OLG Düsseldorf, Beschluss vom 04.02.2013, Az. I-20 W 104/11
§ 93 ZPO
Das OLG Düsseldorf hat entschieden, dass auch dann ein Anlass zur Klage mit der Folge der Kostentragungslast beim Anerkenntnis vorliegen kann, wenn zuvor keine Abmahnung, sondern lediglich ein Aufforderungsschreiben erfolgte. Für das aus Sicht der Klägerin wichtigste Verhalten des Beklagten – Freigabe der Domain – sei eine förmliche Abmahnung nicht erforderlich gewesen, da es sich nicht um einen Unterlassungsanspruch handele. Ein Aufforderungsschreiben mit Fristsetzung sei hier ausreichend. Durch das Verhalten des Beklagten (Verweigerung der Erfüllung) habe er gezeigt, dass er auch zur Unterlassung nicht bereit sei, was insoweit eine Abmahnung entbehrlich mache. Zum Volltext der Entscheidung:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss
In dem Rechtsstreit
…
hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf unter Mitwirkung des … am 4. Februar 2013 beschlossen:
Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen die Kostenentscheidung im Anerkenntnis- und Schlussurteil der 2a. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 11. Februar 2011 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens fallen dem Beklagten zur Last.
Streitwert für das Beschwerdeverfahren: 2.000 Euro.
Gründe
Die Klägerin hat den Beklagten, der die Domain … innehatte, nach einem Streitwert von 10.000 Euro verklagt,
1. es zu unterlassen, die Bezeichnung … als lnternetdomain registrieren zu lassen,
2. gegenüber der DENIC auf die Domain zu verzichten und die dazu erforderlichen Erklärungen abzugeben,
3. dass seine Verpflichtung zum Schadensersatz wegen der Handlungen gemäß Nr. 1. festgestellt werde und
4. vorprozessuale Kosten von 775,64 Euro nebst Zinsen zu erstatten.
Nachdem ein anderer Rechtsanwalt bereits schriftsätzlich die Abweisung der Klage beantragt hatte, haben die jetzigen Prozessbevollmächtigten die Ansprüche zu 1. bis 3 anerkannt, woraufhin die Klägerin den Antrag zu 4. zurückgenommen hat. Im Teilanerkenntnis- und Schlussurteil vom 11. Februar 2011 hat das Landgericht die Kosten dem Beklagten auferlegt. Dazu hat es hinsichtlich der anerkannten Ansprüche im vorprozessualen Verhalten des Beklagten eine Klageveranlassung im Sinne des § 93 ZPO gesehen und hinsichtlich des zurückgenommenen Anspruchs die Zuvielforderung nach § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO als verhältnismäßig geringfügig eingestuft.
Die sofortige Beschwerde, mit der sich der Beklagte gegen die Kostenlast wendet, ist zulässig, aber nicht begründet. Der Senat teilt die Beurteilung des Landgerichts.
Hinsichtlich der drei weiterverfolgten Klageansprüche – der erste ist auf ein Unterlassen gerichtet, der zweite auf ein Handeln, der dritte auf die Feststellung der Schadensersatzfolge von früheren Handlungen entgegen dem zu 1. beschriebenen Verbot – gab es eine Veranlassung zur Erhebung der Klage im Sinne des § 93 ZPO.
Was mit dem zweiten Anspruch begehrt wird, ist als Maßnahme zu verstehen, mit der die wesentlichste Folge beseitigt werden sollte, die der frühere Verstoß des Beklagten gegen die im ersten Anspruch umschriebene Unterlassungspflicht gehabt hat, nämlich die Eintragung der Bezeichnung als „de“-Domain für ihn. Die mit einem selbständigen Handlungsanspruch erstrebte Beseitigung des Zustands sicherte zugleich, dass es die nach dem Anspruch zu 1. zu unterbindende Handlung, die Registrierung des Wortes als Internetdomain durch den Beklagten – jedenfalls unter der zunächst interessierenden Top-Level-Domain nicht mehr geben würde. Denn mit dem Verzicht hätte die Klägerin auf die Domain Zugriff erlangt, und der Beklagte hätte sie für sich nicht mehr eintragen lassen können.
In Bezug auf den mithin ganz im Vordergrund stehenden Anspruch zu 2. hat der Beklagte durch sein vorprozessuales Verhalten zweifelsfrei Anlass zur Klageerhebung gegeben, indem er nämlich der Aufforderung vom 18. August 2010, die Domain freizugeben, die er sich gerade am 16. April 2010 hatte eintragen lassen, und zwar in Kenntnis des bevorstehenden Interesses der Klägerin, nicht innerhalb der gesetzten Frist von 14 Tagen nachgekommen ist; für die Zeit danach war das Beschreiten des Rechtswegs angekündigt. Den Anspruch auf Vornahme der Handlung musste der Beklagte schon auf die einfache Mahnung der Klägerin hin ganz einfach erfüllen. Der bei Unterlassungsansprüchen des gewerblichen Rechtsschutzes üblichen Abmahnung, die der Beklagte jetzt vermisst, war der Anspruch zu 2. seiner Natur nach gar nicht zugänglich; denn sie ist auf die Abgabe eines vertragsstrafebewehrten Unterlassungsversprechens gerichtet. Die vorprozessuale Position, die die Klägerin durch die Aufforderung vom 18. August 2010 gewonnen hatte, hat sie durch die weitere Korrespondenz der Parteien nicht eingebüßt, insbesondere nicht durch die Antwort des Beklagten vom 19. August 2010, in dem er ein Wohlverhalten versprach, zu dem es dann aber vor der Klage nicht gekommen ist. Das Schreiben der Klägerin vom 9. September 2010 hält ihr eigentliches Begehren noch einmal unverändert fest, woran ins Gespräch gekommene „Alternativen“ in der Abwicklung nichts geändert hatten. Mit dieser Diskussion hat die Klägerin keineswegs etwas verlangt, was ihr nicht zustand. Der Beklagte hätte dem Freigabeverlangen vor der Klageerhebung weiterhin entsprechen können und müssen.
Der somit im Streitfall sekundäre Unterlassungsanspruch zu 1., der nur noch das weniger bedeutsame Ziel hatte, eine Registrierung der Bezeichnung für den Beklagten auszuschließen, nachdem der Klägerin Zugriff auf die bestehende „de“-Domain gegeben war, konnte ohne Kostenrisiko eingeklagt werden, wenn es hier an sich auch die Möglichkeit der üblichen Abmahnung gab. Denn nicht immer bedarf es vor einer Unterlassungsklage der Abmahnung (Bomkamm in Köhler/Bornkamm, UWG, 31. Auflage, § 12 Rn. 1.43ff.). Die regelmäßig zu fordernde Abmahnung war im Streitfall ausnahmsweise entbehrlich, weil der Beklagte durch die Verweigerung der Freigabe zugleich klar ausgedrückt hatte, dass er ungeachtet aller Worte die Bezeichnung als Domain für sich weiterhin registriert sehen wollte.
Weiterer vorprozessualer Maßnahmen bedurfte es zur Vermeidung des Vorwurfs fehlender Klageveranlassung erst recht nicht in Bezug auf das Feststellungsbegehren. Die Klägerin hatte sich solche Ansprüche unter dem 9. September 2010 vorbehalten und angesichts des Ausbleibens einer wirksamen Freigabeerklärung sprach nichts dafür, dass der Beklagte die Schadensersatzverpflichtung vorab einräumen würde.
Schließlich ist nichts an der Anwendung des § § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO auf die Rücknahme eines Teiles der Klage auszusetzen, der weniger als zehn Prozent des Gesamtbegehrens ausmacht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung wurde veröffentlicht von Strömer Rechtsanwälte (hier).