OLG Dresden: 100.000 EUR Ordnungsgeld gegen Google Ireland Ltd. wegen verspäteter Video-Freischaltung

veröffentlicht am 30. Juli 2021

OLG Dresden, Beschluss vom 29.06.2021, Az. 4 W 396/21
§ 890 ZPO

Das OLG Dresden hat gegen die Firma Google Ireland Ltd. ein Ordnungsgeld von 100.000 EUR festgesetzt, weil Google ein zuvor auf der Plattform www.youtube.de zu Unrecht gelöschtes Video mit Corona-Informationen wochenlang nicht wieder online gestellt hatte.  Google hatte sich eine mehrwöchige Frist zur Prüfung vorbehalten (23.04.2021 – 14.05.2021), ob das vorher im Wege des einstweiligen Rechtschutzes ergangene Urteil (OLG Dresden, Urteil vom 20.04.2021, AZ. 4 W 118/21) einen Verstoß gegen Googles „Richtlinie zu medizinischen Fehlinformationen über Covid-19“ darstelle. Google hatte sich trotz der gerichtlichen Anweisung in der Folge vorbehalten, „die jeweiligen Konsequenzen der Entscheidung des OLG Dresden und ihre Möglichkeiten sorgfältig ab(zu)wägen“, bevor das Videomaterial für den Abruf durch Dritte wieder auf YouTube eingestellt wurde. Hierin sah der Senat einen vorsätzlichen und – aufgrund der Zeitdauer – auch schweren Verstoß seitens Google gegen die Unterlassungsverfügung. Da es sich jedoch um einen Erstverstoß gehandelt habe, habe das OLG Dresden von der Verhängung des Höchstbetrages Abstand genommen. Die bemerkenswerte Höhe des Ordnungsgeldes wurde auch mit den wirtschaftlichen Verhältnissen der Firma Google begründet. Zum Volltext der Entscheidung:


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Oberlandesgericht Dresden

Beschluss

In Sachen

wegen Unterlassung, hier Zwangsvollstreckung

hier: Beschwerde

hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden durch … ohne mündliche Verhandlung am 29.06.2021 beschlossen:

1. Auf die sofortige Beschwerde des Verfügungsklägers wird der Beschluss des Landgerichts Chemnitz – 2. Zivilkammer – vom 01. Juni 2021 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Gegen die Verfügungsbeklagte wird wegen schuldhafter Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungsverpflichtung aus der einstweiligen Verfügung mit Senatsurteil vom 20. April 2021 (dort Ziffer 1.) – Az.: 4 W 118/21 – ein Ordnungsgeld in Höhe von 100.000,00 € festgesetzt sowie ersatzweise für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, für je 20.000,00 € ein Tag Ordnungshaft, welche an den Geschäftsführern der Verfügungsbeklagten E. C. bzw. N. L. zu vollziehen ist, verhängt.

2. Die Verfügungsbeklagte hat die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen zu tragen.

Gründe

I.
Mit Senatsurteil vom 20. April 2021 (Az.: 4 W 118/21) wurde die Verfügungsbeklagte im Wege der einstweiligen Verfügung verurteilt, es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzendes Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder eine     Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens 250.000,00 €; Ordnungshaft insgesamt höchstens zwei Jahre) zu unterlassen, das von dem Verfügungskläger auf der Plattform der Verfügungsbeklagten unter https://www.xxx hochgeladene Video mit dem Titel „P. …“ von der Plattform der Verfügungsbeklagten zu entfernen und/oder den Verfügungskläger wegen des Hochladens des vorstehend genannten Videos mit einer Verwarnung zu versehen. Das vorgenannte Urteil wurde der Verfügungsbeklagten im Parteibetrieb unter dem 23. April 2021 zugestellt.

Mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 30. April 2021 hat der Verfügungskläger wegen Zuwiderhandlung gegen die titulierte Unterlassungsverfügung die Verhängung eines Ordnungsgeldes gegen die Verfügungsbeklagte von nicht unter 25.000,00 € beantragt. Mit Beschluss vom 01. Juni 2021 hat das Landgericht Chemnitz gegen die Verfügungsbeklagte wegen Zuwiderhandlung gegen die in Ziffer 1. des Senatsurteils vom 20. April 2021 angeordnete Unterlassungsverpflichtung ein Ordnungsgeld in Höhe von 1.000,00 € festgesetzt. Der Beschluss wurde dem Verfügungskläger am 07. Juni 2021 zugestellt. Mit Verfügungskläger gegen den Beschluss des Landgerichts sofortige Beschwerde eingelegt und beantragt, unter Abänderung des landgerichtlichen Beschlusses ein Ordnungsgeld nicht unter 25.000,00 € festzusetzen sowie ersatzweise an den Geschäftsführern der Verfügungsbeklagten zu
vollziehende Ordnungshaft zu verhängen. Wegen der Beschwerdebegründung wird auf den vorgenannten Schriftsatz verwiesen.

Mit Beschluss vom 09. Juni 2021 hat das Landgericht der sofortigen Beschwerde nicht
abgeholfen, sondern diese dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II.
Die zulässige Beschwerde (§§ 793, 569 Abs. 1 ZPO) hat in der Sache Erfolg.

Die Voraussetzungen für den Erlass eines Ordnungsmittelbeschlusses nach § 890 ZPO liegen vor. Die Verfügungsbeklagte hat – was sie selbst auch nicht in Abrede stellt – gegen die Unterlassungsverpflichtung aus dem Senatsurteil vom 20. April 2021 zuwidergehandelt. Allerdings ist das vom Landgericht festgesetzte Ordnungsgeld auf 100.000,00 € zu erhöhen. Ordnungsmittel sind im Hinblick auf ihren Zweck zu bemessen. Die Ordnungsmittel des § 890 ZPO haben einen doppelten Zweck. Als zivilrechtliche Beugemaßnahme dienen sie – präventiv – der Verhinderung künftiger Zuwiderhandlungen. Daneben stellen sie – repressiv – eine strafähnliche Funktion für die Übertretung des gerichtlichen Verbotes dar. Dieser doppelte Zweck erfordert es, die Bemessung der Ordnungsmittel jedenfalls in erster Linie mit Blick auf den Schuldner und dessen Verhalten vorzunehmen. Zu berücksichtigen sind insbesondere Art, Umfang und Dauer des Verstoßes, der Verschuldensgrad, der Vorteil des Verletzers aus der Verletzungshandlung und die Gefährlichkeit der begangenen und möglicher künftiger Verletzungshandlungen für den Verletzten (vgl. zu Vorstehendem nur: BGH, Beschluss vom 08. Dezember 2016, Az.: I ZB 118/15 – juris; BGH, Urteil vom 30. September 1993, Az.: I ZR 54/91 – juris); daneben soll die Bemessung bewirken, dass – wiederum aus Schuldnersicht – die Titelverletzung wirtschaftlich nicht lohnend erscheint, so dass weitere Zuwiderhandlungen auch deshalb unterbleiben (vgl. BGH, a.a.O.). Die Höhe des Streitwertes des Ausgangsverfahrens hat dagegen neben den vorgenannten, für die Höhe des Ordnungsgeldes maßgeblichen Bemessungsfaktoren keine unmittelbare Aussagekraft (vgl. BGH, a.a.O.).

Die dargestellten Maßstäbe für die Bemessung eines Ordnungsgeldes sind vom Landgericht in der angefochtenen Entscheidung nicht ausreichend berücksichtigt worden. Die Verfügungsbeklagte hatte die durch Urteil erlassene Verbotsverfügung bereits mit ihrer Verkündung zu beachten. Darüber hinaus ist ihr diese im Parteibetrieb bereits am 23. April 2021 zugestellt worden. Dennoch war das streitgegenständliche Video nach ihrem eigenen Vorbringen erst am 14. Mai 2021 wieder im xxx-Kanal des Verfügungsklägers abrufbar und hat sie erst zu dem vorgenannten Zeitpunkt die ihm gegenüber ausgesprochene Verwarnung zurückgenommen. Die verzögerte Umsetzung der Unterlassungsverfügung ist nach ihrer eigenen Darstellung auch nicht, wie jedoch vom Landgericht in der angefochtenen Entscheidung unzutreffend angeführt, aus technischen Gründen erst am 14. Mai 2021 erfolgt, sondern weil sie in dem streitgegenständlichen Video – anders als in der Senatsentscheidung vom 20. April 2021 im Einzelnen dargelegt – einen Verstoß gegen ihre „Richtlinie zu medizinischen Fehlinformationen über Covid-19“ gesehen hat und deshalb „die jeweiligen Konsequenzen der Entscheidung des OLG Dresden und ihre Möglichkeiten sorgfältig abwägen“ wollte bevor sie „das Videomaterial für den Abruf durch Dritte wieder bei xxx einstellte“. Dass eine solche Abwägung vor dem Hintergrund der Senatsentscheidung jedoch weder veranlasst noch geboten war, erschließt sich, zumal die Verfügungsbeklagte anwaltlich beraten war, von selbst. Vor dem Hintergrund ist in der Zuwiderhandlung ein vorsätzlicher und – aufgrund der Zeitdauer – auch schwerer Verstoß seitens der Verfügungsbeklagten gegen die Unterlassungsverfügung zu sehen, der – auch unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Verfügungsbeklagten – die Verhängung eines deutlich höheren Ordnungsgeldes als vom Landgericht angenommen rechtfertigt. Nachdem es sich jedoch auf der anderen Seite um den Erstverstoß seitens der Verfügungsbeklagten handelt, hat der Senat davon abgesehen, das Ordnungsgeld auf denHöchstbetrag festzusetzen, sondern hält im Ergebnis der Gesamtabwägung die Verhängung eines Ordnungsgeldes in Höhe von 100.000,00 € (noch) für ausreichend. Sollte das Ordnungsgeld nicht beigetrieben werden können, tritt an dessen Stelle Ordnungshaft. Insoweit stellt sich die Verhängung einer Ersatzordnungshaft von einem Tag Ordnungshaft für jeweils 20.00,00 € Ordnungsgeld als angemessen dar.

III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde sind nicht gegeben.

I