OLG Frankfurt a.M.: Die Bezeichnung „Transe“ führt zu Untelassungsanspruch / 2024

veröffentlicht am 9. September 2024

OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 11.07.2024, Az. 16 U 92/23
§ 1004 Abs. 1 S. 2 BGB, § 823 Abs. 1 BGB, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 1 Abs. 1 GG

Das OLG Frankfurt a.M. hat entschieden, dass die Bezeichnung „Transe“ eine ausschließlich abwertende Bedeutung mit diskriminierendem Verletzungsgehalt zukomme. Ob die bloße Verwendung des Wortes „Transe“ einen Angriff auf die Menschenwürde beinhalte oder eine Formalbeleidigung im verfassungsrechtlichen Sinne darstelle, könne offenbleiben, da der Verfügungsklägerin auch unter Abwägung der widerstreitenden Grundrechtspositionen der von ihr verfolgte Unterlassungsanspruch zustehe. Der Verfügungsbeklagte hatte in einem Blog-Beitrag geschrieben: „Totalitär tickende Transe zieht den Schwanz ein“ Zum Volltext der Entscheidung:

Oberlandesgericht Frankfurt a.M.

Urteil

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Verfügungsbeklagte zu tragen.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 10.000 Euro festgesetzt.
Gründe

I.

Die Parteien streiten im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes über die teilweise Untersagung eines Blog-Beitrags.

1. Wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstands und der dort gestellten Anträge wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil (Bl. 237 ff. dA/LG) Bezug genommen. Sie werden dahingehend ergänzt, dass die Verfügungsklägerin den Beschluss vom 14.4.2023 nebst Antragsschrift sowie der im Beschluss genannten vier Anlagen dem Prozessbevollmächtigten des Verfügungsbeklagten am 20.4.2023 (Bl. 14 dA mit Anl. BK 1, Bl. 48 dA) vorab sowie am 24.4.2023 gegen elektronisches Empfangsbekenntnis übermittelte (Bl. 203 dA/LG), woraufhin dieser durch Schreiben vom 24.4.2023 mitteilte, die mit „Schreiben vom 20.04.2023 zugestellte Beschlussverfügung“ erhalten zu haben, jedoch keine Abschlusserklärung abzugeben (Bl. 318 dA). Am 22.5.2023 richtete die Antragstellerin ergänzend einen auf diese Dokumente bezogenen Vollstreckungsauftrag an die Gerichtsvollzieherverteilerstelle des Amtsgerichts Stadt1 (Bl. 14 dA mit Anl. BK 2, Bl. 90 dA), der am 23.5.2023 durch den Gerichtsvollzieher ausgeführt wurde.

2. Das Landgericht hat durch Beschluss vom 14.4.2023 (Bl. 64 dA/LG) dem Verfügungsbeklagten die angegriffene Äußerung untersagt und auf dessen Widerspruch vom 20.4.2023 (Bl. 79 dA/LG) seine Entscheidung durch angegriffenes Urteil vom 6.7.2023 (Bl. 237 dA/LG) bestätigt.

a) Der Verfügungsantrag sei zulässig (Bl. 239 f. dA/LG), insbesondere das Landgericht örtlich zuständig und der Antrag auch nicht zu unbestimmt, da die Verfügungsklägerin die Titelzeile „Totalitär tickende Transe zieht den Schwanz ein“ insgesamt angreife.

b) Der Antrag sei auch begründet, da der Verfügungsklägerin ein Unterlassungsanspruch gegen den Verfügungsbeklagten aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog, § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG zustehe. Bei der Äußerung handele es sich um eine Meinungsäußerung (Bl. 240 dA), die wegen ihres Bezugs zu den vorausgegangenen rechtlichen Auseinandersetzungen der Parteien zwar noch nicht die Grenze zur Schmähkritik überschreite (Bl. 241 dA). In der deshalb gebotenen Gesamtabwägung überwiege aber das Persönlichkeitsrecht der Verfügungsklägerin. Der Begriff „Transe“ sei bereits für sich genommen abwertend (Bl. 242 f. dA) und werde im Streitfall durch die Worte „zieht den Schwanz ein“ durch einen plastischen, geschlechtsbezogenen Aspekt verstärkt. Dieser stelle unmissverständlich eine Assoziation mit dem männlichen Geschlechtsteil her und mache die Verfügungsklägerin angesichts des Umstands, dass sie die Entfernung ihres selbigen öffentlich gemacht habe, zusätzlich verächtlich (Bl. 243 f. dA). Gegenüber dem Anlass der Kritik stehe diese Stimmungsmache gegen die Verfügungsklägerin in nicht mehr von der Wahrnehmung berechtigter Interessen gedeckter Weise klar im Vordergrund. Ob die Überschrift als Satire einzustufen sei, könne dahinstehen, da es sich jedenfalls nicht um Kunst im Sinne von Art. 5 Abs. 3 GG handele (Bl. 244 dA).

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung (Bl. 237 dA/LG) Bezug genommen.

3. Gegen das ihm am 10.7.2023 (Bl. 251 dA) zugestellte Urteil hat der Verfügungsbeklagte am 3.8.2023 Berufung eingelegt (Bl. 255, 253 dA) und diese durch am 27.9.2023 eingegangenen Schriftsatz (Bl. 380, 277 dA) binnen verlängerter Frist (Bl. 263 dA) begründet.

a) Der Verfügungsbeklagte meint, dass die einstweilige Verfügung schon mangels rechtzeitiger Vollziehung aufzuheben sei. Die seinem Prozessbevollmächtigten am 20.4.2024 zugestellten Dokumente (Bl. 48 ff. dA) seien ohne Transfervermerk, Name und qualifizierte elektronische Signatur eingegangen (Bl. 14 dA), die am 23.5.2023 durch den Gerichtsvollzieher bewirkte Zustellung der Beschlussverfügung außerhalb der Monatsfrist erfolgt und ebenfalls unwirksam. Da der Beschluss vom 14.4.2023 die Antragsschrift und vier Anlagen zu seiner Grundlage mache, seien auch diese zuzustellen gewesen. Tatsächlich finde sich ein Beglaubigungsvermerk jedoch lediglich – und nur möglicherweise, da nicht lesbar – auf der Antragsschrift und auf dem Prüfvermerk vom 12.4.2023, und seien Antragsschrift und Anlagen zudem nicht untrennbar fest verbunden gewesen (Bl. 14 f. dA).

b) Zu Unrecht habe das Landgericht die Verfügungsklägerin auch nicht als säumig behandelt, obwohl sie mit ihrem Prozessbevollmächtigten entgegen § 128a ZPO lediglich im Wege der Tonübertragung zugeschaltet gewesen sei (Bl. 16 dA).

c) Der Verfügungsantrag selbst sei bereits unzulässig. Da der Fall keinerlei Bezug zu Frankfurt am Main habe, habe keine örtliche Zuständigkeit bestanden (Bl. 18 dA), die das Landgericht aber willkürlich angenommen habe (Bl. 276 dA). Zudem sei daran festzuhalten, dass der Antrag zu unbestimmt sei (Bl. 22 dA).

d) Es bestehe aber auch kein Verfügungsanspruch.

aa) Dies folge bereits daraus, dass die Verfügungsklägerin zuvor durch Schreiben vom 1.3.2023 (Bl. 120 dA/LG) auf Ansprüche gegenüber der Äußerung „totalitär tickende Trans-Furie“ verzichtet habe und die Geltendmachung von Ansprüchen gegenüber den Elementen „totalitär tickend“ und „Transe“ daher rechtsmissbräuchlich sei (Bl. 26 dA).

bb) Das Landgericht habe für die Gesamtabwägung aber auch den Aussagegehalt der angegriffenen Äußerung fehlerhaft ermittelt (Bl. 27 dA). Eine Vielzahl von Menschen wisse gar nicht, was ein Unterschied zwischen „Trans“ und „Transe“ sei, sondern werte sie gleichwertig. Die Wahl einer überspitzen Überschrift lasse zudem nicht auf eine Absicht der Verunglimpfung schließen (Bl. 30 dA). Die Formulierung „zieht den Schwanz ein“ sei eine klassische Redewendung, die offenkundig keinerlei sexuelle Intention habe. Auch, wenn die Verfügungsklägerin gerne jeden darüber informiere, dass sie ihr männliches Geschlechtsteil operativ habe entfernen lassen, sei es der großen Mehrheit und damit dem objektiven und unvoreingenommenen Erklärungsempfänger schlichtweg egal, ob sie Geschlechtsteile habe und falls ja welche (Bl. 31 dA). Insoweit handele es sich auch nicht um eine mehrdeutige Aussage, sondern habe der Verfügungsbeklagte seiner Äußerung einen eindeutigen Inhalt gegeben, dass mit „zieht den Schwanz ein“ keinerlei Geschlechtsteile gemeint seien (Bl. 35 dA).

cc) Das Landgericht berücksichtige zudem nicht, dass die beanstandete Äußerung nur die Sozialsphäre der Verfügungsklägerin berühre, nicht deren Privat- oder Intimsphäre. Hierauf bezogene Äußerungen dürften aber nur im Falle schwerwiegender Auswirkungen auf das Persönlichkeitsrecht mit negativen Sanktionen belegt werden, etwa, wenn eine Stigmatisierung, soziale Ausgrenzung

oder Prangerwirkung zu besorgen seien (Bl. 38 dA). Das sei hier nicht der Fall, so dass eine Vermutung für die freie Rede spreche. Angesichts der umfangreichen, auch öffentlichen Angriffe der Verfügungsklägerin auf den Verfügungsbeklagten habe diesem ein Recht zum publizistischen Gegenschlag zugestanden (Bl. 42 dA).

e) Auch ein Verfügungsgrund sei nicht gegeben. Soweit die Verfügungsklägerin am 13.2.2023 bereits das Unterlassen der Äußerung „totalitär tickende Trans-Furie“ gefordert habe, habe sie bis zur Beantragung einer einstweiligen Verfügung gegen die kerngleiche Äußerung „Totalitär tickende Transe“ mehr als acht Wochen verstreichen lassen, womit eine Dringlichkeitsvermutung ausscheide (Bl. 25 dA).

II.

Die Berufung bleibt erfolglos.

A. Die angefochtene Entscheidung ist nicht schon deshalb aufzuheben, weil die Verfügungsklägerin die Vollziehungsfrist nach §§ 936, 929 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht gewahrt hätte.

Ob die seitens des Verfügungsbeklagten hierbei behaupteten Mängel der zunächst elektronisch bewirkten Zustellung vorliegen, kann offenbleiben. Da die Vorschrift des § 189 ZPO nach zutreffender Auffassung auch auf die Vollziehungsfrist des § 929 Abs. 2 Satz 1 ZPO anzuwenden ist, gilt die Entscheidung über eine einstweilige Verfügung, deren formgerechte Zustellung sich nicht nachweisen lässt oder die gar unter Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften zugegangen ist, in dem Zeitpunkt als zugestellt, in der sie der Person, an die die Zustellung dem Gesetz gemäß gerichtet war oder gerichtet werden konnte, tatsächlich – auch in nicht beglaubigter Fassung – zugegangen ist (vgl. BGH, Urt. v. 21.2.2019 – III ZR 115/18 -, Rn. 14; v. 22.12.2015 – VI ZR 79/15 -, Rn. 19 ff.). Das ist hier aber bereits am 20.4.2023 geschehen wie neuerlich am 24.4.2023 und damit weit vor Ablauf der erst am 22.5.2023 endenden Vollziehungsfrist. In Widerspruch zu seinem jetzigen Vorbringen hatte der Antragsgegner zudem eine Zustellung durch Schreiben vom 24.4.2023 noch selbst eingeräumt.

B. Die Berufung war aber auch im Übrigen zurückzuweisen.

1. Ohne Erfolg wendet sich der Verfügungsbeklagte zunächst gegen die Zulässigkeit des Verfügungsantrags.

a) Darauf, dass das Landgericht seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen habe, kann die Berufung gemäß § 513 Abs. 2 ZPO schon nicht gestützt werden; fehl geht aber auch die hierzu aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG erhobene Willkürrüge des Verfügungsbeklagten. Dass gegen den von ihm monierten „fliegenden Gerichtsstand“ immer wieder kritische Stimmen in Literatur wie Rechtsprechung laut werden, mag ihn in Zweifel ziehen, macht den gegenteiligen Standpunkt aber nicht willkürlich.

b) Soweit der Verfügungsbeklagte den Antrag als unbestimmt rügt, übersieht er, dass die Weite der begehrten Untersagung im Streitfall nicht zweifelhaft ist. Ein Antrag, der seiner Formulierung nach klar ist, unterliegt aber keinen Einwänden gegen seine Bestimmtheit, sondern allenfalls – soweit er Fälle umfasst, deren Verbot nicht verlangen werden kann – gegen seine sachliche Berechtigung (vgl. BGH, Urt. v. 9.3.2021 – VI ZR 73/20 -, Rn. 16).

c) Die Rüge einer Säumnis geht schon deshalb ins Leere, da sich die Parteivertreter ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 22.6.2023 (Bl. 227 dA/LG) damit einverstanden erklärt hatten, dass die Verfügungsklägerin und ihr Prozessbevollmächtigter lediglich im Wege der Tonübertragung teilnehmen, und eine hierauf gestützte Verletzung von § 128a Abs. 1 Satz 2 ZPO daher gemäß § 295 Abs. 1 ZPO schon nicht mehr gerügt werden kann.

2. Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht auch einen Verfügungsanspruch bejaht, der für die Verfügungsklägerin aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog, § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG folgt.

a) Zutreffend und von der Berufung unangegriffen hat das Landgericht die beanstandete Äußerung als Meinungsäußerung eingeordnet, also als Äußerung, die durch Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens und Meinens geprägt ist, und die diesen Charakter im Streitfall auch nicht dadurch verliert (vgl. BVerfG, Beschl. v. 11.4.2024 – 1 BvR 2290/23 -, Rn. 38), dass die Worte „zieht den Schwanz ein“ im Gesamtkontext des Beitrags zugleich eine Umschreibung der (wahren) Tatsache beinhalten, dass die Verfügungsklägerin auf Ansprüche gegen vormals von ihr abgemahnte Äußerungen verzichtet hat.

b) In ihrem Verletzungsgehalt hat das Landgericht die angegriffene Äußerung zu Recht nicht als Schmähkritik im verfassungsrechtlichen Sinne eingeordnet, also als eine solche, die eine Abwägung der widerstreitenden Grundrechtspositionen entbehrlich macht (vgl. BVerfG, Beschl. v. 24.11.2023 – 1 BvR 1962/23 -, Rn. 5). Soweit es ausführt, die Herabwürdigung der Verfügungsklägerin stehe „klar im Vordergrund“ (Bl. 244 dA), wählt es zwar eine missverständliche Formulierung, da sich gerade Fälle von Schmähkritik nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dadurch kennzeichnen, dass bei einer Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Herabsetzung der Person im Vordergrund steht (vgl. BVerfG, Beschl. v. 9.11.2022 – 1 BvR 523/21 -, Rn. 25). Damit fasst das Landgericht seine Ausführungen ersichtlich aber nur zusammen, die insgesamt in eine Abwägung zwischen der durch Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützten Meinungsfreiheit des Verfügungsbeklagten und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Verfügungsklägerin aus Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG eingebettet bleiben und damit gerade nicht die Konsequenz aus dem Vorliegen von Schmähkritik im verfassungsrechtlichen Sinne ziehen, von einer Abwägung abzusehen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 11. April 2024 – 1 BvR 2290/23 -, Rn. 32; v. 24.11.2023 – 1 BvR 1962/23 -, Rn. 5).

c) Nicht auseinandergesetzt hat sich das Landgericht zwar mit der Frage, ob die bloße Verwendung des Wortes „Transe“ einen Angriff auf die Menschenwürde beinhaltet oder eine Formalbeleidigung im verfassungsrechtlichen Sinne darstellt. Nicht aufgeworfen hat es daher auch die Frage, inwiefern der in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts heute herausgebildete Begriff einer – anders als vormals (vgl. BVerfGE 82, 43 <51>, juris Rn. 29) – abwägungsfreien Schmähkritik im verfassungsrechtlichen Sinne überhaupt noch Raum dafür belässt, einem Angriff auf die nach Art. 1 Abs. 1 GG geschützte Menschenwürde unterscheidbar vorgelagert zu sein, und welchen Anwendungsbereich ein (notwendig kontextgebundenes) Vorliegen von Schmähkritik umgekehrt der Formalbeleidigung belassen kann, wenn diese weder mit Schmähkritik identisch sein soll noch notwendig – etwa kontextunabhängig und in diesem Sinne „formal“ allein an der verwendeten Ausdrucksweise im Sinne „absolut“ tabuisierter Schimpfwörter ansetzend (vgl. BVerfG, Beschl. v. 16.10.2020 – 1 BvR 1024/19 -, Rn. 24) – mit einer Verletzung von Art. 1 Abs. 1 GG. Das ist im Streitfall aber unschädlich, da das Landgericht im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen ist, dass der Verfügungsklägerin auch unter Abwägung der widerstreitenden Grundrechtspositionen der von ihr verfolgte Unterlassungsanspruch zusteht.

aa) Ihrem Gesamtkontext nach fasst der Verfügungsbeklagte mit der Überschrift „Totalitär tickende Transe zieht den Schwanz ein“ einzelne Inhalte seines Beitrags zusammen, indem er mit den Worten „zieht den Schwanz ein“ den Verzicht der Verfügungsklägerin auf Unterlassungsansprüche zum Ausdruck bringt, sie mit dem Wort „Transe“ als transsexuelle Person kennzeichnet und mit der Zuschreibung „totalitär tickend“ ihr von dem Verfügungsbeklagten beanstandetes rechtliches Vorgehen bewertet. Diese Charakterisierung der Verfügungsklägerin versteht der Durchschnittsleser schon aufgrund ihrer Verdreifachung, erst recht jedoch in ihrer Kombination als gezielte Herabsetzung. Ob der Verfügungsbeklagte dies, wie er in der Berufungsverhandlung vorbringen ließ, mit seiner Äußerung gar nicht beabsichtigte, ist unerheblich. Denn für die Deutung maßgeblich ist weder die subjektive Absicht des sich Äußernden noch das subjektive Verständnis der von der Äußerung Betroffenen, sondern der Sinn, den sie nach dem Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Durchschnittspublikums hat (vgl. BVerfGE 114, 339 <348, juris Rn. 31>).

(1) Den entscheidenden Bezugspunkt dieses Verletzungsgehalts bildet dabei das in der Überschrift als Subjekt gebrauchte Wort „Transe“, da es – anders als die Wendungen „totalitär tickend“ und „zieht den Schwanz ein“ – in beleidigungsfreien Kontexten für das Publikum nicht vorstellbar ist. Anders als der Verfügungsbeklagte meint, ist dem Durchschnittsrezipienten insbesondere eine Gleichsetzung der Worte „Transe“ und „Trans“ fremd. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch wird das Wort „Trans“ vielmehr schon gar nicht als Substantiv gebraucht, sondern als indeklinables Adjektiv „trans“ und damit lediglich als Kurzform bzw. als Vorsilbe von Wörtern wie „transsexuell“ oder „transgender“, die dafür stehen, sich nicht mit dem bei Geburt zugewiesenen Geschlecht zu identifizieren bzw. eine binäre Auffassung von Geschlecht abzulehnen (vgl. https://www.duden.de/rechtschreibung/transgender bzw. https://www.duden.de/rechtschreibung/transsexuell, jeweils zuletzt abgerufen am 11.7.2024). Entsprechend ist das Wort „trans“ auch in Substantiven lediglich in seiner Eigenschaft als Adjektiv enthalten, also etwa in Wörtern wie „Trans-Frau“, „Trans-Mann“, „Trans-Person“, „Transsexueller“, „Transsexuelle“ oder „Transgender“. Demgegenüber kommt dem Wort „Transe“ ausschließlich eine abwertende Bedeutung zu (vgl. https://www.duden.de/rechtschreibung/Transe, zuletzt abgerufen am 11.7.2024), deren diskriminierenden Verletzungsgehalt das Landgericht nach dem allgemeinen Sprachgebrauch zu Recht auf eine Stufe mit dem Schimpfwort „Schwuchtel“ gestellt hat.

(2) Durch den Bezugspunkt „Transe“ erhält sodann auch die für sich genommen nicht zwangsläufig beleidigende nachgestellte Wendung „zieht den Schwanz ein“ für den Durchschnittsleser eine notwendig sexuelle Konnotation, die gerade im Zusammenhang mit einer als „Transfrau“ bezeichneten Person in besonderem Maße herabsetzend ausfällt. Denn soweit eine „Transfrau“ aus der Sicht des Durchschnittspublikums ihr bei Geburt zugewiesenes männliches Geschlecht und damit auch ihr männliches Geschlechtsteil ablehnt – während der Umstand, dass die Verfügungsklägerin ihr männliches Geschlechtsteil operativ hat entfernen lassen, ein kontextfremder Umstand ist, den der Durchschnittsleser zwar für möglich erachtet, dem Beitrag aber weder sicher entnehmen kann noch sonst sicher kennt -, gewinnt die Formulierung „zieht den Schwanz ein“ eine besonders verhöhnende Qualität. Denn aufgrund ihres Bezugs zu dem Wort „Transe“ bringt diese Wendung nicht lediglich in einem übertragenen Sinne den Verzicht der Verfügungsklägerin auf Unterlassungsansprüche zum Ausdruck. Soweit das Durchschnittspublikum auch ohne sichere Kenntnis zumindest die Möglichkeit in Betracht zieht, dass die Verfügungsklägerin als „Transfrau“ ihr männliches Geschlechtsteil hat entfernen lassen, zieht sie die Formulierung „zieht den Schwanz ein“ im Sinne eines Sprachspiels vielmehr in menschenverachtender Weise ins Lächerliche, da nichts eingezogen werden kann, was nicht vorhanden ist.

(3) Diese ohnehin bereits drastische Herabsetzung wird durch die Formulierung „Totalitär tickend“ ein weiteres Mal verschärft. Denn sie erschöpft sich nicht in einer Bewertung der rechtlichen Vorgehensweise der Verfügungsklägerin als „totalitär“, sondern verstärkt als adverbiale Bestimmung des Substantivs „Transe“ zugleich den an dieses anknüpfenden Aussageteil „Transe zieht den Schwanz ein“ und damit notwendig nicht nur dessen sachlichen Kern – eines Anspruchsverzichts -, sondern auch die hiervon nach dem Vorstehenden ausgehende, sexuell konnotierte und die Verfügungsklägerin ins Lächerliche ziehende Herabwürdigung ihrer Person.

bb) Abweichend zu bestimmen ist dieser Aussagegehalt auch nicht, weil es sich bei der angegriffenen Äußerung um eine satirische Wendung handelte.

(1) Allerdings kann die Einstufung als Satire nicht mit der durch das Landgericht gegebenen Begründung offenbleiben, dass es sich bei der angegriffenen Äußerung jedenfalls nicht um Kunst im Sinne des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG handele. Richtig ist zwar, dass Satire nicht notwendig Kunst ist (vgl. BVerfGE 86, 1 <9>, juris Rn. 32). Bei erkennbar satirisch oder auch nur ironisch gemeinten Aussagen sind aber der von dem Äußernden in Wahrheit gemeinte Kern der Äußerung und die zu seiner Vermittlung verwendete sprachliche Einkleidung gesondert auf einen möglichen persönlichkeitsverletzenden Inhalt zu untersuchen. Den Stilmitteln der Satire oder Ironie ist ein Element der Verzerrung und Verfremdung wesenseigen. An die Beurteilung der Einkleidung sind deshalb weniger strenge Maßstäbe als an die Bewertung des Aussagekerns anzulegen. Dies gilt nicht nur dort, wo die satirischen Elemente die zu beurteilende Aussage in den Rang eines durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG geschützten Kunstwerks erheben. Die Anforderungen an die zutreffende Sinnermittlung einer aufgrund ihrer sprachlichen Einkleidung erkennbar nicht buchstäblich gemeinten Aussage sind auch bei allein unter Art. 5 Abs. 1 GG fallenden Meinungskundgaben zu beachten (vgl. BVerfG, Beschl. v. 19.10.2006 – 1 BvR 361/00 -, Rn. 14).

(2) Dies zugrunde gelegt, enthält die angegriffene Äußerung indes weder Signale, die auf Ironie hindeuten, noch solche, die sie gar als Satire erscheinen ließen. Die Überschrift „Totalitär tickende Transe zieht den Schwanz ein“ ist von ihrem eigentlichen Aussagekern – zusammenfassend einen Bericht über den Anspruchsverzicht der Verfügungsklägerin anzukündigen, die mit ihrer Rechtsverfolgung nach Dafürhalten des Verfügungsbeklagten überzieht („lässt […] keine Gelegenheit mehr aus“, „regelrechte[r] Abmahnfeldzug“, „‚trans‘-silvanische[r] Kreuzzug“, Bl. 57 f. dA) – aus der Sicht des Durchschnittslesers nicht verschieden, sondern, allein in verhöhnende Worte gekleidet, identisch, so dass für eine Unterscheidung von Aussagekern und Einkleidung gar kein Raum verbleibt. Erst recht wird dem Verfügungsbeklagten mit dem oben ermittelten Aussagegehalt der angegriffenen Überschrift daher auch nicht – worauf das Gebot einer zweistufigen Sinnermittlung entscheidend abzielt (vgl. BVerfGE 86, 1 <9>, juris Rn. 32) – ein Erklärungsgehalt untergeschoben, den er seiner Erklärung erkennbar nicht beilegen wollte oder vermeintlich klargestellt hätte.

cc) Liegt keine der oben genannten Ausnahmekonstellationen für das Absehen von einer Abwägung vor, begründet dies bei Äußerungen, mit denen Personen in ihrer Ehre herabgesetzt werden, entgegen dem Standpunkt des Verfügungsbeklagten kein Indiz für einen Vorrang der Meinungsfreiheit. Voraussetzung einer Sanktion ist dann allerdings eine grundrechtlich angeleitete Abwägung, die sich mit den konkreten Umständen des Falles und der Situation auseinandersetzt, in der die Äußerung erfolgte. Zu den hierbei zu berücksichtigenden Umständen können insbesondere Inhalt, Form, Anlass und Wirkung der betreffenden Äußerung sowie Person und Anzahl der Äußernden, der Betroffenen und der Rezipienten gehören (vgl. BVerfG, Beschl. v. 16.10.2020 – 1 BvR 1024/19 -, Rn. 16 f.).

(1) Dies zugrunde gelegt, hat das Landgericht ein Überwiegen der Meinungsfreiheit des Verfügungsbeklagten gegenüber dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Verfügungsklägerin zu Recht verneint, und zwar auch unter ergänzender Berücksichtigung des Umstands, dass die Äußerung wenn auch nicht innerhalb, so doch im weiteren Kontext einer gerichtlichen Auseinandersetzung gefallen ist, und dass es in einem solchen Kontext unter dem Gesichtspunkt des sogenannten „Kampfs um das Recht“ grundsätzlich erlaubt ist, auch besonders starke und eindringliche Ausdrücke zu benutzen, um Rechtspositionen und Anliegen zu unterstreichen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 24.11.2023 – 1 BvR 1962/23 -, Rn. 6). Mit dem Begriff „Transe“ verwendet die angegriffene Äußerung indes ein Schimpfwort, das wenn nicht gar absolut tabuisiert, so doch in hohem Maße verletzend und diskriminierend ist, und mit dem der Verfügungsbeklagte – zusätzlich verstärkt durch die Charakterisierung „Totalitär tickend“ – seiner nachgestellten Wendung „zieht den Schwanz ein“ zudem eine sexuelle Konnotation beilegt, die die Verfügungsklägerin als transsexuelle Person der Lächerlichkeit preisgibt. Eine derart menschenverachtende Herabwürdigung ist auch vor dem Hintergrund einer rechtlichen Auseinandersetzung nicht zu rechtfertigen, sondern trägt die Züge einer öffentlich ausgetragenen Privatfehde, deren sachlicher Kontext – wie das Landgericht zutreffend ausführt – weitgehend in den Hintergrund rückt und damit in gleicher Weise ein etwaig durch den Verfügungsbeklagte verfolgtes öffentliches Informationsinteresse. Der grundrechtliche Schutz der Meinungsfreiheit als unmittelbarer Ausdruck der Persönlichkeit impliziert zwar die rechtliche Anerkennung menschlicher Subjektivität und damit zugleich von Emotionalität und Erregbarkeit, dies jedoch nur in den Grenzen zumutbarer Selbstbeherrschung. Auch diese sind im Streitfall jedoch angesichts des Umstands, dass es sich nicht um das gesprochene Wort, sondern einen bewusst formulierten Beitrag handelt, überschritten. Das gilt erst recht, soweit zusätzlich das gewählte Medium zu berücksichtigen ist und damit für den Streitfall, dass der Beitrag im Internet veröffentlich wurde, wo er auf potentiell unbeherrschbare Weise einem potentiell unbegrenzten Personenkreis zugänglich ist (vgl. BVerfG, Beschl. v. 16.10.2020 – 1 BvR 1024/19 -, Rn. 20 f.; v. 19.5.2020 – 1 BvR 2397/19 -, Rn. 33; v. 21.3.2022 – 1 BvR 2650/19 -, Rn. 15).

(2) Eine etwaiges (kommunal-) politisches Engagement der Verfügungsklägerin rechtfertigt keine abweichende Entscheidung. Denn selbst ein solches unterstellt, bleiben die Gesichtspunkte der Machtkritik und der Veranlassung durch vorherige eigene Wortmeldungen im Rahmen der öffentlichen Debatte auch dann in eine Abwägung eingebunden und erlauben nicht jede auch ins Persönliche gehende Beschimpfung von Amtsträgerinnen und Amtsträgern oder Politikerinnen und Politikern. Gegenüber einer auf die Person abzielenden, insbesondere öffentlichen Verächtlichmachung oder Hetze setzt die Verfassung allen Personen gegenüber äußerungsrechtliche Grenzen und nimmt hiervon Personen des öffentlichen Lebens und Amtsträgerinnen und Amtsträger nicht aus (vgl. BVerfG, Beschl. v. 19.12.2021 – 1 BvR 1073/20 -, Rn. 34).

d) Anders als der Verfügungsbeklagte meint, steht der Geltendmachung des danach zu bejahenden Unterlassungsanspruchs der Verfügungsklägerin auch nicht entgegen, dass diese auf Ansprüche gegenüber der Äußerung „Totalitär tickende Trans-Furie“ verzichtet hat.

aa) Allerdings greift ein auf die konkrete Verletzungsform beschränktes Unterlassungsgebot nicht nur dann, wenn eine Äußerung wortgleich wiederholt wird, sondern auch dann, wenn die darin enthaltenen Mitteilungen sinngemäß ganz oder teilweise Gegenstand einer erneuten Äußerung sind (vgl. BGH, Urt. v. 24.7.2018 – VI ZR 330/17 -, Rn. 44, sowie, im Zusammenhang mit einer Bildberichterstattung, BGH, Urt. v. 7.5.2024 – VI ZR 307/22 -, Rn. 21), was entsprechende Geltung auch umgekehrt beanspruchen muss, wenn die Reichweite eines Verzichts auf Ansprüche aus einer konkreten Verletzungsform im Streit steht.

bb) Mit der Verletzungsform „totalitär tickende Trans-Furie“ ist die Verletzungsform „Totalitär tickende Transe zieht den Schwanz ein“ aber nicht nur aufgrund ihres Zusatzes „zieht den Schwanz ein“ nicht – auch nur ihrem Sinn gemäß – identisch, sondern auch deshalb, weil die Worte „Trans“ und „Transe“ aus den dargelegten Gründen für das Durchschnittspublikum einen völlig unterschiedlichen Bedeutungsgehalt besitzen, der nur bei dem Wort „Transe“ von vornherein herabsetzend ist. Der Standpunkt des Verfügungsbeklagten liefe demgegenüber auf ein vermeintliches Recht hinaus, trotz des erheblich divergierenden Verletzungsgehalts beider Worte die Verfügungsklägerin künftig in jedem Zusammenhang sowohl als „Trans“ wie auch als „Transe“ bezeichnen zu dürfen. Das verfehlt sowohl die fehlende Kerngleichheit beider Verletzungsformen wie die hieraus abzuleitende Reichweite eines Anspruchsverzichts grundlegend.

3. Zu Recht bejaht hat das Landgericht schließlich auch einen Verfügungsgrund, da zu besorgen ist, dass durch eine Wiederholung der angegriffenen Äußerung die Verwirklichung der Rechte der Verfügungsklägerin vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (§ 935 ZPO).

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist davon auszugehen, dass das Äußerungsrecht grundsätzlich von dem Erfordernis einer schnellen Reaktion geprägt ist, wenn es darum geht, gegen eine möglicherweise rechtswidrige Äußerung vorzugehen. Angesichts der durch das Internet, ständig aktualisierte Online-Angebote und die sozialen Medien noch beschleunigten Möglichkeit der Weiterverbreitung von Informationen kann es sogar verfassungsrechtlich im Interesse effektiven Rechtsschutzes geboten sein, Unterlassungsansprüchen in unmittelbarer zeitlicher Nähe zur Berichterstattung zur Geltung zu verhelfen und – auf Verfahrensebene – bei darüber hinaus gesteigerter Dringlichkeit zudem von einer mündlichen Verhandlung über entsprechende Anträge abzusehen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 12.3. 2024 – 1 BvR 605/24 -, Rn. 16).

b) Ein dringlichkeitsschädliches Verhalten, mit dem die Verfügungsklägerin einen Verfügungsgrund selbst widerlegt hätte, ist demgegenüber nicht ersichtlich. Insbesondere betrug der Zeitraum zwischen der Veröffentlichung des angegriffenen Blog-Beitrags und der Einreichung des Verfügungsantrags gerade einmal vier Wochen und liegt damit unterhalb selbst etwaiger insoweit maßgeblicher Regelfristen (diesen gegenüber kritisch BVerfG, Beschl. v. 15.6.2023 – 1 BvR 1011/23 -, Rn. 34). Auf den Zeitpunkt der Abmahnung der Äußerung „totalitär tickende Trans-Furie“ kommt es hingegen mangels Kerngleichheit auch unter dem Gesichtspunkt der Dringlichkeit nicht an.

III.

Der Streitwert war – unter Berücksichtigung der insoweit leitenden Gesichtspunkte (vgl. OLG Frankfurt, Beschl. v. 2. Juni 2023 – 16 W 27/23 -, Rn. 21) – gemäß § 53 Abs. 1 Nr. 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO auf 10.000 Euro festzusetzen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.

I