OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 17.11.2015, Az. 11 U 73/11 (Kart)
§ 823 Abs. 2 BGB, Art. 81 EGV, § 35 GWB (1990), § 33 GWB (1998)
Das OLG Frankfurt a.M. hat entschieden, dass die europäischen und nationalen Kartellrechtsbestimmungen als Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB anzusehen sind. Dies bedeutet, dass auch Abnehmer von kartellrechtswidrig handelnden Unternehmen Schadensersatzklagen gegen diese einreichen können, wenn sie denn einen erlittenen Schaden darlegen und beweisen können. Sog. Popularklagen sind indes weiterhin unzulässig. Zur Ermittlung des für die Schadensersatzberechnung notwendigen hypothetischen Marktpreises kann auch ein im Rahmen eines Kartellordnungswidrigkeitenverfahrens eingeholtes Gutachten herangezogen werden, welches gem. § 411a ZPO eine eigenständige sachverständige Begutachtung ersetzt. Im vorliegenden Fall konnte der Händler von Betonprodukten vom Hersteller der Ware dem Grunde nach Schadensersatz verlangen. Der Höhe nach konnte die Klägerin indes nicht nachweisen, im Ergebnis einen höheren Preis für den bezogenen Zement entrichtet zu haben, als er unter Zugrundelegung eines hypothetischen Marktpreises zu zahlen gewesen wäre. Zum Volltext der Entscheidung:
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Oberlandesgericht Frankfurt a.M.
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 30.03.2011 – 8. Kammer für Handelssachen – wird zurückgewiesen.
Dieses Urteil sowie das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckungssicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Wert des Berufungsverfahrens wird auf Euro 540.000 festgesetzt.
Gründe
I.
Die Klägerin befasst sich mit der Herstellung und dem Vertrieb von Betonprodukten, u.a. im Bereich des Gehweg- und Terrassenbaus. Ihr Sitz liegt in Stadt1/Bundesland1. Die Beklagte stellt u.a. Grauzement in ihrem Werk in Stadt2/Bundesland2 her, welchen die Klägerin zur Fertigung ihrer Produkte verwendete.
Die Klägerin bezog von der Beklagten hergestellten Zement. Die konkrete Ausgestaltung der -jedenfalls teilweise unter Einschaltung von Baustoffhändlern bzw. Spediteuren abgewickelten – Vertragsbeziehungen ist zwischen den Parteien streitig. Die Klägerin erhielt für den Bezug von Zement der Beklagten über die mit der Beklagten vertraglich verbundene Abrechnungsgesellschaft A GmbH sog. Rückvergütungen, die jedenfalls monatlich und halbjährlich berechnet wurden.
Die Beklagte ist mit rechtskräftigem Urteil des Oberlandesgerichts Stadt3 vom 26.6.2009 (VI-2a Kart 2-6/08 OWi) wegen Beteiligung an einem Kartell im Bereich des Grauzements im Zeitraum 1991 bis 2001 zu einer Geldbuße von 50 Mio. € verurteilt worden. Gemäß den dortigen Feststellungen wurde das Kartell durch Gebietsabsprachen (Ost/Süd/West/Nord) und die Festlegung von Absatzquoten gesteuert. Im Rahmen dieses Kartellordnungswidrigkeitenverfahrens ist ein Gutachten von B zur Höhe des von den Kartellanten erzielten Mehrerlöses eingeholt worden, welches durch diverse Memoranden ergänzt wurde.
Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits sind seitens der Klägerin behauptete Schadensersatzansprüche wegen Entrichtung eines kartellrechtswidrig überhöhten Zementpreises. Die Klägerin begehrt im Wege der Teilklage Zahlung von EUR 540.000,00.
Im Übrigen werden die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils gem. § 540 ZPO in Bezug genommen.
Das Landgericht hat das klageabweisende Versäumnisurteil vom 27.10.2010 mit Urteil vom 30.3.2011 aufrechterhalten. Zur Begründung hat es wie folgt ausgeführt:
Die Beklagte habe gemäß den Feststellungen des Oberlandesgerichts Stadt3 vom 26.6.2009 in kartellrechtswidriger Weise Zementquoten, insbesondere Absatzmengen, ausgehandelt und festgelegt. Im Hinblick auf den Sitz der Klägerin im nordwestlichen Bundesland1 seien hier die Kartellabsprachen der Beklagten in der Region West maßgeblich. Auch wenn man auf die Produktionsstätte in Stadt2 abstellen würde, ergäbe sich kein anderes Ergebnis.
Die Klägerin falle jedoch nicht in den Schutzbereich der Kartellabsprachen der Beklagten gem. § 1 GWB. Eine Absatzquotenabsprache sei nur dann als Schutzgesetz i.S. von § 35 GWB a.F. (5. Novelle) bzw. 33 GWB a.F. (6. Novelle) anzusehen, wenn sich die Absprache gezielt gegen bestimmte Abnehmer und Lieferanten richte. Hier habe sich die Absprache über Liefermengen jedoch nicht zielgerichtet gegen bestimmte Abnehmer wie die Klägerin gerichtet.
Die Klägerin habe zudem ihren Schaden nicht schlüssig dargetan. Es fehle an Darlegungen zum hypothetischen Wettbewerbspreis für die hier streitgegenständliche Periode. Der von ihr angenommene hypothetische Wettbewerbspreis vom 1.10.2002 in Höhe von 42,95 €/t entspreche ungefähr dem Preis zum Zeitpunkt des Preiskrieges und sei nicht geeignet, den durchschnittlichen hypothetischen Wettbewerbspreis für die Jahre 1991-2001 wiederzugeben. Der Schaden könne auch nicht gem. § 287 ZPO geschätzt werden. Selbst wenn man die im Jahr 2002 gezahlten Preise von durchschnittlich 64,24 €/t zur Bestimmung des hypothetischen Wettbewerbspreises heranziehen würde, führte dies nicht zu einem Schaden der Klägerin. Von dem in den Vorjahren durchschnittlich tatsächlich gezahlten Betrag von 83,06 €/t seien die gewährten Herstellerrabatte von bis zu 20 €/t abzuziehen, so dass der tatsächlich gezahlte Durchschnittspreis sogar unter dem hypothetischen Wettbewerbspreis liegen würde.
Mangels Schadens scheide auch ein Anspruch gem. § 826 BGB oder aber aus positiver Vertragsverletzung aus. Ein Bereicherungsanspruch gem. §§ 812, 818, 819 BGB sei ebenfalls nicht gegeben, da die Nichtigkeit nach § 1 GWB i.V.m. § 134 BGB lediglich Ausführungs-, nicht aber so genannte Folgeverträge erfasse.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, die sie im Wesentlichen wie folgt begründet:
Durch die Teilnahme an verbotswidrigen Kartellabsprachen habe die Beklagte Neben- und Schutzpflichten sowie Treuepflichten aus dem Vertragsverhältnis mit der Klägerin gemäß §§ 433 BGB bzw. 311 Abs. 1, 2 und 3 BGB verletzt. Ihr stünden unmittelbar Ansprüche aus §§ 35 GWB bzw. 33 GWB a.F. gegen die Beklagte zu. Im Hinblick auf die direkten Preisabsprachen zwischen den Parteien, geführt jeweils über die Außendienstmitarbeiter der Beklagten, sei sie, die Klägerin, auch hinreichend individualisierbar. Die Preisverhandlungen zwischen den Parteien seien erheblich durch die vorausgegangenen Kartellabsprachen beeinflusst worden. Es habe auch unmittelbar Kaufvertragsverhandlungen zwischen den Parteien gegeben, auch wenn auf Veranlassung der Beklagten allein zur Abwicklung – und Verschleierung – Baustoffhändler und Spediteure zwischengeschaltet gewesen seien.
Selbst wenn sie, die Klägerin, nur als mittelbar Betroffene eingeordnet würde, stünden ihr gem. § 33 GWB unmittelbar Schadensersatzansprüche zu. Ein Umkehrschluss aus der Übergangsregelung zur 7. GWB-Novelle nach § 131 GWB führe dazu, dass § 33 GWB in der Fassung der 7. Novelle auch auf die älteren Sachverhalte anwendbar sei. Es entspreche zudem höchstrichterlicher Rechtsprechung, dass Kartellteilnehmer auch gegenüber mittelbar Geschädigten haften würden.
Da sie ihren Zement in Bundesland2 bezogen habe, seien in regionaler Hinsicht die Feststellungen des OLG Stadt3 zur Region West, zu welcher neben Bundesland2 auch das westliche Bundesland1 gehöre, maßgeblich. Das Landgericht habe zudem rechtsfehlerhaft von dem durchschnittlichen Einkaufspreis einen Herstellerrabatt in Höhe von stets 20 €/t abgezogen. Darlegungs- und beweisbelastet für den tatsächlich gewährten, in der Höhe schwankenden Rabatt sei jedoch die Beklagte. Das Landgericht habe zudem einen Schaden gem. § 287 ZPO schätzen können und müssen. Aus den gleichen Erwägungen heraus stünde ihr auch ein Bereicherungsanspruch gem. §§ 812, 818, 819 BGB zu.
Da sie, die Klägerin, im Wettbewerb zu anderen Händlern stehe, die Bauprodukte ohne Zementanteil anböten, habe sie den kartellrechtswidrig erhöhten Zementpreis nicht weiterreichen können. Der Kostenanteil des Zements belaufe sich im Herstellungsprozess auf ca. 15 %.
Sie beantragt, das Versäumnisurteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 27.10.2010 sowie das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 30.3.2011 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 540.000 € nebst Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit dem 11.2.2004 zuzahlen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil und vertieft ihren Vortrag wie folgt:
Zwischen den Parteien hätten keine direkten Vertragsbeziehungen bestanden. Es sei lediglich über so genannte Hersteller-Direktrabatte gesprochen und verhandelt worden, wie es in der Baustoffindustrie üblich sei. Diese Rabatte seien allein von den Zementmengen, nicht aber von den Verkaufspreisen abhängig gewesen. Die Preisverhandlungen zwischen der Klägerin und den Baustoffhändlern seien von ihr nicht beeinflusst worden. Ausweislich des von der Klägerin selbst vorgelegten „Betonbuchs“ habe diese von einer Vielzahl von Lieferanten zu unterschiedlichen Preisen Zement bezogen; aus welchem Grund sie nicht stets den billigsten Lieferanten gewählt habe, bleibe unklar.
Als sog. indirekter Abnehmerin stünde der Klägerin ein Schadensersatzanspruch zudem nur dann zu, wenn ein kartellrechtswidriges Verhalten auf den nachgelagerten Markt durchgeschlagen hätte. Dies sei von der Klägerin weder dargelegt noch nachgewiesen.
Sie ist der Ansicht, dass allein die Gesetzeslage vor Inkrafttreten der 7. GWB Novelle maßgeblich sei. Der demnach zu fordernde Zusammenhang zwischen dem von der Klägerin gezahlten Zementpreis und dem Verhalten der Beklagten bestehe hier nicht. Regional sei das Preisniveau für die Region Bundesland1/Bundesland3/ Bundesland4, da die Klägerin ihren Sitz in Bundesland1 habe und dort auch Zement bezogen habe. In dieser Region seien keine kartellbedingten Mehrerlöse festgestellt worden. Es komme nicht auf den Ort der Produktionsstätte des Zements an, insbesondere, da in der Zementindustrie sogenannte Frankostationspreise berechnet würden, d.h. Preise inklusive der Transportkosten. Demnach werde der vom Kunden gezahlte Preis immer individuell für den Sitz des Kunden ermittelt. Schließlich fehle es an substantiierten Darlegungen zur Schadensberechnung. Tatsächlich hätten die von der Klägerin gezahlten Preise unter einem hypothetischen Wettbewerbspreis gelegen.
Jedenfalls stünde einem Schadensersatzanspruch entgegen, dass die Klägerin einen möglichen Schaden an ihre Kunden weitergegeben habe. Wesentlicher Bestandteil der Betonprodukte der Klägerin seien die Zementeinkaufskosten, die demnach in ihre Preiskalkulation eingeflossen seien. Sollte es sich – wie von der Klägerin behauptet – um einen lediglich geringfügigen Kostenbestandteil handeln, sei noch viel eher von einer Weitergabe behaupteter kartellbedingter Zementpreiserhöhungen auszugehen. Die Klägerin hätte, so meint die Beklagte, ihre Kalkulationsgrundlagen offen legen müssen, sollte diese Auffassung nicht zutreffen.
Schließlich erhebt sie die Einrede der Verjährung, da die Klägerin gemäß ihrem eigenen Vortrag spätestens ab Dezember 2000 Kenntnis von angeblich wettbewerbsbeschränkenden Verhaltensweisen der Beklagten gehabt habe.
Der Senat hat mit Beschluss vom 24.4.2012 darauf hingewiesen, dass der Höhe nach die Darlegungen der Klägerin zur Bestimmung eines auf ein Quoten- und Absatzkartell zurückzuführenden Schadens teilweise nicht ausreichend seien (Bl. 687 ff.). Gemäß Beweisbeschluss vom 7.8.2012 ist Beweis erhoben worden über die Höhe des hypothetischen Marktpreises durch Beiziehung und Verwertung des vor dem OLG Stadt3 erstellten Gutachtens von B nebst der Memoranden vom 14.5.2009, 26.5.2009 und 8.6.2009. Mit Beweisbeschluss vom 28.11.2014 wurden zudem zur Frage der regionalen Zuordnung schriftliche Zeugenaussagen der Zeugen C, B, D und E eingeholt. Insoweit wird auf die zur Akte gelangten Aussagen von D vom 30.3.2015 (Bl. 1385ff), E vom 27.2.2015 (Bl. 1386ff), C vom 23.2.2015 (Bl. 1392ff) sowie B vom 23.5.2015 (Bl. 1427ff) Bezug genommen.
II.
Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. In der Sache hat sie im Ergebnis keinen Erfolg.
Die Klägerin hat dem Grunde nach zwar einen Anspruch auf Ersatz des ihr durch das kartellrechtswidrige Verhalten der Beklagten entstandenen Schadens (unter 1.). Der Höhe nach konnte sie indes nicht nachweisen, im Ergebnis einen höheren Preis für den bezogenen Zement entrichtet zu haben, als er unter Zugrundelegung eines hypothetischen Marktpreises zu zahlen gewesen wäre (unter 2.). Bereicherungsansprüche scheiden aus diesem Grund ebenfalls aus (unter 3.).
1.
Die Klägerin kann dem Grunde nach Schadensersatz gem. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 81 EGV (heute Art. 101 AEUV) von der Beklagten verlangen:
a.
Für den geltend gemachten Schadensersatzanspruch ist das zum Tatzeitpunkt (hier der Belieferungszeitraum) geltende Recht maßgeblich (vgl. BGH, GRUR 2012, 291 [BGH 28.06.2011 – KZR 75/10] -ORWI m.w.N.). Die streitgegenständlichen Lieferungen im Zeitraum bis 2002 unterfallen bis Ende 1998 § 35 GWB a.F. 1990 (Fassung der 5. Novelle), ab 1.1.1999 § 33 Abs. 1 GWB 1998 (6. Kartellnovelle). Nach beiden Vorschriften bestand eine Schadensersatzverpflichtung bei Verstößen gegen Vorschriften des GWB, wenn die Vorschrift den Schutz des anderen bezweckt. Wie vom Landgericht ausgeführt, wurde das in §§ 35/33 GWB a.F. normierte Schutzgesetzerfordernis eng ausgelegt; Schadensersatzansprüche standen nur denjenigen zu, gegen die sich die Kartellabsprache gezielt gerichtet hat. Die auf die Bildung von Quoten und Gebietsaufteilungen gerichtete Kartellabsprache der Beklagten richtete sich – insoweit wird auf die Ausführungen des Landgerichts Bezug genommen – nicht i.S.d. § 35 GWB a.F./§ 33 GWB a.F. gezielt gegen die Klägerin als Abnehmerin des kartellierten Produkts.
Soweit das Schutzgesetzerfordernis mit der 2005 in Kraft getretenen 7. Kartellrechtsnovelle aufgehoben wurde (vgl. BT-Drucksache 15/3640, Entwurf eines 7. Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen S. 35), lag diese Gesetzesänderung weit nach Ablauf der hier zu beurteilenden Lieferungen. Angesichts des klaren Wortlauts der § 35 GWB a.F 1990 (5. Novelle)/§ 33 GWB a.F. 1998 (6. Novelle) einerseits sowie § 33 GWB a.F. 2005 (7. Novelle) andererseits und der deutlichen Begründung des Gesetzgebers, mit der 7. Novelle den Schadensersatzanspruch gegenüber dem geltenden Recht „aufzuwerten“ (BT-Drucksache 15/3640 S. 35), besteht auch kein Raum für die Annahme der Klägerin, § 33 Abs. 1 GWB a.F. 2005 enthielte allein eine klarstellende Regelung und könne entsprechend auf den hier maßgeblichen Zeitraum angewandt werden (vgl. auch BGH, GRUR 2012, 291 [BGH 28.06.2011 – KZR 75/10] -ORWI; LG Düsseldorf, Urteil vom 17.12.2013, 37 O 200/09 (Kart)). Dem von der Klägerin zitierten Urteil des OLG Düsseldorf (OLG Düsseldorf, Urteil vom 14.5.2008, VI – U (Kart) 14/07) kann dies ebenfalls nicht entnommen werden.
Die Klägerin kann sich jedoch auf einen Anspruch gem. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 81 EGV (heute Art. 101 AEUV) stützen. Das unionsrechtliche Verbot von Kartellen und abgestimmten Verhaltensweisen im Sinne von Art. 81 EGV, stellt nach höchstrichterlicher – allerdings erst nach Erlass des angefochtenen Urteils ergangener -Rechtsprechung ein Schutzgesetz i.S. von § 823 Abs. 2 BGB dar (BGH GRUR 2012, 291, 292 [BGH 28.06.2011 – KZR 75/10] m.w.N.; auch LG Düsseldorf ebenda). Folglich können auch Abnehmer Schadensersatzklagen erheben, gegen die sich die Kartellabsprachen nicht gezielt gerichtet hatten. Da die mit Kartellen bezweckte Angebotsbeschränkung, Marktaufteilung oder Preisanhebung sich regelmäßig in Form höherer Preise und einer geringeren Angebotsvielfalt auf dem Markt auswirkt, soll jeder Schadensersatz verlangen können, wenn er durch das vertragswidrige Verhalten einen Schaden erlitten hat (vgl. BGH, GRUR 2012, 291, 292 [BGH 28.06.2011 – KZR 75/10]).
Diese Rechtsprechung fußt auf der bereits 2001 vom EuGH ausgeführten Auslegung zu Art. 85 EGV (der Vorgängerregelung von Art. 81 EGV), wonach jedermann Ersatz des Schadens verlangen kann, der ihm durch einen Vertrag, der den Wettbewerb beschränkt oder verfälscht, entstanden ist (vgl. EuGH, GRUR 2002, 367 ff [EuGH 20.09.2001 – C 453/99] – Courage; nachfolgend: EuGH, EuZW 2006, 529ff – Manfredi; EuGH, VergabeR 2014, 781, 783 – Krone; ausdrücklich nunmehr auch Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Nr. 6 der bis zum 31.12.2016 in nationales Recht umzusetzenden Richtlinie 2014/104/EU vom 26.22.2014).
Ohne Erfolg wendet die Beklagte zudem ein, dass die festgestellten Absprachen infolge der regionalen Besonderheiten im Zementbereich keine Auswirkungen auf den zwischenstaatlichen Handel der EU-Mitgliedsstaaten i.S. Art. 81 EGV (heute Art. 101 AEUV) gehabt hätten. Die Zwischenstaatlichkeitsklausel wird in ständiger Rechtsprechung des EuGH weit ausgelegt (vgl. EuGH, Urteil vom 30.6.1966, Slg. 281, 303 -Maschinenbau Ulm; vgl. zur heutigen Regelung Zimmer in: Immenga/Mestmäcker, GWB, 5. Aufl., Art. 101 Rd. 196, 203 AEUV). Ausreichend ist die Eignung der Ab-
sprache, den Handel zu beeinträchtigen. Diese Eignung wird nur dann nicht anzunehmen sein, wenn wirtschaftliche oder rechtliche Besonderheiten einer Branche dem zwischenstaatlichen Handel grundsätzlich entgegenstehen (Zimmer ebenda Art. 101 Rd. 203). Diese Besonderheiten liegen vorliegend nicht vor. Allein der Umstand, dass aufgrund der hohen Transportkosten eine regional beschränkte Verbreitung der Produkte erfolgt, beinhaltet nicht die Feststellung, dass ein – insbesondere in Grenzregionen – naheliegender zwischenstaatlicher Handel unmöglich wäre.
b.
Die Beklagte hat im Zeitraum 1991 bis Ende 2001 gegen die Vorgaben des Art. 81 EGV durch Teilnahme an Quotenabsprachen in den Regionen West und Nord verstoßen:
aa.
Gemäß den im Berufungsverfahren nach § 529 ZPO zugrunde zulegenden tatsächliche Feststellungen des Landgerichts – unter Bezugnahme auf das Urteil des OLG Stadt3 vom 26.6.2009 – hat die Beklagte an Kartellabsprachen durch Aushandeln und Festlegen von Zementlieferquoten, insbesondere Absatzmengen (Parkmengen), im Zeitraum Anfang 1991 bis Ende 2001 teilgenommen. Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit dieser Feststellungen sind nicht ersichtlich.
bb.
Zudem entfalten die tatsächlichen Feststellungen des Oberlandesgerichts Stadt3 im Urteil vom 26.6.2009 entsprechend § 33 Abs. 4 GWB n.F. Bindungswirkung im hiesigen Verfahren.
(a)
Der Senat schließt sich insoweit der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Düsseldorf (Urteil vom 30.9.2009, AZ VI U (Kart) 17/08; ähnlich auch LG Düsseldorf, Urteil vom 17.12.2013, 37 O 200/09 (Kart)) an. Demnach steht der Anwendbarkeit der verfahrensrechtlich bedeutsamen Regelung in § 33 Abs. 4 GWB n.F. nicht entgegen, dass der Kartellrechtsverstoß vor Inkrafttreten der 7. GWB-Novelle im Juli 2005 begangen wurde. Ausreichend ist, dass die hier mit Bindungswirkung behafteten rechtskräftigen Feststellungen durch Urteil des Oberlandesgerichts Stadt3 vom 26.6.2009 erst nach dem Inkrafttreten des § 33 Abs. 4 GWB n.F. erfolgten. Für diese differenzierte Betrachtung spricht auch die nunmehrige Regelung in Art. 22 der Richtlinie 2014/104/EU. Sie normiert zwar in Art. 22 Abs. 1 ein uneingeschränktes Rückwirkungsverbot für materiell-rechtliche Vorschriften vor Ablauf der Umsetzungsfrist am 31.12.2016. Gem. Art. 22 Abs. 2 können jedoch nicht-materiell-rechtliche Vorschriften, d.h. insbesondere verfahrensrechtliche Vorschriften, erlassen werden, die – rückwirkend – auf Schadensersatzklagen Anwendung finden, die ab dem 26.12.2014 erhoben wurden (vgl. auch Stauber/Schaper, Die Schadensersatzrichtlinie – Handlungsbedarf für den deutschen Gesetzgeber? NZKart 2014,346).
(b)
Der Senat berücksichtigt dabei allein die anonymisierte Entscheidungsfassung des Urteils des Oberlandesgerichts Stadt3 vom 26.6.2009, wie sie mit Schriftsatz der Klägerin vom 5.3.2010 zur Akte gereicht wurde. Soweit die Beklagte der Verwertung der mit Schriftsatz der Klägerin vom 15.5.2013 eingereichten nichtanonymisierten Fassung widersprochen hat, bedarf es deren Verwertung vorliegend nicht. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Beklagte nicht bestritten hat, unter der Bezeichnung „Nebenbeteiligte zu 2“ im anonymisierten Urteil erwähnt zu werden.
Gemäß den Feststellungen im Urteil des Oberlandesgerichts Stadt3 vom 26. 6.2009 bestand kein einheitliches bundesweites (Dach-)Kartell. Die Absprachen fanden auf regionaler Ebene statt. Regional war dabei das Gebiet der sog. Alten Bundesländer traditionell in drei große Märkte – teilweise mit weiteren Untergliederungen – aufgeteilt: Nord, West und Süd. Die konkreten Absprachen fanden in jeder Region gesondert statt und erfassten sämtliche Einzelabsprachen, mit denen die Quoten für ein bestimmtes Gebiet vereinbart oder ausgestaltet wurden (Rn. 347). In Norddeutschland gab es eine Kartellabsprache der Beklagten mit einem anderen Kartellanten für das Gebiet „F“, Bundesland4 und G; die Absprache betraf sämtliche genannten Gebiete (Rn. 348). Zudem bestand eine getrennte Absprache zwischen der Beklagten und Dritten für das Gebiet südliches Bundesland1(Rn. 348). Schließlich existierte für die Region West eine Quotenabsprache zwischen der Beklagten, einem dritten Unternehmen und H Mittelständ lern (Rn. 349). Dieses Quotenkartell war seinem Sinn und Zweck nach darauf ausgelegt, sämtliche Marktteilnehmer in der Region West einzubinden (Rn. 349).
cc.
Soweit im Vortrag der Klägerin teilweise zudem ein Preiskartellvorwurf erwähnt wird (etwa Bl. 4, 412, 942 d.A), kann sich die Klägerin nicht auf die Bindungswirkung des Urteils des Oberlandesgerichts Stadt3 gemäß § 33 Abs. 4 GWB n.F. berufen. Das Urteil enthält keine einer Bindungswirkung zugänglichen Feststellungen zum Vorwurf des Preiskartells. Vielmehr wurde das Verfahren insoweit gegen die Beklagte gem. § 47 OWIG eingestellt (Rn. 82). Es wäre Aufgabe der Klägerin gewesen, entsprechenden eigenständigen substantiierten Vortrag zum Vorliegen eines Preiskartells in den Prozess einzuführen. Daran fehlt es.
dd.
Gleiches gilt, soweit die Klägerin ihrer Klage auch Ansprüche für das Jahr 2002 zugrunde legt. Gemäß Rn. 435 des Urteils des Oberlandesgerichts Stadt3 ist im dortigen Verfahren eine kartellrechtswidrige Absprache für den Zeitraum 1991 bis Ende 2001 festgestellt worden. Auch wenn – so das Oberlandesgericht Stadt3 – einiges dafür spreche, dass jedenfalls Anfang 2002 die Preise noch kartellbedingt überhöht gewesen seien, wurde dieser Zeitraum im Ergebnis seitens des Oberlandesgerichts Stadt nicht aufgeklärt. Folglich existieren auch keine rechtskräftigen Feststellungen.
Grundsätzlich sind zwar Nachwirkungen eines beendeten Kartells möglich, insbesondere bei längerfristigen Lieferbeziehungen (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 11.06.2010, 6 U 118/05 (Kart)). Sie sind hier indes nicht hinreichend konkret dargestellt worden Der Klägerin kommt insoweit auch kein entsprechender Erfahrungssatz zugute (vgl. auch Hüschelrath, Schadensermittlung und Schadensersatz bei Hard-core-Kartellen, S. 60; weiter: OLG Düsseldorf, Urteil vom 9.4.2014, VI-U (Kart) 10/12). Auch nachdem der Senat die Klägerin auf die sie treffenden Darlegungserfordernisse hingewiesen hatte (Bl. 1021 der Akte), hat die Klägerin keine weiterreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte zum Fortbestehen der kartellrechtswidrigen Konditionen über das Ende des Jahres 2001 vorgetragen. Es fehlt schon jeglicher Vortrag, mit welchem zeitlichen Vorlauf bzw. welchem längerfristigen Festlegungen Zement der Beklagten von der Klägerin bestellt wurde.
ee.
Soweit die Klägerin zudem Ansprüche für die Zeit vor 1991 geltend macht, bleiben ihre Angaben ebenfalls unzureichend. Allein der Umstand, dass gemäß den Feststellungen im Urteil des Oberlandesgerichts Stadt4 „spätestens 1991“ der streitgegenständliche Kartellverstoß begonnen habe (Rn. 435), enthält keinen Vortrag, welche konkrete Vorgehensweise, zu welchem Zeitpunkt bereits früher ein kartellrechtswidriges Verhalten der Beklagten beinhaltet haben soll.
c.
Die Ansprüche der Klägerin sind – unabhängig von der hier nicht anwendbaren Vorschrift des § 33 Abs. 5 GWB n.F. – nicht verjährt. Gemäß Art. 229 § 6 Abs. 4 S. 1 EGBGB gilt nach §§ 195,199 Abs. 1, Abs. 3 EGBGB für den hier geltend gemachten deliktischen Anspruch gem. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 81 EGV die allgemeine dreijährige Regelverjährungsfrist (auch OLG Düsseldorf, Urteil vom 18.2.2015, VI U (Kart) 3/14). Die Verjährung beginnt mit dem Ende des Jahres, in welchem die Klägerin Kenntnis bzw. grobfahrlässige Unkenntnis von dem kartellrechtswidrigen Verhalten der Beklagten erlangt hat. Im Sommer 2002 hatte das Bundeskartellamt das hier zu Grunde liegende Kartellverfahren wegen des Verdachts von Quoten- und Gebietsabsprachen eingeleitet. Es beinhaltete auch Ermittlungen gegen die hiesige Beklagte (Bl. 46 der Akte). Die Presseerklärung des Bundeskartellamtes über das gegen die Beklagte verhängte Bußgeld im Zusammenhang mit dem streitgegenständlichen Zementkartell datiert vom 14. April 2003. Selbst wenn die Klägerin bereits 2002 Kenntnisse über das eingeleitete Verfahren gehabt haben sollte, hat sie mit ihrer 2004 erhobenen Klage vor Ablauf der Verjährungsfrist die Verjährungsfrist gem. § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB gehemmt.
Ohne Erfolg verweist die Beklagte darauf, im Hinblick auf die von der Klägerin vorgelegten Preiserhöhungsschreiben der Beklagten und anderer Lieferanten vom Dezember 2000 (Anlage K 3- K5, Bl. 17-19 der Akte) habe diese bereits zu diesem Zeitpunkt Kenntnis von einer wettbewerbsbeschränkenden Verhaltensweise der Zementhersteller erhalten. Die Klägerin hat lediglich diese Preiserhöhungsschreiben nach Kenntnisnahme der Stellungnahme des Präsidenten des Bundeskartellamtes im Rahmen der Pressekonferenz vom 14.4.2003 – rückwirkend – den dort genannten Vorwürfen zugeordnet. Ohne die Kenntnis der Stellungnahme waren die – unmittelbar im Zusammenhang mit der Umstellung der Währung verfassten – Preiserhöhungsschreiben nicht geeignet, hinreichende Anhaltspunkte für ein wettbewerbsbeschränkendes Verhalten der Beklagten zu belegen.
2.
Es kann indes nicht festgestellt werden, dass und in welcher Höhe der Klägerin durch die Kartellteilnahme der Beklagten ein Schaden entstanden ist.
Das Urteil des Oberlandesgerichts Stadt3 im Rahmen des Kartellordnungswidrigkeitenverfahrens selbst ist zum Nachweis eines der Klägerin konkret entstandenen Schadens ungeeignet (unter a.). Die Klägerin konnte auch nicht nachweisen, dass ihr in Folge der Teilnahme der Beklagten an den Kartellabsprachen ein Schaden entstanden ist (unter b.).
a.
Das Urteil des Oberlandesgerichts Stadt3 befasst sich im Rahmen der Bußgeldbemessung mit der Frage, ob und in welcher Höhe den Kartellanten Mehrerlöse zugeflossen sind, deren Größenordnung Anhaltspunkte für die Höhe des angemessenen Bußgeldes liefert. Der Urteilsbegründung ist dabei zu entnehmen, dass jeder Kartellant in jedem regionalen Markt Mehrerlöse erzielen konnte (Rn. 429). Für die Beklagte hielt das Oberlandesgericht Stadt3 eine Erlösabschöpfung bezogen auf das Gebiet West von 25.000.000,00 € und das Gebiet Nord von 2.000.000,00 € für angemessen.
Diese Feststellungen des Oberlandesgerichts Stadt4 bestätigen die allgemeine Lebenserfahrung, wonach sich eine durch Quotenbildung/künstliche Verknappung bewirkte Angebotsbeschränkung erhöhend auf den Preis auswirkt (vgl. auch BGH, Urteil vom 28.6.2011 – KZR 75/10). Grundsätzlich kann davon ausgegangen werden, dass die Kartellbeteiligten im Allgemeinen keine Kartellabsprachen eingehen, ohne sich davon einen wirtschaftlichen Vorteil zu versprechen (BGH, NZKart 2015, 101, 105 – Calciumcarbid Kartell II). Je länger ein Kartell dauert und je flächendeckender und intensiver es durchgeführt wird, desto eher ist davon auszugehen, dass ein wirtschaftlicher Vorteil tatsächlich entstanden ist (OLG Stadt3 Rn. 433). Diese Schadensvermutung findet sich nunmehr auch in Art. 17 Abs. 2 der Richtlinie 2014/104/EU, ohne dass es auf die Frage einer ihr zuzubilligenden Vorwirkung hier ankommt.
Trotz dieser Schadensvermutung bleibt es jedoch Aufgabe des Tatrichters, im Einzelnen festzustellen, ob sich diese Erwartung im konkreten Fall verwirklicht hat.
b.
Die insoweit beweispflichtige Klägerin konnte nicht nachweisen, konkret infolge der Kartellabsprachen für den Bezug von Grauzement mit der Bezeichnung PZ 45 1-4 bzw. CEM I 42,5 im Zeitraum 1999-2001 (unter aa.) einen Schaden erlitten zu haben. Ein kartellbedingter Schaden wird dabei über die Differenz zwischen dem hypothetischen Wettbewerbspreis (unter bb.). und dem tatsächlich entrichteten so genannten Kartellpreis (unter cc.) ermittelt, welche mit den bezogenen Produkteinheiten multipliziert wird abzgl. eines etwaigen Vorteilsausgleichs (unter dd.).
aa.
Die Klägerin hat hinreichend klargestellt, dass ihre Schadensersatzklage allein auf den Bezug von Grauzement mit der Bezeichnung PZ 45 1-4 bzw. CEM I 42,5 bezogen ist (Bl. 780, 835, 838).
Soweit ihre zur Akte gelangten Auflistungen teilweise auch Weißzement enthalten, sollen diese Positionen – die unstreitig nicht kartellbehaftet waren – nicht geltend gemacht werden. Soweit die Beklagte rügt, dass die Auflistungen Portlandzement unterschiedlicher Festigkeitsklassen enthielten, will die Klägerin ausweislich ihrer schriftsätzlichen Darlegungen der Schadensberechnung nur eine Festigkeitsklasse zugrunde legen, nämlich CEM I 42,5 = PZ 45 (Bl. 838, 1058). Sie hat ausdrücklich klargestellt, versehentlich in ihren Unterlagen aufgeführte Mengen etwa von CEM I 52,5 im Jahr 1997 nicht geltend machen zu wollen (Bl. 1058, Anlage K 105).
Gemäß den insoweit nicht bestrittenen Ausführungen der Klägerin kennzeichnen die Bezeichnungen PZ 45 1-4 auch jeweils eine identische Zementsorte und weisen nur auf die unterschiedlichen Silos der Klägerin hin (Bl. 713 d.A.). Die für Portlandzement verwendete Abkürzung „PZ“ änderte sich dabei infolge des Inkrafttretens der Euro-Norm EN 197-1 in CEM (Bl. 714 d.A.).
Soweit die Beklagte zudem rügt, dass auch Lieferungen von Hochofenzement (= CEM III) in die Berechnungen eingeflossen seien, hat die Klägerin im Rahmen der mit Schriftsatz vom 03.09.2012 eingeführten Zementmengen und Preise für die Jahre vor 1999 ausdrücklich ausgeführt, dass sie Hochofenzement, d.h. CEM III, aus dem Zementbuch herausgerechnet habe (Bl. 838). Dies bestätigte sie mit Schriftsatz vom 9. Juli 2014 für alle Zeiträume (Bl. 1057).
bb.
Die Klägerin hat ihre Behauptung, einen um 21,50 €/t über dem hypothetischen Marktpreis liegenden Kartellpreis entrichtet zu haben, nicht nachweisen können. Der Senat hat – entsprechend der Anregung der Klägerin – die schriftliche Begutachtung dieser Beweisfrage gem. § 411 a ZPO durch die Verwertung des im Verfahren vor dem Oberlandesgericht Stadt3 eingeholten Gutachtens von B ersetzt. Diese Verfahrensweise ist zulässig (unter (1)). Maßgeblich sind die Ausführungen der Sachverständigen B für die Region Nord (unter (2)). Aus dem Gutachten ergeben sich sogenannte regionale but-for Preise in einer durchschnittlichen Größenordnung von 61,5 €/t für den Zeitraum 1999-2001 (unter (3)).
(1)
Zur Ermittlung des hypothetischen Marktpreises hat der Senat das im Verfahren vor dem Oberlandesgericht Stadt3 erstellte Gutachten von B nebst der dazugehörenden Memoranden gemäß § 411a ZPO verwertet. Das Gutachten enthält eine auf Basis einer Zeitreihenanalyse erstellte Vergleichsmarktbetrachtung zur Ermittlung des hypothetischen Marktpreises (auch but-for-Preis).
Die Regelung des § 411 a ZPO sieht ausdrücklich die zivilprozessuale Verwertung von Gutachten aus einem gerichtlichen oder staatsanwaltschaftlichen Verfahren vor. Der Umstand, dass nur die Beklagte, nicht jedoch die Klägerin am Kartellordnungswidrigkeitenverfahren beteiligt waren (vgl. hierzu Huber in: Musielak, 10. Aufl., ZPO, § 411 a Rd. 9; Münchener Kommentar-Zimmermann, 4. Aufl., ZPO, § 411 a Rd. 6), spricht nicht gegen die Verwertung des Gutachtens. Die Klägerin hat ausdrücklich die Beiziehung des Gutachtens von B beantragt und hatte in diesem Verfahren hinreichend Gelegenheit zu rechtlichem Gehör.
Hinsichtlich der Beweisthemen bezieht sich das Gutachten B auch in Teilen auf die hier im Rahmen des Beweisbeschlusses maßgebliche Frage des hypothetischen Marktpreises für das Produkt Grauzement PZ 45. Zur Ermittlung eines geschätzten Mehrerlöses, welcher im Mittelpunkt des Gutachtenauftrags vor dem Oberlandesgericht Stadt3 stand, waren Feststellungen zur Höhe des hypothetischen Marktpreises erforderlich. Diese Daten hat B auf vier Regionen heruntergebrochen worden (Nord, Süd, West, Ost).
Soweit das Gutachten im Rahmen eines Ordnungswidrigkeitsverfahrens und nicht einem der ZPO unterliegenden Verfahren eingeholt wurde, steht dies der Verwertung hier nicht entgegen. Es ist nicht ersichtlich, dass die unterschiedlichen Verfahrensordnungen sich auf die Teilfrage der sachverständigen Ermittlung des hypothetischen Marktpreises ausgewirkt haben.
Auch der von der Beklagten betonte Umstand, dass die Beklagte im Ordnungswidrigkeitenverfahren die Stellung einer so genannten Kooperationspartnerin gem. C. Rn. 5 der Bekanntmachung des Bundeskartellamtes Nr. 9/2006 vom 7.3.2006 (Erlass und Reduktion von Geldbußen in Kartellsachen) hatte, steht der Verwertung des Gutachtens nicht entgegen:
Soweit das Bundeskartellamt gem. Rn. 22 dieser Bekanntmachung der Beklagten zugesichert hat, einen Antrag Dritter auf Akteneinsicht im Rahmen des gesetzlich eingeräumten Ermessens grundsätzlich abzulehnen, soweit er sich auf den Antrag auf Erlass oder Reduktion der Geldbuße und die dazu übermittelten Beweismittel bezieht, hat diese Regelung keine Auswirkungen auf die hier vorgenommene Verwertung des Gutachtens. Vorliegend geht es nicht um eine Einsicht/Beiziehung der in Rn. 22 der Bekanntmachung aufgeführten Unterlagen (Antrag auf Erlass/Reduktion der Geldbuße; Beweismittel), sondern um die Verwertung eines von einem externen Sachverständigen erstellten Gutachtens. Dieses Gutachten mag zwar auch Informationen/Beweismittel der Beklagten, welche als Kooperationsbeitrag geleistet wurden, ausgewertet haben. Diese – im Einzelnen auch nicht aus dem Gutachten erkenntliche – Verarbeitung möglicher Kooperationsbeiträge der Beklagten führt jedoch nicht dazu, dass das Gutachten selbst unter den Begriff der gemäß von Rn. 22 grundsätzlich von einer Akteneinsicht ausgenommenen Unterlagen fällt (vgl. auch die Ausführungen des Oberlandesgerichts Stadt5 im Beschluss vom 10.12.2013, Bl. 1006, 1012).
Es bestehen auch im Übrigen keine Verwertungshindernisse:
Gemäß der Entscheidung des EuGH vom 14.6.2011 – C-360/09 (Pfleiderer/BKartA) ist der Zugang Geschädigter zu Akten mit Informationen über Kronzeugen vom jeweils nationalen Gericht unter Wahrung des Effektivität- und Äquivalenzgrundsatzes zu entscheiden. Selbst Kronzeugenunterlagen werden damit nicht grundsätzlich von einer Einsicht ausgenommen. Erforderlich ist immer eine Einzelfallprüfung. Diese Grundsätze hat der EuGH nachfolgend noch vertieft: Demnach entspricht eine nationale Regelung nicht den europäischen Vorgaben, sofern grundsätzlich die Einsichtnahme Dritter in Kartellakten von der Zustimmung aller Parteien des Kartellverfahrens abhängig gemacht wird (EuGH, Urteil vom 6.6.2013 – C-536/11 – Bundeswettbewerbsbehörde/Donau Chemie). Es müsse jeweils dem nationalen Gericht im Einzelfall offen stehen, im Rahmen einer Abwägung der Interessen des Kartellgeschädigten einerseits und des Kartellanten andererseits zu prüfen, ob der Zugang zu den jeweils begehrten Dokumenten eröffnet werden könne (ebenda). Auch in Kronzeugenunterlagen dürfe damit nur dann im konkreten Einzelfall die Einsicht verweigert werden, wenn die Gefahr bestehe, dass durch eine Einsicht in dieses Schriftstück das öffentliche Interesse an der Wirksamkeit des nationalen Kronzeugenprogramms beeinträchtigt werden könnte (Rn. 43, 48). Der EuG hat ebenfalls jüngst eine Veröffentlichung von Daten, die Unternehmen im Rahmen der Kronzeugen-Kooperation genannt hatten, für zulässig erklärt (Urteil vom 15.7.2015 -T-465/12 – Asahi; EuG, Urteil vom 15.7.2015 -T-462/12 – Pilkington).
Entsprechend hat auch das OLG Stadt5 mit Beschluss vom 26.11.2013 entschieden (III 1 VAs 116/13-120/13), dass allein das Vorhandensein von Bonusanträgen von Kartellanten der Akteneinsicht in Strafakten nicht entgegenstehe. Vielmehr werde gem. § 474 Abs. 1 StPO im Regelfall Akteneinsicht gewährt (a.A.: OLG Düsseldorf, Beschluss vom 22.8.2012, V-4 Kart 5/11 (OWi) – allerdings vor dem Urteil des EuGH Pfleiderer/BKartA). Ähnliche Erwägungen liegen dem im hiesigen Verfahren ergangenen Beschluss des OLG Stadt5 vom 10.12.2013 zugrunde, mit welchem der u.a. seitens der Beklagten eingelegte Rechtsbehelf gem. § 23 EGGVG gegen die angekündigte Gutachtenüberlassung zurückgewiesen wurde.
Im Rahmen der gebotenen Ermessensentscheidung hat der Senat insbesondere das Interesse der Klägerin, eine möglichst verlässliche Schätzgrundlage für den ihrer Schadensersatzberechnung zugrunde zu legenden hypothetischen Wettbewerbspreis zu erlangen, mit dem Interesse der Beklagten an der Geheimhaltung von Unternehmensdaten, die Eingang in das Gutachten gefunden haben, abgewogen. Letzteres bezieht sich auf das grundsätzlich schützenswerte geschäftliche Interesse des Beklagten, die Preise ihrer Erzeugnisse, die Kostenstrukturen und Marktanteile nicht offen zulegen. Der Senat folgt insoweit jedoch auch der bereits vom EuG geäußerten Rechtsansicht, wonach ein Geheimhaltungsinteresse mit rechtskräftigem Abschluss des Kartellverfahrens – wie hier – grundsätzlich nicht mehr gegeben ist (Urteil vom 22.5.2012 – T 344/08). Bedeutung erlangt zudem, dass die verarbeiteten Daten sich auf einen Zeitraum bis Ende 2001 beziehen und damit bereits 14 Jahre alt sind. Für die heutigen Kostenstrukturen dürften sie kaum noch Relevanz haben. Die komplizierten Berechnungen im Gutachten unter Berücksichtigung zahlreicher Daten, die der Klägerin nicht zugänglich sind, verdeutlichen schließlich, das eine eigenständige Ermittlung des hypothetischen Marktpreises ohne Kenntnis dieser Anknüpfungstatsachen kaum bzw. nur mit unverhältnismäßigem Aufwand möglich wäre. Da es sowohl dem Willen des nationalen als auch des europäischen Gesetzgebers entspricht, private Schadensersatzforderungen gegen Kartellanten durchsetzbar zu gestalten, spricht auch dies für einen strengen Maßstab hinsichtlich der Schutzwürdigkeit von Geschäftsgeheimnissen der Beklagten.
Soweit gemäß Art. 6 Abs. 6 der Richtlinie 2014/104/EU Kronzeugenerklärungen und Vergleichsausführungen grundsätzlich von einer Offenlegung im Rahmen privater Schadensersatzklagen ausgenommen werden, unterfällt der hiesige Rechtsstreit noch nicht diesem Rechtsrahmen – die Richtlinie ist erst bis Ende 2016 in nationales Recht umzusetzen. Selbst wenn den dort niedergelegten Grundsätzen ausnahmsweise – über den Grundsatz des sog. effet utile bzw. Frustrationsverbots (vgl. hierzu OLG Düsseldorf, Urteil vom 28.1.2015, VII Verg 31/14; auch Schnitzler, Vorwirkungen der Kartellschadensersatzrichtlinie, WuW 2015, 992ff) – Vorwirkung zuzumessen wäre, stünden ihre Regelungen dem hiesigen Ergebnis nicht entgegen. Für die in Art. 6 Abs. 6 der Richtlinie 2014/104/EU erwähnten Kronzeugenerklärungen und Vergleichsausführungen finden sich in Art. 2 Nr. 16 und 18 der Richtlinie 2014/104/EU Legaldefinitionen. Diese Voraussetzungen erfüllt das hier streitgegenständliche Gutachten eindeutig nicht. Soweit es denkbar erscheint, dass die im Gutachten erfolgte Verwertung von Erklärungsteilen der Beklagten der Regelung des Art. 6 Abs. 8 der Richtlinie 2014/104/EU unterfallen könnte, hat der Senat durch die hier erfolgte Teilschwärzung den dort niedergelegten Gedanken Rechnung getragen.
Schließlich führen auch die seitens der Beklagten geäußerten Bedenken gegen die im Gutachten von B verwendete Methode der so genannten Zeitreihenanalyse nicht dazu, dass vorliegend von einer Verwertung des Gutachtens abzusehen ist. Unstreitig basieren die Feststellungen des Sachverständigen auf einer Zeitreihenanalyse, die auf bundesweit statistisch ermittelten Preisdaten sowie Auskünften des Bundeskartellamtes aufsetzt. Zur Ermittlung des hypothetischen Marktpreises kommt dem Gericht – wie nunmehr auch in § 33 Abs. 3 S. 3 GWB n.F. unter Verweis auf § 287 ZPO klargestellt – ein Ermessensspielraum bei der Wahl der entsprechenden Schätzmethode zu (vgl. auch BGH, Urteil vom 19.06.2000, KRB 12/07 – Papiergroßhandel). Dies gilt entsprechend für die Methodenwahl des vom Gericht beauftragten Sachverständigen. Die Rechtsprechung greift dabei überwiegend auf das so genannte Vergleichsmarktkonzept zurück (BGH, Urteil vom 19.06.2007, KRB 12/07). Der hypothetische Marktpreis wird dabei entweder durch einen Vergleich mit einem räumlich ähnlich strukturierten Markt oder aber durch eine so genannte Zeitreihenanalyse (Marktpreise vor und/oder nach Kartellbeendigung) ermittelt. Wichtig bei der Bestimmung des Vergleichsmarkts ist das Vorliegen ähnlicher Mechanismen der Preisbildung (vgl. Hüschelrath, ebenda, S. 58). Ausgehend hiervon bestehen im Ansatz keine Bedenken gegen die gewählte Methodik des Sachverständigen B.
Den einleitenden Ausführungen der Sachverständigen B im Gutachten vom 7.5.2009 (Bl. 169) kann zudem entnommen werden, dass vor Abfassung des Gutachtens eigenständige sachverständige Ausführungen zu möglichen Methoden erfolgt waren, von denen sich das Oberlandesgericht Stadt3 für die Methode der Zeitreihenanalyse entschieden hatte. Dem lag offensichtlich zugrunde, dass ein zeitlich oder räumlich vergleichbarer Vergleichsmarkt nicht vorlag. Das Urteil des Oberlandesgerichts Stadt3 enthält eine detaillierte und den Senat überzeugende Auseinandersetzung mit der gewählten Methodik (Rn. 472ff), welche der Senat aus Gründen der Vereinfachung in Bezug nimmt.
Soweit die Beklagte schließlich rügt, dass der Wettbewerbszeitraum willkürlich festgelegt worden sei und nicht auf einer stabilen Datengrundlage aufbaue (Bl. 898), folgt der Senat auch insoweit den ihn überzeugenden Ausführungen des Oberlandesgericht Stadt3 (Rd. 490). Das Oberlandesgericht Stadt3 hat sich im Einzelnen mit dem angesetzte Zeitraum und der zugrundeliegende Verfahrensweise auseinandergesetzt (Rn. 514). Unter Bezugnahme auf das Gutachten von B führte das OLG insbesondere aus, dass nach Aufdeckung des Kartells eine Sondersituation eingetreten sei, die nicht die Preise wiederspiegelte, die normalerweise in kartellfreier Zeit bestanden hätten (Rn. 520f). Die Zeit des sog. Preiskrieges ist aus diesen Gründen ausdrücklich eliminiert worden. Soweit die Klägerin erstmals nach allein viereinhalb Jahren Verfahrensdauer vor dem OLG mit Schriftsatz vom 3.7.2015 die Problematik des Preiskriegs zum Gegenstand eines Beweisantrags macht (Bl. 1441), ist dieses verspätet.
(2)
Maßgeblich sind nach Überzeugung des Senats die Angaben des Sachverständigen B für die Region Nord:
Der Sachverständige B hat zunächst eine Analyse auf bundesweiten Preisdaten durchgeführt und diese auf Basis des ihm zur Verfügung stehenden Datenmaterials nachträglich regionalisiert (Mehrerlösschätzung vom 19.4.2009, Bl. 304 blauer Ordner). Die Regionalisierung wurde zunächst aufgrund der Lage der Zementwerke (vgl. Appendix 8.4. Mehrerlösschätzung Bl. 327 blauer Ordner) vorgenommen. Der Sachverständige untergliederte das Bundesgebiet in vier Regionen: Nord, Süd, Ost, West (Bl. 285 blauer Ordner). Bundesland2 zählte er grundsätzlich zur Region West, Bundeslan1 grundsätzlich zur Region Nord (Bl. 285 blauer Ordner). Die Region Nord wurde später in das Gebiet südliches Bundesland1 und das Gebiet „Bundesland5, Bundesland3, restl. Bundesland1“ untergliedert. Es findet sich zudem die Bemerkung, dass es insbesondere im Bereich des nördlichen Bundesland2 Überlappungen mit Bundesland1 gebe (Bl. 285 blauer Ordner). Alle Werke der Beklagten – mit Ausnahme des Werkes Ost -, wurden zunächst der Region „West“ zugeordnet (Bl. 327 blauer Ordner). Dies bezog sich demnach auch auf das hier streitgegenständliche Werk der Beklagten.
Im Memorandum vom 08.06.2009 findet sich unter der Überschrift „diverse Alternativberechnungen des Mehrerlöses“ eine „angepasste regionale Zuordnung von Werken („entsprechend BKartA, ‚. und I“, Bl. 400 blauer Ordner). Hinsichtlich der hiesigen Beklagten heißt es wie folgt: „I Nord wurde die Region Nord zugeordnet (…). Vor 1997 wurden die Liefermengen des Werkes Stadt2 der Region Nord zugeordnet (…).“
Das Oberlandesgericht Stadt3 hat hinsichtlich der Regionalisierung diese im Memorandum vom 08.06.2009 enthaltenen Änderungen in seinem Urteil zugrunde gelegt. Es heißt dort explizit, dass der Senat die vom Sachverständigen im Memorandum vom 8.6.2009 durchgeführte Korrektur auch seiner Schätzung zu Grunde gelegt habe (Rn. 532). Bereits im Hinblick auf diese Ausführungen im Memorandum sowie im Urteil des Oberlandesgerichts Stadt3 ist davon auszugehen, dass die Werke der Beklagten alle der Region Nord zugeordnet wurden und damit auch das dort herrschende Preisniveau maßgeblich ist.
Diese endgültige Änderung der regionalen Zuordnung durch den Sachverständigen B haben auch alle schriftlich vernommenen Zeugen im Rahmen ihrer Aussagen bestätigt:
Der Zeuge E gab an, dass der Gutachter in seinem Memorandum vom 8.6.2009 unter anderem die Regionalisierung überarbeitet habe. Hiervon sei auch das Werk Stadt2 der Beklagten betroffen gewesen. Welcher Fehler dem im Einzelnen vorausgegangen sei, wisse er heute nicht mehr (Bl. 1389).
Der Zeuge C bekundete, dass dem Memorandum vom 8.6.2009 eine Verfügung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht, des Zeugen E, vorausgegangen sei, mit welcher der Sachverständige um eine Überprüfung seiner Angaben zur Regionalisierung gebeten worden sei. Soweit für ihn aus den Akten erkennbar, sei die (Neu-)Zuordnung des Werkes Stadt2 zur Region Nord unstreitig gewesen (Bl. 1393). Der Zeuge D führte aus, das auf Anregung des Bundeskartellamtes mit Schriftsatz vom 25. Mai 2009 das OLG Stadt3 gebeten worden war, aufgrund der Lage der Verkaufsgebiete der Beklagten das Verkaufsgebiete Nord – anders als vom Sachverständigen bislang vorgenommen – der Region Nord zuzurechnen. Der Sachverständige habe entsprechend dieser Anregung die regionale Zuordnung von Werken der Beklagten in der Weise geändert, dass er das Verkaufsgebiet Nord der Region Nord und für den Kartellzeitraum vor 1997, für den keine Absatzmengen nach Verkaufsgebieten vorlagen, die Liefermengen des Werkes Stadt2 komplett der Region Nord zugeordnet habe (Bl. 1416).
Der Zeuge B schließlich gab an, dass im Verfahrensverlauf seitens der Beklagten die Frage gestellt worden war, wie sich die Mehrerlösberechnung ändere, wenn die Mengen des Werkes Stadt2 der Region Nord zugerechnet würden. Zudem habe das Bundeskartellamt darauf hingewiesen, dass aufgrund der Lage der Verkaufsgebiete der Beklagten das „I Verkaufsgebiet Nord“ auch der Region Nord zuzurechnen sei. Auf Grundlage dieser beiden Hinweise habe er die Zuordnung geändert. Dies sei auch sachgerecht gewesen, da der Mehrerlös als Differenz zwischen einem für die einzelnen Regionen geschätzten Wettbewerbspreis und dem tatsächlich historischen Verkaufspreis geschätzt worden sei. Sollten die Verkäufe des Werkes I überwiegend in der Region Nord erfolgt seien, sei auch entsprechend auf den Wettbewerbspreis in der Region Nord abzustellen. Soweit die Region Nord in zwei Teilregionen unterteilt worden sei, sei das Verkaufsgebiete I Nord bzw. das Werk Stadt2 der Region Bundesland1/Bundesland4/Bundesland3 zuzurechnen (Bl. 1431).
Soweit die Klägerin im Rahmen der mündlichen Verhandlung auf einen Antrag auf persönliche Vernehmung der Zeugen hingewiesen hat, hat sie innerhalb der zur Stellungnahme auf die Zeugenaussagen gesetzten Frist allein beantragt, den Zeugen C zur Behauptung, dass kein Preiskrieg bestanden habe, zu vernehmen (Bl. 1441). Dieser Beweisantritt weist keinen Zusammenhang zum Beweisthema gemäß Beweisbeschluss vom 28.11.2014 auf.
Aus Anlage K 106, die von der Klägerin selbst eingereicht wurde, ergibt sich schließlich ebenfalls, dass das Werk der Klägerin in Stadt2 seitens der Beklagten dem Verkaufsgebiete Nord zugeordnet wurde (Bl. 875). Ohne Erfolg verweist die Klägerin gegen diese regionale Zuordnung schließlich auf die Ausführungen im Tatbestand des angefochtenen Urteils. Dort ist allein festgehalten, dass zum Absatzmarkt Westen Bundesland2 einschließlich des nordwestlichen Bundesland1, ‚ und Bundesland6 nördlich der ‚-Linie gehörten (Blatt 576). Diese Angaben stehen in keinem Bezug zu dem Umstand, dass im vorausgegangenen Bußgeldverfahren das Werk Stadt2 der Region Nord zugeordnet worden ist.
(3)
Grundlage der vom Senat den Berechnungen zu Grunde gelegten Bestimmung des hypothetischen Marktpreises sind die dem Memorandum vom 25.5.2009 beigefügten Tab. 10 und 11 (Bl. 363-366 blauer Ordner). Hinsichtlich der konkreten Zusammensetzung des but-for-Preises wird auf die Tab. 11 Bezug genommen (Bl. 365, 366 blauer Ordner). Gemäß diesen Tabellen betrug der so genannte but-for-Preis für die Region Nord im Jahre 1999 61,37 €/t, im Jahr 2000 61,46 €/t und im Jahre 2001 61,58 €/t.
Soweit die Beklagte dagegen meint, dem Gutachten sei für die hier maßgebliche Region grundsätzlich ein Mehrerlös von „0“ zu entnehmen, überzeugt dies nicht. Der Sachverständige hat allein für das Gebiet „südliches Bundesland1“ den Mehrerlös mit 0 bewertet; diese Einschätzung hat das Oberlandesgericht Stadt3 übernommen (Rn. 564). Vorliegend besteht jedoch kein Bezug zum südlichen Bundesland1: Weder liegt das Werk der Beklagten Stadt2 in dieser Region, noch befinden sich dort die Abnahmeorte der Klägerin. Diese sind vielmehr dem Bereich des restlichen Bundesland1 zuzuordnen.
cc.
Der Senat geht bei der Bestimmung des tatsächlich entrichteten Kartellpreises von folgenden Grundlagen aus:
Ausgangspunkt ist zugunsten der Klägerin der von ihr behauptete sog. Listen-/Rechnungspreis, welcher um alle gewährten Rabatte/Rückvergütungen zu reduzieren ist (unter (1)). Vom Kartellpreis zu eliminieren sind zudem die Frachtkosten (unter (2)) sowie der gewährte Skontoabzug (unter (3)). Da im Ergebnis keine Differenz zu Gunsten der Klägerin verbleibt, kommt es auf den Umstand, dass die Beklagte die Höhe des Durchschnittspreises bestritten und die vorgelegten Unterlagen als verspätet gerügt hat, nicht an.
(1)
Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der so genannte Listen-/Rechnungspreis von der Klägerin im Ergebnis nicht gezahlt wurde. Die Klägerin hat zum einen von der Abrechnungsfirma A GmbH sogenannte Rückvergütungen erhalten, die sie sich auf den Listenpreis anrechnen lässt (unter (a)). Der Listenpreis hat sich darüber hinaus jedoch durch weitere Faktoren verringert. Die Klägerin ist unstreitig in den Genuss von Gratislieferungen/Naturalrabatten gekommen; zudem haben die Baustoffhändler ihr teilweise zusätzliche Rabatte gewährt. Diese Positionen hält die Klägerin – mit Ausnahme einer Gratislieferung – im Rahmen ihrer Preisdarlegungen für nicht berücksichtigungsfähig. Wie vom Senat mehrmals im Rahmen der Hinweisbeschlüsse erwähnt (zuletzt Hinweisbeschluss 17.4.2015, Bl. 1021 der Akte), muss sich die Klägerin indes alle preisreduzierenden Faktoren, d.h. auch diese Beträge, anrechnen lassen (unter (b.)).
(a)
Hinsichtlich der so genannten Rückvergütungen legt der Senat die eigenen Angaben der Klägerin, sofern vorhanden, zu Grunde. Im Übrigen ist von einer pauschalen Rückvergütung in Höhe von 20 €/t auszugehen:
Die Rückvergütungen seitens der Abrechnungsstelle A GmbH setzten sich ausweislich des Vortrags der Klägerin sowie der zur Akte gelangten Abrechnungen jedenfalls aus monatlichen Zahlungen (Monatsrabatten) sowie Halbjahreszahlungen (Halbjahresrabatten) zusammen. Die Existenz dieser beiden Rabatt-Arten belegen auch die zur Akte gelangten Preisblätter der Beklagten (Bl. 208-210).
Die eigenen Berechnungen der Klägerin für die Jahre 2000-2001 berücksichtigen ausweislich Anlage K 116 für das Jahr 2000 eine durchschnittliche Rückvergütung in Höhe von 20,4 €/t und für das Jahr 2001 in Höhe von 23,11 €/t. Angaben für das Jahr 1999 fehlen. Der Senat hat insoweit bereits im Rahmen des Hinweisbeschlusses vom 24.4.2012 im Einzelnen ausgeführt, dass sich die Klägerin jedenfalls einen Rabatt in Höhe von pauschal 20 €/t anrechnen lassen muss. Der Senat verkennt dabei nicht, dass die hier aufzuarbeitenden Vorgänge erhebliche Zeit zurückliegen und das Preissystem der Beklagten für die Klägerin nur aufwändig zu erfassen war. Der im Zivilprozess geltenden Darlegungs- und Beweislast entsprechend gehen jedoch insoweit verbleibende Unsicherheiten zulasten der Klägerin – wie vom Senat im Rahmen der Hinweisbeschlüsse auch im Einzelnen ausgeführt -, so dass in Ermangelung anderweitiger konkreter Angaben für das Jahr 1999 ein pauschaler Abzug von 20 €/t vorzunehmen ist.
Soweit die Beklagte die Ansicht vertritt, aus den eigenen Angaben der Klägerin ergebe sich, dass teilweise sehr viel höhere Rückvergütungen gewährt worden seien, die bis zu 35 €/t betragen hätten, überzeugt dies nicht. Richtig ist zwar, dass sich aus den eigenen Angaben der Klägerin für das Jahr 2002 Rückvergütungen in einer Größenordnung von bis zu 35 €/t ausweislich Anlage K 116 ergeben. Diese sind jedoch für den hier zu beurteilenden Zeitraum nicht maßgeblich.
(b)
Über diesen Abzug hinaus sind alle weiteren preisreduzierenden Faktoren zu berücksichtigen – worauf die Klägerin mehrfach hingewiesen wurde (Hinweisbeschluss vom 24.4.2012, Bl. 689 der Akte, 17.4.2014, Bl. 1022 der Akte).
Dies bezieht sich zum einen auf die so genannten Baustoffhändlerrabatte, welche in der ganz rechten Spalte des Zementbuchs erwähnt werden:
Dem eigenen Vortrag der Klägerin nach hat sie – auch bei einer Abwicklung der Käufe über Baustoffhändler/Spediteure – im Ergebnis die Preise gezahlt, die die Beklagte mit ihr ausgehandelt hatte.
Im Rahmen der Ermittlung des tatsächlich entrichteten Preises kommt es nicht auf die formalen Vertragsbeziehungen an, sondern darauf, ob dieser, unmittelbar von der Kartellantin festgesetzte Preis gezahlt wurde. Insoweit führt die Klägerin selbst durchgehend aus, keinerlei eigenständige Preisverhandlungen mit den Baustoffhändlern geführt zu haben (Bl. 914 d.A.). Diese hätten als Empfangsvertreter gehandelt und seien in die „Absatzstruktur“ der Beklagten eingebunden worden (Bl. 1283 d.A.). Preisabsprachen hätten allein zwischen ihr und der Beklagten bestanden (Bl. 1296 d.A.) – mit Schreiben vom 8.12.2004 hat sie zudem eine Aufstellung von Gesprächsterminen zwischen der Beklagten und ihr in ihrem Hause erstellt (Bl. 113 der Akte). Wiederholt hat die Klägerin betont, immer unmittelbar mit Mitarbeitern der Beklagten und nicht mit den „pro forma“ – so ihr Vortrag – zwischengeschalteten Baustoffhändlern verhandelt zu haben (Bl. 392 der Akte).
Die weiteren zur Akte gelangten Unterlagen sprechen ebenfalls für direkte Einwirkungen der Beklagten auf die von der Klägerin zu entrichtenden Endpreise: Die Beklagte selbst hat Unterlagen eingereicht, die unstreitig von ihr stammen und Preiskalkulationen konkret und individuell für die Klägerin ausweisen (Bl. 208-210). Unstreitig hat die Beklagte zudem die Klägerin unmittelbar über Veränderungen des Preises in Kenntnis gesetzt – entweder durch allgemein an ihre „Geschäftsfreunde“ adressierte Briefe oder aber konkret an die Klägerin adressierte Schreiben (Bl. 17, 121, 123, 126, 875 der Akte). Nicht zuletzt spricht die eigene Formulierung der Beklagten (Bl. 900 d.A.), in welcher von Liefermengen der Beklagten an die Klägerin die Rede ist, dafür, dass jedenfalls faktische unmittelbare Beziehungen zwischen den Parteien bestanden.
Ausgehend hiervon wäre es Aufgabe der Klägerin gewesen, im Einzelnen näher darzustellen, dass die sog. Baustoffhändlerrabatte gänzlich unabhängig von dem Preissystem der Beklagten gewährt wurden. Dies ist ihrem Vortrag nicht zu entnehmen. Die Klägerin selbst verweist darauf, dass die Baustoffhändler bewusst und gesteuert von der Beklagten zwischengeschaltet worden seien. Soweit diese die Abnahme bestimmter Mengen mit weiteren Rabatten honoriert haben, ist nicht ersichtlich, dass dieser Vorgang nicht mehr im Zusammenhang mit dem von der Klägerin betonten Gesamtkonzept der allein zur Beklagten bestehenden Preisabsprachen steht.
Unstreitig hat die Klägerin zum anderen Gratislieferungen erhalten, die sich bei der Preisgestaltung wie ein Naturalrabatt auswirken. So ergibt sich etwa aus den Anlagen B 7 bis B 9 (Blatt 211- 213), dass in unregelmäßigen Abständen Naturalrabatte bzw. Gratislieferungen unmittelbar an die Klägerin erfolgten. Die Preisblätter der Beklagten enthalten ebenfalls im Rahmen der tabellarischen Auflistung eine gesonderte Spalte für so genannte Naturalrabatte (Bl. 208 bis 210 d. Akte).
Da die Klägerin keine weitere schriftsätzliche Aufbereitung dieser zusätzlichen Rabatte vorgenommen hat, ist deren durchschnittliche Höhe gem. § 287 ZPO zu schätzen:
Hinsichtlich der Baustoffhändlerrabatte kommt als Grundlage der Schätzung allein das sog. Zementbuch in Betracht, dessen rechte Spalte allerdings nicht durchgehend lesbar erscheint. In den Jahren 1999-2001 wurden ihr demnach Beträge zwischen 6,90 und 9,40 DM/t, d.h. 4,70 €/t gutgeschrieben. Die Menge der rabattierten Lieferungen liegt nach stichprobenartiger Prüfung weit unter zehn Prozent des Jahresbezugs.
Konkrete Angaben der Klägerin zum Umfang der Gratislieferungen fehlen ebenfalls. Lediglich die durch Anlage B 9 (Bl. 213) belegte Gratislieferung über 28.38 t vom 24.8.2001 findet im Rahmen der Aufstellung Anlage K 116 Berücksichtigung. Aus Anlage B 8 folgt, dass im Jahr 1992 bereits für einen Zeitraum von drei Monaten (Oktober bis Dezember 1992) eine Gratislieferung gewährt wurde. Die Rechnung Nr. 1485 aus dem Jahr 2000 enthält ebenfalls eine Gratislieferung (Anlagenordner Schriftsatz 12.6.2012).
Berücksichtigt man, dass die Anlage B 9 vom Sommer 2001 stammt, erscheint jedenfalls die Annahme, dass die Klägerin zwei Gratislieferungen a ca. 29 t pro Jahr, d.h. 58 t p.a., erhalten hat, angemessen. Ausgehend von den für das Jahr 1999 und 2000 unstreitig gestellten Bezugsmengen in Höhe von rund 1.163 t erhielt die Klägerin durch die Gratislieferungen im Ergebnis einen Naturalrabatt Höhe von 5% des Gesamtbezugs.
Der Senat geht auf dieser Basis davon aus, dass zur Berücksichtigung dieser weiteren Rabatte überschlägig ein weiterer Abzug von 0,5 €/t angemessen, aber auch ausreichend ist.
(2)
Für einen Vergleich des sachverständig ermittelten hypothetischen Marktpreises mit dem von der Klägerin tatsächlich entrichteten Preis ist es schließlich noch erforderlich, die Frachtkostenanteile zu eliminieren. Unstreitig enthielten die von der Klägerin entrichteten Preise als so genannte Frankostationspreise einen Frachtkostenanteil. Dies ergibt sich auch aus den zur Akte gelangten Rechnungen, die teilweise ausdrücklich den im Ausgangspreis enthaltenen Frachtanteil beziffern, teilweise nur darauf verweisen, dass der ausgewiesene Betrag Frachtkosten enthält.
Der seitens des Sachverständigen B ermittelte hypothetischen Marktpreis ist als reiner „Ab-Werk-Preis“ ausgewiesen worden; ausdrücklich enthält er keine – im Zementbereich erheblichen – Transportkosten (Seite 24 des Gutachtens, Bl. 281 blauer Ordner, Tab. 10; Bl. 363 blauer Ordner).
Dass diese Frachtkosten ebenfalls kartellbehaftet überhöht waren, ist von der Klägerin weder substanziiert dargestellt noch unter Beweis gestellt worden. Allein der Verweis darauf, dass sog. Nettofraktionspreise gezahlt wurden, untermauert dies nicht.
Der Höhe nach fehlt auch insoweit trotz Hinweises des Senats eine eigene Aufbereitung durch die Klägerin. Der Senat ist deshalb auch hier gemäß § 287 ZPO berufen, einen angemessenen Frachtkostenanteil zu schätzen. Grundlage sind dabei die zur Akte gelangten Rechnungen, insbesondere gemäß Schriftsatz vom 12.6.2012. Bei stichprobenartiger Durchsicht ergeben sich insoweit etwa für das Jahr 1999 gemäß Schriftsatz vom 12.6.2012 Frachtkostenanteile von umgerechnet 7,1 €/t (Rechnung 1243), 7,5 €/t (Rechnung 1402, 1529) bis 8,7 €/t (Rechnung 1628). Für das Jahr 2000 ergeben sich aus den Rechnungen stichprobenartig Frachtkosten in Höhe von umgerechnet 7,1 €/t (Rechnung 845), 7,5 €/t (Rechnung 1058), 7,6 €/t (Rechnung 1759) bis 8,5 €/t (Rechnung 1449). Für das Jahr 2001 weisen die Rechnungen stichprobenartig Frachtkosten in Höhe von umgerechnet 6,14 €/t (Rechnung 1390), 7,5 €/t (Rechnung 335) aus.
Ausgehend von den oben angegebenen stichprobenartig ermittelten Frachtkosten geht der Senat von einem durchschnittlich zu berücksichtigenden Frachtkostenanteil für die Jahr 1999-2001 Höhe von 7,5 €/t aus.
(3)
Zuletzt sind von diesem Preis 3% abzuziehen, da die Klägerin ausweislich der eingereichten Rechnungen durchweg in den Genuss eines Skontos gekommen ist. Sie trägt auch nicht vor – noch kann es den Angaben des Sachverständigen entnommen werden -, dass von dem sachverständig ermittelten but-for Preis ein mögliches Skonto abzuziehen ist.
Es ergeben sich damit für die Jahre 1999-2001 folgende tatsächlichen Preise:
1999:
Nachdem die Klägerin zunächst einen Preis pro Tonne in Höhe von DM 179,6 = 91,83 €/t (GA 719) behauptet hatte, hat sie selbst diese Angaben nach unten korrigiert. Sie behauptet zuletzt, 90,25 €/t (Bl. 1274 – entspricht Anlage K 116, Anlagenordner; Anlage K 120, Bl. 1439) gezahlt zu haben. Ausgehend vom eigenen Vortrag der Klägerin ist damit der niedrigere und zuletzt behauptete Tonnenpreis der Berechnung zu Grunde zu legen. Von diesem Ausgangspreis von 90,25 €/t sind zunächst mangels konkreter Angaben zur Höhe der Rückvergütung pauschal 20 €/t abzuziehen, so das ein Preis von 70,25 €/t verbleibt. Dieser ist um weitere Rabatte – wie dargestellt – in Höhe von 0,5 €/t zu reduzieren, so dass ein Betrag von 69,75 €/t verbleibt. Abzüglich von Frachtkosten in Höhe von 7,5 €/t ergibt sich ein Preis von 62,43 €/t, nach Berücksichtigung von 3 % Skonto verbleibt ein Nettopreis von bei 60,56 € pro Tonne. Dieser liegt unterhalb des but-for-Preises von 61,37 €/t.
2000:
Auf Basis der anfänglichen Angaben der Klägerin hat der Senat im Rahmen des Beweisbeschlusses vom 7.8.2012 einen Durchschnittspreis von 89,46 €/t angesetzt (Bl. 827, 720). Soweit die Klägerin nachfolgend diese Preisangabe auf zunächst 89,55 €/t (Bl. 1274) dann 89,95 €/t erhöht hat (Bl. 1274, 1277, 1439), bedarf es hier keiner Entscheidung, ob diese Korrektur noch Berücksichtigung findet. Auch wenn zu Gunsten der Klägerin der höhere Listenpreis angesetzt würde, ergebe sich nach Abzug der erforderlichen Faktoren zur Ermittlung des tatsächlich gezahlten Preises nicht, dass die Klägerin mehr als den hypothetischen Marktpreis entrichtet hat:
Von dem Listenpreis in Höhe von 89,95 €/t sind darauf gewährte Rückvergütungen in Höhe von 20,40 €/t gemäß dem klägerischen Angaben (Anlage K 116) anzurechnen, so dass ein Betrag von 69,55 €/t verbleibt. Abzüglich 0,5 €/t für weitere Rabatte sowie 7,5 €/t hinsichtlich enthaltender Frachtkosten reduziert sich der Betrag auf Euro 61,55 €/t . Unter Berücksichtigung schließlich des Skontos ergibt sich ein Nettobetrag von 59,70 €/t. Auch dieser liegt unter dem hypothetischen Marktpreis von 61,46 €/t (Bl. 363 blauer Ordner).
2001 Stadt1:
Für das Werk Stadt1 hat der Senat im Rahmen des Beweisbeschlusses vom 7.8.2012 unter Berücksichtigung des pauschalen Rabattabzugs in Höhe von 20 €/t einen Durchschnittspreis auf Basis der Angaben der Klägerin (Bl. 720) in Höhe von 72,87 €/t angesetzt (Bl. 827). Diese Angaben hat die Klägerin selbst im Laufe des nachfolgenden Verfahrens nach unten korrigiert: Sie geht nunmehr von einem höheren Listenpreis aus, von dem sie sich jedoch auch eine durchschnittlich höhere Rückvergütung in Höhe von 23,11 €/t abziehen lässt, so dass ein Tonnenpreis von 70,90 €/t verbleibt (Anl. K 116). Dies entspricht auch ihrem Antrag auf Abänderung des Beweisbeschlusses mit Schriftsatz vom 28.10.2014 (Bl. 1274).
Abzüglich 0,5 €/t für weitere Rabatte sowie 7,5 €/t Frachtkostenanteil verbleibt ein Wert von 62,90 €/t, der sich nach Berücksichtigung des Skontos auf einen Nettopreis von 61,01 €/t reduziert. Dieser Wert liegt ebenfalls unterhalb des hypothetischen Marktpreises von 61,58 €/t.
2001 Stadt4:
Für das Werk in Stadt4 gibt die Klägerin – abzüglich des von ihr anerkannten pauschalen Rabattes – Preise in Höhe von 71,27 €/t an (Bl. 1274, Bl. 1439f). Abzüglich 0,5 €/t für weitere Rabatte sowie des Frachtkostenbetrages von 7,5 €/t verbleiben 63,47 €/t. Dieser Betrag reduziert sich nach Abzug des Skontos auf 61.57 €/t und liegt damit knapp unter dem im Gutachten ermittelten hypothetischen Marktpreis von 61,58 €/t.
Nach allem ist nicht festzustellen, dass im Zeitraum 1999-2001 von der Klägerin Preise gezahlt wurden, die über dem hypothetischen Marktpreis liegen.
Dieses Ergebnis steht auch im Einklang mit den allgemeinen Angaben im Gutachten von B, dort Memorandum vom 26.5.2009 (Bl. 363 blauer Ordner). Die dortige Tab. 10 enthält eine Übersicht der regionalen but-for-Preise und der „tatsächlichen Preise auf Werksebene“. Auch dort ergibt sich, dass die an I VKG Nord tatsächlich gezahlten Preise im Jahr 1999 und 2000 geringfügig unterhalb des but-for-Preises lagen, im Jahr 2001 geringfügig darüber.
dd.
Konnte die Klägerin mithin nicht nachweisen, einen höheren Preis entrichtet zu haben, als er ohne kartellbehaftete Zustände zu zahlen gewesen wäre, bedarf es keiner Entscheidung, von welchen substantiiert dargelegten und – rechtzeitig – nachgewiesenen Bezugsmengen auszugehen ist.
Keiner Entscheidung bedarf zudem der von der Beklagten erhobene Einwand der Vorteilsausgleichung (vgl. Bornkamm in: Langen/Bunte, KartellR, 12. Auflage, 2014, § 33 Rn. 144 ff.; Art. 12, 13 SE-RL). Offen bleiben kann damit auch, ob die Klägerin im Rahmen der Vorteilsausgleichung infolge der dargestellten unmittelbaren Preisverhandlungen als unmittelbare oder aber – infolge der Einschaltung von Baustoffhändlern – als mittelbare Abnehmerin einzuordnen ist und welche Auswirkungen dies auf die Darlegungs- und Beweislast hat (vgl. BGH, Urteil vom 28.6.2011, KZR 75/10 – ORWI; Kirchhoff, Offenlegung von Dokumenten und Mehrfachinanspruchnahme nach der Schadensersatzrichtlinie, WuW 2015, 952, 954; Art. 12, 13, 14 SE-RL).
c.
Ist mithin nicht feststellbar, dass die Klägerin im Zeitraum 1999-2001 einen kartellbedingten Schaden infolge Zahlung eines überhöhten Kartellpreises erlitten hat, bietet dieser Zeitraum auch keine verlässliche Grundlage (vgl. BGH, Urteil vom 20.10.1991, XII ZR 144/90) für eine Schadensschätzung für den Zeitraum 1998-1991.
Hinsichtlich der Zeit 1991-1998 hat die Klägerin -wie mehrfach im Rahmen der Hinweisbeschlüsse ausgeführt – weder nachvollziehbare Zahlen zu den Bezugsmengen noch den gezahlten Preisen zur Akte gereicht. Eine Schätzung erscheint bereits deshalb schwierig. Selbst wenn die eigenen Angaben der Klägerin im Rahmen von Anlage K 120 einer Schätzung zugrunde gelegt würden, ergäbe sich aus ihnen vorliegend keine Grundlage für einen erlittenen Kartellschaden:
Die Klägerin legt ihrer Schätzung einen durchschnittlichen Tonnenpreis für die Jahre 1991-1998 (das Jahr 1999 hat bereits im obigen Zeitraum Berücksichtigung gefunden) von 92,79 €/t zugrunde. Abzüglich des pauschalen Rabattes von 20 € verbleiben 72,79 €/t. Dieser Betrag ist – wie oben ausgeführt – um weitere Beträge zu mindern, damit die unstreitig gewährten Rabatte der Baustoffhändler sowie Gratislieferungen Berücksichtigung finden. Eine stichprobenartige Durchsicht des Zementbuches zeigt hier, dass im Zeitraum 1991-1998 – soweit lesbar – in erheblich größerem Umfang Rabatte der Baustoffhändler gewährt wurden; der Anteil der zusätzlich rabattierten Lieferungen pro Seite des Zementbuches liegt zwischen 0 und 50 % der angegebenen Lieferungen. Der Höhe nach bewegen sich diese bei stichprobenartiger Durchsicht zwischen 6,50 und 9,35 D/t, d.h. durchschnittlich 8,07 DM/t = 4,13 €/t. Unter Berücksichtigung der auch für diesen Zeitraum angefallenen Gratislieferungen schätzt der Senat den weiter zu berücksichtigenden Rabatt für diesen Zeitraum auf insgesamt 1,25 €/t.
Die zu berücksichtigenden Frachtkosten sind für diesen Zeitraum mangels Vorlage von Rechnungen auf Basis der eingereichten Preisblätter für die Jahre 1991 und 1995 zu schätzen. Der Durchschnittswert der Frachtkosten aus den Preisblättern liegt bei 7,6 €/t. Berücksichtigt man, dass der aus dem Preisblatt für das Jahr 2001 angegebene Frachtkostenanteil von 5,11 €/t (Blatt 210 d.A.) um mehr als zwei Euro unter dem aus den Rechnungen – wie bereits oben unter II.2.b.cc.(2) dargestellt – ersichtlichen Frachtkostenanteil liegt, geht der Senat davon aus, dass auch für den Zeitraum 1991-1998 eine Erhöhung des aus dem Preisblatt ersichtlichen Durchschnittswertes erforderlich ist. Der Senat schätzt auf dieser Basis den tatsächlichen Frachtkostenanteil im Zeitraum 1991-1999 auf jedenfalls 8,5 €/t.
Ausgehend von einem nach Berücksichtigung der Rückvergütungen verbleibenden Tonnenbetrag in Höhe von 72,79 €/t, ist dieser Betrag demnach um 8,5 €/t Frachtkostenanteil sowie weitere 1,25 €/t für weitere Rabatte auf 63,29 €/t zu reduzieren. Abzüglich Skonto ergibt sich ein durchschnittlicher Nettopreis von 61,39 €/t. Dieser Wert liegt unterhalb des von der Klägerin selbst angegebenen hypothetischen Marktpreis es für diesen Zeitraum in Höhe von durchschnittlich 61,5 €/t. Die eigenen Angaben der Klägerin bieten damit ebenfalls keine verlässliche Tatsachengrundlage für die Annahme, dass ihr im Zeitraum 1991-1999 ein – jedenfalls im Rahmen einer Schätzung zu ermittelnder – Schaden entstanden ist.
Soweit das Gutachten von B zwar für die Jahre 1997 und 1998 einen durchschnittlichen but-for Preis in Höhe von 60,3 €/t ausweist, eignet sich dies allein nicht für eine hinreichend tatsachenbasierte überschlägige Berechnung eines durchschnittlich für den Zeitraum 1991 bis 1998 unter 61,39 €/t liegenden but-for Preises. Das Gutachten enthält für die Jahre 1997-1991 keine Angaben zu einem geschätzten but-for Preis, da entsprechende Daten nicht mehr verfügbar waren. Die von der Klägerin behaupteten tatsächlichen Preise lassen über den genannten Zeitraum auch keine Entwicklung in eine eindeutige Richtung erkennen; unabhängig davon, dass deren Entwicklung nicht mit der eines but-for-Preises deckungsgleich sein müsste.
3.
Ohne Erfolg beruft sich die Klägerin zudem auf einen Bereicherungsanspruch gem. § 812 Abs. 1 S. 1 BGB. Da – wie ausgeführt – der von der Klägerin gezahlte Preis nicht über dem hypothetischen Marktpreis lag, fehlt es an einer Bereicherung.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit fußt auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor. Die Entscheidung fußt auf der Anwendung anerkannter Rechtsgrundsätze auf den Einzelfall.