse der Kläger hier aufgrund konkreter Anhaltspunkte entkräften, was nicht geschehen sei.
227
Die streitgegenständlichen Filme seien jeweils Teil einer größeren Reihe von vergleichbaren Filmen. Hätten die Beklagten nicht die streitgegenständlichen Filme ausgestrahlt, hätten sie vergleichbare, letztlich „austauschbare“ Filme ausgestrahlt.
228
Sie behaupten außerdem, dass es sich bei den hier gegenständlichen Werken primär um Kinofilme gehandelt habe und eine Fernsehverwertung erst später durch die sich wandelnde Medienlandschaft hinzu gekommen sei. Dies sei bei der Aufteilung von Anteilen der Pauschalvergütung auf einzelne Verwertungsformen zu berücksichtigen. Die Kinoauswertung habe auch jeweils länger angedauert als die vom Kläger pauschal angesetzten zwei Jahre.
229
Die bekannten ursprünglichen Pauschalvergütungen des Herrn Dr. O. seien exorbitant hoch gewesen. Inflationsbereinigt lägen diese Vergütungen weit über den ab 1. Oktober 2022 geltenden neuen Beträge der Gemeinsamen Vergütungsregeln des Bundesverbands Regie e.V. mit der Allianz Deutscher Produzenten-Film und Fernsehen e.V.. Er habe damit für seine Regietätigkeit für die streitgegenständlichen Filme im Schnitt eine auch heute mehr als nur angemessene Gage erhalten. Die Beklagten behaupten, Herr Dr. O. habe neben den Regiegagen noch Gehalt als Angestellter bei der Fa. W. mindestens von 1960 bis 1967 als eine feste monatliche Gage von 7.000,00 DM, d.h. ein Jahresgehalt von 85.000 DM erhalten. Auch dies sei bei der Vergütung des Urhebers zu berücksichtigen. Deshalb sei mit den Zahlungen der Regiegage und den Gehaltszahlungen von den jeweiligen Filmproduzenten eine sehr weitreichende Buy-Out Rechteabgeltung verbunden gewesen. Die Angestelltentätigkeit und das Gehalt ergebe sich aus dem Urteil des OLG München (BeckRS 1988, 31151368; vgl. S. 1729 GA).
230
Bei seiner Tätigkeit sei Herr Dr. O. dem Tarifvertrag für Filmschaffende unterfallen, was sich aus dem BGH-Urteil „Der Frosch mit der Maske“ ergebe (GRUR 2011, 714Rn. 32 ff.). Dieser sehe aber keine Wiederholungsvergütungen vor.
231
Die Beklagten sind der Ansicht, dass sich der hiesige Fall maßgeblich vom Fall „Das Boot“ unterscheide und deshalb die dortige Lösung unter Ansatz des „Wiederholungsvergütungssystems“ nicht passend sei. Vorliegend handele es sich um reine Fremdproduktionen, die die Beklagten einlizensiert haben, ohne an der Produktion beteiligt gewesen zu sein. Wenn aber ein Verwerter jeweils neu für die Nutzung branchenüblich zahle, könnten seine Erträge und Vorteile unter Berücksichtigung der vertraglichen Beziehungen in der Lizenzkette per se nicht in einem auffälligen Missverhältnis zur Vergütung des Urhebers stehen. Die klägerische Argumentation führe de facto zu einer Abgabepflicht eines jeden Verwerters, unabhängig davon, ob dieser Verwerter unverhältnismäßige Erträge erzielt hat, wozu die Beklagten auch auf die Tabelle zu Unterschieden zwischen dem Fall Das Boot und dem hiesigen Fall auf Bl. 1334 GA Bezug nehmen. Ein maßgeblicher Unterschied zum Fall Das Boot sei, dass dort die öffentlich-rechtlichen Landesrundfunkanstalten gegen eine (allerdings äußerst hohe) Einmalzahlung zeitlich unbegrenzte Senderechte an der Produktion erhielten, in den hiesigen Fällen aber immer wieder neue zeitlich beschränkte Lizenzen eingeholt worden seien.
232
Das seit den 1970er-Jahren geläufige Wiederholungsvergütungsmodell sei aber auch generell nicht mehr zeitgemäß, weil sich das Medienumfeld, die Angebote der Sender und das Konsumverhalten des Fernsehpublikums in der Zwischenzeit nachhaltig verändert haben. Da früher mit wenigen Sendern eine einzige Wiederholung eine Vielzahl von Zuschauern erreichen konnte, würden heute bei vielen Sendern mehr Wiederholungen benötigt, um dieselbe Reichweite zu erreichen. Demnach hätten Wiederholungen einen geringeren wirtschaftlichen Wert, was die Beklagten weiter ausführen (Bl. 1734 ff. GA). Die tarifvertraglichen Regelungen des WC., auf die der Kläger Bezug nimmt, fänden seit Jahren keine praktische Anwendung mehr. Es sei auch falsch, dass Wiederholungsvergütungen in vielen weiteren Gemeinsamen Vergütungsregeln oder Tarifverträgen vorgesehen seien. Vielmehr würden heutzutage Reichweitenmodelle bevorzugt, so auch in den vom Kläger in Anlagenkonvolut K72 vorgelegten Tarifmodellen. Irrelevant für das Erreichen der maßgeblichen Beteiligungsschwellen sei dabei, wie oft die Inhalte wiederholt werden, bis die relevante Zuschauerzahl erreicht ist.
233
Die Klage sei bereits unschlüssig, weil der Kläger den auf die Einräumung eines bestimmten Nutzungsrechts entfallenden Anteil an den erhaltenen Vergütungen zu bestimmen habe. Dies habe nach den Vorgaben des BGH durch den Vortrag zu erfolgen, wie sich der Anteil der aus der Nutzung dieses Rechts erzielten Erträge und Vorteile zu den mit der Nutzung sämtlicher Rechte erzielten Erträgen oder Vorteilen verhält. Da der Kläger selbst einräume, über solche Informationen nicht zu verfügen, sei bereits auf erster Stufe keine Schätzung möglich. Die zeitbasierte Methode des Klägers sei hingegen ungeeignet, willkürlich und führe zu nicht sachgerechten Werten. Denn sie unterstelle, dass ein bestimmter Zeitraum einer bestimmten Nutzungsart wirtschaftlich ebenso werthaltig sei wie derselbe Zeitraum einer anderen Nutzungsart desselben Werks. Nach der Argumentation des Klägers wäre demnach ein Jahr einer Kinoauswertung genauso wirtschaftlich relevant wie etwa ein Jahr einer Fernsehauswertung mehr als 20 Jahre nach Erstausstrahlung.
234
Außerdem sei die klägerische Methode zu pauschal und setze bei jedem Film gleiche Prozentwerte an. Die Allokation sei aber für jedes Werk individuell vorzunehmen, da sich jeder Film mit Blick auf Auswertungsdauer und -erlösen unterscheide.
235
Die Beklagten sind der Ansicht, dass sie selbst keine Erträgnisse und Vorteile erlangt hätten, welche die Vergütung des Vaters des Klägers unverhältnismäßig niedrig erscheinen ließen. Die Beklagten hätten die streitgegenständlichen Filme gesendet und hätten hierfür Aufwendungen in Höhe von marktüblichen Lizenzkosten getätigt. Bewegten sich die tatsächlichen Nutzungen, welche nach den vertraglichen Vorgaben räumlich, zeitlich und inhaltlich eingeschränkt seien, in einem angemessenen Verhältnis zum gezahlten Lizenzpreis, müsse denknotwendig eine unverhältnismäßige Nutzung (und damit ein „Bestsellerfall“) ausscheiden. Damit sei der Anspruch nach § 32a Abs. 2 UrhG auch nicht ausgehöhlt, denn der Urheber behalte ja seinen Anspruch gegen den Lizenzgeber des Verwerters bzw. andere Glieder der Rechtskette, bei denen Vorteile angefallen sind.
236
Hilfsweise tragen sie vor, dass der vom Kläger in Anlehnung an die BGH-Rechtsprechung zu „Das Boot“ herangezogene „Tarifvertrag für auf Produktionsdauer Beschäftigte“ des WC./V./PO. nicht indiziell heranzuziehen sei, da er weder sachlich, noch persönlich, noch zeitlich anwendbar sei. Es fehle bei reinen Lizenzankäufen jeder legitime Anknüpfungspunkt an ein tarifvertragliches Wiederholungsvergütungsmodell zur Bemessung der Vorteile einer Rundfunkanstalt.
237
Sachgerechter erscheine der „Ergänzungstarifvertrag Erlösbeteiligung Kinofilm“ vom 21. Mai 2013 (Anlage B32), der sachlich wie personell auf die Mitwirkung des Vaters des Klägers bei den streitgegenständlichen Filmen anwendbar sei. Im Kern sehe der Ergänzungstarifvertrag eine Erlösbeteiligung an den vom Produzenten des Films mit der Auswertung des Films erzielten Erlösen vor. Die Erlösbeteiligung sei in drei gestaffelten Beteiligungssätzen, jeweils ab dem Erreichen einer entsprechenden Schwelle von erzielten Erlösen (Beteiligungsschwelle) an die Gesamtheit der Mitwirkenden auszuschütten. Die Tarifvertragsparteien hätten ihre Auffassung dokumentiert, dass die in den früher bestehenden Gagentarifverträgen geregelte tarifliche Gage zusammen mit der im Ergänzungstarifvertrag vereinbarten weiteren Beteiligung für besonders erfolgreiche Filme eine angemessene Vergütung im Sinne des § 32 UrhG darstelle und dass damit die dem Produzenten eingeräumten Rechte angemessen abgegolten seien (Tz. 3.3.2 MTV i.V.m. Tz. 4.2 Ergänzungstarifvertrag). Diese tariflichen Regelungen umfassten auch den Fall, dass ein Kinofilm später durch öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten im Fernsehen ausgestrahlt werde und der Produzent hieraus Lizenzeinnahmen erziele, was die Beklagten weiter ausführen (vgl. Rn. 148 der Klageerwiderung Bl. 1338 GA und Rn. 7 ff. der Duplik, Bl. 1725 GA).
238
Nach dem Hinweisbeschluss der Kammer errechneten die Beklagten auf Grundlage eines pauschalen Ansatzes eines Delta von 25% zwischen gezahltem Lizenzpreis und – ausschließlich zu Vergleichsverhandlungen – unterstellt marktüblichen Lizenzpreisen und unter Ansatz einer Beteiligung von 3,68 % gem. „Ergänzungstarifvertrag Erlösbeteiligung Kinofilm“ vom 21. Mai 2013 (Anlage B32) einen Vergleichsvorschlag im mittleren vierstelligen Bereich (Bl. 1829 GA). Sie halten gleichwohl daran fest, marktübliche Lizenzpreise gezahlt zu haben.
239
Eine Berechnung der Vorteile der Beklagten auf Grundlage der Rundfunkgebühren scheide aus, weil diese Methode per se zu unvertretbaren Ergebnissen führe. Die Gebühren seien auch kein mit der konkreten Werkverwertung verbundener Ertrag oder Vorteile, sondern seien bloß die allgemeine Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Sender. Hieraus folge auch nicht, dass jede Sendeminute gleich viel wert sei, sondern auch hier seien gewisse Sendeplätze wertvoller, andere hingegen weniger wertvoll. Zu letzteren Sendeplätzen seien regelmäßig die streitgegenständlichen Filme als Wiederholungen gelaufen.
240
Entscheidungsgründe:
241
Die zulässige Klage ist unbegründet.
242
1. Der Kläger ist jedoch aktivlegitimiert. Es ist unstreitig, dass zum einen der Kläger Alleinerbe des Herrn Dr. Z. O. (vgl. §§ 28 Abs. 1, 30 UrhG) ist und zum anderen Herr Dr. O. als Regisseur jedenfalls Miturheber aller streitgegenständlicher Filme ist. Es ist auch unstreitig, dass alle Filme als Werke nach § 2 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2 UrhG anzusehen sind.
243
Der Kläger ist berechtigt, den Anspruch auf weitere angemessene Beteiligung gem. § 32a UrhG unabhängig von anderen Miturhebern geltend zu machen, und er kann Zahlung allein an sich selbst verlangen. Er kann neben dem Anspruch auf Einwilligung in die Vertragsanpassung auch eine Zahlungsklage erheben, obwohl die Bestimmung des § 32a II 1 UrhG iVm § 32a I 1 UrhG ihrem Wortlaut nach keinen Zahlungsanspruch, sondern einen Anspruch auf Vertragsanpassung gewährt (BGH GRUR 2021, 955, Rn. 133 – Das Boot III; GRUR 2020, 611 Rn. 23 – Das Boot II).
244
2. Die Beklagten sind auch im Ausgangspunkt als „Dritte“ gem. § 32a Abs. 2 S. 1 UrhG verpflichtet, einen Anspruch des Klägers auf weitere angemessene Beteiligung zu erfüllen – wenn ein solcher anzunehmen wäre. Der Vater des Klägers hatte jeweils den Produktionsgesellschaften der jeweiligen streitgegenständlichen Filme das Recht zur Nutzung seiner urheberrechtlich geschützten Leistungen eingeräumt. Mit diesen Rechteinhabern hat die Degeto Film GmbH jeweils Lizenzverträge zugunsten aller Beklagten geschlossen. Die Beklagten leiten ihre Rechte zur Nutzung der Filme im Rahmen der Fernsehauswertung unmittelbar von der Degeto Film GmbH, mittelbar von den Rechteinhabern her.
245
3. Die Beantwortung der Frage, ob im Lichte der Erträgnisse oder Vorteile eines Dritten eine unverhältnismäßig niedrige Vergütung des Urhebers iSv § 32a II 1 iVm Abs. 1 S. 1 UrhG (alte Gesetzesfassung: auffälliges Missverhältnis zwischen der als Gegenleistung für die Einräumung des Nutzungsrechts vereinbarten Vergütung des Urhebers und den aus der Nutzung des Werkes erzielten Erträgnissen und Vorteilen des Dritten) besteht, setzt nach der Rechtsprechung des BGH (vgl. GRUR 2012, 496 Rn. 40 – Das Boot I; GRUR 2020, 611 Rn. 25 – Das Boot II; GRUR 2021, 955, Rn. 135 – Das Boot III) zunächst auf erster Stufe die Feststellung der mit dem Urheber vereinbarten Vergütung (dazu unten a.) und auf zweiter Stufe der vom Dritten erzielten Erträgnisse und Vorteile (dazu unten b.) voraus. Jedoch scheitert der klägerische Anspruch nach Auffassung der Kammer bereits an dieser Stelle. Sodann wäre auf den folgenden Stufen die Vergütung zu bestimmen, die – im Nachhinein betrachtet – insbesondere unter Berücksichtigung der erzielten Erträgnisse und Vorteile angemessen iSd § 32 II 2 UrhG ist. Schließlich wäre zu prüfen, ob die vereinbarte Vergütung mit Blick auf diese angemessene Vergütung unverhältnismäßig gering im Vergleich (früher: in einem auffälligen Missverhältnis steht) zu den Erträgen und Vorteilen ist. Für die dritte und vierte Stufe erübrigen sich Ausführungen der Kammer.
246
a) Feststellung der mit dem Urheber vereinbarten Vergütung (1. Stufe)
247
Im Ergebnis offenbleiben kann, wie konkret die ursprüngliche Vergütung des Herrn Dr. O. für die Regietätigkeit der einzelnen streitgegenständlichen Filme zu schätzen und auf die verschiedenen Nutzungsarten zu allokieren ist. Die Kammer hält den Vortrag des Klägers an dieser Stelle aber für hinreichend schlüssig, sodass entgegen der Ansicht der Beklagten die Klage an dieser Stelle nicht schon mangels Schlüssigkeit abzuweisen ist. Der Kläger hat ausführlich Tatsachen vorgetragen und dabei selbst Schätzungen vorgenommen. Wenn es darauf ankäme, liegen – auch mit Blick auf unstreitigen Sachvortrag der Beklagten und den sonstigen Sach- und Streitstand – hinreichende Anknüpfungstatsachen vor, um eine Schätzung gem. § 287 ZPO vorzunehmen (vgl. zu diesem Prüfungspunkt: des BGH GRUR 2020, 611 Rn. 49-51 – Das Boot II; Peifer, ZUM 2021, 813, 816: Schätzung könnte ggf. pauschal nach den zwei maßgeblichen Verwertungsformen zu je 50% ermessensfehlerfrei erfolgen).
248
Die Kammer verweist angesichts der fehlenden Entscheidungserheblichkeit auf die ausführlichen Ausführungen im Hinweisbeschluss der Kammer vom 23.10.2023 (Bl. 1770 ff. GA).
249
b) Feststellung der vom Dritten erzielten Erträgnisse und Vorteile (2. Stufe)
250
Der Kläger hat im Ergebnis keine im rechtlichen Sinne relevanten Erträgnisse und Vorteile der Beklagten dargelegt.
251
Der Begriff des Vorteils im Sinne des § 32a UrhG umfasst nicht nur Umsatzgeschäfte, sondern auch andere Verwertungshandlungen (BGH GRUR 2020, 611, Rn. 54 – Das Boot II). Im Urteil „Das Boot II“ hat das dortige Berufungsgericht laut BGH „zutreffend angenommen, dass eine öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt, die ein Filmwerk in ihrem – weitgehend gebührenfinanzierten – Programm ausstrahlt, einen solchen Vorteil erlangt und dieser Vorteil in der Ersparnis von Aufwendungen für die Erstellung eines Programms gesehen werden kann, das den Sendeplatz des Filmwerkes hätte füllen können“ (BGH GRUR 2020, 611, Rn. 54 – Das Boot II; nahezu wortgleich zuvor: BGH GRUR 2012, 496 Rn. 41 – Das Boot I).
252
aa) Die Kammer erkennt in der Feststellung eines Vorteils der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten im Fall „Das Boot“ jedoch eine Sonderkonstellation, die nicht zum abstrakten Grundsatz erhoben werden kann. Dies folgt auch aus der Formulierung des BGH in „Das Boot II“, wonach „ein konkreter Maßstab für die Ermittlung des Vorteils, den die [Bekl. als] öffentlich-rechtliche[n] Rundfunkanstalten durch die streitgegenständlichen Fernsehausstrahlungen erlangt haben, sich dem Gesetz nicht entnehmen lässt. Wird die Art und Weise der Bewertung eines Vermögensgegenstands vom Gesetz nicht geregelt, ist es Aufgabe des Tatgerichts, im Einzelfall die nach den Umständen sachgerechteste Bewertungsart auszuwählen und anzuwenden. In der Sache handelt es sich um eine Schätzung iSd § 287 II ZPO“ (BGH GRUR 2020, 611, Rn. 55 – Das Boot II).
253
Die Entscheidung des BGH sowie der Instanzgerichte im Fall „Das Boot“ beruhen insoweit auch maßgeblich auf dem festgestellten Sachverhalt wie folgt:
254
„2 Der Kl. war Chefkameramann („Director of Photography“) des von der Bekl. zu 1 in den Jahren 1980/1981 hergestellten Filmwerks „Das Boot“, einer Verfilmung des Romans „Das Boot“. Der Bekl. zu 2 ist der VG. CQ. (WC.); er ist mit anderen Rundfunkanstalten in der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (E.) zusammengeschlossen. Die Bekl. zu 3 vertreibt Filme auf Videokassette und DVD.
255
3 Der Kl. verpflichtete sich gegenüber der Bekl. zu 1 mit Vertrag vom 3.6.1980, in der Zeit vom 1.1.1980 bis zum 31.12.1980 gegen eine Pauschalvergütung von 120.000 DM als Chefkameramann für die Produktion „Das Boot“ zur Verfügung zu stehen. Mit weiterem Vertrag vom 4.2.1981 verpflichtete er sich ihr gegenüber, auch in der Zeit vom 1.1.1981 bis zur Beendigung der Tätigkeit gegen eine Wochengage von 3500 DM zur Verfügung zu stehen. Der Kl. räumte der Bekl. zu 1 seine Werknutzungsrechte umfassend und zeitlich unbeschränkt ein.
256
4 Am 26.6.1980 schlossen die Bekl. zu 1 und der Bekl. zu 2 einen Produktionsvertrag betreffend die von der Bekl. zu 1 im Auftrag des Bekl. zu 2 herzustellende Filmaufzeichnung „Das Boot“ (Spielfilm), 120 Minuten Vorführungsdauer, sowie einen Produktionsvertrag betreffend die im Auftrag des Bekl. zu 2 von der Bekl. zu 1 herzustellende Fernsehaufzeichnung, bestehend aus vier Folgen a jeweils ca. 60 Minuten Sendedauer aus der insgesamt sechsteiligen Fernsehserie und einer Dokumentation. Gemäß Nr. 1a) dieser beiden Produktionsverträge besteht das Recht zur wiederholten Ausstrahlung grundsätzlich für unbeschränkte Zeit; die Nutzungsrechte an dem Roman Das Boot wurden zunächst bis 12.7.1991 eingeräumt und mit Zusatzvertrag in der Folgezeit verlängert. Hinsichtlich der Folgen fünf und sechs der Fernsehserie schloss die Bekl. zu 1 im Jahr 1980 einen entsprechenden Produktionsvertrag mit dem WZ. (nunmehr PO.).
257
5 Die Bekl. zu 1 stellte aus dem Filmmaterial zwei Kinoversionen her, eine am 17.9.1981 uraufgeführte ca. 151 Minuten lange erste Version („Das Boot“, nachfolgend nur Spielfilm) und im Jahre 1997 eine ca. 204 Minuten lange zweite Version (Das Boot – The director’s cut, nachfolgend nur Director’s Cut). Darüber hinaus wurde aus dem Filmmaterial eine insgesamt 312 Minuten lange sechsteilige Fernsehfassung hergestellt, die im Fernsehen auch als Dreiteiler ausgestrahlt wurde. Beim Director’s Cut handelt es sich um eine neue Schnittfassung, die aus demselben Drehmaterial wie die Fernsehserie hergestellt wurde.
258
(…)
259
8 Mit Vertrag vom 19.12.2001 übertrug die M-GmbH, ein 100 %iges Tochterunternehmen der Bekl. zu 1, das ausschließliche Recht, den Film Director’s Cut in deutschsprachiger Originalfassung in der Bundesrepublik Deutschland (Lizenzgebiet) vom 31.1.2002-30.6.2003 beliebig häufig fernsehmäßig zu verwerten bzw. verwerten zu lassen, zehn in der E. verbundenen Rundfunkanstalten, darunter dem Bekl. zu 2, als Lizenznehmern. Mit Schreiben vom 24.1.2003 übte die F-GmbH als Vertreter der genannten Lizenznehmer eine Option zur Verlängerung der Vertragszeit für den genannten Film bis zum 31.5.2012 aus. Mit Vertrag vom 30.1.2014 wurde der F-GmbH als „Lizenznehmer“, handelnd als Kommissionär für Rechnung von neun Landesrundfunkanstalten, das ausschließliche Recht übertragen, den Director’s Cut vom 1.5.2014-30.4.2034 beliebig häufig fernsehmäßig zu verwerten bzw. verwerten zu lassen.“
260
(OLG München, Urteil vom 21.12.2017 – 29 U 2619/16, Volltext unter GRUR-RS 2017, 144766 – Hervorhebungen nur hier)
261
Maßgebliche Grundlage der Entscheidungen im Fall „Das Boot“ war demnach, dass die dortige öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt bei der Produktion der Filmwerke bereits beteiligt war und jedenfalls für den Spielfilm und die Fernsehserie das Recht zur wiederholten Ausstrahlung grundsätzlich für unbeschränkte Zeit erhalten hatte. Diese Sachverhaltsumstände sind im hiesigen Fall mit Blick auf die streitgegenständlichen Filme nicht gegeben. Demnach hält die Kammer eine schablonenartige Übertragung der Rechtsprechung im Fall „Das Boot“ für nicht angezeigt und nicht angemessen.
262
Die Kammer hatte insoweit schon im Hinweisbeschluss vom 23.10.2023 zu dem Prüfungspunkt der Erträgnisse und Vorteile der Beklagten bereits wie folgt ausgeführt:
263
„aa) Bei diesem Prüfungspunkt neigt die Kammer nach derzeitigem Stand der Beratung nicht dazu, das „Wiederholungsvergütungsmodell“ auf Grundlage des „Tarifvertrags für auf Produktionsdauer Beschäftigte“ des WC. (Anlage K63) bzw. des V. (Anlage K64) bzw. des PO. indiziell heranzuziehen. Dabei ist sich die Kammer bewusst, dass diese Methode von den Oberlandesgerichten Stuttgart und München für den Fall „Das Boot“ für sachdienlich erachtet worden ist und der BGH dies in seinen Urteilen „Das Boot“ I und II jeweils grundsätzlich gebilligt hat.
264
Die Kammer hält den hiesigen Fall aber für wesentlich anders gelagert, worauf insbesondere die Beklagten ausführlich in ihren Schriftsätzen hingewiesen haben. Die Kammer erkennt in den Urteilen zu „Das Boot“ kein allgemeingültiges Schätzungsmodell für jegliche TV-Ausstrahlungen im gebührenfinanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunkt, sondern eine Einzelfallentscheidung für das dort konkret gegenständliche Filmprojekt.
265
Hiervon ausgehend erkennt die Kammer vorliegend keine hinreichenden Anknüpfungspunkte für die indizielle Heranziehung des o.g. Tarifvertrages, weil hier weder in sachlicher, noch in persönlicher, noch in zeitlicher Hinsicht eine Anwendbarkeit besteht.
266
Denn in sachlicher Hinsicht handelt es sich vorliegend aus Sicht der Beklagten bei allen Filmen um reine Fremdproduktionen. Dies gilt auch für „Im Dschungel ist der Teufel los“, wo die Beklagte zu 4) zunächst bei der Produktion beteiligt war, aber ihre Fernsehsenderechte im Jahr 1991 an die Filmherstellerin D. T. zurückübertragen hat. Die Kammer hält es deshalb für fernliegend einen Tarifvertrag für die Schätzung von ersparten Aufwendungen der Beklagten heranzuziehen. Hiermit würden die Beklagten faktisch in jedem Fall wie für Eigenproduktionen nachvergüten müssen, was im hiesigen Fall aber durch nichts gerechtfertigt ist. Die Kammer weist insoweit darauf hin, dass auch der BGH in der Konstellation „Das Boot“ für den WC. jedenfalls eine vom OLG Stuttgart festgestellte besondere Nähe zur Herstellung des Filmwerks gebilligt hat (BGH GRUR 2020, 611 Rn. 87 – 89 – Das Boot II). Eine solche Nähe liegt im hiesigen Fall nicht vor.
267
Auch in persönlicher Hinsicht fehlt ein Anknüpfungspunkt, weil weder Herr Dr. O. ein Arbeitnehmer beim öffentlich-rechtlichen CQ. war, noch die Beklagten als Arbeitgeber der Produktion anzusehen wären. Es ist auch von Seiten der Beklagten nachvollziehbar vorgetragen worden, dass zu den Zeitpunkten der Produktionen der meisten streitgegenständlichen Filme die o.g. Tarifverträge noch nicht abgeschlossen waren und das sog. „Wiederholungsvergütungsmodell“ unbekannt war. So ergibt sich aus Anlagen K63 und K64, dass die dortigen Tarifverträge erst in den Jahren 1976 bzw. 1977 in Kraft getreten sind.
268
bb) Aus gleichgelagerten Erwägungen hält die Kammer auch eine indizielle Heranziehung der vom Kläger in Anlage K72 vorgelegten Gemeinsamen Vergütungsregeln im vorliegenden Fall für nicht sachgerecht. Dabei kann für die Gemeinsamen Vergütungsregeln des Bundesverbands der Film- und Fernsehregisseure in Deutschland e. V. und der CW. Deutschland GmbH ergänzend auf das vom BGH gebilligte Argument in „Das Boot II“ (GRUR 2020, 611 Rn. 96) verwiesen werden, dass private Fernsehsender aufgrund der Finanzierung durch Werbung eine andere finanzielle Struktur aufweisen als die ganz überwiegend durch die Rundfunkgebühren finanzierten Beklagten. Für die übrigen vorgelegten Gemeinsamen Vergütungsregeln, an denen auch die Beklagten oder andere öffentlich-rechtliche Sender beteiligt sind, gilt nichts anderes als für die oben als nicht sachgerecht angesehenen Tarifverträge. Es fehlt maßgeblich an der sachlichen Vergleichbarkeit des dort geregelten Vergütungsfalls für Eigenproduktionen mit dem hier zu bewertenden Fall der Ausstrahlung von kostenpflichtig lizensierten Fremdproduktionen.
269
Der von den Beklagten ins Spiel gebrachte „Ergänzungstarifvertrag Erlösbeteiligung Kinofilm“ (Anlage B32) ist hingegen schon deshalb nicht geeignet zur indiziellen Anwendung, weil laut Ziffer 4.3 für den hiesigen Fall der Schätzungen von Erträgen und Vorteilen eines Verwerters in der Lizenzkette keine Aussage getroffen wird. Er betrifft vielmehr einen Nachvergütungsanspruch gegen den Filmhersteller, als der die Beklagten hier – wie oben dargestellt – nicht zu verstehen sind.“
270
An diesen Ausführungen hält die Kammer auch nach dem weiteren Verfahrensgang fest. Eine Übertragung der indiziellen Heranziehung des „Wiederholungsvergütungsmodells“ für Fremdproduktionen, für die die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, ggf. durch ihren zentralen Rechteeinkauf durch die Degeto Film GmbH, Lizenzgebühren zahlen, würde zu einer unangemessenen Benachteiligung der Rundfunkanstalten (aber auch jeglicher anderer „privater“ Sendeunternehmen) führen. Denn gerade bei alten „Klassikern“, die über Jahrzehnte hinweg regelmäßig im TV gesendet werden, würde diese Anwendung ab einem gewissen Zeitpunkt zu einer automatischen Direktvergütung der Urheber führen. Faktisch müssten TV-Sendeanstalten dann zum jeweiligen Lizenzpreis noch pauschal eine potentielle Nachvergütung der (Gesamtheit der) Urheber kalkulieren und ggf. Rückstellungen bilden. Gerade dies soll durch § 32a UrhG nach Ansicht der Kammer aber nicht bezweckt werden, was sich nicht zuletzt an der sehr dezidierten Rechtsprechung des BGH in den Urteilen „Das Boot I – III“ zeigt, die jeweils eine Rückverweisung an die Berufungsgerichte zum Ergebnis hatten.
271
bb) Die Kammer hält stattdessen im hiesigen Fall weiterhin ein „Lizenzkostenmodell“ für angemessen. Die Kammer wies insoweit bereits im o.g. Hinweisbeschluss wie folgt hin:
272
„cc) Stattdessen neigt die Kammer dazu, die vom BGH als „Lizenzkostenmodell“ bezeichnete Methode als sachgerecht anzunehmen.
273
Hierzu führte der BGH in „Das Boot II“ (GRUR 2020, 611 Rn. 99 ff., Hervorhebungen nur hier) wie folgt aus:
274
„99ee) Ohne Rechtsfehler hat das BerGer. die Erträgnisse und Vorteile der Bekl. nicht nach den Lizenzkosten bemessen, die für die Ausstrahlung der Filmproduktion „Das Boot“ zu zahlen gewesen wären.
275
100(1) KT. BerGer. hat angenommen, die Frage nach den aus der Nutzung der Filmproduktion „Das Boot“ gezogenen Vorteilen der Bekl. könne bei der vorliegenden Konstellation der Inanspruchnahme von „Dritten“ iSv § 32a II UrhG zwar grundsätzlich nach den Lizenzkosten bemessen werden, die von den Bekl. für die Ausstrahlung des Werkes „Das Boot“ zu zahlen gewesen wären (Lizenzkostenmodell). Diese Berechnungsart sei jedoch nicht so sachgerecht wie die Bemessung der Vorteile aufgrund der indiziellen Heranziehung der tarifvertraglichen Regelungen zu Wiederholungsvergütungen. So enthielten die tarifvertraglichen Vergütungsprozentsätze eine Bewertung der im Streitfall in Rede stehenden Konstellation der Ausstrahlung eines Werkes in öffentlich-rechtlichen Fernsehsendern als Wiederholungssendung. Außerdem stünden keine ausreichenden tatsächlichen Grundlagen für die Schätzung des Werts der Vorteile durch die Ausstrahlung der Wiederholungssendungen nach § 287 II ZPO anhand von fiktiven Lizenzkosten zur Verfügung. Jedenfalls aber ergebe sich aus den infrage kommenden tatsächlichen Grundlagen eine derartige Bandbreite an Lizenzpreisen, dass dieses Berechnungsmodell im Vergleich zur Heranziehung der tarifvertraglichen Wiederholungsvergütungsregelungen zumindest im vorliegenden Fall nicht vorzugswürdig erscheine. Gegen diese auf tatrichterlichem Gebiet liegende Beurteilung wendet sich die Revision der Bekl. ohne Erfolg.
276
101(2) Die Revision der Bekl. macht geltend, entgegen der Ansicht des BerGer. sei die fiktive Lizenzgebühr das einzige Kriterium, das die durch die Ausstrahlung des Filmwerkes „Das Boot“ erzielten Vorteile abzubilden vermöge. Es erschließe sich nicht, warum diese Lizenzkosten nicht – wie vom LG vorgenommen – anhand des vorgetragenen Lizenzvertrags mit dem U. geschätzt werden könnten.
277
102Damit hat die Revision der Bekl. keinen Rechtsfehler des BerGer. dargelegt. Das BerGer. hat verschiedene von den Parteien vorgetragene Gebühren für die Lizenzierung von verschiedenen Fassungen des streitgegenständlichen Werkes aufgeführt und auf dieser tatsächlichen Grundlage angenommen, dass sich aus den bekannt gewordenen Lizenzpreisen für einzelne Ausstrahlungen von „Das Boot“ massive Unterschiede ergäben. Dass die vom BerGer. seiner Beurteilung zugrunde gelegten Lizenzbeträge unrichtig festgestellt sind, macht die Revision der Bekl. nicht geltend.“
278
Jedoch ist auch hier zu beachten, dass der Fall „Das Boot“ anders lag, weil dort eine andere Art der Lizenzierung für die TV-Verwertung vereinbart war, die maßgeblich mit der bedeutenden Beteiligung an der Vorfinanzierung zusammenhing.
279
Auf den hiesigen Fall übertragen versteht die Kammer unter einem „Lizenzkostenmodell“, dass aufzuklären ist, wie hoch eine angemessene Lizenzgebühr für die konkret streitgegenständlichen Ausstrahlungen der Beklagten oder vergleichbarer Filme mit Blick auf Genre, Produktionsdatum und Publikumsbeliebtheit gewesen wäre. Diese Lizenzgebühren für „vergleichbare“ Filme dürften deshalb von Bedeutung sein, weil die Beklagten nachvollziehbar vortragen, dass sie anstelle der Filme des Herrn Dr. O. andere Filme zur Füllung der Sendezeiten lizensiert und genutzt hätten. Diese angemessene Lizenzgebühr wäre sodann mit den tatsächlich gezahlten Lizenzgebühren zu vergleichen. Wenn sich bei diesem Vergleich ergäbe, dass die Beklagten die Lizenzen unter Marktwert eingekauft haben, dann würden sich insoweit Vorteile in Form von ersparten Aufwendungen ergeben. Mit dieser Methode würde auch den von Klägerseite vorgetragenen Sorgen vor einer „Quersubventionierung“ bei der Paketlizensierung durch die Degeto Film GmbH begegnet.
280
Zur Anwendung dieser Methode mangelt es aber bis jetzt an Tatsachenvortrag von beiden Seiten. Dabei liegt es nach vorläufiger Ansicht der Kammer zunächst am Kläger vorzutragen, wie hoch ein marktüblicher Lizenzpreis für die streitgegenständlichen TV-Ausstrahlungen ist. Mit Blick auf die tatsächlich gezahlten Lizenzpreise wäre zwar auch von der Darlegungs- und Beweislast des Klägers auszugehen. Die Kammer hält hier aber eine sekundäre Darlegungslast der Beklagten für möglich. Wie oben dargelegt, dürfte es aber an anderer Stelle ohnehin im Interesse der Beklagten liegen, zu den gezahlten Lizenzgebühren vorzutragen.“
281
Auf diesen Hinweis hin hat der Kläger eingewandt, dass die von den Beklagten bzw. der Degeto Film GmbH gezahlten Lizenzbeträgen als betriebswirtschaftliche Ausgaben anzusehen seien, die jedoch ihrerseits keine Vorteile im Sinne des § 32a UrhG darstellen könnten. Dies ist korrekt, verkennt jedoch den Ansatzpunkt der Überlegung der Kammer. Dieser ist vielmehr wie folgt: Die Beklagten haben einen gesetzlichen Auftrag zur Sendung von Inhalten, wozu sie mit dem Rundfunkbeitrag ausgestattet werden (siehe zum Rundfunkbeitrag als potentieller Vorteil unten). Demnach verwenden die Beklagten einen Teil ihres Budgets für Eigenproduktionen, einen weiteren Teil für Fremdproduktionen (wie hier) und weitere Teile für andere vielfältige Inhalte. Die oben abgelehnte indizielle Heranziehung des „Wiederholungsvergütungsmodells“ würde den Sendeplatz einer Fremdproduktion mit dem Sendeplatz einer Eigenproduktion gleichstellen, was nicht gerechtfertigt ist. Wenn im Fall „Das Boot“ der Vorteil der Rundfunkanstalt in der ersparten Aufwendung von Kosten für die Vergütung der Urheber im Rahmen von Eigenproduktionen sein soll, dann muss für den Fall der Fremdproduktionen ein vergleichbarer Maßstab gefunden werden.
282
Bei gesendeten Fremdproduktionen ist der Vorteil der Sendeanstalt zunächst darin zu sehen, dass Zuschauer in einer breiten Medienlandschaft sich dazu entschließen, diesen Inhalt anzusehen. Dies ist gerade beim öffentlich-rechtlichen CQ. jedoch kein finanziell messbarer Vorteil, weil das Rundfunkaufkommen nicht quotenmäßig, sozusagen erfolgsabhängig, verteilt wird. In finanzieller Hinsicht erscheint im Ergebnis ein Vorteil nur dann denkbar, wenn die Beklagten für die Lizenzrechte der Fremdproduktion weniger zahlen als den marktüblichen Lizenzpreis. Daneben sind zwei andere Fallgestaltungen denkbar: Zum einen kann der gezahlte Lizenzpreis marktgerecht sein, dann steht dem Vorteil „Sendung eines interessanten Inhalts“ ein deckungsgleicher Nachteil „Lizenzzahlung“ entgegen, der sich auf Null saldiert. Zum anderen könnte der gezahlte Lizenzpreis über einem angemessenen Marktpreis liegen, wodurch dann aber der Nachteil überwiegen würde. Der letztgenannte Fall wird wohl nicht eintreten, weil die Beklagten in einem solchen Fall wohl, worauf sie selbst hinweisen, eine andere Fremdproduktion ausstrahlen würde (z.B. statt Filme der Winnetou-Reihe dann US-Westernfilme). Also sind die Lizenzausgaben zwar im Ausgangspunkt Ausgaben, die jedoch Gegenleistung für den Vorteil des Lizenzrechts darstellen.
283
Insofern bleibt es auch dabei, dass es am Kläger als Anspruchsteller liegt, Anhaltspunkte vorzutragen, dass die gezahlten Lizenzbeträge nicht marktüblich sind. Es mag sein, dass er auf seine Erkundigungen hin keine Mitteilungen erhalten hat. Dabei verkennt der Beklagte aber, dass er als Erbe des Urhebers Dr. O. in einer anderen Position ist. Er kann nämlich grundsätzlich für die Werke im Nachlass seines Vaters im weiten Umfang gegenüber den Rechteinhabern Auskunftsansprüche geltend machen und dadurch den Sachverhalt aufklären. Dass der Kläger aber während der Zeit der hiesigen Verfahren jemals bei den Rechteinhabern oder Produktionsgesellschaften der streitgegenständlichen Filme angefragt hätte, welche Erträgnisse und Vorteile diese aus den Werken erlangt haben, trägt er selbst nicht vor. Auf diese Weise hätte der Kläger – zwar mit rechtlichem und tatsächlichem Aufwand aber gleichwohl zuverlässig – die Angaben der Beklagten zu Lizenzzahlungen verifizieren können und diese ggf. auch mit etwaigen anderen Lizenzierungen an andere Dritte vergleichen können.
284
Zuletzt ist dem Kläger nicht zuzustimmen, dass die Überlegungen der Kammer allein anhand der möglichen Schwankungen und der Bandbreite von Lizenzzahlungen praktisch nicht handhabbar seien. Dabei verkennt der Kläger, dass § 32a UrhG nicht dem Zweck dient, dem Urheber einen möglichst bequemen Weg zur Nachvergütung zu vermitteln. Zweck ist vielmehr der Fairnessausgleich, wobei dieser aber auch die Vorteile des Anspruchsgegners bei wirtschaftlicher Betrachtung berücksichtigen muss. Dies gilt im vorliegenden Fall ganz deutlich, weil bei den Beklagten angesichts der von ihr getätigten Lizenzzahlungen nur schwerlich Vorteile zu erkennen sind, hingegen die mittleren Glieder der Lizenzkette offenbar seit Jahrzehnten ohne besondere eigene Aufwendungen finanzielle Vorteile aus der Verwertung der Rechte an den streitigegenständlichen Filmen erlangen. Ein Fairnessausgleich, der in dieser Fallkonstellation sicherlich nicht fernliegt, müsste wohl bei diesen Gliedern der Rechtekette erfolgen, was hier aber nicht streitgegenständlich ist.
285
cc) Zuletzt erkennt die Kammer auch in den erlangen Rundfunkbeiträgen der Beklagten keine einschlägigen Vorteile und Erträgnisse der Beklagten.
286
Hierzu hatte die Kammer im Hinweisbeschluss zunächst was folgt mitgeteilt:
287
„dd) Die Kammer hat auch erwogen, eine Schätzung der Erträge und Vorteile der Beklagten mit Blick auf das Rundfunkgebührenaufkommen zu schätzen (vgl. zur grundsätzlichen Geeignetheit BGH GRUR 2012, 496 – Das Boot I, Rn. 90, juris). Die Kammer konnte dabei aber – mangels Vortrags der Parteien und mangels offenkundiger Informationen – keine sinnvolle Allokation der Rundfunkgebühren auf die hier konkret in Rede stehenden Sendezeiten vornehmen. Gleichwohl mögen die Parteien hierzu ggf. vortragen, wenn ihrer Ansicht nach eine sinnvolle Berechnungsmethode auf Basis der Rundfunkgebühren existiert. In diesem Fall müssten aber die tatsächlich aufgewandten Lizenzgebühren der Beklagten vorteilsmindernd Berücksichtigung finden.“
288
Hierauf hat der Kläger methodisch nachvollziehbar auf einer verständlichen Datengrundlage für das Jahr 2018 eine Berechnung vorgeschlagen. Diese weicht auch nicht erheblich von den klägerseits errechneten Werten zum „Wiederholungsvergütungsmodell“ ab. Gleichwohl erscheinen die Werte schon in faktischer Hinsicht bedenklich.
289
Dies zeigt insbesondere die Berechnung für die Filme „Winnetou I – III“:
290
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Demnach würde alleine die viermalige Sendung von Winnetou I in „KT. NM.“ im Jahr 2018 einem Rundfunkbeitrag von ca. 950.000,- € entsprechen. Nach dem Vortrag der Beklagten läge ein am Markt ausgehandelter Lizenzbetrag im Jahr 2018 bei „nur“ 25.000,- €, 2019 immerhin bei 45.000,- €. Dies zeigt, dass die grobe Methodik des Klägers der Errechnung eines pauschalen Preises pro Sendeminute unter prozentualer Berechnung vom Gesamtrundfunkbeitragsvolumen zu keinen angemessenen Ergebnissen kommt. Insoweit liegen auch keine hinreichenden Anknüpfungstatsachen für eine gerichtliche Schätzung vor. Denn für eine solche Schätzung müssten ggf. erhebliche Abschläge vom Rundfunkbeitragsaufkommen für andere Zwecke als die Füllung der Sendezeit vorgenommen werden, die weder dargelegt noch sonst ersichtlich sind. Von einem etwaig geschätzten Betrag wären sodann jeweils die gezahlten Lizenzgebühren abzuziehen, wozu der Sach- und Streitstand auch zu dürftig ist.
293
Im Ergebnis scheidet eine Heranziehung der Rundfunkbeiträge zur Berechnung der Vorteile der Beklagten aber auch aus normativen Gründen aus. Nach § 1 RbStV dient der Rundfunkbeitrag der funktionsgerechten Finanzausstattung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im Sinne von § 34 Abs. 1 des Medienstaatsvertrages (MStV) sowie der Finanzierung der Aufgaben nach § 112 des MStV. § 34 Abs. 1 des MStV fordert, dass die Finanzausstattung den öffentlich-rechtlichen CQ. in die Lage zu versetzen hat, seine verfassungsmäßigen und gesetzlichen Aufgaben zu erfüllen; sie hat insbesondere den Bestand und die Entwicklung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu gewährleisten. Aus § 112 des MStV ergeben sich weitere Aufgaben, die hier nicht vertieft dargestellt werden sollen. So zeigen diese Normen bereits, dass der Rundfunkbeitrag angesichts einer Vielfalt von Aufgaben nur anteilsmäßig zur Finanzierung des Sendungsprogramms zu verwenden ist. Sie zeigen jedenfalls eindringlich, dass der Rundfunkbeitrag nicht die Gegenleistung der Beitragszahlenden für die Sendeinhalte darstellen. Dies zeigt sich nicht zuletzt auch an dem Umstand, dass die Beitragszahlung keine freiwillige Leistung darstellt, bei deren Nichtleistung die Beklagten den Zugriff auf die Sendesignale verweigern könnten.
294
Neben dieser allgemeinen Qualifikation des Rundfunkbeitrags kann dieser aber auch aus spezifisch urheberrechtlichen Gründen nicht als Vorteil und Erträgnis der Beklagten aus der Nutzung des „Werks“ im Sinne von § 32a Abs. 1 und 2 UrhG angesehen werden. Da der Rundfunkbeitrag schon nicht den Vorteil aus der Nutzung jeglicher Inhalte im Wege der Sendung auf den Fernsehsendern der Beklagten darstellt, ist er erst recht kein Vorteil aus der Nutzung der hier streitgegenständlichen Filme. Insoweit kann wiederum darauf verwiesen werden, dass die Beklagten statt der Filme des Herrn Dr. O. auch andere Fremdproduktionen hätten zeigen können, ohne dass dies Auswirkungen auf die Höhe und Verteilung der Rundfunkgebühren gehabt hätte.
295
dd) Andere Möglichkeiten zur Berechnung eines Vorteils der Beklagten durch die Ausstrahlung der streitgegenständlichen Filme sind weder vorgetragen, noch sonst ersichtlich. Deshalb hat die Klage insgesamt keinen Erfolg. Ob die dritte und vierte Stufe der Anspruchsprüfung nach § 32a Abs. 1 und 2 UrhG erfüllt wären, kann dahinstehen. Die Kammer verweist insoweit jedoch nochmals auf den Hinweisbeschluss der Kammer.
296
4. Dahinstehen kann auch die zwischen den Parteien streitige Frage, ob und ggf. ab wann Ansprüche des Klägers gegen die Beklagte verjährt sind. Die Kammer verweist auch insoweit auf den Hinweisbeschluss der Kammer und neigt dazu, an der dort geäußerten Ansicht festzuhalten. Die Kammer verweist dabei auch auf das zwischenzeitlich veröffentlichte Urteil des LG Berlin vom 27.09.2023 – 15 O 296/18, GRUR-RS 2023, 44670, Rn. 104 ff. – Keinohrhasen & Zweiohrküken, in dem eine durchaus vergleichbare Konstellation vorlag.
297
5. Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1 S. 1, 709 S. 2 ZPO.
298
6. Der Streitwert wird auf 597.685,01 EUR festgesetzt.