LG Saarbrücken: Die in einer Abmahnung enthaltenen Äußerungen können regelmäßig nicht als Persönlichkeitsrechtsverletzung angegriffen werden / 2024

veröffentlicht am 5. Mai 2025

LG Saarbrücken, Urteil vom 12.12.2024, Az. 13 S 58/24
§ 823 Abs. 1 BGB, § 823 Abs. 2 BGB, § 1004 Abs. 1 BGB, Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 2 Abs. 1 GG

Das LG Saarbrücken hat entschieden, dass bei einer ehrenkränkenden Äußerung im Rahmen einer Abmahnung zur Vorbereitung eines Gerichtsverfharens in „aller Regel“ nicht mit Ehrenschutzklagen abgewehrt werden können. Im vorliegenden Fall hatte ein Rechtsanwalt für eine GmbH Unterlassungsansprüche geltend gemacht; der Angeschriebene wehrte sich mit einer Unterlassungsklage gegen den Geschäftsführer, da die GmbH selbst keine ehrkränkenden Äußerungen von sich geben könne. Die Kammer wies jedoch darauf hin, dass auch eine juristische Person tauglicher Anspruchsgegner eines etwaigen Unterlassungsanspruchs aus § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. § 1004 BGB (analog) bzw. aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 185 ff. StGB sein könne. Zum Volltext der Entscheidung:

Landgericht Saarbrücken

Urteil

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts Saarlouis vom 07.06.2024 – 31 C 443/23 (71) – wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klage als unbegründet abgewiesen wird.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

3. Das angefochtene Urteil und das Berufungsurteil sind vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.
Die Parteien streiten über einen Unterlassungsanspruch des Klägers gegenüber dem Beklagten.

Der Kläger erhielt um den 28.02.2023 herum ein auf den 28.02.2023 datiertes und an ihn gerichtetes Schreiben des ehemaligen Rechtsanwalts der durch den Beklagten als Geschäftsführer geleiteten … GmbH, in der ihm verschiedene Aussagen zulasten der Gesellschaft und des Gründungsgesellschafters, Herrn …, vorgeworfen wurden und er unter Fristsetzung bis zum 10.03.2023 aufgefordert wurde, eine dem Schreiben beigefügte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung abzugeben. In dem Schreiben hieß es insbesondere:

„Meine Mandantin hat von vielen Personen aus dem Umfeld erfahren, dass sie rufschädigende und unrichtige Angaben über sie und ihren Gründungsgesellschafter … machen.

Der Geschäftsführer meiner Mandantin musste selbst erleben, wie Sie in der Nähe des Büros meiner Mandantin sich unflätig benommen und Beleidigungen herumgeschrien haben.

[…]

So haben Sie gegenüber diversen Personen aus dem Umfeld meiner Mandantin, die auch zu Zeugenaussagen vor Gericht bereit sind, Herrn … u.a. als „Betrüger“, „Verbrecher, der Geld unterschlägt“ oder als „größter Verbrecher in …“ betitelt.

[…]

Aufgrund Ihrer unrichtigen Angaben hat meine Mandantin, für die Herr …tätig ist, mehrere Auftraggeber verloren. Die dadurch verursachten Schäden sind Sie zu erstatten verpflichtet. Sie verwirklichen mit ihren Verleumdungen nämlich Straftatbestände und lösen zudem Schadenersatz- und Schmerzensgeldansprüche aus.

[…]

Sie verletzen nicht nur das Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG) meiner Mandantin, sondern auch ihr Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb.

[…]

Sofern eine einvernehmliche Lösung nicht möglich ist, muss der Sachverhalt dem zuständigen Gericht und unterschiedlichen Behörden angezeigt werden.“

Hinsichtlich des weiteren Inhalts des Schreibens wird auf Bl. 5-7 d.A. Bezug genommen.

Der Kläger gab die geforderte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung innerhalb der gesetzten Frist nicht ab, sondern ließ den Inhalt der angeblichen Behauptungen mit Schreiben seiner Rechtsanwälte vom 10.03.2023 bestreiten und forderte den Beklagten wiederum selbst zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung bis zum 15.03.2023 auf und wies darauf hin, dass im Fall der Nichtabgabe dem hiesigen Kläger geraten würde, die Angelegenheit gerichtlich überprüfen zu lassen. Auch der Beklagte gab die von ihm geforderte Unterlassungserklärung nicht ab.

Der Kläger hat behauptet, er habe die ihm im Schreiben des früheren Rechtsanwalts der durch den Beklagten geleiteten … GmbH vorgeworfenen Aussagen nicht getätigt.

Er ist der Ansicht gewesen, die unterstellten Äußerungen seien ehrenrührig und verletzten den Kläger in seinem Persönlichkeitsrecht. Er ist ferner der Ansicht gewesen, der Beklagte sei richtiger Klagegegner, da die GmbH eine juristische Person sei, die keine eigenen Erklärungen oder Äußerungen abgeben könne.

Der Kläger hat beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen, es zu unterlassen zu behaupten, er hätte den Gründungsgesellschafter der Firma des Beklagten, Herrn …, als „Betrüger“, „Verbrecher, der Geld unterschlägt“ oder „als größter Verbrecher in …“ betitelt,

2. dem Beklagten für jeden Fall der schuldhaften Zuwiderhandlung gegen Ziffer 1) ein Ordnungsgeld bis zur Höhe von 250.000,00 Euro oder Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten im Einzelfall anzudrohen,

3. ihm die Kosten für die außergerichtliche Rechtsverfolgung in Höhe von 1.491,07 Euro zu ersetzen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist der Ansicht gewesen, die in dem Schreiben vom 28.02.2023 gemachten Angaben seien weder ehrenrührig noch verletzten sie den Kläger in sonstiger Weise in seinen Rechten. Von Seiten der … GmbH sei allein dem Kläger mitgeteilt worden, dass sie erfahren habe, dass er entsprechende Aussagen getätigt habe. Die … GmbH habe den Kläger abgemahnt, weil sie von diversen Personen (siehe hierzu im Detail Bl. 49 d.A.) erfahren habe, dass der Kläger Herrn … u.a. „Betrüger“ genannt habe. Das Abmahnschreiben der … GmbH löse keine Unterlassungsansprüche des Klägers gegen die Gesellschaft oder den Geschäftsführer persönlich aus. Die Abmahnung des Klägers gegen eine an ihn gerichtete Abmahnung sei daher unzulässig. Ansonsten könne der Beklagte wegen der Abmahnung des Klägers, der wiederum von der … GmbH abgemahnt worden sei, den Kläger abmahnen, der dann wieder den Beklagten abmahnen könne und so weiter. Er ist ferner der Ansicht gewesen, es sei keine Wiederholungsgefahr dargetan. Der Beklagte habe keine Äußerungen gegenüber Dritten über den Kläger aufgestellt. Die … GmbH habe diesen unmittelbar angeschrieben und damit konfrontiert.

Das Amtsgericht Saarlouis, auf dessen tatsächliche Feststellungen im angefochtenen Urteil gem. § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, hat die Klage als unzulässig abgewiesen, da es dem Kläger am Rechtsschutzbedürfnis fehle. Das Schreiben der … GmbH vom 28.02.2023 sei in konkreter Vorbereitung eines Gerichtsverfahrens erfolgt. Ehrenkränkende Äußerungen, die der Rechtsverfolgung oder -verteidigung in einem Gerichtsverfahren oder dessen konkreter Vorbereitung dienten, könnten in aller Regel aber nicht mit Ehrenschutzklagen abgewehrt werden. Hier sei in dem Schreiben explizit eine gerichtliche Auseinandersetzung angedroht worden. Des Weiteren lägen dem Schreiben weder Schmähkritik noch bewusst wahrheitswidrige Tatsachenbehauptungen zugrunde, da in dem Schreiben nicht eigene Aussagen der … GmbH oder des hiesigen Beklagten aufgeführt worden seien, sondern Äußerungen wiedergegeben worden seien, die der … GmbH zugetragen worden seien.

Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Begehren vollumfänglich weiter. Das Amtsgericht habe verkannt, dass es sich bei den hier gegenständlichen Äußerungen nicht um solche handele, die in einem anhängigen Verfahren zur „Ausführung oder Verteidigung von Rechten“ geäußert worden seien, sondern diese Äußerungen Gegenstand eines eigenständigen Anschreibens gewesen seien. Außerhalb eines solchen bereits anhängigen Ausgangsverfahrens getätigte Äußerungen seien durchaus in einem eigenen Verfahren überprüfbar.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Amtsgerichts Saarlouis vom 10.06.2024, Az. 31 C 443/23 (74), zugestellt per beA am 10.06.2024, aufzuheben und den Beklagten und Berufungsbeklagten zu verurteilen,

1. es zu unterlassen zu behaupten, er hätte den Gründungsgesellschafter der Firma des Beklagten, Herrn —, als „Betrüger“, „Verbrecher, der Geld unterschlägt“ oder „als größter Verbrecher in …“ betitelt, wie geschehen in dem Schreiben des Verfahrensbevollmächtigten der Beklagten vom 28.02.2023, dem Kläger zugegangen am 06.03.2023,

2. dem Beklagten für jeden Fall der schuldhaften Zuwiderhandlung gegen Ziffer 1) ein Ordnungsgeld bis zur Höhe von 250.000,00 Euro oder Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten im Einzelfall anzudrohen,

3. ihm die Kosten für die außergerichtliche Rechtsverfolgung in Höhe von 1.491,07 Euro zu ersetzen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung des erstinstanzlichen Vortrags. Der Kläger sei lediglich einer auf das Schreiben vom 28.02.2023 gestützten Unterlassungsklage der … GmbH zuvorgekommen.

II.

Die Berufung ist form- und fristgerecht erhoben, sie ist zulässig. In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg. Die Klage ist zwar zulässig, aber unbegründet.

1. Die Klage ist zulässig. Das Amtsgericht hat den Anwendungsbereich der zum fehlenden Rechtsschutzbedürfnis zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 16. November 2004 – VI ZR 298/03 –, juris, Rn. 18 f.) bzw. der 14. Zivilkammer des Landgerichts Saarbrücken (Urteil vom 13.07.2010 – 14 O 64/10 –; zitiert nach BeckRS 2012, 6713) verkannt.

a) Danach können ehrenkränkende Äußerungen, die der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung in einem Gerichtsverfahren oder dessen konkreter Vorbereitung dienen, in aller Regel nicht mit Ehrenschutzklagen abgewehrt werden. Das sogenannte Ausgangsverfahren soll nämlich nicht durch eine Beschneidung der Äußerungsfreiheit der daran Beteiligten beeinträchtigt werden. Vielmehr sollen die Parteien und infolgedessen auch die von ihnen bevollmächtigten Rechtsanwälte in einem Gerichtsverfahren alles vortragen dürfen, was sie zur Wahrung der Rechte der Parteien für erforderlich halten, auch wenn hierdurch die Ehre eines anderen berührt wird. Ob das Vorbringen wahr und erheblich ist, soll allein in dem seiner eigenen Ordnung unterliegenden Ausgangsverfahren geprüft werden. Mit den schutzwürdigen Belangen der Betroffenen und mit den Erfordernissen eines sachgerechten Funktionierens der Rechtspflege wäre es nämlich unvereinbar, wenn die Kompetenzen des Gerichts des Ausgangsverfahrens durch die Möglichkeit einer Geltendmachung von Abwehransprüchen in einem gesonderten Prozess vor einem anderen Gericht unterlaufen werden könnten. Deshalb fehlt in derartigen Fällen für eine Ehrenschutzklage grundsätzlich das Rechtsschutzbedürfnis. Diese Grundsätze gelten auch für Verfahren vor Verwaltungsbehörden (BGH, Urteil vom 16. November 2004 – VI ZR 298/03 –, juris, Rn. 18 m.w.N.).

b) Vorliegend kann dahinstehen, ob das Schreiben der … GmbH vom 28.02.2023 – wie der Erstrichter meint – überhaupt der konkreten Prozessvorbereitung gedient hat. Denn maßgeblich für das Fehlen des Rechtsschutzbedürfnisses in dieser Konstellation ist der Umstand, dass das Ausgangsverfahren nicht durch eine Beschneidung der Äußerungsfreiheit der daran Beteiligten beeinträchtigt werden soll und die Parteien, ggf. durch ihre Prozessbevollmächtigten, alles vortragen dürfen, was sie zur Wahrung der Rechte der Parteien für erforderlich halten. Eine solche Betroffenheit ist hier aber nicht gegeben. Denn im hiesigen Rechtsstreit und dem potentiellen Rechtsstreit, den die … GmbH führen könnte, geht es im Kern um den gleichen Sachverhalt, nämlich die Frage, ob der Kläger die behaupteten Aussagen über Herrn … getätigt hat. Die Verteidigung des Beklagten im vorliegenden Rechtsstreit schränkt demnach die Angriffsmöglichkeiten der … GmbH in einem potentiell noch zu führenden Rechtsstreit nicht ein.

2. Aus den folgenden Erwägungen steht dem Kläger gegen den Beklagten kein Unterlassungsanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. § 1004 BGB (analog) bzw. aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 185 ff. StGB zu.

3. Der Beklagte hat das Allgemeine Persönlichkeitsrechts des Klägers schon deshalb nicht verletzt, da er die behaupteten Aussagen nicht selbst getätigt hat.

a) Ausweislich des Schreibens vom 28.02.2023, welches durch Herrn Rechtsanwalt … gefertigt wurde, werden rechtliche Interessen der … GmbH geltend gemacht. Das Unternehmen stellt darauf ab, dass es aufgrund der behaupteten Aussagen des Klägers mehrere Auftraggeber verloren und deshalb wirtschaftliche Einbußen erlitten habe. Der Kläger sei zur Erstattung dieser Schäden verpflichtet. Im Übrigen sei das (Unternehmens-) Persönlichkeitsrecht der Mandantin sowie deren Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb verletzt. Aus dem Inhalt des Schreibens geht damit eindeutig hervor, dass sich die … GmbH gegen die behaupteten Aussagen des Klägers wendet und nicht der Geschäftsführer der Gesellschaft, der hiesige Beklagte.

b) Tauglicher Anspruchsgegner eines solchen Unterlassungsanspruchs kann – anders als der Kläger meint – auch eine juristische Person sein (vgl. BGH, Urteil vom 14. Januar 2020 – VI ZR 496/18 –, juris, Rn. 2 i.V.m. Rn. 26 sowie Urteil vom 23. Juni 2009 – VI ZR 196/08 –, juris, Rn. 1).

4. Selbst wenn man den Beklagten als tauglichen Anspruchsgegner ansehen würde, wäre kein Anspruch gegeben. Hierbei kann dahinstehen, ob durch die in dem Schreiben vom 28.02.2023 behaupteten Aussagen der Tatbestand des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers eröffnet ist, da die unter Berücksichtigung aller Einzelfallumstände vorzunehmende Güterabwägung zulasten des Klägers ausfallen würde.

a) Der Eigenart des allgemeinen Persönlichkeitsrechts als offenes Rahmenrecht entspricht es, dass sein Inhalt nicht abschließend umschrieben ist, sondern seine Ausprägungen jeweils anhand des zu entscheidenden Falls herausgearbeitet werden müssen (BGH, Urteil vom 26. November 2019 – VI ZR 12/19 –, juris, Rn. 13). Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt u.a. vor einer verfälschenden und entstellenden Darstellung der eigenen Person, die von nicht ganz unerheblicher Bedeutung für die Persönlichkeitsentfaltung ist. Erfasst sind etwa Darstellungen der Persönlichkeit, die geeignet sind, den Betroffenen in ein schlechtes Licht zu rücken, auch wenn die Grenze der Beleidigung gem. § 185 StGB nicht überschritten wird (Specht-Riemenschneider in: BeckOKG/BGB, Stand: 01.07.2024, § 823 Rn. 1222 m.w.N.; vgl. auch Rixecker in: MüKo/BGB, 9. Auflage 2021, Anhang zu § 12, Rn. 123 f.).

b) Geht es – wie hier – um Tatsachenbehauptungen, hängt die Abwägung maßgeblich von ihrem Wahrheitsgehalt ab. Wahre Tatsachen müssen in der Regel hingenommen werden, auch wenn sie nachteilig für den Betroffenen sind, unwahre dagegen nicht. Außerhalb des Schutzbereichs des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG liegen aber nur bewusst unwahre Tatsachenbehauptungen und solche, deren Unwahrheit bereits im Zeitpunkt der Äußerung unzweifelhaft feststeht. Alle übrigen Tatsachenbehauptungen mit Meinungsbezug genießen den Grundrechtsschutz, auch wenn sie sich später als unwahr herausstellen. Der Wahrheitsgehalt fällt dann bei der Abwägung ins Gewicht. Grundsätzlich hat die Meinungsfreiheit bei unwahren ehrenrührigen oder rufschädigenden Tatsachenbehauptungen hinter das allgemeine Persönlichkeitsrecht zurückzutreten. Oft ist die Wahrheit einer Tatsache im Zeitpunkt ihrer Äußerung aber ungewiss und stellt sich erst später heraus. Würde auch die erst nachträglich als unwahr erkannte Äußerung uneingeschränkt mit Sanktionen belegt werden können, stünde zu befürchten, dass der Kommunikationsprozess litte, weil risikofrei nur noch unumstößliche Wahrheiten geäußert werden dürften. Damit wäre ein vom Grundrechtsgebrauch abschreckender Effekt verbunden, der bereits aus Gründen der Meinungsfreiheit vermieden werden muss (BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 25. Juni 2009 – 1 BvR 134/03 –, juris, Rn. 62).

c) Vorliegend spielt der Wahrheitsgehalt der durch die … GmbH behaupteten Aussagen jedoch keine Rolle. Denn das Schreiben vom 28.02.2023 war direkt an den Kläger gerichtet. Die Öffentlichkeit bzw. sonstige Dritte hatten keine Kenntnis von dem Inhalt. Eine Herabwürdigung des Klägers gegenüber Unbeteiligten findet gerade nicht statt. Das Schreiben vom 28.02.2023 ist vielmehr mit einer Anhörung des Klägers (siehe dazu Rixecker in: MüKo/BGB, 9. Auflage 2021, Anhang zu § 12, Rn. 236 betreffend Medien) vergleichbar. Ihm wird die Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben, bevor die … GmbH gegebenenfalls rechtliche Schritte einleitet, indem sie entweder das zuständige Gericht einschaltet oder den Sachverhalt gegenüber Behörden anzeigt. Eine solche Konfrontation ist aus Fairnessgesichtspunkten sogar geboten. Nachdem sich der Kläger sodann gegen die Vorwürfe gewehrt hat, hat die … GmbH – soweit ersichtlich – keinerlei Maßnahmen ergriffen.

Hinzu kommt, dass sich die … GmbH im Schreiben vom 28.02.2023 – sofern man den Inhalt desselben als wahr unterstellt – auch zurecht auf ihr Unternehmenspersönlichkeitsrecht und ihr Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb berufen hat. Denn das Unternehmenspersönlichkeitsrecht schützt den durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 19 Abs. 3 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK gewährleisteten sozialen Geltungsanspruch von Kapitalgesellschaften als Wirtschaftsunternehmen (BGH, Urteil vom 14. Januar 2020 – VI ZR 496/18 –, juris, Rn. 34) und der Schutz des § 823 BGB wird gegen jede Beeinträchtigung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb gewährt, wenn die Störung einen unmittelbaren Eingriff in den gewerblichen Tätigkeitskreis darstellt. Durch den dem eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb gewährten Schutz soll das Unternehmen in seiner wirtschaftlichen Tätigkeit und in seinem Funktionieren vor widerrechtlichen Eingriffen bewahrt bleiben. Die Verletzungshandlung muss sich gerade gegen den Betrieb und seine Organisation oder gegen die unternehmerische Entscheidungsfreiheit richten und über eine bloße Belästigung oder eine sozial übliche Behinderung hinausgehen (BGH, Urteil vom 14. Januar 2020 – VI ZR 496/18 –, juris, Rn. 35).

5. Zuletzt fehlt es auch an der erforderlichen Wiederholungsgefahr.

a) Diese wird im Falle einer Erstbegehung zwar grundsätzlich vermutet (vgl. BGH, Urteil vom 27. Januar 1998 – VI ZR 72/97 –, juris, Rn. 27). Außerhalb des gewerblichen Rechtsschutzes und Wettbewerbsrechts kommt es aber auf den Einzelfall an, welcher Beweiswert einer ersten Verletzungshandlung für die Annahme einer Wiederholungsgefahr zukommt, weil es außerhalb des privaten Gewerberechtes an einem entsprechenden, einer Typisierung fähigen Erfahrungssatz für die Annahme einer Wiederholungsgefahr weitgehend fehlt. So ist bei einmaligen Vorfällen – wie hier – sorgfältig zu prüfen, ob Anhaltspunkte für eine Wiederholung entsprechender Rechtsgutsverletzungen bestehen (vgl. Saarländisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 9. Januar 2013 – 5 W 436/12 –, juris, Rn. 7).

b) Die … GmbH hat den Kläger lediglich einmal kontaktiert. Nachdem dieser die Vorwürfe abgestritten und selbst eine Unterlassungserklärung verlangt hat, wurden weder durch den Beklagten noch die Gesellschaft weitere Maßnahmen ergriffen. Darüber hinaus ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass der Beklagte oder die … GmbH gegenüber unbeteiligten Dritten behauptet hat, der Kläger habe die im Schreiben vom 28.02.2023 genannten Aussagen getätigt.

III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in § 708 Nr. 10, §§ 711, 713 ZPO i.V.m. § 544 Abs. 2 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen. Die Rechtssache erlangt keine grundsätzliche über den konkreten Einzelfall hinausgehende Bedeutung und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert nicht die Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 ZPO).

I