OLG Düsseldorf: Zu den Besonderheiten einer einstweiligen Verfügung im Patentverletzungsverfahren

veröffentlicht am 8. September 2021

OLG Düsseldorf, Urteil vom 14.12.2017, Az. I-2 U 18/17
Art. 64 EPÜ, § 139 Abs. 1 PatG

Das OLG Düsseldorf hat in dieser älteren Entscheidung darauf hingewiesen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Senats eine einstweilige Verfügung wegen Patentverletzung nur in Betracht, wenn sowohl die Frage der Patentverletzung als auch der Bestand des Verfügungsschutzrechts im Ergebnis so eindeutig zugunsten des Verfügungsklägers zu beantworten sind, dass eine fehlerhafte, in einem etwa nachfolgenden Hauptsacheverfahren zu revidierende Entscheidung nicht ernstlich zu erwarten ist. Davon könne regelmäßig nur ausgegangen werden, wenn das Verfügungspatent bereits ein erstinstanzliches Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren überstanden habe. Um ein Verfügungsschutzrecht für ein einstweiliges Verfügungsverfahren tauglich zu machen, bedürfe es deshalb einer positiven Entscheidung der dafür zuständigen, mit technischer Sachkunde ausgestatteten Einspruchs- oder Nichtigkeitsinstanzen. Aus der regelmäßigen Notwendigkeit einer positiven streitigen Rechtsbestandsentscheidung folge umgekehrt aber auch, dass, sobald sie vorliege, prinzipiell von einem ausreichend gesicherten Bestand des Verfügungspatents auszugehen sei. Von dem Erfordernis einer dem Verfügungskläger günstigen kontradiktorischen Rechtsbestandsentscheidung könne allein in Sonderfällen abgesehen werden. Dies gelte etwa dann,
– wenn der Verfügungsbeklagte sich bereits mit eigenen Einwendungen am Erteilungsverfahren beteiligt habe, so dass die Patenterteilung sachlich der Entscheidung in einem zweiseitigen Einspruchsverfahren gleichstehe,
– wenn ein Rechtsbestandsverfahren deshalb nicht durchgeführt worden sei, weil das Verfügungsschutzrecht allgemein als schutzfähig anerkannt werde (was sich durch das Vorhandensein namhafter Lizenznehmer oder dergleichen widerspiegelt),
– wenn sich die Einwendungen gegen den Rechtsbestand des Verfügungsschutzrechts schon bei der dem vorläufigen Rechtsschutzverfahren eigenen summarischen Prüfung als haltlos erweisen würden oder
– wenn (z. B. mit Rücksicht auf die Marktsituation oder die aus der Schutzrechtsverletzung drohenden Nachteile) außergewöhnliche Umstände gegeben seien, die es für den Verfügungskläger ausnahmsweise unzumutbar machten, den Ausgang des Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahrens abzuwarten. Letzterer Fall sei regelmäßig bei Verletzungshandlungen durch pharmazeutische Generika geben. Während der von ihnen angerichtete Schaden im Falle einer späteren Aufrechterhaltung des Patents vielfach enorm und (mit Rücksicht auf den durch eine entsprechende Festsetzung von Festbeträgen verursachten Preisverfall) nicht wiedergutzumachen sei, habe eine (wegen späterer Vernichtung des Patents) unberechtigte Verfügung lediglich zur Folge, dass das Generikaunternehmen vorübergehend zu Unrecht vom Markt ferngehalten werde, was durch entsprechende Schadenersatzansprüche gegen den Patentinhaber vollständig ausgeglichen werden könne. Zum
Volltext der Entscheidung:


Rechtsanwalt für Patentrecht

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Oberlandesgericht Düsseldorf

Urteil

I.
Auf die Berufung wird das am 10. April 2017 verkündete Urteil der 4c Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf abgeändert.

Der Verfügungsbeklagten wird im Wege der einstweiligen Verfügung aufgegeben, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall Ordnungshaft bis zu zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an den gesetzlichen Vertretern der Verfügungsbeklagten zu vollziehen ist, zu unterlassen, eine pharmazeutische Kombinationszusammensetzung zur Verwendung bei der Behandlung von Bluthochdruck, umfassend den AT1-Antagonisten Valsartan sowie Amlodipinbesilat und einen pharmazeutisch unbedenklichen Trägerstoff, wobei die Kombinationszusammensetzung als in einer festen Kombination kombinierte Einheitsdosisform vorliegt, in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen.

II.             
Die Vollziehung der einstweiligen Verfügung ist davon abhängig, dass die Verfügungsklägerin zuvor eine Sicherheit in Höhe von 1.000.000 EUR leistet.

III.              
Die Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz werden der Verfügungsbeklagten auferlegt.

IV.             
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 1.000.000 EUR festgesetzt.

1Gründe

2I.

3Von einer Darstellung des Sachverhaltes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1, 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO abgesehen.

4II.

5Die zulässige Berufung hat Erfolg. Nachdem die Verfügungsklägerin sowohl das Vorliegen eines Verfügungsanspruchs als auch einen Verfügungsgrund glaubhaft gemacht hat, ist die einstweilige Verfügung unter Abänderung des angefochtenen Urteils im tenorierten Umfang zu erlassen.

61.

7Das Verfügungspatent (EP 2 322 174 B1) betrifft eine pharmazeutische Kombinationszusammensetzung zur Verwendung bei der Behandlung oder Prävention von Bluthochdruck, umfassend den AT1-Antagonisten Valsartan, Amlodipin (oder jeweils ein unbedenkliches Salz davon) und einen unbedenklichen Trägerstoff.

8Andauernde und unkontrollierte hypertensive vaskuläre Erkrankungen können zu einer Vielzahl von pathologischen Veränderungen an den Zielorganen, wie dem Herz oder der Niere, führen. Zudem erhöht sich bei einer anhaltenden Hypertension (Bluthochdruck) das Risiko eines Schlaganfalls (Abs. [0010]).

9Zur Behandlung von Bluthochdruck stehen verschiedene Wirkstoffe zur Verfügung. Einer dieser Wirkstoffe ist das in der EP 0 443 983 A offenbarte Valsartan, bei dem es sich um einen AT1-Rezeptor-Antagnonisten handelt. Derartige AT1-Rezeptorantagonisten binden sich an den AT1-Rezeptor Subtyp, der von dem Peptidhormon Angiotensin II belegt werden kann. Dieses Hormon hat eine Reihe gefäßverengender Effekte. So wirkt es auf die glatte Muskulatur, stimuliert die Bildung der Hormone Adrenalin und Noradrenalin und regt die Aktivität des Sympathikus an. Es hat zudem Einfluss auf den Elektrolythaushalt, hemmt die Wasser- und Natriumausscheidung (antidiuretische und antinatriuretische Effekte) und fördert dadurch die Ausschüttung des antidiuretischen Hormons ADH (auch: Vasopressin) in der Hypophyse und auch von Aldosteron in der Nebennierenrinde. All diese Wirkungen spielen eine wichtige Rolle bei der Blutdruckregulierung (Abs. [0007] f.).

10Als weiterer Wirkstoff zur Behandlung von Bluthochdruck ist Amlodipin (bzw. das unbedenkliche Salz Amlodipinbesilat davon) bekannt. Amlodipin gehört zur Gruppe der Calciumantagonisten (CCB, Abs. [0003] f.; [0006]).

11Die Art der mit dem Bluthochdruck verbundenen vaskulären Erkrankungen wird durch viele Faktoren bestimmt. Unter bestimmten Umständen wurden daher bereits im Stand der Technik Arzneimittel mit unterschiedlichen Wirkungsmechanismen miteinander kombiniert. So verringern der AT1-Antagonist und der CCB das intrazelluläre Calcium durch unterschiedliche und komplementäre Mechanismen und erleichtern die vasodilatatorischen Effekte von Stickstoffmonoxid, das teilweise bei der Umkehr der Endotheldysfunktion wirksam ist. Allerdings führt nicht jede beliebige Kombination von Arzneimitteln mit unterschiedlichen Wirkmechanismen notwendigerweise zu einer Kombination vorteilhafter Effekte (Abs. [0011] f.).

12Vor diesem Hintergrund liegt der Erfindung die Aufgabe zugrunde, eine pharmazeutische Kombinationszusammensetzung, beispielsweise zur Behandlung oder Prävention von Bluthochdruck, bereitzustellen, umfassend den AT1-Antagonisten Valsartan und Amlodipin (oder jeweils ein pharmazeutisch unbedenkliches Salz davon) sowie einen pharmazeutisch wirkenden Trägerstoff (Abs. [0025]).

13Zur Lösung dieser Aufgabe sehen die hier streitgegenständlichen Patentansprüche 1 und 2 eine Kombination der folgenden Merkmale vor:

141.              Pharmazeutische Kombinationszusammensetzung zur Verwendung bei der Behandlung oder Vorbeugung von Bluthochdruck.

152.              Die pharmazeutische Kombinationszusammensetzung umfasst

162.1.              den AT1-Antagonisten Valsartan oder ein pharmazeutisch unbedenkliches Salz davon,

172.2.              Amlodipinbesilat und

182.3.              einen pharmazeutisch unbedenklichen Trägerstoff.

193.              Die pharmazeutische Kombinationszusammensetzung liegt als in einer festen Kombination kombinierte Einheitsdosisform vor.

20Dass sich Merkmal 3., wonach die pharmazeutische Kombinationszusammensetzung als in einer festen Kombination kombinierte Einheitsdosisform vorliegen soll, nur so verstehen lässt, dass beide Wirkstoffe in einer einheitlichen Darreichungsform, wie z.B. einer Tablette, vorliegen müssen, hat bereits das Landgericht zutreffend ausgeführt. Dafür spricht nicht nur Abs. [0026], dem der Fachmann entnimmt, dass die Komponenten in einer festen Kombination in einer kombinierten Einheitsdosisform erhalten und verabreicht werden. Vielmehr wird in Abs. [0031] auch exemplarisch eine Formulierung einer Tablette bestehend aus Valtarsan 80 mg und Amlodipin 5 mg beschrieben. Auch wenn es sich dabei lediglich um ein bevorzugtes Ausführungsbeispiel handelt, das der Beschreibung von Möglichkeiten der Verwirklichung des Erfindungsgedankens dient und mit diesem Inhalt grundsätzlich keine einschränkende Auslegung des die Erfindung allgemein kennzeichnenden Patentanspruchs erlaubt (BGHZ 160, 204, 210 = GRUR 2004, 1023 – Bodenseitige Vereinzelungseinrichtung; BGH, GRUR 2007, 778, 779, 780 – Ziehmaschinenzugeinheit; GRUR 2008, 779, 783 – Mehrgangnabe; Urt. v. 11.02.2016, Az.: I-2 U 19/15, NJOZ 2016, 1020), wird dem Fachmann dadurch gleichwohl deutlich, dass das Verfügungspatent den Begriff der Einheitsdosisform dem natürlichen Sprachgebrauch entsprechend verwendet, nämlich derart, dass zwei oder mehr Stoffe in einer einzigen Dosisform kombiniert werden. Anhaltspunkte für ein abweichendes Verständnis dieses Begriffes finden sich in der Verfügungspatentschrift, die hinsichtlich der verwendeten Begriffe grundsätzlich ihr eigenes Lexikon darstellt (BGH, GRUR 1999, 909 – Spannschraube; BGH GRUR 2015, 972, 974 – Kreuzgestänge; OLG Düsseldorf, Urt. v. 29.10.2015, Az.: I-15 U 121/14, BeckRS 2016, 2916), nicht.

212.

22Nachdem die Verfügungsbeklagte zu Recht nicht in Abrede gestellt hat, dass die angegriffenen Ausführungsformen („Amlodipin/Valsartan AbZ“ in unterschiedlichen Dosierungen) wortsinngemäß von der technischen Lehre des Verfügungspatents Gebrauch machen, ist die Verfügungsbeklagte der Verfügungsklägerin gemäß Art. 64 EPÜ i.V.m. § 139 Abs. 1 PatG im beantragten Umfang zum Unterlassen verpflichtet. Zudem hat die Verfügungsklägerin auch das Bestehen eines Verfügungsgrundes glaubhaft gemacht. Insbesondere ist der Rechtsbestand des Verfügungspatents unter Berücksichtigung der nunmehr im Einspruchsverfahren ergangenen, das Verfügungspatent unbeschränkt aufrechterhaltenden Entscheidung in dem für den Erlass der begehrten Unterlassungsverfügung erforderlichen Umfang gesichert.

23a)

24Nach ständiger Rechtsprechung des Senats kommt eine einstweilige Verfügung nur in Betracht, wenn sowohl die Frage der Patentverletzung als auch der Bestand des Verfügungsschutzrechts im Ergebnis so eindeutig zugunsten des Verfügungsklägers zu beantworten sind, dass eine fehlerhafte, in einem etwa nachfolgenden Hauptsacheverfahren zu revidierende Entscheidung nicht ernstlich zu erwarten ist (InstGE 9, 140 – Olanzapin; InstGE 12, 114 – Harnkatheterset; GRUR-RR 2011, 81 – Gleitsattel-Scheibenbremse; Mitt. 2012, 413 [LS] – Kreissägeblatt; Mitt. 2012, 415 – Adapter für Tintenpatrone; Urt. v. 06.12.2012, Az.: I-2 U 46/12, BeckRS 2013, 13744; ebenso OLG Karlsruhe, GRUR-RR 2009, 442 = InstGE 11, 143). Davon kann regelmäßig nur ausgegangen werden, wenn das Verfügungspatent bereits ein erstinstanzliches Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren überstanden hat (Senat, InstGE 9, 140, 146 – Olanzapin; InstGE 12, 114 – Harnkatheterset; Urt. v. 18.12.2014, Az.: I-2 U 60/14, BeckRS 2015, 01829; Urt. v. 10.12.2015, Az.: I-2 U 35/15 und I-2 U 36/15, BeckRS 2016, 06208 und BeckRS 2016, 06343; OLG Karlsruhe, GRUR-RR 2015, 509 – Ausrüstungssatz). Um ein Verfügungsschutzrecht für ein einstweiliges Verfügungsverfahren tauglich zu machen, bedarf es deshalb einer positiven Entscheidung der dafür zuständigen, mit technischer Sachkunde ausgestatteten Einspruchs- oder Nichtigkeitsinstanzen.

25Aus der regelmäßigen Notwendigkeit einer positiven streitigen Rechtsbestandsentscheidung folgt umgekehrt aber auch, dass, sobald sie vorliegt, prinzipiell von einem ausreichend gesicherten Bestand des Verfügungspatents auszugehen ist (Senat, Urt. v. 10.11.2011, Az.: I-2 U 41/11; Urt. v. 19.02.2016, Az.: I-2 U 54/15, BeckRS 2016, 06344). Das Verletzungsgericht hat – ungeachtet seiner Pflicht, auch nach erstinstanzlichem Abschluss eines Rechtsbestandsverfahrens selbst ernsthaft die Erfolgsaussichten der dagegen gerichteten Angriffe zu prüfen, um sich in eigener Verantwortung ein Bild von der Schutzfähigkeit der Erfindung zu machen (Senat, InstGE 8, 122 – Medizinisches Instrument; Urt. v. 18.12.2014, Az.: I-2 U 60/14, BeckRS 2015, 01829) – grundsätzlich die von der zuständigen Fachinstanz (DPMA, EPA, BPatG) nach technisch sachkundiger Prüfung getroffene Entscheidung über die Aufrechterhaltung des Verfügungspatents hinzunehmen und, sofern im Einzelfall keine besonderen Umstände vorliegen, die gebotenen Schlussfolgerungen zu ziehen, indem es zum Schutz des Patentinhabers die erforderlichen Unterlassungsanordnungen trifft (Senat, Urt. v. 10.11.2011, Az.: I-2 U 41/11; Urt. v. 19.02.2016, Az.: I-2 U 54/15, BeckRS 2016, 06344). Grund, die Rechtsbestandsentscheidung in Zweifel zu ziehen und von einem Unterlassungsgebot abzusehen, besteht nur dann, wenn das Verletzungsgericht die Argumentation der Einspruchs- oder Nichtigkeitsinstanz für nicht vertretbar hält oder wenn der mit dem Rechtsbehelf gegen die Einspruchs- oder Nichtigkeitsentscheidung unternommene Angriff auf das Verfügungspatent auf (z.B. neue) erfolgversprechende Gesichtspunkte gestützt wird, die die bisher mit der Sache befassten Stellen noch nicht berücksichtigt und beschieden haben (Senat, Urteil vom 06.12.2012, Az.: I-2 U 46/12, BeckRS 2013, 13744). Demgegenüber ist es für den Regelfall nicht angängig, den Verfügungsantrag trotz erstinstanzlich aufrechterhaltenen Schutzrechts allein deshalb zurückzuweisen, weil das Verletzungsgericht seine eigene (laienhafte) Bewertung des technischen Sachverhaltes an die Stelle der Beurteilung durch die zuständige Einspruchs- oder Nichtigkeitsinstanz setzt (Senat, Urt. v. 10.11.2011, Az.: I-2 U 41/11; Urt. v. 18.12.2014, Az.: I–2 U 60/14, BeckRS 2015, 01829). Solches verbietet sich ganz besonders dann, wenn es sich um eine technisch komplexe Materie (z.B. aus dem Bereich der Chemie oder Elektronik) handelt, in Bezug auf die die Einsichten und Beurteilungsmöglichkeiten des technisch nicht vorgebildeten Verletzungsgerichts von vornherein limitiert sind.

26Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats kann von dem Erfordernis einer dem Verfügungskläger günstigen kontradiktorischen Rechtsbestandsentscheidung in Sonderfällen abgesehen werden. Dies gilt etwa dann, wenn der Verfügungsbeklagte sich bereits mit eigenen Einwendungen am Erteilungsverfahren beteiligt hat, so dass die Patenterteilung sachlich der Entscheidung in einem zweiseitigen Einspruchsverfahren gleichsteht, wenn ein Rechtsbestandsverfahren deshalb nicht durchgeführt worden ist, weil das Verfügungsschutzrecht allgemein als schutzfähig anerkannt wird (was sich durch das Vorhandensein namhafter Lizenznehmer oder dergleichen widerspiegelt), wenn sich die Einwendungen gegen den Rechtsbestand des Verfügungsschutzrechts schon bei der dem vorläufigen Rechtsschutzverfahren eigenen summarischen Prüfung als haltlos erweisen oder wenn (z. B. mit Rücksicht auf die Marktsituation oder die aus der Schutzrechtsverletzung drohenden Nachteile) außergewöhnliche Umstände gegeben sind, die es für den Verfügungskläger ausnahmsweise unzumutbar machen, den Ausgang des Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahrens abzuwarten (vgl. Senat, InstGE 12, 114, 121 – Harnkatheterset; Senat, Urt. v. 07.11.2013, Az.: I-2 U 94/12 = BeckRS 2014, 04902; GRUR-RR 2013, 236, 239 f. – Flupirtin-Maleat; Urt. v. 10.12.2015, Az.: I-2 U 35/15, BeckRS 2016, 06208).

27Ein solcher Sachverhalt liegt regelmäßig bei Verletzungshandlungen von Generikaunternehmen vor. Während der von ihnen angerichtete Schaden im Falle einer späteren Aufrechterhaltung des Patents vielfach enorm und (mit Rücksicht auf den durch eine entsprechende Festsetzung von Festbeträgen verursachten Preisverfall) nicht wiedergutzumachen ist, hat eine (wegen späterer Vernichtung des Patents) unberechtigte Verfügung lediglich zur Folge, dass das Generikaunternehmen vorübergehend zu Unrecht vom Markt ferngehalten wird, was durch entsprechende Schadenersatzansprüche gegen den Patentinhaber vollständig ausgeglichen werden kann. Zu berücksichtigen ist außerdem, dass das Generikaunternehmen für seine Marktpräsenz im Allgemeinen keine eigenen wirtschaftlichen Risiken eingeht (weil das Präparat dank des Patentinhabers medizinisch hinreichend erprobt und am Markt etabliert ist). Es hat deswegen eine Verbotsverfügung zu ergehen, auch wenn für das Verletzungsgericht mangels einer fachkundigen Rechtsbestandsentscheidung keine endgültige und eindeutige Sicherheit über den Rechtsbestand gewonnen werden kann, sofern das Verletzungsgericht (aufgrund der ihm angesichts der betroffenen technischen Materie möglichen eigenen Einschätzung) für sich die Überzeugung (im Sinne hinreichender Glaubhaftmachung) davon gewinnt, dass das Verfügungsschutzrecht rechtsbeständig ist, weil sich die mangelnde Patentfähigkeit seines Erfindungsgegenstandes nicht feststellen lassen wird. Hierfür müssen aus der Sicht des Verletzungsgerichts entweder die besseren Argumente für die Patentfähigkeit sprechen, so dass sich diese positiv bejahen lässt, oder es muss (mit Rücksicht auf die im Rechtsbestandsverfahren geltende Beweislastverteilung ) die Frage der Patentfähigkeit mindestens ungeklärt bleiben, so dass das Verletzungsgericht, wenn es anstelle des Patentamtes oder des BPatG in der Sache selbst zu befinden hätte, dessen Rechtsbestand zu bejahen hätte.

28Diese Grundsätze bedingen, dass eine Unterlassungsverfügung erst recht zu ergehen hat, wenn eine dem Antragsteller günstige erstinstanzliche Rechtsbestandsentscheidung nicht mehr aussteht, sondern bereits ergangen ist, mag ihr auch ein gleichrangiges gegenläufiges Erkenntnis einer anderen technisch kompetenten Instanz entgegenstehen (Senat, GRUR-RR 2013, 236, 239 f. – Flupirtin-Maleat; Urt. v. 19.02.2016, Az.: I-2 U 54/15, BeckRS 2016, 06344; Urt. v. 10.12.2015, Az.: I-2 U 35/15, BeckRS 2016, 06208).

29b)

30Ausgehend von den vorstehenden Grundsätzen ist der Rechtsbestand vorliegend, nachdem die Einspruchsabteilung das Verfügungspatent nunmehr vollumfänglich aufrechterhalten hat, hinreichend gesichert. Zwar besteht eine Diskrepanz zur technisch-fachkundigen Entscheidung des schweizerischen Bundespatentgerichts sowie zu den Entscheidungen des Handelsgerichts von Barcelona und des israelischen Patentamtes. Auch hat der Senat für einen Fall aus dem Bereich der allgemeinen Mechanik entschieden, dass der Erlass einer Unterlassungsverfügung grundsätzlich nicht in Betracht kommt, wenn sich gleichrangige technische Spruchkörper uneins über die Bewertung des Standes der Technik und dessen Konsequenzen für die Beurteilung der Erfindungshöhe des Verfügungspatents sind, weil das Verletzungsgericht, welches selbst keine technische Kompetenz besitzt und sich diese im Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes auch nicht extern beschaffen kann, nicht diejenige Instanz sein kann, die den Expertenstreit entscheidet (Senat, Urt. v. 31.08.2017, Az. I-2 U 11/17, BeckRS 2017, 125974). Davon unterscheidet sich der vorliegende Fall aber durch die in Bezug auf die Marktpräsenz von Generikaunternehmen besondere und vorstehend bereits im Einzelnen dargestellte Interessenlage. In einer solchen Konstellation besteht kein Anlass, von einer einstweiligen Unterlassungsanordnung abzusehen, wenn das Verletzungsgericht selbst, hätte es über den Rechtsbestand des Verfügungspatents zu entscheiden, von dessen Schutzfähigkeit überzeugt wäre. Dies ist vorliegend auch unter Berücksichtigung des Aufsatzes von A. et. al. „Valsartan, a new angiotensin II antagonist for the treatment of essential hypertension: A comparative study of the efficacy and safety against amlodipine“ („Valsartan, ein neuer Angiotensin-II-Antagonist zur Behandlung von essentieller Hypertonie: eine Vergleichsstudie zur Wirksamkeit und Sicherheit gegenüber Amlodipin“ (Anlagen AG 1/D1 bzw. D1a), bei dem es sich überdies um bereits im Patenterteilungsverfahren berücksichtigten Stand der Technik handelt, der Fall.

31Hinzu kommt, dass das Verfügungspatent zu derselben Patentfamilie wie das EP 1 096 932 (nachfolgend: EP ´932) gehört. Die Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamtes hat das EP ´932 in einer Einspruchsentscheidung vom 1. April 2016 (Anlagen FBD 13/13a) mit ausführlicher Begründung sowohl unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Erweiterung als auch im Hinblick auf die Neuheit und die erfinderische Tätigkeit für schutzfähig erachtet. Da die Verfügungsklägerin an dem EP `932 – aus welchen Gründen auch immer – im sich anschließenden Beschwerdeverfahren jedoch nicht mehr festgehalten hat, wurde es letztlich widerrufen, ohne dass sich die technische Beschwerdekammer mit dessen Schutzfähigkeit in der Sache befassen konnte. Nachdem jedoch sowohl das Verfügungs- als auch des Stammpatent im Kern eine Kombinationszusammensetzung in Gestalt einer Einheitsdosisform umfassend Valsartan, Amlodipin und einen Trägerstoff schützen, lassen sich die das Stammpatent betreffenden Ausführungen der Einspruchsabteilung aufgrund der im Stammpatent fehlenden Beschränkung auf die Verwendung bei der Behandlung oder Vorbeugung von Bluthochdruck zwar nicht vollumfänglich, aber doch unter Berücksichtigung der Unterschiede beider Schutzrechte in ihren wesentlichen Gedanken auf das Verfügungspatent übertragen.

32Mit Rücksicht auf den begrenzten Prüfungsumfang im einstweiligen Verfügungsverfahren sowie die Aufrechterhaltung sowohl des Verfügungs- als auch des Stammpatents durch die Einspruchsabteilung besteht daher lediglich Anlass zu folgenden Bemerkungen:

33aa)

34Ziel der in dem vorgenannten Aufsatz beschriebenen Studie war ein „Vergleich der antihypertensiven Wirksamkeit des neuen Angiotensin-II-Antagonisten Valsartan mit einer Referenztherapie, Amlodipin“ (Anlage AG 1/D1a, S. 341, erster Abs.; S. 342, linke Spalte Mitte). Für diese Studie wurden 168 erwachsene ambulante Patienten mit leichter bis moderater Hypertonie willkürlich auf doppelblinde Weise und in gleicher Anzahl auf zwei Gruppen verteilt, von denen eine über 12 Wochen 80 mg Valsartan und die andere 5 mg Amlodipin erhielt. Nach 8 Wochen wurden der initialen Therapie bei Patienten, deren Blutdruck weiter unkontrolliert blieb, über weitere 4 Wochen offen 5 mg Amlodipin hinzugefügt. Somit nahmen Nonresponder nach 8 Wochen entweder 80 mg Valsartan und 5 mg Amlodipin täglich oder 10 mg Amlodipin täglich über die letzten 4 Wochen der Studie ein. Patienten, deren Blutdruck nach 8 Wochen kontrolliert war, erhielten über weitere 4 Wochen ihre initiale Therapie (Anlage AG 1/D1a, S. 341, zweiter Abs.; S. 342, rechte Spalte). Der Anteil der Nonresponder, die nach einer Studiendauer von 8 Wochen zusätzlich 5 mg Amlodipin erhielten, betrugt dabei28,6 % der zuvor mit Valsartan behandelten Patienten (absolut: 24) und 33,7 % der Patienten, die zuvor Amlodipin erhielten (absolut: 28, Anlage AG 1/D1a, S. 343, rechte Spalte).

35Die Studie kommt zu dem Schluss, dass es, wie die nachfolgend eingeblendete Tabelle I zeigt, keine erheblichen Unterschiede zwischen den Amlodipin- und den Valsartan-Behandlungsgruppen gab (Anlage AG 1/D1a, S. 343, rechte Spalte).

36

37Sowohl die Behandlung mit Valsartan als auch mit Amlodipin führte zu einer wirksamen Absenkung des Blutdrucks (Anlage AG 1/D1a, S. 343), wobei die Ansprechraten dafür sprechen, dass Valsartan mindestens so wirksam ist wie Amlodipin (Anlage AG 1/D1a, S. 344, linke Spalte Mitte). Dass beide Behandlungen gleich wirksam waren, verdeutlicht die nachstehend eingeblendete Tabelle:

38

39Im Hinblick auf die Verträglichkeit und Sicherheit entnimmt der Fachmann der Entgegenhaltung weiter, dass beide Studienmedikamente im Allgemeinen sowohl in der Monotherapiephase als auch bei Nonrespondern, die eine zusätzliche Therapie erhielten, gut vertragen wurden (Anlage AG 1/D1a, S. 344, linke Spalte unten). Wie sich der nachfolgend eingeblendeten Tabelle entnehmen lässt, waren die am häufigsten auftretenden arzneimittelbezogenen Nebenwirkungen Ödeme und Kopfschmerzen (vgl. Anlage AG 1/D1a, S. 344, rechte Spalte).

40

41Die Ergebnisse der Studie fassen die Autoren am Ende wie folgt zusammen:

42„Diese Studie bestätigt, dass sowohl 80 mg Valsartan einmal täglich als auch 5 mg Amlodipin einmal täglich wirksame antihypertensive Wirkstoffe bei Patienten mit leichter bis moderater essentieller Hypertonie sind. Die Studie zeigt keine bedeutsamen Unterschiede zwischen den beiden Wirkstoffen.

43Amlodipin ist ein hinreichend anerkannter antihypertensiver Wirkstoff. […] Die Wirksamkeit von 5 mg Amlodipin ist hinreichend dokumentiert und das Arzneimittel wird weitreichend in dieser Dosis bei der Behandlung von essentieller Hypertonie verwendet.

44Die Daten zeigen Senkungen beim SDBP und SSBP von ähnlicher Größe, produziert durch Valsartan und Amlodipin. […] Obwohl die Studie nicht entwickelt wurde, um eine Äquivalenz zwischen den beiden Therapien zu zeigen, zeigen die Daten, dass Valsartan mindestens so wirksam wie Amlodipin bei der Behandlung leichter bis moderater essentieller Hypertonie ist.

45Beide Medikamente wurden sowohl während der Monotherapie als auch während der möglichen Titrationsphase gut vertragen.

46[…]

47Zusammenfassend zeigen diese Daten, dass Valsartan, ein neuer Angiotensin-II-Rezeptor-Antagonist, mindestens so wirksam wie ein hinreichend etablierter Calcium-Antagonist, Amlodipin, ist. Die Daten weisen auch darauf hin, dass Valsartan nicht mit den Nebenwirkungen assoziiert wird, die für die in dieser Studie verwendete Komparatorklasse, Calcium-Antagonisten, charakteristisch ist.“

48(Anlage AG 1/D1a, S. 435 f.)

49bb)

50Nachdem es in der vorgenannten Schrift an Anhaltspunkten dafür mangelt, dass die beiden Wirkstoffe gleichzeitig und damit in einer Einheitsdosisform im Sinne des Verfügungspatents verabreicht worden sind, steht die Entgegenhaltung der Neuheit der streitgegenständlichen Patentansprüche (Art. 54 EPÜ) nicht entgegen (so auch die Einspruchsabteilung im Vorbescheid, Anlagen AG 14/14a, S. 6 oben; zum Parallelpatent Anlagen FBD 13/13a, S. 13 Mitte).

51cc)

52Darüber hinaus vermag der Senat auch nicht festzustellen, dass der Gegenstand der streitgegenständlichen Patentansprüche für einen Durchschnittsfachmann anhand des entgegengehaltenen Standes der Technik nahegelegt wäre (Art. 56 EPÜ).

53(1)

54Die Beantwortung der Frage, ob eine erfinderische Tätigkeit zu bejahen ist, bedarf einer wertenden Entscheidung (BGH, GRUR 1995, 330 – Elektrische Steckverbindung) unter Berücksichtigung der Kriterien des Standes der Technik als Ausgangspunkt für die Beurteilung sowie des Fachwissens des Durchschnittsfachmanns in der Frage des Nichtnaheliegens (Senat, Urt. v. 07.11.2013, Az.: I-2 U 94/12, BeckRS 2014, 04902 – Desogestrel; Urt. v. 18.12.2015, Az.: I-2 U 35/15, BeckRS 2016, 06208). Die Beurteilung stützt sich auf tatsächliche Umstände, nämlich die Feststellung der Erfindung, des Standes der Technik sowie des dem maßgeblichen Fachmann eigenen Wissens und Könnens. Eine erfinderische Tätigkeit liegt erst in derjenigen Leistung, die sich über die Norm dessen erhebt, was ein Fachmann mit durchschnittlicher Ausbildung, Kenntnissen und Fähigkeiten bei herkömmlicher Arbeitsweise erreichen kann (Senat, Urt. v. 07.11.2013, Az.: I-2 U 94/12, BeckRS 2014, 04902 – Desogestrel).

55Eine Maßnahme kann als „naheliegend“ angesehen werden, wenn der Fachmann sie in der Erwartung einer gewissen Verbesserung oder eines Vorteils vorgenommen hätte. Maßgeblich ist eine angemessene (= realistische) Erfolgserwartung, so dass es nicht auf eine absolute Gewissheit im Hinblick auf das Eintreten vorteilhafter Effekte ankommt, andererseits aber auch nicht genügt, dass auf Seiten des Fachmanns die bloße Hoffnung auf ein gutes Gelingen besteht. Die angemessene Erfolgserwartung erfordert über den bloßen Wunsch nach Verbesserung hinaus eine vernünftige wissenschaftliche Bewertung der vorliegenden Tatsachen (BGH, GRUR 2012, 803 – Calcipotriol-Monohydrat; GRUR 2016, 1027, 1029 – Zöliakiediagnoseverfahren; Benkard/Asendorf/Schmidt, Patentgesetz, 11. Aufl., § 4 PatG, Rz. 118).

56In der Rechtsprechung der Beschwerdekammern ist wiederholt eine erfinderische Leistung in einer „Try-and-see“-Situation verneint worden, von der ausgegangen wird, wenn der Fachmann in Anbetracht der fraglichen Lehre aus dem Stand der Technik eine Gruppe von Verbindungen oder eine Einzelverbindung bereits klar ins Auge gefasst und sodann mithilfe von Routineversuchen lediglich noch festgestellt hat, ob die anvisierten Verbindung(en) die gewünschte Wirkung hat/haben (vgl. T 0293/07 v. 29.07.2008; T 0032/06 v. 09.11.2007; vgl. auch Benkard/Asendorf/Schmidt, Patentgesetz, 11. Aufl., § 4 Rz. 110). Vorliegend spielt diese Variante keine Rolle, weil eine zur Wirksamkeitskontrolle notwendige Erprobung am Menschen nicht als Routineversuch betrachtet werden kann.

57(2)

58Mit Blick auf die Entgegenhaltung von A. fragt sich demnach, ob ihr Inhalt dem Durchschnittsfachmann am Prioritätstag des Verfügungspatents die realistische (d.h. nach wissenschaftlich fundierter Bewertung bestehende) Erfolgsaussicht hat vermitteln können, mit der kombinierten Gabe von Valsartan und Amlodipin einen Blutdrucksenker in die Hand zu bekommen, der – namentlich im Vergleich zu den bisher gebräuchlichen Monotherapien – entweder verbesserte therapeutische Eigenschaften besitzt oder aber (bei wenigstens ausreichendem therapeutischen Nutzen) ein günstigeres Nebenwirkungsprofil aufweist. Beides vermag der Senat nicht zu erkennen, weil sich die Entgegenhaltung ganz vordringlich damit befasst abzuklären, ob Valsartan (als neuer, erst kürzlich verfügbar gewordener AT1-Antagonist) im Vergleich zu dem schon seit längerem in der Praxis gebräuchlichen Blutdrucksenker Amlodipin (aus der andersartigen Klasse der Calciumkanalblocker) vergleichbare Wirksamkeiten und Sicherheiten (= Freiheit von Nebenwirkungen) besitzt. Gegenstand der klinischen Untersuchung sind also zwei Monotherapien zur Blutdrucksenkung, nämlich die Behandlung mit Amlodipin als Referenz und diejenige mit Valsartan als dem eigentlichen Studienobjekt.

59In dem Ergebnisbericht findet zwar auch die gleichzeitige Gabe von Valsartan und Amlodipin (in Form jeweils separater Präparate) Erwähnung, allerdings nur in der Weise, dass derjenigen Patientengruppe, die mit Valsartan versorgt worden ist, soweit sich bei einzelnen Patienten nach 8 Wochen kein günstiger Einfluss auf deren Blutdruck ergeben hatte (insgesamt 24 Personen), für die restlichen 4 Wochen zusätzlich 5 mg Amlodipin verabreicht worden ist. Was die Wirksamkeit dieser Kombinationstherapie betrifft, enthält der Studienbericht allerdings keine separierte Auswertung. Vielmehr verhält sich Tab. II lediglich zu den beiden Gesamtgruppen und deren Blutdruckwerten bei Beginn der Studie nach 4, 8 und 12 Wochen. Soweit sich hierbei ergibt, dass die Blutdruckwerte in der Valsartan-Gruppe nach Ablauf von 12 Wochen günstiger waren als nach 8 Wochen, beruhen die Abschlusswerte übergreifend sowohl auf denjenigen Patienten, deren Blutdruck bereits nach 8 Wochen kontrollierbar war und die infolgedessen auch über die restliche Laufzeit von 4 Wochen weiterhin mit Valsartan versorgt worden sind, als auch auf denjenigen Patienten, die nach 8 Wochen noch nicht auf die Medikation angesprochen hatten und die deshalb für die restlichen 4 Wochen kombiniert Valsartan und Amlodipin erhalten haben.

60Da beide Untergruppen hinsichtlich der therapeutischen Wirksamkeit nicht getrennt erfasst und ausgewertet sind, bleibt notwendigerweise im Unklaren, worauf die gesteigerte Ansprechrate, die sich im Zeitabschnitt zwischen der 8. und der 12. Behandlungswoche eingestellt hat, tatsächlich beruht. Eine theoretisch mögliche Erklärung könnte die positive Wirksamkeit der Kombinationstherapie mit Valsartan und Amlodipin sein. Denkbar wäre aber ebenso gut, dass die Monotherapie mit Valsartan im letzten Drittel des Behandlungszyklus besonders gute Effekte bei der Blutdrucksenkung erzielt hat, so dass die dortigen übermäßigen Behandlungserfolge gegebenenfalls sogar komplette Wirkungsausfälle bei der zahlenmäßig deutlich kleineren Gruppe kombiniert mit Valsartan und Amlodipin behandelter Patienten ausgleichen und verdecken würde. Bezeichnenderweise zieht auch der Studienbericht selbst keine diesbezüglichen Schlüsse, sondern verhält sich sowohl in dem vorangestellten Ergebnisbericht (S. 341) als auch in den Schlussfolgerungen zur Wirksamkeit (S. 343 rechte Spalte) als auch in der abschließenden Diskussion (S. 345, linke Spalte; S. 346 linke Spalte) ausschließlich dazu, dass sowohl Valsartan als auch Amlodipin in Bezug auf die Senkung des Blutdrucks ähnlich wirksam sind. Im Rahmen der Schlussfolgerungen zur Wirksamkeit (S. 343 rechte Spalte) wird lediglich erwähnt, dass die Blutdrucksenkung zwischen den Gruppen Valsartan/Amlodipin auch 12 Wochen nach der zusätzlichen Therapie bei Patienten, deren Blutdruck nach 8 Wochen unkontrolliert war, vergleichbar ausfiel. Diese Bemerkung enthält gerade keine Aussage zu irgendeinem Nutzen, der speziell mit der kombinierten Gabe von Valsartan und Amlodipin verbunden sein könnte.

61Zu erwägen könnte noch sein, ob die für die Gesamtgruppe nach 12 Wochen ausgewiesenen günstigen Blutdrucksenkungsdaten wenigstens den Schluss rechtfertigen, dass die kombinierte Medikation, wenn auch vielleicht wirkungslos, so aber doch jedenfalls nicht in dem Sinne schädlich sein kann, dass sich die Blutdruckwerte der betreffenden Patienten drastisch verschlechtern. Das schweizerische Bundespatentgericht hat derartiges angenommen (Anlage FBD 37, S. 18), ohne hierfür allerdings – über die bloße Behauptung hinaus – eine plausible Erklärung zu liefern. Es selbst hält allerdings eine „leichte Verschlechterung“ der Blutdruckwerte unter der Kombinationstherapie für möglich, womit sich die Frage erhebt, worin bei einer solchen Sachlage die Veranlassung für den Durchschnittsfachmann liegen sollte, der kombinierten Gabe von Valsartan und Amlodipin dennoch seine Aufmerksamkeit zu schenken.

62Ein solcher Anlass könnte sich bei verschlechtertem therapeutischem Nutzen allenfalls aus besonderen Vorteilen bei den Nebenwirkungen ergeben. Auch hierzu enthält der Studienbericht jedoch keine belastbaren Aussagen, die den Fachmann begründet optimistisch stimmen könnten.

63Bei den vorangestellten „Schlussfolgerungen“ (S. 341) wird lediglich resümiert, dass Valsartan gut vertragen wird und nicht diejenigen Nebenwirkungen zeigt, die für Calciumkanalblocker charakteristisch sind. Ähnliches gilt für die abschließende zusammenfassende „Diskussion“ (S. 346), wo es heißt, dass die Daten darauf hinweisen, dass Valsartan nicht mit den Nebenwirkungen assoziiert wird, die für die Klasse der Calcium-Antagonisten (wie Amlodipin) kennzeichnend sind.

64Im Rahmen der eingehenderen Diskussion von „Verträglichkeit und Sicherheit“ (S. 344 ff.) findet sich ebenfalls lediglich der Hinweis, dass beide Studienmedikamente (d.h. Valsartan und Amlodipin) im Allgemeinen sowohl in der Monotherapiephase als auch bei denjenigen Patienten, die eine zusätzliche Therapie mit Amlodipin erhalten haben (= Valsartan + Amlodipin; Amlodipin + Amlodipin), gut vertragen wurden. Von einer besonders günstigen Nebenwirkungslage, die es rechtfertigen könnte, spürbare Einbußen im therapeutischen Nutzen (wie sie das schweizerische Bundespatentgericht für möglich hält) hinzunehmen, ist an dieser Stelle nicht die Rede. Vergleichsmaßstab wäre in diesem Zusammenhang nicht nur die Monotherapie mit (5 mg oder 10 mg) Amlodipin, sondern genauso die therapeutisch wirksame Monotherapie mit Valsartan. Denn solange kein überschießender Therapieerfolg der Kombinationstherapie absehbar ist, können allenfalls verringerte Nebenwirkungen den Fachmann veranlassen, von der wirksamen Monotherapie mit Valsartan auf die möglicherweise weniger wirksame Kombinationstherapie mit Valsartan und Amlodipin überzugehen.

65Für ein gegenüber der Monotherapie mit Valsartan vorteilhafteres Nebenwirkungsprofil der Kombinationsbehandlung bietet die Entgegenhaltung dem Fachmann jedoch keine belastbaren Anhaltspunkte. Insofern kann dahinstehen, ob die vergleichsweise geringe Patientenzahl überhaupt ausreicht, um belastbare Schlussfolgerungen zu ziehen; gleichfalls mag dahinstehen, ob Vorbehalte deswegen gerechtfertigt sind, weil die ausgewiesenen Nebenwirkungen ausschließlich nach dem subjektiven Empfinden der Patienten und nicht anhand objektiver Kriterien erfasst worden sind, wobei die Kombinationstherapie für die betreffenden Patienten erkennbar (offen) durchgeführt worden ist. Selbst wenn sämtliche Gesichtspunkte außer Betracht bleiben, ist die absolute Anzahl der gemeldeten Nebenwirkungen ausgesprochen gering. Lediglich ein Patient der 24 kombiniert behandelten Patienten hat über Schwindel und ein weiterer über Kopfschmerzen geklagt, während kein Patient Beschwerde über ein Ödem geführt hat. Bezogen auf die über 12 Wochen mit einer Valsartan-Therapie behandelten 60 Patienten haben 2 Teilnehmer über ein Ödem sowie zwei weitere Teilnehmer über Kopfschmerzen beklagt, während kein Patient Beschwerde über einen Schwindel geführt hat. Bei dieser zahlenmäßig dürftigen Datenlage erscheint es in der Tat äußerst problematisch, belastbare Erkenntnisse zu möglichen Nebenwirkungen der Kombinationstherapie im Vergleich zur Monotherapie zu gewinnen. Das gilt umso mehr, als die Kombinationstherapie zwar in Bezug auf das Ödem vorteilhafter zu sein scheint (0/1), in Bezug auf den Schwindel jedoch schlechter dasteht als die Monotherapie mit Valsartan (1/0).

66III.

67Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

68Eines Ausspruches zur vorläufigen Vollstreckbarkeit bedurfte es nicht, weil das vorliegende Urteil als zweitinstanzliche Entscheidung im Verfahren der einstweiligen Verfügung keinem Rechtsmittel mehr unterliegt (§ 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO) und ohne besonderen Ausspruch endgültig vollstreckbar ist.

69Der Senat hat die Vollziehung der einstweiligen Verfügung nach §§ 925, 936 ZPO davon abhängig gemacht, dass die Verfügungsklägerin zuvor eine Sicherheitsleistung erbringt, die sich aus § 945 ZPO ergebende Schadenersatzansprüche der Antragsgegnerin absichert. Da wegen der eingeschränkten Erkenntnismöglichkeiten im Eilverfahren nicht ausgeschlossen werden kann, dass sich die einstweilige Verfügung im Hauptsacheverfahren als ungerechtfertigt erweist und die Verfügungsklägerin der Verfügungsbeklagten nach § 945 ZPO Schadenersatz leisten muss, kann die Vollziehung einer Unterlassungsverfügung wegen Patentverletzung keinen geringeren Anforderungen unterliegen als die Vollstreckung eines erstinstanzlichen Unterlassungsurteils. In Bezug auf die Höhe der Sicherheitsleistung hat sich der Senat an dem auf das Unterlassungsbegehren entfallenden Streitwert orientiert (vgl. OLG Düsseldorf, GRUR-Prax 2016, 240; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 10. Aufl., Abschn. G, Rz. 76).

I