LG Köln: Frist für Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wegen Persönlichkeitsrechtsverletzung beträgt 1 Monat / Zum Persönlichkeitsschutz juristischer Personen

veröffentlicht am 16. September 2011

Rechtsanwalt Dr. Ole DammLG Köln, Urteil vom 11.03.2011, Az. 28 O 151/11
§ 823 BGB, § 1004 BGB

Das LG Köln hat entschieden, dass auch bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen für den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung eine Frist von 1 Monat nicht überschritten werden darf. Ferner bejahte die Kammer einen allgemeinen Persönlichkeitsschutz auch dann, wenn es sich bei dem Betroffenen um einen Verein, also eine juristische Person, handele. Zum Volltext der Entscheidung:



Landgericht Köln

Urteil

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Verfügungskläger auferlegt.

Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Verfügungskläger darf die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Verfügungsbeklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Zulässigkeit einer Darstellung des Verfügungsklägers in dem Buch „L und H“ des Autors I1, das bei der Verfügungsbeklagten in deutscher Sprache verlegt wird und dessen Erstverkauf für den 16.03.2011 angekündigt ist.

Der Verfügungskläger ist ein Schweizer Verein im Sinne der Art. 60 ff. ZGB Schweiz. Der Verein hat es sich zur Aufgabe gemacht, todkranken Menschen Strebehilfe zu leisten. Dies ist in der Schweiz legal, wenn keine Absicht besteht, mit dieser Tätigkeit Gewinne zu erzielen. Ergänzend wird auf die Internetdarstellung des Verfügungsklägers (AG1) und die vorgelegten Auszüge aus dem Internetlexikon „Wikipedia“ (AG2) Bezug genommen.

Die Verfügungsbeklagte ist ein in Köln ansässiger Verlag, der u.a. die Bücher des französischen Autors I1 in deutscher Übersetzung verlegt. U.a. verlegte die Verfügungsbeklagte auch das im Jahr 2001 erschienene Buch „Elementarteilchen“, mit dem der Autor in Deutschland Bekanntheit erlangte. Alle in deutscher Sprache veröffentlichten Bücher des Autors I1 erschienen bei der Verfügungsbeklagten.

Der Autor I1 verfasste unter dem französischen Originaltitel den Roman „Md“, der zunächst in Frankreich erschien. Das Buch schildert das Leben der fiktiven Figur des „Jed“, eines Malers. Auch real existierende Personen werden in die Handlung des Buches einbezogen. So nennt sich der Schriftsteller auch selbst und wird im Rahmen der fiktiven Handlung des Romans Opfer eines grausamen Mordes.

In dem 14. Kapitel des französischsprachigen Buches wird auch über einen Verein namens „E1“ berichtet. Dabei wird der Name des Verfügungsklägers genannt und es wird ein ehemaliger Standort, an dem der Verfügungskläger sog. Sterbebegleitungen durchführte, detailgetreu beschrieben. Auf die als Anlage ASt 3 vorgelegte beglaubigte Übersetzung wird Bezug genommen.

Über das Buch wurde in der Frankfurter Rundschau vom 09.11.2010 berichtet. Im Rahmen des Artikels wurde auch darauf hingewiesen, dass das Buch im Verlag der Verfügungsbeklagten erscheinen wird. Die Süddeutsche Zeitung veröffentlichte am 07.09.2010 eine Rezension über das Buch. Auf die als Anlagen AG 6 und AG 7 vorgelegten Artikel wird Bezug genommen.

Nachdem der Generalsekretär des Verfügungsklägers Kenntnis von dem Inhalt des französischsprachigen Buches erlangt hatte, wandte er sich mit E-Mail vom 26.12.2010 an die Verfügungsbeklagte. Die E-Mail hatte folgenden Inhalt:

„(…) Namens und im Auftrag des Vereins E1 – Menschenwürdig leben – Menschenwürdig sterben, G-Zürich, sowie des Vereins E1 – Menschenwürdig leben – Menschenwürdig sterben (Sektion Deutschland) e.V., Hannover, teile ich Ihnen das Folgende mit:

In dem neuen Roman von I1, Md, in französischer Sprache in Frankreich erschienen und mit dem Prix Goncourt ausgezeichnet, wird der Name der beiden von mir vertretenen Vereine benützt, um eine imaginäre Szene in einer real nicht existierenden Sterbeklinik in der Schweiz darzustellen. Die Art und Wiese der Darstellung unter Benützung des Namens „E1“ verletzt die Persönlichkeitsrechte der von mir vertretenen Vereine, da sie den Anspruch erhebt, den Verhältnissen zu entsprechen, wie sie bei E1 vorhanden seien. Tatsächlich jedoch wird ein unglaubliches Zerrbild vermittelt. Eigenartigerweise hat der Autor zwar die äusserlichen Details beinahe akribisch recherchiert; bezüglich der tatsächlichen Arbeitsweise von E1 jedoch abstrus phantasiert.

Ich ersuche deshalb um baldige Kontaktaufnahme im Hinblick auf die Herausgabe einer deutschen Übersetzung zwecks Vermeidung einer solchen Verletzung auch durch die deutsche Ausgabe, von der ich annehme, dass sie bei Ihnen erscheinen wird. (…)“

Eine Reaktion der Verfügungsbeklagten auf diese E-Mail erfolgte nicht.

Die Verfügungsbeklagte kündigte Anfang Dezember 2010 auf ihrer Internetseite an, dass die deutsche Übersetzung des Buches unter dem deutschen Titel „L und H“ bei ihr erscheinen werde und der 16.03.2011 der erste Verkaufstag sei.

Nachdem der Generalsekretär des Verfügungsklägers Ende Januar 2011 wieder Zeit gefunden hatte, sich mit der Angelegenheit zu befassen, stieß er auf die Veröffentlichung der Verfügungsbeklagten. Darauf ließ der Verfügungskläger die Verfügungsbeklagte mit Schreiben vom 01.02.2011 durch seine Prozessbevollmächtigten abmahnen und zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auffordern. Die Verfügungsbeklagte wies die Ansprüche zurück.

Nach der Übersetzung der Verfügungsbeklagten soll das Buch in dem streitgegenständlichen Kapitel – vorbehaltlich einer abschließenden Festlegung – den folgenden Inhalt haben:

Der Heizkessel hatte I1 letzten Endes überlebt, sagte sie Jed, als er zu Hause ankam und das Gerät betrachtete, das ihn mit hinterhältigem Brummen empfing wie ein böses Tier. Er hatte wohl auch seinen Vater überlebt, wie er ein paar Tage später vermuten musste. Es war schon der 17. Dezember, in einer Woche war Weihnachten, und er hatte noch immer nichts von dem alten Mann gehört, er beschloss daher, die Leiterin des Seniorenheims anzurufen. Sie teilte ihm mit, dass sein Vater vor einer Woche nach Zürich gefahren sei, ohne ein genaues Datum für seine Rückkehr anzugeben. Ihre Stimme verriet keine besondere Beunruhigung, und Jed wurde plötzlich bewusst, dass Zürich nicht nur die Operationsbasis eines Vereins war, der Euthanasie an alten Menschen praktizierte, sondern auch der Wohnort begüterter und sogar sehr begüterter Leute, die zu den reichsten der Welt zählten. Viele ihrer Heimbewohner hatten vermutlich Familienangehörige oder Bekannte in Zürich, und daher musste ihr die Tatsache, dass einer von ihnen dorthin reiste, völlig normal erscheinen. Er legte entmutigt auf und buchte bei den Swiss Airlines ein Ticket für den folgenden Tag.

Während er im riesigen Terminal 2 des Flughafens Roissy mit düsterer, ja ziemlich tödlicher Atmosphäre auf den Abflug wartete, fragte er sich plötzlich, was er überhaupt in Zürich zu tun gedachte. Sein Vater war aller Wahrscheinlichkeit nach seit mehreren Tagen tot, seine Asche dürfte schon auf dem Wasser des Zürichsees schwimmen. Bei seinen Recherchen im Internet hatte er erfahren, dass ein Umweltschutzverein Strafanzeige gegen E1 – so lautete der Name der Vereinigung von Euthanasievollstreckern – erstattet hatte. Nicht etwa aufgrund ihrer Aktivitäten, im Gegenteil, die besagten Umweltschützer waren über die Existenz von E1 äußerst erfreut, sie erklärten sich sogar völlig solidarisch mit deren Kampf, aber die Menge der Asche und dermenschlichen Knochen, die sie ins Wasser des Sees schütteten, war ihnen zufolge zu hoch und hatte den Nachteil, die Verbreitung einer seit kurzem in Europa eingeführten brasilianischen Karpfenart zu begünstigen – zum Schaden des Seesaiblings und ganz allgemein der einheimischen Fischarten.

Jed hätte einen der am Seeufer errichteten Paläste, das Hotel Widder oder das Baur au Lac, wählen können, aber er spürte, dass er deren übermäßigen Luxus nur schwer ertragen hätte. Er nahm daher mit einem großen, zweckmäßigen Hotel in der Nähe des Flughafens Vorlieb, das in der Gemeinde Z1 lag. Selbst dieses war übrigens ziemlich teuer und wirkte sehr gemütlich, aber gab es in der Schweiz überhaupt billige Hotels? Ungemütliche Hotels?

Er traf gegen zweiundzwanzig Uhr bei eisiger Kälte ein, aber das Zimmer war trotz der erbärmlichen Fassade des Hotels behaglich warm und angenehm. Das Restaurant des Hotels hatte gerade geschlossen; Jed studierte eine Weile die Karte des room service, ehe er merkte, dass er gar keinen Hunger hatte und dass er sich nicht einmal imstande fühlte, irgendetwas zu essen. Er spielte einen Augenblick mit dem Gedanken, sich einen Pornofilm anzusehen, schlief aber ein, bevor es ihm gelang, die Funktionsweise des pay per view-Systems zu begreifen.

Als er am nächsten Morgen aufwachte, war die ganze Umgebung in weißen Nebel gehüllt. Die Flugzeuge könnten nicht starten, erklärte ihm die Empfangsdame, der Flughafen sei lahm gelegt. Er ging zum Frühstücksbüffet, konnte aber nicht mehr als einen Kaffee und ein halbes Milchbrötchen herunterkriegen. Nachdem er eine ganze Weile den Stadtplan studiert hatte – es war ziemlich kompliziert, der Verein war ebenfalls in einem Vorort von Zürich angesiedelt, aber in einem anderen -, gab er es auf und beschloss, ein Taxi zu nehmen. Der Taxifahrer kannte die J-Straße gut; Jed hatte vergessen, sich die Hausnummer zu notieren, aber der Mann versicherte ihm, dass es eine kurze Straße sei. Sie befinde sich in der Nähe des Scherzenbacher Bahnhofs und verlaufe im Übrigen parallel zu den Gleisen. Jed war ein wenig befangen bei dem Gedanken, der Fahrer könne in ihm einen Selbstmordkandidaten sehen. Dabei warf ihm dieser – ein Mann in den Fünfzigern, der Englisch mit einem schweren schweizerdeutschen Akzent sprach – ab und zu im Rückspiegel einen anzüglichen, belustigten Blick zu, der wenig zu der Vorstellung eines würdigen Todes passte. Jed begriff den Sinn des Blickes erst, als das Taxi zu Beginn der J-Straße vor einem riesigen neobabylonischen Gebäude hielt, dessen Eingang mit kitschigen Fresken verziert war, zu dem ein mit Topfpflanzen gesäumter, verschlissener roter Teppich führte: Es war offensichtlich ein Bordell. Jed war zutiefst erleichtert, dass man ihn gedanklich mit einem Bordell und nicht mit dem einer um Euthanasie bemühten Organisation in Verbindung gebracht hatte. Er zahlte, geizte nicht mit dem Trinkgeld, und wartete, bis der Fahrer gewendet hatte, ehe er die Straße weiter entlang ging. Der E1 Verein brüstete sich damit; in Stoßzeiten die Nachfrage von hundert Kunden pro Tag zu befriedigen. Es war durchaus nicht sicher, ob die Babylon FKK Relax-Oase vergleichbare Besucherzahlen gelten machen konnte, obwohl die Öffnungszeiten länger waren – Diginitas war im-Wesentlichen-zu-den Bürozeiten geöffnet und Mittwochs bis 21 Uhr – und beträchtliche Anstrengungen hinsichtlich der Dekoration unternommen hatte, die zwar von zweifelhaftem Geschmack, aber unzweifelhaft sehr aufwendig war. E1 dagegen – Jed stellte es fest, als er fünfzig Meter weiter vor dem Gebäude angelangte -.war in einem weißen, mustergültig banalen Betonklotz untergebracht, das ganz dem Stil von Le Corbusier entsprach: nach dem Pfostensystem errichtet, das eine frei Fassade ermöglicht und ohne jegliche Ornamente. Kurz gesagt, ein Gebäude, das den weißen Betonblocks glich, wie man sie überall auf der Welt in den Wohnsiedlungen der Vororte zu Tausenden antrifft. Einen Unterschied gab es jedoch: die Qualität des Betons. Und da gab es keinen Zweifel, Schweizer Beton war polnischem, indonesischem oder madagassischem Beton bei weitem überlegen. Nicht die geringste Unregelmäßigkeit, nicht der geringste Riss verunstaltete die Fassade, und das vermutlich über zwanzig Jahre nach der Errichtung des Gebäudes. Er war sich sicher, dass sein Vater selbst noch ein paar Stunden vor seinem Tod die gleiche Feststellung gemacht hatte.

In dem Augenblick, als er klingeln wollte, kamen zwei Männer in Windjacken und Baumwollhosen mit einem Sarg aus hellem Holz – ein leichtes, billiges Modell, vermutlich sogar aus Spanplatten – aus der Tür und setzten ihn in einem Lieferwagen Peugeot Partner ab, der vor dem Haus parkte. Ohne Jed zu beachten, kehrten sie sofort wieder ins Haus zurück. Sie hatten die Türen des Lieferwagens offen gelassen, und kamen eine Minute später mit einem zweiten Sarg aus dem gleichen Material zurück, den sie ebenfalls in das Nutzfahrzeug ‚brachten. Sie hatten den Schließmechanismus der Haustür blockiert, um sich die Arbeit zu erleichtern. Seine Vermutung bestätigte sich also: In der Babylon FKK Relax-Oase ging es längst nicht so geschäftig zu. Der Marktwelt von Leichen und Tod übertraf den von Vergnügen und Sex, sagte sich Jed, das war vermutlich auch der Grund, weshalb Damien Hirst einige Jahre zuvor Jeff Koons den weltweit ersten Platz auf dem Kunstmarkt streitig gemacht hatte. Jed war zwar das Bild misslungen, das dieses Ereignis vor Augen führen sollte, er hatte es nicht einmal fertig zu stellen vermocht, aber so ein Bild blieb durchaus vorstellbar, jemand anders hätte es malen können – vermutlich jemand, der mehr Talent besaß als er. Dagegen erschien es ihm unmöglich, in einem Gemälde die unterschiedliche wirtschaftliche Dynamik dieser beiden Unternehmen klar zum Ausdruck zu bringen, die keine fünfzig Meter voneinander entfernt am selben Bürgersteig einer banalen und eher tristen Straße an einer Bahnlinie in einem östlichen Züricher Vorort lagen.

Währenddessen wurde ein dritter Sarg in den Lieferwagen gebracht. Ohne auf den vierten zu warten, betrat Jed das Gebäude und ging ein paar Stufen hinauf bis zu einem Treppenflur, .wo er zwischen drei Türen zu wählen hatte. Er öffnete die rechte mit der Aufschrift „Wartesaal“ und gelangte in einen Raum mit cremfarbenen Wänden und glanzlosen Plastikmöbeln, der ehrlich gesagt dem ein wenig ähnelte, in dem er im Kommissariat am Quai des Orfevres gewartet hatte, nur dass er diesmal nicht einen herrlichen Blick auf den Pont des Arts hatte, sondern ein unpersönliches Wohnviertel einer Vorstadt vor sich liegen sah. Aus den unter der Decke angebrachten Lautsprechern ertönte traurige Musik, die aber immerhin die Bezeichnung würdig verdiente – vermutlich Barber.

Die fünf Personen im Wartesaal waren zweifellos Selbstmordkandidaten, aber Jed hatte Mühe, sie darüber hinaus zu charakterisieren. Sogar ihr Alter war schwer zu bestimmen, vermutlich lag es zwischen fünfzig und siebzig – sie waren also nicht sehr alt, sein Vater dürfte, als er hier gewesen war, der älteste Selbstmordkandidat des Tages gewesen sein. Ein Mann mit weißem Schnurrbart und hochroter Gesichtsfarbe war ganz offensichtlich Engländer, aber die anderen ließen sich nur schwer einschätzen, sogar was ihre Staatsagehörigkeit anging. Ein abgezehrter Mann mit südländischem Aussehen, bräunlichgelber Gesichtsfarbe und furchtbar hohlen Wangen – der einzige, der tatsächlich den Eindruck machte, an einer schweren Krankheit zu leiden – las mit großer Hingabe (er hatte bei Jeds Ankunft nur kurz den Kopf gehoben und sich dann sofort wieder in die Lektüre vertieft) einen Band der Abenteuer von Spirou in einer spanischen Ausgabe; er stammte vermutlich aus irgend einem südamerikanischen Land.

Jed zögerte und wandte sich schließlich an eine Frau in den Sechzigern, die das typische Aussehen einer Hausfrau aus dem Allgäu hatte und den Eindruck vermittelte, im Stricken außerordentlich bewandert zu sein. Sie teilt ihm mit, dass es tatsächlich ein Empfangszimmer gebe, er brauche nur auf den Treppenflur zu gehen, es sei die linke Tür.

Jed öffnete die linke Tür, auf der sich kein Schild befand. Eine junge, relativ ansprechende Frau (in der Babylon FKK Relax-Oase waren die Mädels bestimmt viel hübscher, sagte er sich) saß hinter einem Empfangsschalter und war über ein Kreuzworträtsel gebeugt, das ihr offensichtlich großes Kopfzerbrechen bereitete. Jed erklärte ihr sein Ansuchen, das sie zu schockieren schien: Familienangehörige kämen nicht nach dem Tod, entgegnete sie ihm. Manchmal vorher, aber nie hinterher. „Sometimes before … Never after …“, wiederholte sie mehrere Male mit entsetzlich schleppender Stimme. Diese Zicke nervte ihn allmählich, er wurde lauter und sagte noch einmal, dass er nicht früher habe kommen können und unbedingt jemanden von der Geschäftsleitung sprechen wolle, schließlich habe er das Recht, die Akte seines Vaters einzusehen. Das Wort Recht schien sie zu beeindrucken; mit sichtlichem Widerwillen griff sie zum Telefonhörer. Ein paar Minuten später betrat eine etwa vierzigjährige Frau in hellem Kostüm den Raum. Sie habe sich die Akte angesehen: Sein Vater habe tatsächlich am Vormittag des 10. Dezember bei ihnen vorgesprochen; die Prozedur sei ganz normal verlaufen, fügte, sie hinzu.

Er musste am Sonntag dem 9. abends in Zürich eingetroffen sein, sagte sich Jed. Wo hatte er seine letzte Nacht verbracht? Hatte er sich das Hotel Baur au Lac geleistet? Er hoffte es, auch wenn er das eher bezweifelte. Er war sich auf jeden Fall sicher, dass sein Vater vor dem Weggehen die Rechnung bezahlt hatte und dass nichts mehr offen stand.

Jed ließ nicht locker und flehte sie an. Er sei zum besagten Zeitpunkt auf Reisen gewesen, behauptete er, und habe nicht da sein können, aber jetzt wolle er mehr darüber wissen, alle Einzelheiten über die letzten-Augenblicke seines Vaters erfahren. Sichtlich gereizt gab die Frau schließlich nach und fordert ihn auf, sie zu begleiten. Er folgte ihr auf einen langen, dunklen Flur, auf dem sich Metallschränke mit Aktenordnern aneinanderreihten, bevor sie in ihr helles, funktional eingerichtetes Büro gelangten, das auf einen kleinen Park hinausging. ,,Hier ist die Akte Ihres Vaters … „, sagte sie und hielt ihm einen dünnen Ordner hin. Das Wort Akte kam ihm leicht übertrieben vor: Es handelte sich um ein beidseitig beschriebenes, auf Deutsch abgefasstes Blatt Papier. „Ich verstehe kein Wort … Ich müsste es übersetzen lassen.“ „Was wollen Sie eigentlich?“ Sie verlor allmählich die Geduld. „Ich sage Ihnen doch, dass alles in Ordnung ist“ „Ich nehme an, dass es eine ärztliche Untersuchung. gegeben hat, nicht wahr?“ „Selbstverständlich.“

Nachdem was Jed in verschiedenen Artikeln gelesen hatte, beschränkte sich die ärztliche Untersuchung auf das Messen des Blutdrucks und eine paar belanglose Fragen, also gewissermaßen auf ein Motivationsgespräch, mit dem Unterschied jedoch, dass jeder Bewerber genommen wurde, die Sache war systematisch in weniger als zehn Minuten abgetan.

„Wir handeln in vollkommener Übereinstimmung mit dem Schweizer Recht“, sagte die Frau eisig.

„Und was ist aus der Leiche geworden?“

„Nun, wie die große Mehrheit unserer Kunden hat Ihr Vater sich für eine Feuerbestattung entschieden. Wir haben folglich seinem Wunsch entsprochen; anschließend haben wir seine Asche in der Natur verstreut.“

So war es also, sagte sich Jed; sein Vater diente nun den brasilianischen Karpfen des Zürichsees als Nahrung.

Die Frau nahm die Akte wieder an sich, da sie offensichtlich das Gespräch als beendet ansah, und stand auf, um sie wieder in den Schrank zu legen. Jed stand ebenfalls auf, ging auf sie zu und ohrfeigte sie heftig. Sie gab ein halb unterdrücktes Stöhnen von sich, hatte aber nicht die Zeit, einen Gegenangriff zu machen. Er versetzte ihr gleich darauf einen Uppercut aufs Kinn, gefolgt von einer Reihe von schnellen Hieben. Während sie noch schwankend Nach Atem rang, wich er ein paar Schritte zurück, um Schwung zu holen, und versetzte ihr mit aller Kraft einen Fußtritt in die Magengrube. Diesmal stürzte sie zu Boden und schlug dabei heftig gegen die Metallkante ihres Schreibtisches; ein Knacken war deutlich zu hören. Ihre Wirbelsäule hatte wohl etwas abgekriegt, sagte sich Jed. Er beugte sich über sie: Sie war benommen und atmete schwer aber sie atmete.

Er ging schnell zum Ausgang und befürchtete mehr oder weniger, dass jemand Alarm schlug, aber die junge Frau am Empfangsschalter blickte kaum von ihrem Kreuzworträtsel auf; der Kampf hatte allerdings in völliger Stille stattgefunden. Der Bahnhof war nur zweihundert Meter entfernt. In dem Augenblick, da er das Gebäude betrat, hielt ein Zug an einem der Bahnsteige. Jed stieg ein, ohne sich eine Fahrkarte zu lösen, wurde nicht kontrolliert und verließ im Züricher Hauptbahnhof den Zug.

Als er im Hotel ankam, merkte er, dass ihn diese Gewalthandlung in Form gebracht hatte. Es war das erste Mal in seinem Leben, dass er irgendjemandem gegenüber körperliche Gewalt angewandt hatte; und das hatte ihn hungrig gemacht. Er aß mit großem Appetit zu Abend: eine Raclette mit Bündnerfleisch und Bergschinken, und dazu einen ausgezeichneten Rotwein aus dem Wallis.

Am nächsten Morgen herrschte wieder schönes Wetter in Zürich, eine dünne Schneeschicht bedeckte den Boden. Er fuhr zum Flughafen und rechnete mehr oder weniger damit, bei der Passkontrolle festgenommen zu werden, aber nichts dergleichen geschah. Und auch an den folgenden Tagen hörte er nichts von der Sache. Es war erstaunlich, dass sie darauf verzichtet hatten, ihn anzuzeigen; vermutlich wollten sie es unbedingt vermeiden, mit ihrer Tätigkeit Aufmerksamkeit zu erregen. Vielleicht war an den im Internet verbreiteten Gerüchten, denen zufolge einige Mitglieder des Vereins der persönlichen Bereicherung beschuldigt wurden, doch etwas dran. Für eine Euthanasievollstreckung wurde im Durchschnitt fünftausend Euro berechnet, während eine-tödliche Dosis Natrium-Pentobarbital nur etwa zwanzig Euro kostet, und eine schlichte Einäscherung auch nicht sehr teuer sein dürfte. Bei einem Markt mit hoher Wachstumsrate, für den die Schweiz praktisch das Monopol besaß, konnten sie sich tatsächlich daran eine goldene Nase verdienen.“

Die Darstellungen, die sich im Rahmen des streitgegenständlichen Buches auf den Verein „E1“ beziehen, sind dabei teilweise zutreffend. So wird der richtige Name des Verfügungsklägers genannt und die Umgebung eines ehemaligen Standortes einer Sterbebegleitung wird zutreffend beschrieben. Die folgenden weiteren Aussagen, die in dem vorstehend dargestellten Kapitel enthalten sind, sind unzutreffend:

Es gibt keine Klage oder Strafanzeige gegen den Verfügungskläger. Es gab lediglich einen Vorwurf, dass die Asche im See entsorgt würde.

Die Asche von Verstorbenen wurde zu keinem Zeitpunkt im See entsorgt. Tatsächlich weist die Gemeinde darauf hin, dass an einer Stelle Urnen gefunden worden seien, die von Einwohnern der Gemeinde genutzt würde, um Asche im See zu entsorgen. Vor diesem Hintergrund gibt es keine Probleme im Zürichsee auch nicht wegen heimischer Saiblinge.

Der Verfügungskläger nimmt lediglich ein bis zwei Sterbebegleitungen pro Tag vor. Im Jahr 2010 wurden insgesamt 97 Sterbebegleitungen vorgenommen.

Das Einladen von Särgen kann nicht von Dritten wahrgenommen werden, da es im Gebäude hinter verschlossenen Türen stattfindet. Mehr als zwei Särge werden nicht abtransportiert, da zu keinem Zeitpunkt mehr als zwei Sterbebegleitungen pro Tag durchgeführt wurden. Zwei Sterbebegleitungen wurden im Jahr 2009 nur 9 Mal vorgenommen.

Über einen Warteraum verfügt der Verfügungskläger nicht. Es gibt auch keine Wartezeit auf einen Termin.

Die medizinische Prüfung, die einer Euthanasie vorangeht, ist nach dem bestrittenen Vortrag des Verfügungsklägers ausführlich und beinhaltet genaue Untersuchungen sowie eingehenden Gespräche.

Die Asche der verstorbenen Patienten wird auf vorherigen Wunsch der jeweiligen Patienten in der Natur verstreut.

Überschüsse, die der Verfügungskläger erwirtschaftet, werden reinvestiert. Eine Gewinnerzielungsabsicht des Verfügungsklägers besteht nicht.

Zahlreiche Interessenten entscheiden sich nach Gesprächen mit dem Verfügungskläger bzw. dessen Mitarbeitern, nicht den Freitod zu wählen.

Der Verfügungskläger ist der Ansicht, dass ein Anordnungsgrund vorliege. Er behauptet, Kenntnis von der konkreten Veröffentlichungsabsicht habe er erst seit Ende Januar 2011 gehabt. Bei dem Verfassen der E-Mail vom 26.12.2010 habe noch keine konkrete Kenntnis von der Veröffentlichungsabsicht bestanden, was sich letztlich auch aus dem Wortlaut der E-Mail ergebe.

Ein Anordnungsanspruch liege ebenfalls vor, da die aus dem Antrag ersichtlichen Äußerungen das Persönlichkeitsrecht des Verfügungsklägers verletzten. Dabei sei zu berücksichtigen, dass der Verfügungskläger durch die Darstellung erkennbar sei. Die Darstellung enthalte auchzahlreiche unwahre Aussagen, die sich in den Anträge wiederfänden. Auch soweit die Kunstfreiheit zu berücksichtigen sei, führe dies zu keinem anderen Ergebnis. Zwar müsse insoweit eine Interessenabwägung stattfinden. Diese falle aber zugunsten des Verfügungsklägers aus. Denn es liege durch die Darstellung eine schwerwiegende Verletzung der Persönlichkeitsrechte des Verfügungsklägers vor, die nicht durch die Kunstfreiheit gerechtfertigt sein könne. Die fiktiven Elemente des streitgegenständlichen Romans erkenne der Leser nicht, da zahlreiche Elemente der Beschreibung des Verfügungsklägers der Realität entnommen seien. Dies gelte insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Darstellung des Verfügungsklägers lediglich ein Randgeschehen betreffe, was als realitätsgetreu wahrgenommen werde.

Auch die für den Erlass einer einstweiligen Verfügung erforderliche Erstbegehungsgefahr sei anzunehmen, da die Veröffentlichung des Buches bereits angekündigt sei.

Nach Änderung des ursprünglich auf den Text in französischer Sprache gerichteten Antrages beantragt der Verfügungskläger,

der Verfügungsbeklagten bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom zuständigen Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- EUR, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, letztere zu vollziehen an der Geschäftsführung der persönlich haftenden Gesellschafterin der Verfügungsbeklagten, zu untersagen, in Bezug auf den Verfügungskläger zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen:

„(Sein Vater war aller Wahrscheinlichkeit nach seit mehreren Tagen tot, seine Asche dürfte schon auf dem Wasser des Zürichsees schwimmen. Bei seinen Recherchen im Internet hatte er erfahren,( dass ein Umweltschutzverein Strafanzeige gegen E1 – so lautete der Name der Vereinigung von Euthanasievollstreckern – erstattet hatte. (Nicht etwa aufgrund ihrer Aktivitäten, im Gegenteil, die besagten Umweltschützer waren über die Existenz von E1 äußerst erfreut, sie erklärten sich sogar völlig solidarisch mit deren Kampf,( aber die Menge der Asche und der menschlichen Knochen, die sie ins Wasser des Sees schütteten, war ihnen zufolge zu hoch und hatte den Nachteil, die Verbreitung einer seit kurzem in Europa eingeführten brasilianischen Karpfenart zu begünstigen – zum Schaden des Seesaiblings und ganz allgemein der einheimischen Fischarten.(„

„Der E1 Verein brüstete sich damit; in Stoßzeiten die Nachfrage von hundert Kunden pro Tag zu befriedigen.“

„(In dem Augenblick, als er klingeln wollte,( kamen zwei Männer in Windjacken und Baumwollhosen mit einem Sarg aus hellem Holz – ein leichtes, billiges Modell, vermutlich sogar aus Spanplatten – aus der Tür und setzten ihn in einem Lieferwagen Peugeot Partner ab, der vor dem Haus parkte. (Ohne Jed zu beachten, kehrten sie sofort wieder ins Haus zurück. Sie hatten die Türen des Lieferwagens offen gelassen, und( kamen eine Minute später mit einem zweiten Sarg aus dem gleichen Material zurück, den sie ebenfalls in das Nutzfahrzeug brachten. (Sie hatten den Schließmechanismus der Haustür blockiert, um sich die Arbeit zu erleichtern.( (…) Währenddessen wurde ein dritter Sarg in den Lieferwagen gebracht. Ohne auf den vierten zu warten, (…)“

„((…) betrat Jed das Gebäude und ging ein paar Stufen hinauf bis zu einem Treppenflur, wo er zwischen drei Türen zu wählen hatte.( Er öffnete die rechte mit der Aufschrift „Wartesaal“ und gelangte in einen Raum mit cremfarbenen Wänden und glanzlosen Plastikmöbeln, (der ehrlich gesagt dem ein wenig ähnelte, in dem er im Kommissariat am Quai des Orfevres gewartet hatte, nur dass er diesmal nicht einen herrlichen Blick auf den Pont des Arts hatte, sondern ein unpersönliches Wohnviertel einer Vorstadt vor sich liegen sah. Aus den unter der Decke angebrachten Lautsprechern ertönte traurige Musik, die aber immerhin die Bezeichnung würdig verdiente – vermutlich Barber.(

Die fünf Personen im Wartesaal waren zweifellos Selbstmordkandidaten, (aber Jed hatte Mühe, sie darüber hinaus zu charakterisieren.( Sogar ihr Alter war schwer zu bestimmen, vermutlich lag es zwischen fünfzig und siebzig – sie waren also nicht sehr alt, (sein Vater dürfte, als er hier gewesen war, der älteste Selbstmordkandidat des Tages gewesen sein. Ein Mann mit weißem Schnurrbart und hochroter Gesichtsfarbe war ganz offensichtlich Engländer, aber die anderen ließen sich nur schwer einschätzen, sogar was ihre Staatsagehörigkeit anging. Ein abgezehrter Mann mit südländischem Aussehen, bräunlichgelber Gesichtsfarbe und furchtbar hohlen Wangen -( der einzige, der tatsächlich den Eindruck machte, an einer schweren Krankheit zu leiden – (las mit großer Hingabe (…)(“

„Nachdem was Jed in verschiedenen Artikeln gelesen hatte, beschränkte sich die ärztliche Untersuchung auf das Messen des Blutdrucks und eine paar belanglose Fragen, also gewissermaßen auf ein Motivationsgespräch, mit dem Unterschied jedoch, dass jeder Bewerber genommen wurde, die Sache war systematisch in weniger als zehn Minuten abgetan.“

„(…) anschließend haben wir seine Asche in der Natur verstreut.“

„(Es war erstaunlich, dass sie darauf verzichtet hatten, ihn anzuzeigen; vermutlich wollten sie es unbedingt vermeiden, mit ihrer Tätigkeit Aufmerksamkeit zu erregen. Vielleicht war an den im Internet verbreiteten Gerüchten, denen zufolge einige Mitglieder des Vereins der persönlichen Bereicherung beschuldigt wurden, doch etwas dran.( Für eine Euthanasievollstreckung wurde im Durchschnitt fünftausend Euro berechnet, während eine tödliche Dosis Natrium-Pentobarbital nur etwa zwanzig Euro kostet, und eine schlichte Einäscherung auch nicht sehr teuer sein dürfte. (Bei einem Markt mit hoher Wachstumsrate, für den die Schweiz praktisch das Monopol besaß,( konnten sie sich tatsächlich daran eine goldene Nase verdienen.“

Die Verfügungsbeklagte beantragt, den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Die Verfügungsbeklagte ist der Ansicht, dass schon kein Verfügungsgrund bestehe. Denn der Verfügungskläger habe jedenfalls am 26.12.2010 Kenntnis von der Absicht der Herausgabe des streitgegenständlichen Buches durch die Verfügungsbeklagte gehabt. Da die Abmahnung jedoch erst ca. 6 Wochen später versandt wurde, sei das Eilbedürfnis jedenfalls widerlegt. Sie behauptet, tatsächlich hätte der Verfügungskläger lange vor dem 26.12.2010 Kenntnis von der bevorstehenden Veröffentlichung gehabt.

Die Verfügungsbeklagte ist weiter der Ansicht, dass die Abwägung der Kunstfreiheit und des Persönlichkeitsrechts des Verfügungsklägers nicht zu einem Unterlassungsanspruch führe. Insgesamt werde die Rahmenhandlung von dem Leser als fiktiv verstanden. Dies werde bereits aus dem Gesamtkontext des Romans deutlich. Zahlreiche Passagen würden durch entsprechende Formulierungen als fiktiv dargestellt. Die Fiktion sei jedenfalls durch den – unstreitigen – abschließenden Satz im Rahmen des Buches klargestellt.

Soweit der Verfügungskläger behauptet, es seien weitergehende Untersuchungen als in dem Kapitel des streitgegenständlichen Buches beschrieben, erfolgt, bestreitet die Verfügungsbeklagte dies mit Nichtwissen.

Wenn überhaupt eine Verletzung der Persönlichkeitsrechte des Verfügungsklägers angenommen werden könne, sei diese nicht schwer, so dass auch aus diesem Grund ein Unterlassungsanspruch ausscheide. Hierbei müsse auch berücksichtigt werden, dass der Verfügungskläger als Verein nicht im gleichen Maß geschützt sei, wie eine natürliche Person. Auch stehe der Verfügungskläger – unstreitig – aufgrund seiner Sterbehilfe massiv im Licht der Öffentlichkeit.

Auch eine Begehungsgefahr könne nicht angenommen werden, da es keine korrigierte deutsche Fassung des Buches gebe. Es sei nicht abschließend festgelegt, was letztlich Gegenstand der Darstellungen werde.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den vorgetragenen Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze und auf die von ihnen eingereichten Urkunden, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist zurückzuweisen, da weder ein Verfügungsanspruch noch ein Verfügungsgrund bestehen. Der Verfügungsgrund ist nicht anzunehmen, da der Verfügungskläger seit der E-Mail vom 26.12.2010 einen so erheblichen Zeitraum zugewartet hat, dass das ursprünglich bestehende Eilbedürfnis hierdurch entfallen ist. Ein Verfügungsanspruch ist ebenfalls nicht gegeben, da die Veröffentlichung des fiktiven Romans nicht das Persönlichkeitsrecht des Verfügungsklägers verletzt.

I.
Der Verfügungskläger hat die Annahme einer Dringlichkeit durch sein vorprozessuales Verhalten ausgeschlossen. Denn er hat – wie sein Generalsekretär im Rahmen der mündlichen Verhandlung ausdrücklich bestätigt hat – seit dem 26.12.2010 bis Ende Januar 2011 zugewartet, bevor er sich überhaupt mit der Angelegenheit weiter befasste. Wie sich aus der E-Mail vom 26.12.2010 ergibt, hatte der Verfügungskläger von den einzelnen Äußerungen, die Gegenstand der Veröffentlichung in Deutschland (in deutscher Übersetzung) werden sollten, konkrete Kenntnis. Auch war dem Verfügungskläger bewusst, dass das streitgegenständliche Buch von der Verfügungsbeklagten veröffentlicht werden konnte. Dies hätte er ohne weiteres überprüfen können, indem er die Internetseite der Verfügungsbeklagten in Augenschein genommen hätte, auf der die Veröffentlichung seit Anfang Dezember 2010 angekündigt war. Dass dies ohne weiteres möglich gewesen wäre, zeigt sich bereits daran, dass der Verfügungskläger Ende Januar auf eben diesem Weg die Kenntnisse erlangte. Der Generalsekretär des Verfügungsklägers fand jedoch bis Ende Januar 2011 keine Zeit, sich mit der Sache weiter zu befassen. Damit hat der Verfügungskläger die Dringlichkeit selbst widerlegt.

Denn das Vorliegen eines Verfügungsgrundes im Sinne von §§ 935, 940 ZPO setzt voraus, dass der Erlass der einstweiligen Verfügung notwendig ist, z.B. zur Abwendung wesentlicher Nachteile. Es handelt sich um eine besondere Form des Rechtsschutzbedürfnisses; sein Vorliegen ist aufgrund objektiver Betrachtungsweise zu beurteilen, wobei die schutzwürdigen Interessen beider Seiten gegeneinander abzuwägen sind. Eine Selbstwiderlegung der Dringlichkeit und damit das Entfallen eines Verfügungsgrundes ist anzunehmen, wenn der Verfügungskläger trotz eines ursprünglich bestehenden Regelungsbedürfnisses zu lange zugewartet hat, bevor er die einstweilige Verfügung beantragt hat (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 28. Auflage, § 940, Rn. 4, m.w.N.).

Bei Antragstellung am 22.02.2011, Eingang bei Gericht, (etwa 2 Monate nach der E-Mail vom 26.12.2010) war die Dringlichkeit nicht mehr gewahrt. Auch wenn in diesem Bereich bestimmte Fristen nach ständiger Rechtsprechung des OLG Köln nur als Anhaltspunkt dienen können, ist die Dringlichkeit in der Regel nicht anzunehmen, wenn der Unterlassungsgläubiger ohne zwingende Gründe einen Zeitraum von mehr als einem Monat bis zur Antragstellung verstreichen lässt (vgl. Beschluss des OLG Köln vom 22.01.2010, Az. 6 W 149/09, zitiert nach juris). 2 Monate bis zur Anbringung des Eilantrags sind nach diesen Maßstäben selbst unter Berücksichtigung der Postlaufzeiten nicht mehr als angemessener Zeitraum anzusehen, zumal der Generalsekretär selbst eingeräumt hat, sich wegen anderer Angelegenheiten mehr als einen Monat (von Ende Dezember 2010 bis Ende Januar 2010) mit der Sache nicht auseinander gesetzt zu haben. Durch dieses Verhalten hat der Verfügungskläger gezeigt, dass der Erlass der einstweiligen Verfügung aus seiner Sicht nicht so dringlich ist, dass dies ein Verbot im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens rechtfertigt.

II.
Aber auch ein Verfügungsanspruch gemäß §§ 823, 1004 BGB des Verfügungsklägers gegen die Verfügungsbeklagte besteht nicht. Zwar greift die Verfügungsbeklagte in das Persönlichkeitsrecht des Verfügungsklägers durch die Veröffentlichung des streitgegenständlichen Buches ein. Dieser Eingriff ist jedoch nicht rechtswidrig. Im Einzelnen gilt Folgendes:

Der Verfügungskläger ist zur Geltendmachung der streitgegenständlichen Unterlassungsansprüche aktivlegitimiert, da er von den Äußerungen betroffen ist.

Die individuelle Betroffenheit des Verfügungsklägers in presserechtlicher Hinsicht setzt voraus, dass die Darstellung sich mit ihm als Subjekt befasst. Die dafür vorausgesetzte Erkennbarkeit besteht vorliegend bereits aufgrund der namentlichen Erwähnung des Verfügungsklägers. Sie ist aber auch aufgrund der weiteren individualisierenden Merkmale – beispielsweise die Schilderung der Tätigkeit des Verfügungsklägers und der Lage seiner Räumlichkeiten – gegeben (vgl. Burkhardt in: Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Auflage 2003, Kap. 12, Rn. 43).

Auch ist das Persönlichkeitsrecht des Verfügungsklägers als juristische Person geschützt. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht den Umfang der verfassungsrechtlichen Fundierung der einfachrechtlich als Unternehmenspersönlichkeitsrecht oder Persönlichkeitsschutz der juristischen Person umschriebenen Rechtspositionen bislang im Wesentlichen offen gelassen (vgl. dazu BVerfGE 106, 28, 42). Es ist im Grundsatz jedoch anerkannt, dass auch juristischen Personen ein allgemeiner Persönlichkeitsschutz zukommen kann (etwa BGH, NJW 1994, 1281, 1282), wobei den Interessen der Verfügungsklägerin über Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 12 GG verfassungsrechtlicher Schutz gewährleistet werden kann (vgl. BVerfGE, NJW 2002, 2621, 2622). An dem durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützten Persönlichkeitsbereich nimmt die juristische Person nämlich insoweit teil, als sie aus ihrem Wesen und ihren Funktionen dieses Schutzes bedarf, weil sie in ihrem sozialen Geltungsbereich betroffen ist (vgl. BGH, NJW 1994, 1281, 1282). Dies trifft grundsätzlich auf den Verfügungskläger zu, da gerade seine Aufgabe im Rahmen der sog. Sterbebegleitung Gegenstand der streitgegenständlichen Äußerungen ist.

Die Verfügungsbeklagte ist als Verlag des Buches „L und H“ auch passivlegitimiert.

Durch die Veröffentlichung des Buches bzw. des streitgegenständlichen Kapitels greift die Verfügungsbeklagte jedoch nicht rechtswidrig in das Persönlichkeitsrecht des Verfügungsklägers ein. Denn das Persönlichkeitsrecht des Verfügungsklägers als juristische Person ist bei der gebotenen kunstspezifischen Betrachtungsweise nicht verletzt. Die Tatsache, dass die fiktiven Einzelheiten, die sich auf den Verfügungskläger beziehen und die sich aus den Anträgen ergeben, unwahr sind, führen nicht zu dem geltend gemachten Unterlassungsanspruch, weil eine Abwägung mit der der Verfügungsbeklagten zustehenden Kunstfreiheit ergibt, dass eine rechtswidrige Persönlichkeitsrechtsverletzung nicht vorliegt.

Wenn zu prüfen ist, ob ein dem Schutz des Art. 5 Abs. 3 GG unterstehendes Kunstwerk die Persönlichkeitsrechte einer juristischen Person beeinträchtigt, kommt es auf eine Interpretation des Aussagegehalts dieses Kunstwerks an. Bei dieser Interpretation sind die Besonderheiten der künstlerischen Ausdrucksform zu berücksichtigen.

Ein Kunstwerk wie das Buch „L und H“ strebt eine gegenüber der „realen“ Wirklichkeit verselbstständigte Realität an, in der die reale Wirklichkeit auf der ästhetischen Ebene in einem neuen Verhältnis zum Individuum bewusster erfahren wird. Die erforderliche Abwägung kann nicht allein auf die Wirkungen eines Kunstwerks im außerkünstlerischen Sozialbereich abheben, sondern muss auch kunstspezifischen Gesichtspunkten Rechnung tragen. Die Entscheidung darüber, ob durch die Anlehnung der künstlerischen Darstellung an Persönlichkeitsdaten der realen Wirklichkeit ein der Veröffentlichung des Kunstwerks entgegenstehender schwerer Eingriff in den schutzwürdigen Persönlichkeitsbereich des Dargestellten zu befürchten ist, kann nur unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalls getroffen werden. Dabei ist zu beachten, ob und inwieweit das „Abbild“ gegenüber dem „Urbild“ durch die künstlerische Gestaltung des Stoffs und seine Ein- und Unterordnung in den Gesamtorganismus des Kunstwerks so verselbstständigt erscheint, dass das Individuelle, Persönlich-Intime zu Gunsten des Allgemeinen, Zeichenhaften der „Figur“ objektiviert ist. Wenn eine solche, das Kunstspezifische berücksichtigende Betrachtung jedoch ergibt, dass der Künstler ein „Porträt“ des „Urbilds“ gezeichnet hat oder gar zeichnen wollte, kommt es auf das Ausmaß der künstlerischen Verfremdung oder den Umfang und die Bedeutung der „Verfälschung“ für den Ruf des Betroffenen an (BVerfGE 30, 173, 195, 198). Die Kunstfreiheit wird umso eher Vorrang beanspruchen können, je mehr die Darstellungen des Urbilds künstlerisch gestaltet und in die Gesamtkonzeption des Kunstwerks eingebettet sind (vgl. BVerfG, GRUR 2007, 1085, 1088 – Esra; BVerfGE 30, 173, 195 – Mephisto; BGH NJW 2005, 2844, 2847 – Esra).

Stehen sich der Persönlichkeitsschutz auf der einen Seite und die Freiheit eines Buchautors auf der anderen Seite gegenüber, so hat die Lösung davon auszugehen, dass nach dem Willen der Verfassung beide Verfassungswerte essenzielle Bestandteile der freiheitlichen demokratischen Ordnung des Grundgesetzes bilden, so dass grundsätzlich keine von ihnen einen Vorrang beanspruchen kann. Vielmehr ist unter Berücksichtigung der falltypischen Gestaltung und der besonderen Umstände des Einzelfalls zu entscheiden, welches Interesse zurückzutreten hat. Bei der erforderlichen Abwägung muss auf der einen Seite die Intensität des Eingriffs in den Persönlichkeitsbereich durch die Auswertung des Buches und auf der anderen Seite das konkrete Interesse, dessen Befriedigung die Darstellung dient und zu dienen geeignet ist, bewertet werden (OLG München NJW-RR 2008, 1220, 1222). Je stärker der Autor eine Darstellung von ihrem Urbild löst und zu in einer erdachten Realität verselbstständigt („verfremdet“; vgl. BVerfGE 30, 173, 195 – Mephisto), umso mehr wird ihm eine kunstspezifische Betrachtung zugutekommen. Dabei geht es bei solcher Fiktionalisierung nicht notwendig um die völlige Beseitigung der Erkennbarkeit, sondern darum, dass dem Leser oder Zuschauer deutlich gemacht wird, dass er nicht von der Faktizität des Erzählten ausgehen soll (BGH NJW 2008, 2587, 2588). Auf den konkreten Fall bezogen ergibt sich daraus das Folgende:

Das von der Verfügungsbeklagten herausgegebene Buch „L und H“ stellt ein Kunstwerk dar, das Ausdruck einer freien schöpferischen Gestaltung ist, in der Eindrücke, Erfahrungen und Erlebnisse des Autors durch die Sprache zu Anschauung gebracht werden. Damit unterliegt das Buch insgesamt dem Schutz der durch Art. 5 Abs. 3 GG gewährleisteten Kunstfreiheit. Auf die künstlerische Qualität eines Werkes kommt es nicht an (BVerfG, NJW 1975, 1883). Künstlerisches Schaffen ist primär nicht Mitteilung, sondern Ausdruck der individuellen Persönlichkeit des Künstlers. Knüpft erzählende Kunst an Vorgänge der Wirklichkeit an, ist entscheidend, ob die Realität aus den geschichtlichen Zusammenhängen gelöst und in neue Beziehungen gebracht wird, für die nicht die Realitätsthematik, sondern das künstlerische Gebot der anschaulichen Gestaltung im Vordergrund steht (Burkhardt in Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, Rn. 3.2; OLG Hamburg, NJW-RR 2007, 1268 = ZUM 2007, 479).

Ein künstlerisches Werk wie das streitgegenständliche Buch ist zunächst als Fiktion anzusehen, das keinen Faktizitätsanspruch erhebt. Die Vermutung der Fiktionalität gilt im Ausgangspunkt auch dann, wenn hinter den Figuren reale Personen als Urbilder erkennbar sind (vgl. BVerfG GRUR-RR 2008, 206, 207 – Ehrensache; BVerfG, GRUR 2007, 1085 Rn. 82ff. = NJW 2008, 39 – Roman „Esra“). Dies gilt ungeachtet des Umstandes, dass wesentliche Bezüge zu dem Verfügungskläger zutreffend wiedergegeben werden. So wird insbesondere der Name des Verfügungsklägers genannt. Auch die Möglichkeit, dass der Verfügungskläger todkranken Menschen Strebehilfe leistet, wird im Rahmen des Buches – jedenfalls für sich betrachtet – zutreffend wiedergeben. Ferner werden Räumlichkeiten, die der Verfügungskläger nutzte, in ihrer Lage und hinsichtlich des äußeren Eindrucks zutreffend beschrieben.

Ungeachtet des Umstandes, dass die streitgegenständlichen Ausführungen des Buches – wie auch sonst viele künstlerische Werke aus der Literatur – zwar an die Realität anknüpft, hat der Autor dabei aber eine neue ästhetische Wirklichkeit geschaffen. Dies ist hinsichtlich des Buches „L und H“ bereits deshalb anzunehmen, weil hier die rein fiktive Geschichte des Malers „Jed“ beschrieben wird. Dieser findet sich in einer Realität wieder und trifft zahlreiche real existierende Personen, wie beispielsweise den Autor des Buches selbst. Die Erlebnisse der Hauptperson sind frei erfunden. Anknüpfungspunkte zur Realität sind insoweit zunächst nicht vorhanden. Aber auch die Erlebnisse der realen Personen stimmen nicht mit der Wirklichkeit überein. So wird der Autor des Buches nach dem fiktiven Inhalt im Laufe der Geschichte bestialisch ermordet.

Vor diesem Hintergrund verletzen die konkreten im Rahmen des Antrages genannten Darstellung den Verfügungskläger nicht. Im Rahmen der Abwägung ist jedoch zu Gunsten des Verfügungsklägers zu berücksichtigen, dass zahlreiche Tatsachenbehauptungen, die den Verfügungskläger bzw. dessen Tätigkeiten umschreiben, nicht den Tatsachen entsprechen. Dass die nachstehend genannten Behauptungen nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmen, ist dabei im Wesentlichen unstreitig. Soweit die Verfügungsbeklagte dies mit Nichtwissen bestritten hat, hat der Verfügungskläger durch die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung seines Generalsekretärs glaubhaft gemacht, dass die Darstellungen unzutreffend sind.

Es ist davon auszugehen, dass keine Strafanzeige durch Umweltschützer gegen den Verfügungskläger erstattet wurde. Auch wurde die Asche von Verstorbenen zu keinem Zeitpunkt im See entsorgt. Eine Berühmung des Verfügungsklägers bis zu 100 Sterbebegleitungen pro Tag vornehmen zu können, gab es nie. Tatsächlich wurden im gesamten Jahr 2010 insgesamt 97 Sterbebegleitungen durchgeführt. Das Einladen von Särgen erfolgt entgegen der Darstellung des Buches nicht vor der Tür, sondern findet hinter verschlossenen Türen statt. Mehr als zwei Särge werden nicht abtransportiert, da nicht mehr als zwei Sterbebegleitungen pro Tag durchgeführt wurden. Auch dies war im Jahr 2009 nur 9 Mal der Fall. Angesichts der geringeren Zahl der Sterbebegleitungen gibt es keinen Warteraum bei dem Verfügungskläger. Auch Wartezeit auf einen Termin gibt es nicht. Es wird eine intensive medizinische Prüfung durchgeführt, die auch eine eingehende Untersuchung des jeweiligen Patienten beinhaltet. Nach dem Tod eines Sterbewilligen wird dessen Asche nur auf seinen vorher geäußerten Wunsch in der Natur verstreut. Überschüsse erwirtschaftet der Verfügungskläger nicht. Insbesondere ist seine Tätigkeit nicht auf eine Gewinnerzielung ausgerichtet. Letztlich entscheiden sich zahlreiche Patienten nach Gesprächen bei dem Verfügungskläger auch dazu, von dem Freitod Abstand zu nehmen.

Die vorgenannten unwahren Tatsachenbehauptungen führen dennoch zu keinem schwerwiegenden Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Verfügungsklägers. Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass der Verfügungskläger einen Schutz des Persönlichkeitsrechts lediglich als juristische Person genießt. Insoweit ist davon auszugehen, dass sich juristische Personen nur begrenzt auf den Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts berufen können (vgl. BGH in NJW 1994, 1281). Denn eine Ausdehnung der Schutzwirkung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts über natürliche Personen hinaus auf juristische Personen ist nur insoweit gerechtfertigt, als sie aus ihrem Wesen als Zweckschöpfung des Rechts und ihren Funktionen dieses Rechtsschutzes bedürfen (vgl. BGH a.a.O.).

Auch weist der Autor des Buches ausdrücklich im Nachsatz darauf hin, dass das Buch eine fiktive Geschichte beinhaltet und er sich die Freiheit genommen hat, die Realität zu verfremden und in die von ihm erzählte Geschichte einzufügen. Bereits hieraus wird der Rezipient den Schluss ziehen, dass die Darstellung des Romans in weiten Teilen fiktiv ist. Dies gilt auch für die Darstellung des Verfügungsklägers. Denn dieser wird bewusst und erkennbar in einer erheblich überzogenen Form beschrieben. Dies zeigt sich bereits an der Darstellung, dass der Verfügungskläger sich damit brüste, mehr als 100 Kunden pro Tag befriedigen zu können. Auch der Umgang mit den Verstorbenen stellt eine erkennbare Überzeichnung dar, die der Geschichte und letztlich auch der Darstellung des Verhältnisses der Hauptperson „Jed“ zu seinem Vater geschuldet ist.

Der Verfügungskläger bzw. das Thema der Euthanasie stehen in erheblichem Umfang im Licht der Öffentlichkeit und führen zu einer breiten gesellschaftlichen Auseinandersetzung. Vor diesem Hintergrund besteht grundsätzlich ein berechtigtes Interesse an Darstellung der Tätigkeiten des Verfügungsklägers.

Berücksichtigt man im Zusammenhang mit der Darstellung des Verfügungsklägers, dass zwischen dem Maß, in dem das Kunstwerk eine von der Wirklichkeit abgelöste ästhetische Realität schafft und der Intensität der Verletzung des Persönlichkeitsrechts eine Wechselbeziehung dahingehend besteht, dass, je stärker Abbild und Urbild übereinstimmen, desto schwerer die Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts wiegt (BVerfG, NJW 2008, 39 ff. – Esra), so ergibt die Abwägung mit der entgegenstehenden Kunstfreiheit unter Berücksichtigung aller dargestellten Merkmale im Sinne einer Gesamtbetrachtung, dass der Verfügungskläger die verfälschende Darstellung seiner Tätigkeiten im Ergebnis hinzunehmen hat.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 708 Nr. 6, 711 ZPO.

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