LG Stuttgart: Programmdateien einer Spielekonsole dürfen nicht gehackt werden, insbesondere nicht zur Erstellung von Software zur Aufhebung der Verschlüsselung

veröffentlicht am 17. April 2011

Rechtsanwalt Dr. Ole DammLG Stuttgart, Beschluss vom 06.04.2011, Az. 24 O 136/11
§§ 69a Abs. 1, Abs. 3 97 Abs. 1 UrhG

Das LG Stuttgart hat gegen einen Hacker eine einstweilige Verfügung wegen unerlaubter Entschlüsselung von Programmdateien für eine Spielekonsole und Erstellung von Programmdateien zur Umgehung der herstellerseitige Verschlüsselung der Spielekonsole erlassen. Die einzelnen Dateien des „CORE_OS_PACKAGE“ seien als Computerprogramme (§ 69a Abs. 1 UrhG) urheberrechtlich geschützt, „wobei die in § 69a Abs. 3 UrhG für Computerprogramme ohnehin abgesenkte Schwelle der Schöpfungshöhe auch im einstweiligen Verfügungsverfahren wegen einer tatsächlichen Vermutung nicht gesondert nachgewiesen werden muss (z.B. Grützmacher in Wandtke/Bullinger UrhR 3. Auflage vor §§ 69a ff Rdnr. 18).“ Die Kammer weiter:

„Nach dem glaubhaft gemachten Vorbringen der Antragstellerin, namentlich der eidesstattlichen Versicherung des Antragstellervertreters vom 31.03.2011, hat der Antragsgegner – woraus sich zugleich dessen Passivlegitimation ergibt – durch Übertragung von Object-Code in Source-Code bereits in das ausschließlich der Antragstellerin zugewiesene Recht der Übersetzung (§ 69c Nr. 2 1. Fall UrhG) eingegriffen, ohne dass diese Handlung von der Antragstellerin vertraglich gestattet oder sie vom Gesetz (insb. §§ 69d und 69e UrhG) erlaubt wäre. So geht die glaubhaft gemachte bisherige Tätigkeit des Antragsgegners weit über die in § 69d UrhG erlaubte hinaus und sind seine Handlungen auch nicht im Sinne des § 69e UrhG „unerlässlich“, wie sich insbesondere aus § 69e Abs. 3 aE UrhG ergibt. Darüber hinaus ist glaubhaft gemacht, dass der Antragsgegner künftig in das ausschließlich der Antragstellerin zugewiesene Recht der Bearbeitung (§ 69c Nr. 2 2. Fall UrhG) eingreifen will. Die Wiederholungsgefahr (Übersetzung) bzw. Erstbegehungsgefahr (Bearbeitung) ergibt sich aus den bisherigen Handlungen und Ankündigungen des Antragsgegners.“

Dem Verfahren wurde ein Streitwert von „nur“ 100.000 EUR zu Grunde gelegt. Allerdings ist vorliegend zu beachten, dass gegen den Antragsgegner in der Sache („Umgehung von Kopierschutz“ hinsichtlich der streitgegenständlichen Spielekonsole) offensichtlich mehrere Verfahren geführt wurden, der Gesamtstreitwert also faktisch gestückelt wurde, vgl. LG Hamburg, Beschluss vom 11.02.2011, Az. 310 O 24/11 (Streitwert: 250.000,00 EUR + 750.000,00 EUR = 1 Mio. EUR) und LG Hamburg, Beschluss vom 01.04.2011, Az. 310 O 69/11 (Streitwert: 250.000,00 EUR + 750.000,00 EUR = 1 Mio. EUR; kein Aprilscherz!).

Auf die Entscheidung hingewiesen hat openjur.de.

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