OLG Celle, Urteil vom 02.09.2010, Az. 13 U 34/10
§ 12 Abs. 1 UWG
Das OLG Celle hat entschieden, dass eine Abmahnung ohne Originalvollmacht jedenfalls dann wirksam ist, wenn gegenüber dem abmahnenden Rechtsanwalt eine Unterlassungserklärung abgegeben wird. Hierdurch werde der gegnerische Rechtsanwalt als Bevollmächtigter stillschweigend anerkannt. Desweiteren sei es treuwidrig, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben, nur um dann unter Hinweis auf die fehlende Vollmacht die Zulässigkeit der Abmahnung zu bestreiten und die Erstattung der Abmahnkosten zu verweigern. Zum Urteil im Volltext:
Oberlandesgericht Celle
Urteil
In dem Rechtsstreit
….
hat der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle unter Mitwirkung … auf die mündliche Verhandlung vom 17.08.2010 für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 23.02.2010 verkündete Urteil der 6. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Hannover abgeändert.
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 755,80 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab 29.09.2009 zu zahlen.
Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % in Höhe des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, sofern nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I.
Die Klägerin nimmt den Beklagten zum Ersatz ihrer Abmahnkosten nach § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG in Anspruch.
Die Parteien sind Wettbewerber und handeln auf der Internetplattform e. mit Elektronikartikeln, Spielekonsolen und Spielekonsolenzubehör. Mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 6. August 2009 mahnte die Klägerin den Beklagten wegen diverser unwirksamer Regelungen in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen ab und forderte ihn auf, die beigefügte strafbewehrte Unterlassungserklärung zu ihren Gunsten abzugeben sowie die entstandenen Rechtsanwaltskosten zu bezahlen. Dem Abmahnschreiben lagen eine formulierte Unterlassungserklärung mit Vertragsstrafeversprechen sowie eine Kopie der Vollmacht für die Kanzlei des Prozessbevollmächtigten der Klägerin bei. Mit einem an diesen gerichteten Schreiben vom 7. August 2009 wies der Beklagte die Abmahnung mangels Vorlage einer Originalvollmachtsurkunde zurück, gab jedoch gleichwohl die geforderte strafbewehrte Unterlassungserklärung ab. Er verweigerte aber die Übernahme der Rechtsverfolgungskosten mangels rechtswirksamer Abmahnung.
Mit Urteil vom 23. Februar 2010 hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass es für einen Anspruch gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG an einer wirksamen Abmahnung fehle. Bei der durch den Prozessbevollmächtigten der Klägerin ausgesprochenen Abmahnung handele es sich um ein einseitiges Rechtsgeschäft, dem die nach § 174 BGB erforderliche Originalvollmacht nicht beigefügt gewesen sei. Der Beklagte habe deshalb die Abmahnung zu Recht unverzüglich zurückgewiesen.
Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin, die unter Ergänzung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens weiterhin die Auffassung vertritt, dass die der Abmahnung in Kopie beigefügte Vollmachtsurkunde zum Nachweis ihrer Bevollmächtigung genüge. Zudem habe der Beklagte ihre Bevollmächtigung konkludent anerkannt, indem er zugleich mit dem Verweis auf eine fehlende Originalvollmacht zu ihren Händen eine strafbewehrte Unterlassungserklärung überreicht habe.
Die Klägerin beantragt, unter Abänderung des am 23. Februar 2010 verkündeten Urteils des Landgerichts Hannover, den Beklagten zu verurteilen, an sie 755,80 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Klagerhebung zu zahlen.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Nach seiner Auffassung fehle es bereits an einer Rechtsverletzung i. S. der
§§ 513, 546 ZPO, weil die vom Landgericht vertretene Rechtsauffassung in jedem Fall gut vertretbar sei und das Oberlandesgericht deshalb daran – ungeachtet eigener Gewichtungstendenzen – gebunden sei.
Wegen der in der ersten Instanz gestellten Anträge sowie der weiteren Einzelheiten des Sach und Streitstandes wird auf die Darstellung im Tatbestand der angefochtenen Entscheidung ergänzend Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung der Klägerin ist begründet.
1.
Nach § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG kann sie vom Beklagten die Erstattung ihrer Abmahnkosten in Höhe von 755,80 € verlangen.
a)
Entgegen der Auffassung des Beklagten ist der Senat bei der Prüfung, ob eine Rechtsverletzung nach den §§ 513, 546 ZPO vorliegt, nicht an eine vertretbare Rechtsauffassung des Landgerichts gebunden. Der Beklagte verkennt, dass die von ihm zitierte Rechtsprechung sich auf die Auslegung einer Vertragsurkunde bezieht, die vom Rechtsmittelgericht nur insoweit überprüft wird, als es um gesetzliche Auslegungsregeln, Denkgesetze, Erfahrungssätze oder Verfahrensvorschriften geht (BGH, Urteil vom 25. Februar 1992, X ZR 88/90, NJW 1992, 1967, 1968. OLG Celle, OLGR 2002, 238 f.). Dagegen gehört die Auslegung des Gesetzes zum Kernbereich rechtlicher Überprüfung in der Rechtsmittelinstanz und unterliegt keinen Beschränkungen (vgl. Musielak/Ball, ZPO 7. Aufl. § 546 Rdn.4).
b)
Die Abmahnung der Klägerin vom 6. August 2009 war berechtigt. Die von ihr in dem vorgenannten Abmahnschreiben beanstandeten einzelnen Klauseln der im Rahmen des e. Angebotes des Beklagten verwendeten Allgemeinen Geschäftsbedingungen verstießen gegen die § 312 d Abs. 1 Satz 1, § 355 BGB.
§ 309 Nr. 5, § 308 Nr. 1 Alt. 2. § 305 c Abs. 1, § 433 Abs. 1 Satz 1, § 475 Abs. 1,
§ 312 c Abs. 1 Satz 1 BGB i. V. m. § 1 Abs. 1 Nr. 4 BGBInfoV (seit 11. Juni 2010: Art. 246 § 1 Abs. 1 Nr. 4 EGBGB). § 474 Abs. 1 und 2 Satz 2, § 475 Abs. 1 BGB. § 439 Abs. 1, § 475 Abs. 1 BGB. 438 Abs. 1 Nr. 3, 474, 475 Abs. 2 BGB. § 307 Abs. 1 und 2 Nr. 1, § 306 BGB. Die Verwendung unwirksamer Allgemeiner Geschäftsbedingungen sowie die Verletzung gesetzlicher oder vertragsbezogener Informationspflichten stellen zugleich einen Wettbewerbsverstoß nach § 4 Nr. 11 UWG dar, weil sie als Marktverhaltensregeln im Interesse der Verbraucher und sonstiger Marktteilnehmer anzusehen sind (KG, GRURRR 2008, 308, 309.
Köhler/Bornkamm, UWG 28. Aufl. § 4 Rdn. 11.156 e).
Der von der Klägerin ihrer Abmahnung zu Grunde gelegte Gebührenstreitwert in Höhe von insgesamt 14.000,00 € für sieben Abmahnungen ist nicht als überhöht anzusehen. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Beklagten galten für seine gesamten Produkte, wie z. B. Spielegeräte, Konsolen und entsprechendes Zubehör. Zudem hat die Klägerin sieben verschiedene Regelungen in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen mit Erfolg beanstandet, die durchgängig zum Kern des Verbraucherschutzes gehören. Das rechtfertigt den Ansatz einer 1,3fachen Geschäftsgebühr, die der Beklagte auch nicht beanstandet hat.
c)
Die Abmahnung war auch nicht deshalb unwirksam, weil ihr keine Originalvollmacht beigefügt war und der Beklagte sie deshalb unverzüglich zurückgewiesen hat. Die Frage, ob entsprechend der Regelung in § 174 Satz 1 BGB die Wirkungen der von einem Bevollmächtigten ausgesprochenen Abmahnung entfallen, wenn ihr keine Originalvollmacht beigefügt ist und der Abgemahnte die Abmahnung deswegen unverzüglich zurückweist, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten.
Während die Anwendbarkeit von § 174 Satz 1 BGB auf die Abmahnung in der Vergangenheit überwiegend verneint wurde (OLG Köln, WRP 1985, 360, 361. OLG Karlsruhe, NJWRR 1990, 1323 f.. OLG Frankfurt, OLGR 2001, 270. OLG Hamm, Urteil vom 17. Juli 2008 – 4 U 60/08, zitiert nach juris Tz. 35 ff.. Harte Bavendamm/HenningBodewig/Brüning, UWG 2. Aufl., §12 Rdn. 31.
Fezer/ Büscher, UWG (2005) § 12 Rdn. 7. Ahrens/Deutsch, Der Wettbewerbsprozess 5. Aufl, Kap. 1 Rdn. 108. Melullis, Handbuch des Wettbewerbsprozesses 3. Aufl. Rdn. 784. Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 9. Aufl. Kap. 41 Rdn. 6), hat sich inzwischen eine nicht minderstarke Gegenposition etabliert, wonach die Abmahnung als geschäftsähnliche Handlung anzusehen sei, auf die § 174 BGB für anwendbar erklärt wird (OLG Düsseldorf, GRURRR 2001, 286 f. und Urteil vom 11. August 2009 – 20 U 53/08, zitiert nach juris Tz. 17 ff.. OLG Nürnberg GRUR 1991, 387. Kreft, in: Großkommentar UWG, vor
§ 13 Rdn. C 78. Piper/Ohly/Sosnitza, UWG 5. Aufl. § 12 Rdn. 11. MünchKommBGB/Schramm, 5. Aufl. § 174 Rdn. 3. Palandt/Ellenberger, BGB 69. Aufl. § 174 Rdn. 2).
Eine vermittelnde Auffassung differenziert danach, ob die Abmahnung – wie zumeist und auch hier – nicht nur die Aufforderung enthält, innerhalb einer bestimmten Frist eine Unterwerfungserklärung abzugeben, sondern zugleich bereits das Angebot zum Abschluss eines bestimmten Unterlassungsvertrages mit Vertragsstrafenversprechen (vgl. dazu: BGHZ 121, 13, 17 – Fortsetzungszusammenhang BGH, Urteil vom 25. April 2002 – I ZR 296/99, GRUR 2002, 824 – Teilunterwerfung. Teplitzky, a. a. O. Rdn. 5 m. w. Nachw.). In diesem Fall sei die Abmahnung nicht auf ein einseitiges Rechtsgeschäft, sondern auf den Abschluss eines Unterlassungsvertrages gerichtet und § 174 BGB nicht anwendbar (OLG Hamburg, GRURRR 2008, 370, 371. Köhler/Bornkamm, UWG 28. Aufl. § 12 Rdn. 1.25 ff.. Fezer/Büscher, UWG, § 12 Rdn. 10. MünchKommUWG/Ottofülling, § 12 Rdn. 21).
Der Senat gelangt in den hier maßgeblichen Fällen, in denen die Abmahnung neben der Aufforderung, innerhalb einer bestimmten Frist eine Unterwerfungserklärung abzugeben, zugleich bereits das Angebot zum Abschluss eines bestimmten Unterlassungsvertrages mit Vertragsstrafenversprechen enthält, das der Abgemahnte durch Unterzeichnung und Zusendung an den Vertreter ohne Vertretungsmacht akzeptiert, gleichwohl aber die Abmahnung unter Hinweis auf das Fehlen der Originalvollmacht unverzüglich zurückweist, zum selben Ergebnis.
Insoweit ist zunächst davon auszugehen, dass bei Abgabe des Vertragsangebots des Gläubigers von einem Vertreter ohne Vertretungsmacht, dieser (einstweilen) in die Position des Vertragspartners aufrückt (§ 179 BGB). Der vertretene Gläubiger kann den Vertragsabschluss jederzeit mit rückwirkender Kraft genehmigen (§ 177 Abs. 1 BGB). Vor dem Hintergrund, dass der Schuldner selbst ein Interesse an der Wirksamkeit des Vertragsstrafeversprechens hat, da anderenfalls die Wiederholungsgefahr nicht entfiele, ist in seiner Erklärung gegenüber dem Vertreter ohne Vertretungsmacht immer auch ein Verzicht auf das Widerrufsrecht aus § 178 BGB zu sehen (Köhler/Bornkamm, a. a. O., Rdn. 1.27).
Dabei ist allerdings die doppelte Funktion des entsprechend ausgestalteten Abmahnschreibens zu berücksichtigen, nämlich einerseits als Aufforderung zur Unterwerfung im Vorfeld eines Prozesses und andererseits als Angebot zum Abschluss eines bestimmten Unterwerfungsvertrages. Beide Funktionen bestehen unabhängig voneinander, so dass für die Beurteilung der Rechtsnatur der bloßen Abmahnung ihre Verbindung mit einem Angebot zum Abschluss eines Unterlassungsvertrages ohne Bedeutung ist (OLG Düsseldorf, Urteil vom 11. August 2009 – 20 U 53/08, zitiert nach juris Tz. 18. Piper/Ohly/Sosnitza, a. a. O. Rdn. 11). Selbst wann man daher annähme, dass das Angebot auf Abschluss eines Unterwerfungsvertrages lediglich neben die Abmahnung träte, ohne dass dies auf ihren Charakter als geschäftsähnliche Handlung Einfluss hätte (OLG Düsseldorf, a. a. O. Piper/Ohly/Sosnitza, a. a. O.), rechtfertigte das aber im Streitfall kein abweichendes Ergebnis. Der unverzüglichen Zurückweisung der Abmahnung wegen Nichtvorlage der Originalvollmachtsurkunde gemäß § 174 Satz 1 BGB analog durch den Beklagten kommt hier nämlich deswegen keine rechtliche Bedeutung zu, weil sie im Hinblick auf die zugleich gegenüber dem – aus seiner Sicht – ohne Vertretungsmacht agierenden Prozessbevollmächtigten der Klägerin abgegebene Annahmeerklärung des Angebots auf Abschluss eines Unterlassungsvertrages als treuwidrig gemäß § 242 BGB anzusehen ist. Denn insoweit hat der Beklagte, der ein Interesse an der Wirksamkeit des von ihm angenommenen Unterlassungsvertrages nebst Vertragsstrafeversprechen hatte, da anderenfalls die Wiederholungsgefahr nicht entfallen wäre, in seiner Erklärung gegenüber dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin auf das Widerrufsrecht aus § 178 BGB verzichtet (Köhler/Bornkamm, a. a. O., Rdn. 1.27).
2.
Die zugesprochenen Zinsen ergeben sich aus § 288 Abs. 1, § 291 BGB.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 Alt. 2 ZPO zugelassen.