LG Oldenburg: Es liegt eine urheberrechtliche Streitigkeit vor, wenn auf eine Vertragsstrafe aus einer urheberrechtlichen Unterlassungserklärung geklagt wird

veröffentlicht am 9. April 2011

LG Oldenburg, Beschluss vom 23.09.2010, Az. 5 T 764/10
§ 104 UrhG

Das LG Oldenburg hat entschieden, dass es sich bei Vertragsstrafen, die auf einer urheberrechtlichen Unterlassungserklärung beruhen, um eine Urheberstreitsache handelt. Auch dort seien sowohl zur Auslegung eines Vertragsstrafenversprechens als auch für Verletzungshandlungen die Spezialkenntnisse der Gerichte der Sonderzuständigkeit sachdienlich. Gerade der vorliegende Fall zeige, dass die Entscheidung des Verfahrens davon abhänge, welcher Verschuldensmaßstab im Urheberrecht anzuwenden sei. Zum Volltext der Entscheidung:

Landgericht Oldenburg

Beschluss

In der Beschwerdesache

hat die 5. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg […] beschlossen:

I.
Das Verfahren wird auf die Kammer übertragen.

II.
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts Cloppenburg vom 02.09.2010 – 21 C 808/10 – wird zurückgewiesen.

Gerichtsgebühren für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht Cloppenburg der Antragstellerin die begehrte Prozesskostenhilfe für die beabsichtigte Klage auf Zahlung einer urheberrechtlichen Vertragsstrafe mangels Verschuldens versagt, weil die Antragsgegnerin bei der Veröffentlichung des streitigen Fotos in ihrer Zeitung sich nicht bei dem Einsender nach der Urheberschaft erkundigen musste.

Die hiergegen eingelegte Beschwerde ist nach § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässig, sie hat in der Sache jedoch keinen Erfolg; denn das Amtsgericht hat im Ergebnis zu Recht die Erfolgsaussicht der beabsichtigten Klage verneint.

Das Amtsgericht Cloppenburg ist nämlich für die vorliegende Urheberrechtsstreitsache nicht zuständig.

Es handelt sich um eine Urheberrechtsstreitsache nach § 104 UrhG.

Ansprüche aus diesen Rechtsverhältnissen sind alle aus diesen Rechten hergeleiteten Ansprüche, und zwar unabhängig davon, ob es sich um die Geltendmachung quasidinglicher Rechte (dies sind z. B. die sich aus der Verletzung von Urheber- und Leistungsschutzrechten ergebenden Rechte) oder um rein schuldrechtliche Ansprüche handelt (zu diesen gehören u. a. die im UrhG geregelten Vergütungsansprüche sowie vertragliche Ansprüche mit urheberrechtlichem Hintergrund). Es ist nicht einmal zwingend notwendig, dass der geltend gemachte Anspruch sich aus dem UrhG ergibt, also auf einer darin geregelten Anspruchsgrundlage beruht. Ausreichend ist es, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits (auch) von im UrhG geregelten Rechtsverhältnissen abhängt (Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, 3. Aufl., § 104 Rn 2)

Für den vergleichbaren Fall einer Kennzeichenstreitsache hat der Bundesgerichtshof (GRUR 04, 622) ausgeführt, dass der Begriff der Kennzeichenstreitsachen („alle Klagen, durch die ein Anspruch aus einem der in diesem Gesetz geregelten Rechtsverhältnisse geltend gemacht wird“) im Hinblick auf den Zweck der Vorschrift weit auszulegen ist. Erforderlich, aber auch ausreichend ist ein Bezug zum Markengesetz dergestalt, dass das Rechtsverhältnis, aus dem der geltend gemachte Anspruch abgeleitet wird, den Bestimmungen dieses Gesetzes unterliegt. Dementsprechend fallen unter § 140 I MarkenG außer den unmittelbar aus den Bestimmungen des Markengesetzes abgeleiteten gesetzlichen Ansprüchen (vgl. dort §§ 14-19, 44, 55 [49, 51], 101, 128, 135) auch alle Ansprüche aus rechtsgeschäftlichen Erklärungen und Vereinbarungen, die – wie z.B. Streitigkeiten aus Übertragungen, Belastungen, Gestattungen oder Lizenzen nach den §§ 27-31 MarkenG – im Markengesetz, sei es auch nur teilweise, geregelt sind. Gleiches gilt für Ansprüche aus im Markengesetz nicht ausdrücklich geregelten Rechtsgeschäften über geschäftliche Beziehungen, die – wie etwa Abgrenzungsvereinbarungen oder Vergleichsverträge zur Beilegung von Verletzungsprozessen – an das Entstehen und/oder den Inhalt des Kennzeichenrechts nach den Regelungen des Markengesetzes anknüpfen. Dementsprechend sind alle Streitigkeiten aus vertraglichen Vereinbarungen, deren Gegenstand die Inhaberschaft an oder die Rechte aus einem Kennzeichenrecht bilden, Kennzeichenstreitsachen i.S. des § 140 I MarkenG.

Das OLG München hat das für Vertragsstrafenversprechen noch einmal ausdrücklich ausgesprochen, wenn dieses zur Beseitigung der Wiederholungsgefahr für einen geltend gemachten kennzeichenrechtlichen Unterlassungsanspruch abgegeben wurde; bei der Vertragsstrafenklage handele es sich in derartigen Fällen um die Fortsetzung einer kennzeichenrechtlichen Streitigkeit (GRUR-RR 2004, 190).

Die Kammer wendet diese Grundsätze auch für Urheberrechtsstreitsachen an. Auch dort sind sowohl zur Auslegung eines Vertragsstrafenversprechens als auch für Verletzungshandlungen die Spezialkenntnisse der Gerichte der Sonderzuständigkeit sachdienlich. Gerade der vorliegende Fall zeigt, dass die Entscheidung des Verfahrens davon abhängt, welcher Verschuldensmaßstab im Urheberrecht anzuwenden ist.

Nach der ZustVO-Justiz (Nds. GVBl. 98, 66) ist für Urheberrechtsstreitsachen aus dem Oberlandesgerichtsbezirk Oldenburg das Amtsgericht Oldenburg zuständig.

Sollte die Antragstellerin die Abgabe des Verfahrens an das Amtsgericht Oldenburg beantragen, wird dieses aufgrund seiner Erfahrung auf dem Gebiet des Urheberrechts den Standpunkt des Amtsgerichts Cloppenburg überprüfen, die Antragsgegnerin sei nicht verpflichtet gewesen, den Zeugen W nach der Urheberschaft des Fotos zu übertragen.

Wie im gewerblichen Rechtsschutz und im Wettbewerbsrecht werden auch im Urheberrecht strenge Anforderungen an die Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt gestellt (BGH GRUR 1998, 568, 569 – Beatles-Doppel-CD). Sog. Unsitten zählen nicht (BGHZ 8, 138, 140). Verwerter müssen sich grds. umfassend und lückenlos nach den erforderlichen Rechten erkundigen (Prüfungspflicht) (Wandtke/Bullinger, aaO., § 97 Rn 52). Geringere Anforderungen für die Presse bestehen nur im Anzeigengeschäft (BGH GRUR 1999, 418).

Von der Erhebung der Gerichtsgebühren für das Beschwerdeverfahren wird abgesehen, weil das Amtsgericht Cloppenburg nicht auf seine Unzuständigkeit hingewiesen hat (§ 21 GKG). Im Übrigen beruht die Kostenentscheidung auf § 127 Abs. 4 ZPO.

Vorinstanz:
AG Cloppenburg, Beschluss vom 02.09.2010, Az. 21 C 808/10

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