OLG Düsseldorf: Keine Umstellungsfrist bei bloßem Vertrauen auf die Aufhebung des erstinstanzlichen Beschlusses

veröffentlicht am 8. März 2021

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 25.11.2019, Az. 2 W 15/19
§ 888 ZPO

Das OLG Düsseldorf hat entschieden, dass eine Umstellungsfrist dann nicht zu gewähren ist, wenn seit dem Zwangsmittelbeschluss fast ein Jahr vergangen ist, und zwar auch dann nicht, wenn gegen diesen sofortige Beschwerde eingelegt worden ist. Grundsätzlich habe sich derjenige, der in der Vorinstanz verurteilt wurde, auch auf einen ungünstigen Ausgang des Rechtsmittelverfahrens einzustellen, so dass die Interessenlage in den Rechtsmittelinstanzen häufig die Gewährung einer Aufbrauchs- oder Umstellungsfrist nicht gebiete (zum UWG: BGH, GRUR 1974, 474, 476 – Großhandelshaus; OLG Köln, NJWE-WettbR 2000, 209, 211; KG WRP 1999, 339, 341 f.; OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.12.2018, Az.: I-2 U 37/18). Dies gelte erst recht für denjenigen, der – wie hier die Schuldnerin – rechtskräftig verurteilt wurde und sich nunmehr vor diesem Hintergrund einem Zwangsvollstreckungsverfahren ausgesetzt sehe. Abgesehen davon, dass die Schuldnerin bereits mit Verkündung des landgerichtlichen Urteils von ihrer Verurteilung zum Rückruf gewusst habe, habe sie auch seit Erlass des Zwangsmittelbeschlusses durch das Landgericht genügend Gelegenheit gehabt, die von ihr angesprochene Bewertung einer Vielzahl von Faktoren und Lieferungen vorzunehmen, entsprechende Rückrufschreiben zu entwerfen und gegebenenfalls zu übersetzen sowie die jeweiligen Kontaktadressen zu ermitteln. Hierbei handele es sich zudem um bloße interne Vorbereitungsmaßnahmen, hinsichtlich derer der durch die Schuldnerin im Zwangsvollstreckungsverfahren erhobene Einwand der unzulässigen Selbstbezichtigung von vornherein nicht zum Tragen komme. Die (unter Berücksichtigung der landgerichtlichen Entscheidung nochmalige) Gewährung einer Umsetzungsfrist scheide daher von vornherein aus. Zum Volltext der Entscheidung:


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Oberlandesgericht Düsseldorf

Beschluss

I.
Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin gegen den Beschluss der 4b Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 07.12.2018 wird zurückgewiesen.

II.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Schuldnerin auferlegt.

III.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

IV.
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt 10.000,00 EUR.

Gründe

Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin gegen den Beschluss der 4b Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 7. Dezember 2018, in welchem der Schuldnerin ein Zwangsgeld in Höhe von 10.000,00 EUR, ersatzweise Zwangshaft, auferlegt wurde, ist gemäß § 793 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie ist formgerecht innerhalb der Zweiwochenfrist des § 569 Abs. 1 ZPO eingelegt worden. In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg.

I.

Zu Recht hat das Landgericht neben den allgemeinen Zwangsvollstreckungsvoraussetzungen auch die besonderen Voraussetzungen des § 888 ZPO bejaht und demzufolge gegen die Schuldnerin Zwangsmittel verhängt.

1.
Soweit die Schuldnerin die Vollstreckung des Rückrufantrages per se als unzulässig ansehen will, weil nach ihrem Vortrag bereits seit Juni 2014 kein unter den Unterlassungstenor fallendes XY mehr in Deutschland vermarktet worden sei und das Produkt auch lediglich eine Mindesthaltbarkeit von 3 Jahren aufweise, kann sie damit – die Richtigkeit ihres Vorbringens unterstellt – von vornherein nicht durchdringen. Mit diesem Vorbringen beruft sich die Schuldnerin letztlich auf den in § 140a Abs. 4 PatG normierten Ausschlusstatbestand. Danach ist der Rückrufanspruch ausgeschlossen, wenn die Inanspruchnahme im Einzelfall unverhältnismäßig ist. Hierbei handelt es sich jedoch um eine den Anspruch ausschließende materiell-rechtliche Einwendung, die im Zwangsvollstreckungsverfahren keine Berücksichtigung finden kann. Das Zwangsvollstreckungsverfahren dient der Rechtsdurchsetzung, nicht der Rechtsfindung. Wenngleich das Zwangsmittelverfahren vor dem Prozessgericht stattfindet, ist es – wie jedes Zwangsvollstreckungsverfahren – lediglich dazu vorgesehen, das ergangene Urteil zu vollziehen. Materiell-rechtliche Erwägungen, die über die im Erkenntnisverfahren bereits getroffenen Feststellungen hinausgehen, verbieten sich deshalb (zum Ordnungsmittelverfahren: Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, Abschn. H, Rz. 151). Der Einwand, die Inanspruchnahme auf Rückruf sei im Sinne von § 140a Abs. 4 PatG unverhältnismäßig, ist dementsprechend im Erkenntnis- und nicht erst im Zwangsvollstreckungsverfahren zu erheben. Für den Fall, dass die die Unverhältnismäßigkeit begründenden Tatsachen erst nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung eintreten, steht dem Schuldner mit der Vollstreckungsabwehrklage im Sinne von § 767 ZPO ein entsprechender Rechtsbehelf zur Verfügung.

2.
Daraus, dass in Rechtsprechung und Literatur die Berücksichtigung des Erfüllungs- und Unmöglichkeitseinwandes im Zwangsmittelverfahren allgemein befürwortet wird (vgl. etwa zur Erfüllung: BGHZ 161, 67 = NJW 2005, 367, 369; BGH, NJW-RR 2013, 1336 f.; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 11. Aufl., Abschn. H, Rz. 214; Zöller/Seibel, ZPO, 33. Aufl. § 887, Rz.8; zur Unmöglichkeit: BGH, NJW-RR 2009, 443; Kühnen, a.a.O., Abschn. D, Rz. 691 ff.; Gruber, a.a.O., Rz. 13), folgt nichts anderes.

Dass der Erfüllungseinwand in Verfahren nach §§ 887, 888 ZPO als erheblich anzusehen ist, folgt bereits aus der Gesetzesformulierung. So hängt die Vollstreckung gemäß § 887 ZPO schon nach dem Wortlaut dieser Vorschrift davon ab, dass der Schuldner seine Verpflichtung zur Vornahme einer (vertretbaren) Handlung nicht erfüllt. § 888 ZPO knüpft in seiner Formulierung an § 887 ZPO an. Eine Vollstreckung nach dieser Vorschrift setzt daher gleichfalls voraus, dass der Schuldner seine – auf die Vornahme einer (nicht vertretbaren) Handlung gerichtete – Verpflichtung nicht erfüllt (BGH, NJW-RR, 2013, 1336 f.).

Die Berücksichtigungsfähigkeit des Unmöglichkeitseinwandes folgt demgegenüber daraus, dass § 888 Abs. 1 ZPO die Verhängung von Zwangsmitteln von der fehlenden Erfüllung einer (nicht vertretbaren) Handlung abhängig macht. Ist dem Schuldner die Vornahme der geschuldeten Handlung dauerhaft objektiv oder subjektiv unmöglich geworden, muss die Auferlegung von Zwangsmitteln daher ausscheiden (BGH, NJW 2013, 2009, 443, 444; Zöller/Seibel, a.a.O., § 888 Rz. 2). Denn das Zwangsmittel besitzt allein eine Beuge-, nicht aber eine Bestrafungsfunktion. Dort, wo – aus welchen Gründen auch immer – Unmöglichkeit vorliegt, kann der beugende Zweck des Zwangsmittels nicht mehr erreicht werden (vgl. Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 11. Aufl., Abschn. H, Rz. 230).

Von der – im Zwangsvollstreckungsverfahren zu berücksichtigenden – Unmöglichkeit zu unterscheiden ist allerdings der Einwand der Unzumutbarkeit. Mit der Einwendung, die Vornahme der titulierten Handlung belaste ihn unzumutbar oder könne nicht zum Erfolg führen, ist der Schuldner im Zwangsvollstreckungsverfahren von vornherein ausgeschlossen (BGH, NJW-RR 2006, 202 f.; OLG Düsseldorf, Urt. v. 01.10.2014, VI U (Kart) 18/13, Rz. 74; a.a.O., § 887 Rz. 8; Gruber, a.a.O., § 888 Rz. 14). Für den Fall, dass der Schuldner für seine den titulierten Anspruch betreffenden Einwendungen nach dem gemäß § 767 Abs. 2 ZPO maßgeblichen Zeitpunkt entstandene Gründe anführen kann, steht ihm die Möglichkeit offen, eine Vollstreckungsgegenklage zu erheben. Dabei trägt er die Darlegungs- und Beweislast, dass die Einwendungen erst nachträglich entstanden sind (vgl. BGHZ 34, 274, 281 = NJW 1961, 1967; NJW-RR 2006, 202 f.).

Genau einen solchen Einwand der Unzumutbarkeit erhebt die Schuldnerin jedoch, soweit sie sich darauf beruft, der Rückruf sei aussichtslos, unverhältnismäßig und daher nicht geschuldet, weil keine realistische Aussicht darauf bestehe, dass sich mit patentgemäßen Mikroorganismen hergestelltes XY noch bei gewerblichen Abnehmern befinde und somit von diesen zurückgerufen werden könne. Ziff. I.5. des landgerichtlichen Urteils verpflichtet die Schuldnerin dazu, die unter Ziff. I.1. bezeichneten, seit dem 28. Oktober 2009 in Verkehr gebrachten Erzeugnisse gegenüber den gewerblichen Abnehmern unter Hinweis auf den gerichtlich festgestellten patentverletzenden Zustand der Sache und mit der verbindlichen Zusage zurückzurufen, etwaige Entgelte zu erstatten sowie notwendige Verpackungs- und Transportkosten und mit der Rückgabe verbundene Zoll- und Lagerkosten zu übernehmen sowie die Erzeugnisse wieder an sich zu nehmen. Geschuldet ist dementsprechend kein bestimmter Erfolg, sondern lediglich ein Rückruf, d.h. die ernsthafte Aufforderung an den gewerblichen Besitzer des patentverletzenden Erzeugnisses, entweder dieses zur Verfügung zu halten und nicht weiter zu vertreiben oder, sofern der Störungszustand dadurch nicht hinreichend beseitigt würde, das Erzeugnis freiwillig zurückzugeben (BGH, GRUR 2017, 785 – Abdichtsystem; Kühnen, a.a.O., Abschn. D, Rz. 691 – 693). Eine diesen Anforderungen entsprechende Aufforderung ist der Schuldnerin jedoch selbst dann möglich, wenn, wie von ihr behauptet, aufgrund des Mindesthaltbarkeitsdatums der Produkte und/oder der Lieferzyklen (nahezu) ausgeschlossen ist, dass sich entsprechende Produkte noch im Markt befinden. Es handelt sich daher bei dem durch die Schuldnerin erhobenen Einwand um denjenigen der Unzumutbarkeit, der wie ausgeführt im Zwangsvollstreckungsverfahren keine Berücksichtigung finden kann. Dementsprechend kann sich die Schuldnerin auch nicht mit Erfolg darauf berufen, der von ihr geforderte Rückruf stelle eine bloße, ihr nicht zumutbare Selbstbezichtigung dar. Durch einen solchen Ausschluss der Berücksichtigungsfähigkeit wird die Schuldnerin im Übrigen nicht rechtlos gestellt. Sie hatte es in der Hand, die entsprechenden Umstände über den Verhältnismäßigkeitseinwand gemäß § 140a Abs. 4 PatG im Erkenntnisverfahren vorzutragen und dadurch auf eine Beschränkung ihrer Verurteilung zum Rückruf hinzuwirken. Ergänzend steht ihr in den Grenzen des § 767 Abs. 2 ZPO die Möglichkeit der Erhebung einer Vollstreckungsabwehrklage offen.

3.

14Der durch die Schuldnerin angesprochene Verhältnismäßigkeitsgrundsatz führt zu keiner anderen Bewertung. Auch wenn dieser selbstverständlich auch im Zwangsvollstreckungsverfahren – etwa bei der Bestimmung der Höhe eines festzusetzenden Zwangsmittels – Berücksichtigung finden kann und muss, ist er nicht dazu geeignet, die sich aus dem erstinstanzlichen Urteil ergebende, rechtskräftig ausgeurteilte Verpflichtung zum Rückruf dem Grunde nach und damit letztlich die Rechtskraft des Urteils in Frage zu stellen. Dies gilt in Bezug auf die Verpflichtung zum Rückruf umso mehr, nachdem der Rückrufanspruch gemäß § 140a Abs. 4 PatG für den Fall der Unverhältnismäßigkeit bereits kraft Gesetzes ausgeschlossen ist.

II.
Die Höhe des verhängten Zwangsmittels begegnet keinen Bedenken. Nachdem diese durch die Schuldnerin im Beschwerdeverfahren auch nicht gesondert beanstandet wird, macht sich der Senat die diesbezüglichen zutreffenden Ausführungen der Kammer zwecks Vermeidung von Wiederholungen zu Eigen.

III.
Für die Einräumung einer Umsetzungsfrist besteht bereits vor dem Hintergrund des seit dem mit der sofortigen Beschwerde angegriffenen Zwangsmittelbeschlusses vergangenen Zeitraums von fast einem Jahr kein Anlass. Grundsätzlich hat sich derjenige, der in der Vorinstanz verurteilt wurde, auch auf einen ungünstigen Ausgang des Rechtsmittelverfahrens einzustellen, so dass die Interessenlage in den Rechtsmittelinstanzen häufig die Gewährung einer Aufbrauchs- oder Umstellungsfrist nicht gebietet (zum UWG: BGH, GRUR 1974, 474, 476 – Großhandelshaus; OLG Köln, NJWE-WettbR 2000, 209, 211; KG WRP 1999, 339, 341 f.; OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.12.2018, Az.: I-2 U 37/18; Teplitzky, a.a.O., Rz. 56; Köhler/Bornkamm, UWG, 35. Aufl., § 8 Rz. 1.67). Nichts anderes gilt erst recht für denjenigen, der – wie hier die Schuldnerin – rechtskräftig verurteilt wurde und sich nunmehr vor diesem Hintergrund einem Zwangsvollstreckungsverfahren ausgesetzt sieht. Abgesehen davon, dass die Schuldnerin bereits mit Verkündung des landgerichtlichen Urteils von ihrer Verurteilung zum Rückruf wusste, hatte sie auch seit Erlass des Zwangsmittelbeschlusses durch das Landgericht genügend Gelegenheit, die von ihr angesprochene Bewertung einer Vielzahl von Faktoren und Lieferungen vorzunehmen, entsprechende Rückrufschreiben zu entwerfen und gegebenenfalls zu übersetzen sowie die jeweiligen Kontaktadressen zu ermitteln. Hierbei handelt es sich zudem um bloße interne Vorbereitungsmaßnahmen, hinsichtlich derer der durch die Schuldnerin im Zwangsvollstreckungsverfahren erhobene Einwand der unzulässigen Selbstbezichtigung von vornherein nicht zum Tragen kommt. Die (unter Berücksichtigung der landgerichtlichen Entscheidung nochmalige) Gewährung einer Umsetzungsfrist scheidet daher von vornherein aus.

IV.
Ein Grund, die Entscheidung des Bundespatentgerichts im Rechtsbestandsverfahren abzuwarten, ist unabhängig von den Erfolgsaussichten der Nichtigkeitsklage nicht ersichtlich. Nachdem die Schuldnerin rechtskräftig zum Rückruf verurteilt wurde, fehlt es der anstehenden Entscheidung des Bundespatentgerichts an der Vorgreiflichkeit für eine mögliche Aussetzung des Zwangsmittelverfahrens, § 148 ZPO.

V.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Es bestand keine Veranlassung, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 574 ZPO hierfür ersichtlich nicht gegeben sind.

I