LG Paderborn: Auswirkungen der Corona-Pandemie stellen „höhere Gewalt“ dar

veröffentlicht am 13. August 2021

LG Paderborn, Urteil vom 25.09.2020, Az. 3 O 261/20
§ 240 § 5 Abs. 1 EGBGB

Das LG Paderborn hat entschieden, dass die Auswirkungen der Corona-Pandemie „höhere Gewalt“ darstellen. Im vorliegenden Fall wurde den Veranstaltern eines Abi-Balls die Rückerstattung einer für die Feierlichkeiten entrichteten Vorschusses zugesprochen, nachdem im Vertrag formuliert worden war: „Findet die Veranstaltung aufgrund höherer Gewalt von Anfang an nicht statt, so ist von keiner Partei Leistung zu erbringen. Teilleistungen sind entsprechend der von den Parteien vorgenommenen Bewertung zu vergüten, Vorauszahlungen sind zu erstatten.“ Die Abifeier fand auf Grund der Corona-Pandemie nicht statt. Zum Volltext der Entscheidung:


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Landgericht Paderborn

Urteil

Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger als Gesamtgläubiger 10.000,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.06.2020 zu zahlen.

Die Beklagte wird weiter verurteilt, die Kläger von der außergerichtlichen Gebührenforderung ihres Prozessbevollmächtigten in Höhe von 1.285,44 EUR freizustellen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

1Tatbestand

2Die Kläger verlangen von der Beklagten die Erstattung einer Anzahlung von 10.000,00 €, die sie für eine – aufgrund der Corona-Pandemie –nicht durchgeführte Veranstaltung leisteten.

3Die Kläger haben – in Vertretung ihrer Jahrgangsstufe des städtischen Gymnasiums F – die Planung und Organisation des Abiballs übernommen. Hierzu haben sie mit der Beklagten, die gewerbliche Veranstaltungen plant und durchführt, am 17.02.2020 einen entsprechenden Vertrag geschlossen. Die Beklagte sollte sich im Wesentlichen um die Sicherheit, das Catering, die Technik (u.a. Musik), die Location, das Personal, die Fotografie und das Programm kümmern. Ursprünglich gingen die Kläger von einer Teilnehmerzahl von bis zu 1.000 Personen aus, da die Stufe aus 102 Schülern und 60 Lehrern besteht, die Eltern dabei sein sollten, zwei weitere Eintrittskarten für jeden Schüler gedacht waren und zudem weitere Karten in den Verkauf gehen sollten.

4Hinsichtlich der Vergütung wurde eine Anzahlung von 10.000,00 € brutto vereinbart. Im Übrigen sollte nach der Durchführung der Veranstaltung noch eine zu ermittelnde Restsumme gezahlt werden. Die Veranstaltung sollte am 20.06.2020 stattfinden, was aufgrund der Corona-Pandemie jedoch letztlich nicht erfolgte. In § 1 unter „Veranstaltungsort/Gemeinde“ wurde durch den Geschäftsführer der Beklagten H handschriftlich „I“ eingetragen. Dabei handelt es sich um die größte Halle der Stadt F mit einer Fläche von knapp 1.600 m².

5In dem Vertrag heißt es ferner:

6§ 8 Rechtsfolgen bei Ausfall der Veranstaltung auf Grund höherer Gewalt

7(1) Findet die Veranstaltung aufgrund höherer Gewalt von Anfang an nicht statt, so ist von keiner Partei Leistung zu erbringen. Teilleistungen sind entsprechend der von den Parteien vorgenommenen Bewertung zu vergüten, Vorauszahlungen sind zu erstatten.

8              (2) […]

9              (3) Beide Parteien bemühen sich, soweit möglich einen neuen               Veranstaltungstermin zu finden.

10              § 9 Schadensersatz und Vertragsstrafe

11(1) Der Auftraggeber verpflichtet sich, der Auftragnehmerin eine Vertragsstrafe in Höhe von 50 % des Honorars zu zahlen, wenn der Auftritt aufgrund grober Fahrlässigkeit oder Vorsatzes seitens des Auftraggebers nicht stattfindet.

12              […]

13Wegen der weiteren Einzelheiten des Vertrages wird auf die zur Akte gereichte Kopie Bezug genommen (Bl. 6 ff. d.A.).

14Mit E-Mail vom 20.01.2020 teilten die Kläger der Beklagten mit, dass sie 1.000 Abiballkarten umsonst bekommen würden. Angehangen war dort ein Kostenvoranschlag des Catering-Unternehmens, der „ca. 500 Personen um 18:30 Uhr + ca. 300 Personen (oder mehr)“ ab 23.30 Uhr vorsah.

15In die konkrete Planung der Veranstaltung stieg die Beklagte nicht mehr ein.

16Mit Schreiben vom 18.05.2020 forderten die Kläger die geleistete Anzahlung in Höhe von 10.000,00 € zurück und erklärten kein Interesse mehr an der Durchführung des Abiballs zu haben. Die Beklagte verweigerte mit Anwaltsschreiben vom 27.05.2020 jegliche Rückzahlung und verwies darauf, dass die Veranstaltung nachgeholt werden könne.

17Die Kläger forderten die Beklagte – nunmehr – mit Anwaltsschreiben vom 10.06.2020 auf, die Erstattung bis zum 18.06.2020 nachzuholen. Die Beklagte lehnte eine Zahlung jedoch weiterhin ab. Mit Schreiben vom 24.06.2020 bot sie den Klägern zwei Termine zur Nachholung der Veranstaltung an (18.07.2020 oder im November). Dies lehnten die Kläger ab. Zwischenzeitlich wurde den Klägern ein Gutschein in Höhe von 5.000,00 € übergeben, den die für ein Event ihrer Wahl bei der Beklagten einlösen können sollten.

18Die Kläger sind der Ansicht, dass die Vorauszahlung gem. § 8 Abs. 1 des Vertrages zu erstatten sei. Die Regelung sehe eine abschließende und eindeutige Regelung für den sie betreffenden Fall vor, dass die Veranstaltung aufgrund höherer Gewalt nicht stattfinden kann. Ein Rücktritt vom Vertrag sei aufgrund der Regelung nicht notwendig. Sie müssten sich auch nicht auf die Gutscheinlösung nach § 240 EGBGB verweisen lassen. Diese greife schon nicht, weil die vertragliche Regelung der gesetzlichen Regelung vorgehe.

19Sie sind zudem der Ansicht, dass auch keine Vertragsstrafe zu zahlen sei. Der Beklagten stünde kein Schadensersatzanspruch zu, weil die Einhaltung gesetzlicher Bestimmungen schon keine Pflichtverletzung auslösen könne.

20Die Veranstaltung könne auch nach wie vor nicht nachgeholt werden.

21Zum einen bestehe kein Interesse mehr, weil nach der Coronaschutzverordnung des Landes NRW (§ 13 Abs. 5a CoronaSchVO in der ab dem 20.06.2020 gültigen Fassung) nur die Abiturienten selbst an der Veranstaltung teilnehmen dürften, was nicht mit der ursprünglich beabsichtigten Abiballfeier vergleichbar sei und ein Aliud darstelle. Es liege auch in der Natur der Sache, dass ein Abiball im zeitlichen Zusammenhang mit der Erlangung des Abiturs stattfinde; eine spätere Klassenfeier sei etwas anderes; darauf müssten sich die Kläger nicht einlassen. Typisch für einen Abiball sei zudem, dass eben nicht nur die Schüler teilnehmen. Der Umfang eines nach der Präambel des Vertrages durchzuführenden Abiballs ergebe sich bereits aus den getroffenen Leistungspflichten der Beklagten (Sicherheit, Musik, Veranstaltungsort).

22Zum anderen sei ein Abiball – wie er vertraglich geschuldet sei – objektiv unmöglich, weil die Durchführung nach den landesrechtlichen Bestimmungen unzulässig sei. Zudem liege ein absolutes Fixgeschäft vor, dass auf Seiten der Beklagten zur Unmöglichkeit der Leistungserbringung führe.

23Die Kläger beantragen,

24die Beklagte zu verurteilen, an sie als Gesamtgläubiger einen Betrag in Höhe von 10.000,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz ab dem 19.06.2020 zu zahlen sowie sie aus der Inanspruchnahme der Kostenrechnung vom 10.06.2020 in Höhe von 1.285,44 EUR gegenüber Rechtsanwalt H freizustellen.

25Die Beklagte beantragt,

26              die Klage abzuweisen.

27Sie meint, die Kläger hätten vorsätzlich gegen die in § 8 Abs. 3 des Vertrages vorgesehene Mitwirkungsverpflichtung verstoßen, indem sie keinen der vorgeschlagenen Alternativtermine für den Abiball akzeptierten. Die Durchführung des Abiballs sei aus ihrer Sicht nach wie vor möglich. Ein Anspruch auf Rückzahlung stünde den Klägern deshalb nicht zu.

28Mit Schreiben vom 02.07.2020 erklärte die Beklagte die Aufrechnung mit einer ihrer Ansicht nach bestehenden Gegenforderung in Höhe von 5.000,00 €. Insoweit ist sie der Ansicht, dass die Kläger gem. § 9 des Vertrages zur Zahlung einer Vertragsstrafe verpflichtet seien. Im Übrigen seien die Kläger auf die sog. Gutscheinlösung des Art. 240 § 5 EGBGB zu verweisen. Der ihnen ausgehändigte Gutschein in Höhe von 5.000,00 € stünde der restlichen Rückzahlung entgegen. Selbst wenn man Art. 240 § 5 Abs. 1 EGBGB nicht für direkt anwendbar halte, sei die Vorschrift analog anzuwenden.

29Sie behauptet, dass eine genaue Teilnehmerzahl nicht besprochen worden sei; klar sei lediglich gewesen, dass die drei Kläger teilnehmen werden. Ob sämtliche Schüler der Jahrgangsstufe mitfeiern sollten, sei nicht näher besprochen worden. Jedenfalls sei eine Teilnehmerzahl von 1.000 Leuten völlig utopisch.

30Hinsichtlich des Veranstaltungsortes hätte man sich nur auf die Gemeinde F festgelegt, nicht aber auf einen konkreten Ort. Aufgrund von § 4 des Vertrages sei die Angabe des Veranstaltungsortes nur als Vorschlag der Kläger zu verstehen.

31Sie ist schließlich der Ansicht, dass die Kläger schon nicht vom Vertrag zurückgetreten seien.

32Entscheidungsgründe

33Die zulässige Klage hat auch in der Sache Erfolg.

34I.

35Die Klage ist begründet.

361.

37Den Klägern steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Rückerstattung von 10.000,00 € aus § 8 Abs. 1 des Vertrages vom 17.02.2020 zu.

38Danach sind Vorauszahlungen zu erstatten, wenn die Veranstaltung aufgrund höherer Gewalt von Anfang an nicht stattfindet. So liegt es hier.

39Nach dem Bundesgerichtshof handelt es sich bei höherer Gewalt um ein von außen kommendes, keinen betrieblichen oder persönlichen Zusammenhang aufweisendes, auch durch äußerste vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht abwendbares Ereignis (BGH, Urt. v. 16.05.2017 – X ZR 142/15, NJW 2017, 2677). Danach ergeben sich folgende Voraussetzungen für das Vorliegen höherer Gewalt: (1.) Es muss sich um ein von außen kommendes, betriebsfremdes und somit außerhalb des Einflussbereiches der Vertragsparteien liegendes Ereignis handeln; (2.) dieses Ereignis darf auch bei Anwendung äußerst vernünftigerweise zu erwartender Sorgfalt, und somit aufgrund Unvorhersehbarkeit nicht abwendbar sein.

40Epidemien werden grundsätzlich als Ereignis höherer Gewalt anerkannt (vgl. AG Bad Homburg zum Ausbruch der Choleraepidemie, Urt. v. 02.09.1992 – 2 C 1451/92-18; AG Augsburg zum Ausbruch des SARS-Virus, Urt. v. 09.11.2004 – 14 C 4608/03). Bei der Einordnung sollen unter anderem den Erklärungen des Auswärtigen Amtes (vgl. AG Königstein Urt. v. 11.10.1995 – 21 C 84/95) und den Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) (vgl. Steinrötter in jurisPK-BGB, Band 2, 9. Aufl. 2020, § 651h Rn. 22) Indizwirkung zukommen. Auch unter dem UN-Kaufrecht werden Epidemien den Fällen höherer Gewalt zugeordnet (Baetge in jurisPK-BGB, Band 6, 9. Aufl. 2020, Art. 79 CISG Rn. 13). Die Ausbreitung des COVID-19-Virus wird sogar als Pandemie eingestuft. Zudem liegen Warnungen und Empfehlungen des Auswärtigen Amtes (s. Reisewarnung des Auswärtigen Amtes unter https://www.auswaertiges-amt.de/de/ReiseUndSicherheit/covid-19/2296762 (zuletzt abgerufen am 13.10.2020) sowie der WHO (vgl. https://www.who.int/emergencies/diseases/novel-coronavirus-2019 (zuletzt abgerufen am 13.10.2020) vor.

41Die Corona-Pandemie und ihre Folgen stellen ein von außen kommendes, betriebsfremdes Ereignis dar. Weil es eine Pandemie solchen Ausmaßes noch nie gegeben hat, war diese für den Einzelnen auch unvorhersehbar. Selbst bei Anwendung äußerst vernünftigerweise zu erwartender Sorgfalt war sie für den Einzelnen nicht abwendbar. Das neuartige Corona-Virus stellt also ein Ereignis dar, das unter den Begriff der höheren Gewalt fällt (vgl. auch Beyer/Hoffmann NJOZ 2020, 609, 610). Der für den 20.06.2020 geplante Abiball konnte aufgrund dessen auch nicht stattfinden.

42Eine nach der Norm ebenfalls vorgesehene Vergütung für Teilleistungen entsprechend der von den Parteien vorgenommenen Wertung ist hier ebenso nicht zu leisten, weil nach eigenem Vortrag der Beklagten solche noch nicht vorgenommen wurden.

432.

44Der Anspruch der Kläger ist auch nicht durch rechtsvernichtende Einwendungen untergegangen.

45a)

46Die Kläger sind entgegen der Ansicht der Beklagten nicht auf die Gutscheinlösung gem. § 240 § 5 Abs. 1 EGBGB zu verweisen.

47Die Vorschrift wurde aufgrund der COVID-19-Pandemie eingeführt und soll Veranstalter und Betreiber von Freizeitveranstaltungen bzw. -einrichtungen, die sich aufgrund der Absage von Veranstaltungen oder der Schließung von Einrichtungen infolge der COVID-19-Pandemie zahlreichen Rückerstattungsansprüchen der Kunden ausgesetzt sehen, vor der Insolvenz schützen. Sie berechtigt Veranstalter und Betreiber, den Inhabern von Eintrittskarten und Nutzungsberechtigungen anstatt des ihnen nach bisherigem Recht zustehenden Anspruchs auf Erstattung des Eintrittspreises bzw. Entgelts einen Gutschein auszustellen. Als spezialgesetzliche Ausnahmeregelung zu § 326 Abs. 1, 4 BGB i.V.m. § 346 Abs. 1 BGB setzt sie einen bestehenden Erstattungsanspruch voraus und findet im Übrigen nur auf Freizeitveranstaltungen und Verträge, die vor dem 08.03.2020 geschlossen wurden, Anwendung (BeckOGK/Preisser, Stand: 15.09.2020, EGBGB Art. 240 § 5 Rn. 1).

48Die hier vorliegende Konstellation lässt sich nicht unter die Vorschrift subsumieren. Die Kläger sind keine Inhaber von Eintrittskarten oder sonstigen Nutzungsberechtigungen. Ihnen steht insoweit auch kein Erstattungsanspruch für einen Eintrittspreis oder ein sonstiges Entgelt zu, so dass ihnen ersatzweise dafür auch kein Gutschein zu übergeben ist.

49Die Kläger haben die Beklagte mit der Planung und Durchführung einer Veranstaltung beauftragt. Dabei handelt es sich um einen Werkvertrag im Sinne des § 631 BGB. Die Beklagte schuldete mit der Durchführung der Veranstaltung einen Erfolg, den die Kläger mit einem Werklohn zu vergüten gehabt hätten. Sie haben selbst mit dem Vertrag aber keinen Eintritt oder eine Teilnahmeberechtigung an der erst noch zu planenden Veranstaltung erworben, die jetzt durch ein Surrogat zu ersetzen wäre.

50Mangels planwidriger Regelungslücke war die Vorschrift auf die vorliegende Situation entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht analog anzuwenden.

51Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 25.09.2020 versicherte der Prozessbevollmächtigte der Kläger den überreichten Gutschein zu vernichten.

52b)

53Der Anspruch auf Rückerstattung ist auch nicht durch Aufrechnung gem. § 389 BGB teilweise erloschen.

54Es fehlt an einem aufrechenbaren Gegenanspruch. Der Beklagten steht insbesondere kein Anspruch gegen die Kläger auf Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe von 50 % des Honorars gem. § 9 Abs. 1 des Vertrages zu.

55Danach ist der Auftraggeber sinngemäß verpflichtet, der Auftragsnehmerin eine solche Vertragsstrafe zu zahlen, wenn die Veranstaltung aufgrund von grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz seitens des Auftraggebers nicht stattfindet.

56Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Dass die Veranstaltung – wie ursprünglich geplant – am 20.06.2020 nicht stattfand, lag an der Corona-Pandemie und der damit einhergehenden behördlichen Beschränkungen bzw. Verbote für solche Veranstaltungen.

57Die Kläger haben es auch im Übrigen nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig verschuldet, dass die Veranstaltung noch stattfindet, indem sie es ablehnten einen Ersatztermin mit der Beklagten zu vereinbaren. Hierzu waren sie entgegen der Ansicht der Beklagte nicht gem. § 8 Abs. 3 des Vertrages verpflichtet. Im Einzelnen:

58aa)

59Nach § 8 Abs. 3 des Vertrages bemühen sich beide Parteien, soweit möglich, einen neuen Veranstaltungstermin zu finden – wenn dieser etwa aufgrund höherer Gewalt nicht stattfinden konnte.

60Danach dürften sich die Parteien zwar grundsätzlich dazu verpflichtet haben, sich insoweit einvernehmlich zu verständigen. Allerdings ist es tatsächlich nicht möglich, einen neuen Termin für die konkret vertraglich vereinbarte Veranstaltung „Abiball“ zu finden.

61(1)

62Zunächst ist festzuhalten, was konkret unter der hier vertraglich vereinbarten Veranstaltung „Abiball“ zu verstehen ist.

63Nach allgemeinem Verständnis handelt es sich bei einem Abiball um eine Feier anlässlich des abgelegten Abiturs, zu der die Abiturienten in der Regel ihre Eltern, Lehrer und gegebenenfalls weitere Freunde und Verwandte einladen. In Abgrenzung zu den Begrifflichkeiten einer Klassen- und Stufenfeier nehmen an einem Abiball gerade nicht nur die Schüler/innen teil.

64Dass – wie die Beklagte behauptet – bislang lediglich klar gewesen sei, dass die drei Kläger an der Veranstaltung teilnehmen werden und eine genaue Teilnehmerzahl nicht besprochen worden sei, ist nach Auffassung des erkennenden Gerichts zunächst lebensfremd, aber auch nicht weiter relevant.

65Nach gebotener Auslegung des Vertrages gem. §§ 133, 157 BGB entspricht es nicht dem Willen der Vertragsparteien, dass eine Feier veranstaltet wird, an der ausschließlich die Schüler/innen der Jahrgangsstufe teilnehmen. Insoweit gibt es zahlreiche Hinweise auf das Ausmaß der Veranstaltung, die für die Durchführung eines Abiballs im oben genannten Sinne sprechen: Bereits der Veranstaltungsort spricht neben der Begrifflichkeit „Abiball“ für die beabsichtigte Durchführung einer Feier, an der nicht nur die 102 Schüler/innen teilnehmen. Soweit die Beklagte einwendet, den Veranstaltungsort noch nicht festgelegt zu haben, überzeugt dies nicht. Die Angabe der I unter dem Punkt Veranstaltungsort in § 1 des Vertrages ist auch nicht als bloßer Vorschlag zu verstehen. Als solcher ist der handschriftlich vom Geschäftsführer der Beklagten eingetragene Veranstaltungsort auch nicht ersichtlich. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 4 des Vertrages, der vorsieht, dass der Auftragsgeber vorschlagsberechtigt ist, die Auftragnehmerin soweit möglich hierauf eingeht, die Entscheidung aber letztlich ihr obliegt. Konkreter Vortrag dazu, dass auch der bereits ohne Vorbehalt eingetragene Veranstaltungsort hier bislang lediglich als Vorschlag der Kläger zu verstehen gewesen sein sollte, liegt nicht vor. Letztlich kann dies aber auch dahinstehen, weil sich aus dem weiter vereinbarten Umfang das Ausmaß der Veranstaltung im o.g. Wortsinne ergibt.

66Im Vertrag ist ausdrücklich festgehalten, dass für Sicherheit gesorgt, ein catering organisiert und ein Musiker bzw. ein DJ für die Dauer von 11 Stunden auftreten wird. Im Übrigen ergibt sich bereits eine Teilnehmerzahl von 560 Personen, wenn die 102 Schüler/innen des Abiturjahrgangs mit ihren Eltern und zwei weiteren Personen kommen, für die die zwei weiteren Eintrittskarten pro Schüler/in gedacht waren. Dass weitere Karten in den Verkauf gehen sollte, um zusätzlichen Freunde oder Schülern/innen aus anderen Stufen zur Feier Zugang gewähren zu können, wird hinreichend durch eine E-Mail der Kläger vom 20.01.2020 an den Geschäftsführer Schütz belegt.

67Dass es sich um keine einfache Klassenfeier handeln sollte, ergibt sich auch bereits aus der geleisteten Anzahlung von 10.000,00 €.

68(2)

69Für die vertraglich vereinbarte Veranstaltung eines Abiballs war und ist es auch aktuell nicht möglich, einen neuen Termin zu finden.

70Zum einen ist unter zeitlichen Gesichtspunkten die Durchführung eines Abiballs nicht mehr möglich.

71Insoweit kann auch dahinstehen, ob die Veranstaltung den Charakter eines relativen Fixgeschäfts aufweist, bei der die Verlegung der Veranstaltung auf einen späteren Zeitpunkt durchaus möglich wäre, oder ob es sich um ein absolutes Fixgeschäft handelt, bei dem die Einhaltung der Leistungszeit so wesentlich ist, dass eine verspätete Leistung keine Erfüllung mehr, sondern eine andere Leistung darstellt und mit Ablauf des vereinbarten Leistungszeitraums automatisch Unmöglichkeit eintritt.

72Denn auch dann wenn man ein relatives Fixgeschäfts annimmt, weil gerade nicht die geschuldete Leistung als solche (Nachholung des Abiballs) durch Zeitablauf unmöglich geworden, sondern die Erreichung des von den Gläubigern angestrebten Zwecks, steht den Klägern ein Recht zum sofortigen Rücktritt nach Ablauf des Erfüllungszeitraumes gem. § 323 Abs. 1, 2 Nr. 2 BGB zu, das sie ohne Weiteres geltend machen können (BeckOGK/Riehm, Stand: 01.02.2020, BGB § 275 Rn. 98). Hier wäre eine Fristsetzung in diesem Sinne entbehrlich, weil die Beklagte die Planung und Durchführung der streitgegenständlichen Veranstaltung bis zu einer jedenfalls konkludent innerhalb des Vertrages bestimmten Frist nicht bewirkt hat, obwohl die fristgerechte Leistung auf Grund der den Vertragsabschluss begleitenden Umstände für die Kläger wesentlich ist. Es liegt bereits in der Natur der Sache, dass die Veranstaltung eines Abiballs im zeitlichen Zusammenhang mit der Erlangung der Hochschulreife stattfindet. Dies kann jetzt nicht mehr erfolgen.

73In der mit Schreiben vom 18.05.2020 von den Klägern an die Beklagte mitgeteilten Entscheidung, dass sie kein Interesse mehr an der Durchführung des Abiballs haben und die Veranstaltung als solche nicht mehr stattfinden soll, liegt auch eine konkludente Erklärung des Rücktritts vom Vertrag, § 349 BGB.

74bb)

75Im Übrigen könnte die Veranstaltung auch – nach wie vor – nicht nachgeholt werden.

76Gem. § 13 Abs. 5a CoronaSchVO NRW sind ausschließlich interne und jeweils einmalige selbst organisierte Feste von Schulabgangsklassen oder -jahrgängen außerhalb von Schulanlagen und Schulgebäuden möglich, wenn durch besondere Maßnahmen sichergestellt ist, dass an diesen Veranstaltungen ausschließlich die Mitglieder der jeweiligen Abschlussklasse oder des jeweiligen Abschlussjahrgangs teilnehmen. Auch ausschließlich private Feiern wären lediglich mit einer Teilnehmerzahl von 150 Personen zulässig. Beides entspricht jedoch nicht der vertraglich vereinbarten Leistung.

77e)

78Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB. Der Beklagte ist durch das Schreiben der Kläger vom 10.06.2020, in dem eine Mahnung i.S.d. § 286 Abs. 1 S. 1 BGB zu sehen ist, mit Ablauf einer für die Zahlung bis zum 18.06.2020 gesetzten Frist in Verzug geraten. Entsprechend § 187 Abs. 1 BGB ist deshalb die Forderung ab dem Tag danach, dem 19.06.2020, zu verzinsen.

792.

80Der Anspruch auf Freistellung von der außergerichtlichen Gebührenforderung in Höhe von 1.285,44 EUR folgt aus §§ 280 Abs. 1, 2, 286 Abs. 1, 257 BGB. Zum Zeitpunkt der Beauftragung des Prozessbevollmächtigten der Kläger befand sich die Beklagte im Verzug, weil sie das Aufforderungsschreiben der Kläger vom 18.05.2020 mit Anwaltsschreiben vom 27.05.2020 ablehnte.

81II.

82Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1 S. 1, 709 S. 2 ZPO.

83III.

84Die Kammer hat beschlossen:

85Der Streitwert wird auf 10.000,00 € festgesetzt.

I