LG Köln: Auch für Filmkritiken kann Urheberrechtsschutz bestehen / 150,00 EUR Schadensersatz pro Kritik

veröffentlicht am 7. März 2010

Rechtsanwältin Katrin ReinhardtLG Köln, Urteil vom 23.09.2009, Az. 28 O 250/09
§ 97 UrhG

Das LG Köln hat entschieden, dass Besprechungen und Kritiken von Filmen urheberrechtlichen Schutz genießen. Die Parteien hatten um Schadensersatz im Wege der Lizenzanalogie wegen Verwendung von Filmbeschreibungen gestritten, welche Mitarbeiter der Rechtsvorgängerin der Klägerin für diese erstellten und welche auf der Webseite der Beklagten verwendet wurden. Die Klägerin behauptete, die Mitarbeiter, welche die Filmtexte erstellt hätten, die die Beklagte identisch verwendete, hätten die Filme zuvor angesehen. Auch der Zeitaufwand für die Verfassung dieser Texte sei weit mehr als nur geringfügig. Üblicherweise würden Agenturen für eine Filmbesprechung 150,00 EUR verlangen. Sie sei der Auffassung, die Filmbeschreibungen seien allesamt, auch diejenige „Die Tudors“ zumindest als kleine Münze schutzfähig. Außerdem sei im Wege der Lizenzanalogie ein Verletzerzuschlag von 100 % zu leisten.

Die Kölner Richter befanden dass der geltend gemachte Schadensersatzanspruch nach § 97 Abs. 2 Satz 1 UrhG bestehe. Das Nutzungsrecht der Rechtsvorgängerin sei verletzt worden. Die in Rede stehenden Filmbeschreibungen seien mit Ausnahme der Filmbeschreibung „Die Tudors“ urheberrechtlich geschützte Werke, weil sie die notwendige Schöpfungshöhe erreichten. Der urheberrechtliche Schutz ergebe sich aus der Verwendung der Sprache, § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG. Die Sprachgestaltung von Werbetexten sei geschützt, wenn die erforderliche Schöpfungshöhe vorliege. Für die Schutzfähigkeit der verwendeten Texte komme es sowohl auf Art und Umfang des Textes an; sei der Stoff des Sprachwerks frei erfunden, so erlange es eher Urheberschutz als solche Texte, bei denen der Stoff durch organisatorische Zwecke oder wissenschaftliche und andere Themen vorgegeben sei, denn dort fehle der im fraglichen wissenschaftlichen oder sonstigen Fachbereich üblichen Ausdrucksweise vielfach die urheberrechtsschutzfähige eigenschöpferische Prägung (LG Köln, 20.06.2007 a. a. O. unter Verweis auf BGH, Urteil vom 29.03.1984, Az. I ZR 32/82, MDR 1984, 1001 f). Je länger ein Text sei, desto größer sei der ihm zu Grunde liegende Spielraum für eine individuelle Wortwahl und Gedankenführung (Dreier/Schulze, UrhG, 3. Auflage 2008, § 2 RN 83). Ein längerer Text sei daher eher schutzfähig als ein kurzer Slogan. Bei längeren Werbetexten vergrößere  sich der Gestaltungsspielraum, so dass hier Urheberrechtsschutz eher in Betracht komme, da der Text dann in seiner optischen und sprachlichen Gestaltung oftmals individuell ausgeprägt sei. Für die in Rede stehenden Filmbeschreibungen gelte nach diesen Grundsätzen Folgendes:

Soweit die Beklagten einwendeten, dass die Filmbeschreibung „Ghostbuster“ mit der offiziellen Filmbeschreibung identisch sei, ist dies schon deshalb für den vorliegenden Rechtsstreit irrelevant, weil ein Schadensersatz für diese Filmbeschreibung von der Klägerin nicht verfolgt worden sei. Für die Filmbeschreibung „Die Tudors“, welche die Rechtsvorgängerin der Klägerin mit Ausnahme eines Satzes identisch zur offiziellen Filmbeschreibung verwendet habe, liege die notwendige Schöpfungshöhe nicht vor. Der Text sei mit Ausnahme des letzten Satzes nicht neu. Es liege auch keine Doppelschöpfung vor, welche gerade im Bereich der kleinen Münze schutzfähig gewesen sei. Hierfür sei eine gewisse Andersartigkeit gegenüber dem Bestehenden zu verlangen, wobei derjenige, der sich hierauf berufe, konkret darzulegen habe, dass und weshalb er dieses Werk nicht gekannt habe (OLG Köln, ZUM-RD 1999, 223 ff – Klammerpose). Zur Unkenntnis der Klägerin sei schon kein Vortrag erfolgt. Hinzu komme, dass die Filmbeschreibung „Die Tudors“ nicht ausreichend andersartig zur offiziellen Filmbeschreibung sei, da die Klägerin lediglich einen Floskelsatz angefügt habe.

Die weiteren in Rede stehenden Filmbeschreibungen seien jedoch schutzfähige Werke, da die notwendige Schöpfungshöhe vorliege. Die Mitarbeiter der Rechtsvorgängerin hätten diese Texte entworfen, damit die Rechtsvorgängerin die blue-ray DVDs bewerben könne. Dabei hätten die Mitarbeiter unstreitig umfassende eigene Texte entworfen und nicht, wie im Sonderfall „Die Tudors“ die offizielle Filmbeschreibung lediglich um einen Satz ergänzt. Die Texte seien aufgrund eigener Gedankenführung und abweichend von den Formulierungen der offiziellen Filmbeschreibungen verfasst worden.

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