OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 08.07.2024, Az. 1 Ws 171/23, 1 Ws 174/23, 1 Ws 175/23, 1 Ws 176/23, 1 Ws 177/23
§ 86a StGB, § 130 StGB, § 184a StGB
Das OLG Frankfurt a.M. hat entschieden, dass das Verbreiten verbotener Inhalte im Sinne von § 130 Abs. 2 StGB nur dann vorliegt, wenn davon auszugehen ist, dass ein Empfänger den Inhalt an eine größere, nicht mehr zu kontrollierende Personengruppe weiterleitet und der Versender dies zumindest billigend in Kauf nimmt. Zum Volltext der Entscheidung:
Oberlandesgericht Frankfurt a.M.
Beschluss
..
Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluss der 6. großen Strafkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 13.02.2023 wird verworfen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dadurch den Angeschuldigten entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.
Gründe
I.
Mit der Anklageschrift vom 16. Januar 2022 legt die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main den Angeschuldigten im Wesentlichen zur Last, in der Zeit vom 11. Oktober 2014 bis 25. Oktober.2018 in verschiedenen Chatgruppen Bild- und Videodateien mit verbotenen Inhalten verbreitet zu haben (Taten Ziff. 1-99). Hierbei handelt es sich überwiegend um Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen sowie volksverhetzende Inhalte, in untergeordnetem Umfang um Gewaltdarstellungen, die Beschimpfung von Bekenntnissen sowie Tierpornographie. Zudem wird dem Angeschuldigten E vorgeworfen, kinder- und jugendpornographische Bilder besessen zu haben (Taten Ziff. 100-102).
Die Angeschuldigten A, B, C, D und E waren im Tatzeitraum als Polizeibeamte auf dem … Revier in Stadt1 in der … Dienstgruppe tätig. Die Angeschuldigte F ist die Lebensgefährtin des Angeschuldigten C. Anlass für die Ermittlungen bildete das Verfahren der Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main mit dem Az.: …. Dieses wurde nach Bekanntwerden, dass an einem Dienstrechner des … Reviers mit der Zugangskennung der Angeschuldigten B die Anschrift einer in Stadt1 praktizierenden Rechtsanwältin abgefragt worden war, eingeleitet. Die Abfrage war am XX.XX.2018 erfolgt, rund eineinhalb Stunden bevor die Anwältin ein Fax mit Drohinhalt des sogenannten NSU 2.0 erhielt. Bei der Auswertung des in der Folge sichergestellten Mobiltelefons der Angeschuldigten B wurde der Austausch von Bild- und Videodateien der Angeschuldigten in der Chatgruppe „G“ bekannt. In diesem wurden in der Zeit von Oktober 2015 bis Oktober 2016 insgesamt 1619 Nachrichten ausgetauscht. Die Auswertung weiterer Mobiltelefone und Rechner führte zu der Entdeckung der weiteren verfahrensgegenständlichen Chatinhalte, aufgrund derer die Anklage dem Angeschuldigten D 39, dem Angeschuldigten C 24, dem Angeschuldigten E 15 (tatsächlich wohl nur 14, da sich Fall 57 auf den Mitangeschuldigten C bezieht), der Angeschuldigten F 11, dem Angeschuldigten A 8 und der Angeschuldigten B 2 Fälle des Verbreitens o.g. Inhalte vorwirft. Die Bild- und Videodateien wurden von den Angeschuldigten in sieben verschiedene Chatgruppen des Messenger-Dienstes WhatsApp eingestellt. Von den 99 zur Anklage gebrachten Taten sind 69 Taten in der Chatgruppe „G“ begangen. Die übrigen Taten verteilen sich auf die Chatgruppen „I1“ später M ist mein Humor“ (3 Taten) sowie „N“ (1 Tat).
Mit Beschluss vom 13. Februar 2023 hat die 6. große Strafkammer des Landgerichts Frankfurt am Main die Eröffnung des Hauptverfahrens im Hinblick auf die angeklagten Taten Ziff. 1-99 aus rechtlichen und im Übrigen aus tatsächlichen Gründen abgelehnt. Zur Begründung hat das Landgericht angeführt, dass das den Straftaten Ziff. 1-99 gemeinsame Tatbestandsmerkmal des Verbreitens bei der Versendung von Nachrichten in geschlossenen Chatgruppen ohne Hinzutreten von Umständen, die darauf hindeuten, dass eine Weiterverbreitung der Inhalte über die Chatgruppe hinaus angenommen werden kann, nicht erfüllt sei. Solche Umstände lägen nicht vor. Es sei nicht ersichtlich, dass die Angeschuldigten mit der Weitergabe der Inhalte durch die Empfänger in den Chatgruppen rechneten oder dies gar beabsichtigten. Eine Weiterleitung sei auch nicht erfolgt. Im Hinblick auf die Taten Ziff. 100-102 hat das Landgericht die Ablehnung der Eröffnung darauf gestützt, dass die lediglich im Browser-Cache gespeicherten Bilder das Tatbestandsmerkmal des Besitzes im Sinne der §§ 184b und 184c StGB a.F. nicht erfüllten. Jedenfalls aber könne kein Besitzwille des Angeschuldigten E festgestellt werden. Auf die Gründe des Beschlusses, der unter BeckRS 2023, 43770 veröffentlich ist, wird wegen der Einzelheiten verwiesen.
Gegen die Nichteröffnung des Hauptverfahrens wendet sich die Staatsanwaltschaft mit der am 28. Februar 2023 eingelegten sofortigen Beschwerde. Sie ist der Auffassung, dass das Landgericht eine chatgruppenbezogene Analyse hätte vornehmen müssen. Bei Chatgruppen mit zweistelliger Teilnehmerzahl sei bereits aufgrund der Gruppengröße ohne Hinzutreten weiterer Umstände ein Verbreiten anzunehmen. Eine Kontrollierbarkeit der Empfänger liege bei einer solchen Personenanzahl nicht mehr vor. Durch das Einstellen eines Inhalts werde eine der Teilnehmerzahl entsprechende Anzahl an digitalen Kopien gefertigt, über deren Weiterverwendung der Versender keine Dispositionsmöglichkeit mehr habe. Ohne Vertraulichkeitsvereinbarung oder andere Umstände, die einer Weitergabe entgegenstünden, sei der eingestellte Inhalt daher nicht mehr zu kontrollieren. Vorliegend sei keine Vertraulichkeitsabrede getroffen worden und eine solche ergebe sich auch nicht aus dem Nachrichtenverlauf bzw. den ausgetauschten Inhalten. Die Angeschuldigten hätten daher damit rechnen müssen, dass die Inhalte durch die Teilnehmer der WhatsApp-Gruppe an eine unbestimmte Vielzahl weiterer Personen weitergeleitet würden, sofern sie jeweils Empfänger mit einem potenziell ähnlichen Verständnis für „Humor“ in ihrem sozialen Umfeld vermuteten. Zudem sei die Teilnehmerzahl der Gruppen nicht beständig gewesen, sondern habe geschwankt. Soweit vorliegend Chatgruppen eine geringere Teilnehmeranzahl aufwiesen (wie etwa der „G“), sei das Versenden nach den Grundsätzen der Kettenverbreitung strafbar. Dabei sei dolus eventualis im Hinblick auf den Verbreitungsvorsatz ausreichend. Verbreitungsabsicht müsse nicht vorliegen. Hinsichtlich der Chatgruppe „G“ ergebe sich entgegen der Auffassung des Landgerichts auch aus dem Inhalt der Nachrichten, dass dieser dritten Personen habe zur Verfügung gestellt werden sollen. Zudem stehe fest, dass der Angeschuldigte E Dateien auch weitergeleitet habe (Ziff. 62 und 91 der Anklageschrift). Hinsichtlich der übrigen Angeschuldigten habe insoweit eine Feststellung nicht getroffen werden können, da eine Auswertung der Chatverläufe nicht möglich gewesen sei. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Ausführungen der Staatsanwaltschaft vom 17. März 2023 Bezug genommen.
Die Generalstaatsanwaltschaft ist der sofortigen Beschwerde der Staatsanwaltschaft hinsichtlich der die Chatgruppen „G“, „I1“ (später „I2“) sowie „H” betreffenden Tatvorwürfe beigetreten. Sie ist im Wesentlichen der Auffassung, dass die durch die Rechtsprechung zur sog. Kettenverbreitung entwickelten Anforderungen im Hinblick auf den Vorsatz auf das Verbreiten von Inhalten in Chatgruppen nicht übertragbar seien. Das Einstellen von Bild- und Videodateien weise (auch) typische Elemente einer Mengenverbreitung auf, es lasse sich nicht als reine Kettenverbreitung klassifizieren. Es seien aufgrund des Umstandes, dass der eingestellte Inhalt entsprechend der Anzahl der Gruppenteilnehmer digital kopiert und verschiedenen Empfängern gleichzeitig zur Verfügung gestellt werde, für das Tatbestandsmerkmal des Verbreitens in Chatgruppen – entgegen der Auffassung des Landgerichts – keine zusätzlichen Voraussetzungen an die subjektive Tatseite zu stellen (unter Hinweis u.a. auf OLG Celle, Beschluss vom 11. Oktober 2022 – 2 Ss 127/22). Dies entbinde allerdings nicht davon, für die Weitergabe von Inhalten konkrete Anhaltspunkte zu ermitteln, die der Täter auch subjektiv in seinen Vorsatz aufnehmen müsse. Erforderlich sei eine differenzierte (Gesamt-)Betrachtung der einzelnen Chatgruppen anhand der Kriterien „Mitgliederzahl und Zusammensetzung“, „Zwecksetzung“, „Herkunft und Art der eingestellten Inhalte“ und „Nachrichtenverlauf“. Eine Weiterverbreitungsabsicht müsse nicht vorliegen. Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt – nach ausführlicher Analyse jeder Chatgruppe anhand der genannten Kriterien – abweichend von der Staatsanwaltschaft, den die Eröffnung des Verfahrens ablehnenden Beschluss des Landgerichts nicht in Gänze, sondern lediglich hinsichtlich derjenigen Taten aufzuheben, die die Chatgruppen „G“, „I1“ (später „I2“) sowie „H” betreffen und insoweit das Hauptverfahren zu eröffnen. Hinsichtlich der genannten Chatgruppen bestünde hinreichender Tatverdacht bezüglich des Tatbestandsmerkmals des Verbreitens. Im Übrigen sei die sofortige Beschwerde unbegründet. Auf die umfangreiche Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft vom 15. Mai 2023 wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen.
II.
Das gemäß §§ 210 Abs. 2, 306, 311 StPO zulässige Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg.
Die Entscheidung des Landgerichts, die Eröffnung des Hauptverfahrens abzulehnen, ist nicht zu beanstanden.
Nach § 203 StPO beschließt das Gericht die Eröffnung des Hauptverfahrens, wenn nach den Ergebnissen des vorbereitenden Verfahrens der Angeschuldigte einer Straftat hinreichend verdächtig erscheint. Ein hinreichender Tatverdacht ist nur dann gegeben, wenn nach dem gesamten Akteninhalt bei vorläufiger Tatbewertung die Wahrscheinlichkeit der späteren Verurteilung größer ist als die Wahrscheinlichkeit eines Freispruchs, mithin eine überwiegende Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung besteht (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 67. Aufl., § 203 Rn 2). Die Eröffnung des Hauptverfahrens ist aus rechtlichen Gründen abzulehnen, wenn eine Verurteilung des Angeschuldigten ausscheidet, weil das tatsächliche Geschehen, wie es sich aus dem Akteninhalt ergibt, keinen Straftatbestand erfüllt und mithin nicht als strafbar zu bewerten ist (Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 204 Rn 2). Aus tatsächlichen Gründen ist die Eröffnung des Hauptverfahrens abzulehnen, wenn auf Grundlage der vorhandenen Beweise der Nachweis der Tat nicht erbracht werden kann (Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 204 Rn 3).
1. Hinsichtlich der anklagegegenständlichen Taten Ziff. 1 bis 75, 77 bis 91, 93 bis 95 und 97 bis 99 ist hinreichender Tatverdacht aus rechtlichen Gründen zu verneinen. Die Angeschuldigten haben zwar in WhatsApp-Gruppen – insbesondere und vorrangig im Chat „G“ – in erheblichem Umfang teilweise nur schwer erträgliche menschenverachtende, rechtsextreme, gewaltverherrlichende, antisemitische, ableistische und rassistische Inhalte geteilt. Dies begründet erhebliche Zweifel an der Verfassungstreue der im Polizeidienst tätigen Angeschuldigten und erfordert dienstrechtliche Konsequenzen. Ungeachtet dessen ist eine Strafbarkeit gemäß §§ 86a, 130, 131, 166, 184a StGB a. F. durch die von der Anklage beschriebenen Handlungen jedoch nicht gegeben. Das Landgericht hat zu Recht angenommen, dass das in den Betracht kommenden Äußerungsdelikten genannte Tatbestandsmerkmal des „Verbreitens“ nicht erfüllt ist.
Die Verwirklichung der o.g. in Betracht kommenden Tatbestände setzte im Tatzeitraum die Äußerung eines bestimmten inkriminierten Inhalts durch Verbreitung einer Schrift (§ 11 Abs. 3 StGB) voraus. § 130 Abs. 2 Nr.1, 3, Abs. 5 StGB a.F. erforderte die Verbreitung einer Schrift (§ 11 Abs. 3 StGB) mit den dort beschriebenen Angriffen gegen bestimmte Gruppen, Teile der Bevölkerung oder Einzelne wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe. § 86a StGB a.F. stellte die Verbreitung von Kennzeichen einer der in § 86 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 StGB bezeichneten Parteien oder Vereinigungen im Inland unter Strafe. § 131 StGB a.F. setzte das Verbreiten einer Schrift (§ 11 Abs. 3 StGB) mit den dort beschriebenen Gewaltinhalten voraus. § 166 Abs. 1 StGB a.F. forderte das Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3 StGB) mit den dort genannten Angriffen gegen den Inhalt von Bekenntnissen und § 184a StGB a.F. stellte das Verbreiten einer pornographischen Schrift (§ 11 Abs. 3 StGB), die Gewalttätigkeiten oder sexuelle Handlungen von Menschen mit Tieren zum Gegenstand hat, unter Strafe. Nach § 11 Abs. 3 StGB a.F. waren den Schriften Ton- und Bildträger, Datenspeicher, Abbildungen und andere Darstellungen in denjenigen Vorschriften gleichgestellt, die auf diesen Absatz verwiesen. Der Begriff des Verbreitens wird im Gesetz nicht definiert. Ihm wird, grundsätzlich unabhängig davon, in welcher Norm der hier in Betracht kommenden Straftatbestände er verwendet wird, im Wesentlichen derselbe Inhalt zugemessen. „Verbreiten“ setzt schon nach dem Wortsinn die Weitergabe einer Information im Sinne einer Breitenwirkung voraus. Die höchstrichterliche Rechtsprechung definiert dementsprechend das Verbreiten als die mit der körperlichen Weitergabe einer Schrift verbundene Tätigkeit, die darauf gerichtet ist, die Schrift ihrer Substanz nach einem größeren Personenkreis zugänglich zu machen, der entweder nach Zahl und Individualität unbestimmt ist oder jedenfalls so groß, dass er für den Täter nicht mehr kontrollierbar ist (BGH NStZ 2017, 405, 406; NStZ-RR 2015, 139, 140; NStZ 2012, 564; 2005, 689, 690; NJW 1999, 1979). Auf einen Verbreitungserfolg kommt es nicht an, es handelt sich um Tätigkeitsdelikte (BGH NStZ 2017, 405, 406). Bereits unter dem Schriftenbegriff, der bis zum 31. Dezember 2020 Verwendung fand, und durch das 60. Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches durch denjenigen des (verkörperten oder auch unverkörperten) Inhalts ersetzt wurde (vgl. BT-Drs. 19/19859, 26 f.), hatte der BGH wegen der Gleichstellung des Dateienspeichers mit den Schriften klargestellt, dass die nach der Rechtsprechung grundsätzlich für den Begriff des Verbreitens erforderliche körperliche Übergabe einer Schrift (ihrer Substanz nach) auf Publikationen im Internet nicht übertragbar sei (BGH, Urteil vom 27. Juni 2001 – 1 StR 66/01). Auch die unverkörperte Weitergabe eines Inhalts konnte im verfahrensgegenständlichen Zeitraum danach eine Verbreitung beinhalten (a.A. Strauß, NStZ 2020, 708, unter Verweis auch auf Palm, Kinder- und Jugendpornographie im Internet, wonach eine WhatsApp nicht unter den Schriftenbegriff subsumierbar sei).
Im Allgemeinen wird zwischen sogenannter Mengen- und Kettenverbreitung unterschieden. Eine Mengenverbreitung wird angenommen, wenn eine Vielzahl gleicher Inhalte an verschiedene Empfänger übermittelt wird, wobei ein vollendetes Verbreiten bereits dann anzunehmen ist, wenn der Täter das erste Exemplar einer Mehrzahl von ihm zur Verbreitung bestimmter Schriften an einen einzelnen Bezieher abgegeben hat. Eine Kettenverbreitung ist gegeben, wenn ein Inhalt an einen Empfänger mit dem Willen gelangt, dass der Empfänger diesen durch (körperliche) Weitergabe einem größeren Personenkreis zugänglich machen wird. Teilweise wurde in der höchstrichterlichen Rechtsprechung insoweit gefordert, es müsse feststehen, dass der Dritte den empfangenen Inhalt weiteren Personen überlassen wird (z.B. BGH, CR 2007, 728 ff.), teilweise wurde das Vorliegen von Anhaltspunkten dafür, dass der Erwerber den empfangenen Inhalt an einen größeren, nicht bestimmten Personenkreis zugänglich macht, für ausreichend erachtet (BGH, Urteil vom 6. Oktober 1959 – 5 StR 384/59; ebenso OLG Celle, Beschluss vom 11. Oktober 2022 – 2 Ss 127/22; OLG Bremen, Beschluss vom 3. Dezember 1986 – Ws 156/86). Als subjektives Element forderte die ältere höchstrichterliche Rechtsprechung teilweise Verbreitungsabsicht (BGH NJW 1999, 1979, 1980; ebenso OLG Bremen a.a.O.; in der Literatur z.B. Sternberg-Lieben in Schönke/Schröder Strafgesetzbuch, 30. Aufl., 2019, § 86a Rn 8). Wohl überwiegend wurde und wird es als ausreichend angesehen, wenn der Täter mit der Weitergabe an eine größere, nicht mehr zu kontrollierende Zahl von Personen rechnet (BGH, Urteil vom 22. Dezember 2004 – 2 StR 365/04; BGH, Beschluss vom 4. August 2009 – 3 StR 174/0; BGH, Urteil vom 25. Juli 1963 – 3 StR 4/63; ebenfalls bereits RGSt 7, 113; 55, 276, 277; in der Literatur z.B. Schäfer/Anstötz in MüKo StGB, 4. Aufl., 2021, § 130 Rn 74).
In seiner Entscheidung vom 10. Januar 2017 (BGH NStZ 2017, 405, 407) hat der BGH dargelegt, dass die in einzelnen Entscheidungen getroffene Feststellung, die Weitergabe einer Schrift an einen einzelnen bestimmten Empfänger reiche noch nicht zur Tatbestandserfüllung aus, wenn nicht feststehe, dass dieser seinerseits die Schrift Dritten überlassen werde, nicht so zu verstehen sei, dass zur Tatvollendung über die Weitergabe der inkriminierten Schrift vom Täter an seinen Empfänger hinaus objektiv gesichert sein müsse, dass es zu weiteren Überlassungen der Schrift an eine oder mehrere Personen kommen werde. Andernfalls könne die Weitergabe der Schrift an eine einzelne Person entgegen den Grundsätzen zur Mengen- und Kettenverbreitung grundsätzlich nicht zur Verwirklichung des Tatbestands ausreichen. Denn eine derartige objektive Sicherheit für künftige Geschehnisse könne im Hinblick auf die stets vorhandenen Unwägbarkeiten der weiteren Entwicklung nicht belegt werden. Die Ausführung, es müsse feststehen, dass der Empfänger seinerseits die Schrift an Dritte weiterreichen werde, sei daher so zu verstehen, dass damit der im Zeitpunkt der (ersten) Übergabe der Schrift erforderliche Vorsatz des Täters im Hinblick auf den weiteren Kausalverlauf präzisiert werden müsse. Ausdrücklich offengelassen hat der BGH, ob für die Fälle der Kettenverbreitung zu verlangen sei, dass der Täter im Hinblick auf die Weiterverbreitung der Schrift durch seinen (unmittelbaren) Empfänger absichtlich handelt (unter Verweis u.a. auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 9. November 2011 – 1 BvR 461/08, NJW 2012, 1498, 1500 und die BGH-Entscheidung vom 4. August 2009 – 3 StR 174/09). Die regelmäßig ohnehin bestehende abstrakte Gefahr der Weitergabe durch den Empfänger genüge dagegen nicht.
Die durch die Angeschuldigten vorgenommene Einstellung eines Inhalts nicht in Einzelchats, sondern in eine WhatsApp-Gruppe mit mehreren Teilnehmern, denen die Datei somit zeitgleich zugänglich gemacht wird, kann sowohl eine Mengen-, als auch eine Kettenverbreitung darstellen. Beides ist vorliegend jedoch nicht gegeben und zwar auch unter der Annahme, dass für den Fall der Kettenverbreitung bedingter Vorsatz hinsichtlich des Weiterleitens des Inhalts durch den Empfänger als ausreichend angesehen wird.
Bedingter Vorsatz liegt dabei nicht bereits vor, wenn der Täter die Verwirklichung des Tatbestandes für möglich und nicht ganz fernliegend hält. Erforderlich ist zudem das Vorliegen einer Willenskomponente, wobei diese nach höchstrichterlicher Rechtsprechung in einem „billigenden Inkaufnehmen“ oder einem „sich Abfinden“ bestehen kann (vergl. BGH, Urteil vom 14. Januar 2016 – 4 StR 84/15), aber auch bereits dann zu bejahen ist, wenn die in der konkreten Situation als möglich erkannte und möglicherweise sogar unerwünschte Folge dem Täter gleichgültig ist (BGH, Urteil vom 15. Dezember 2010 – 2 StR 531/10). Soweit die Generalstaatsanwaltschaft darauf verweist, dass nach der Rechtsprechung des OLG Celle (Beschluss vom 11. Oktober 2022 – 2 Ss 127/22) für ein Verbreiten ausreichend sei, dass der Täter eine Weiterleitung von ihm hochgeladener Bilder an Dritte für möglich halte, ist zu berücksichtigen, dass es sich dabei um eine Revisionsentscheidung mit anderer Fallgestaltung handelt. Nach dem festgestellten Sachverhalt des Tatgerichts hatte der Täter ein Bild, das einen fremdenfeindlichen und dunkelhäutige Menschen herabwürdigenden Charakter aufwies, in eine WhatsApp-Gruppe hochgeladen, die aus 60 Mitgliedern bestand, die dem Täter nicht näher bekannt waren, auf deren Diskretion er auch nicht vertrauen konnte und von denen er wusste, dass sie ausländerfeindliche Tendenzen aufwiesen. Die getroffenen Feststellungen legen nahe, dass das OLG Celle die nach höchstrichterlicher Rechtsprechung erforderliche innerliche Billigung für belegt hielt. Es kann aus der Entscheidung daher lediglich mit Gewissheit entnommen werden, dass das OLG Celle hinsichtlich der subjektiven Komponente bei dem Tatbestandsmerkmal der Verbreitung eine Verbreitungsabsicht nicht für erforderlich hält. Dass das Gericht entgegen der höchstrichterlichen Rechtsprechung im Hinblick auf die Anforderungen für die Annahme von bedingtem Vorsatz bereits jedes Handeln im Bewusstsein der möglichen Tatbestandsverwirklichung unter Verzicht auf das voluntative Element als vorsätzlich einstuft, drängt sich demgegenüber nach der Fallgestaltung nicht auf.
Vorliegend haben die Angeschuldigten auf privaten Smartphones Inhalte in private, geschlossene Chatgruppen mit überschaubarem Personenkreis eingestellt, deren Mitglieder miteinander – teilweise sehr eng – verbunden waren. In keinem Fall wurden die von der Anklage erfassten inkriminierten Inhalte einem größeren Personenkreis zugänglich gemacht, der nach Zahl und Individualität unbestimmt oder jedenfalls so groß war, dass er für die Angeschuldigten nicht mehr kontrollierbar war. Aufgrund der Zusammensetzung der Chatgruppen und des Zwecks der Kommunikation hält der Senat es auch für ausgeschlossen, dass das Einstellen von Bildern u.ä. durch die Angeschuldigten ein finales Element dergestalt beinhaltete, den jeweiligen Mitgliedern der Gruppe Material zu verschaffen, damit diese es weiterleiten. Es liegen aber auch keine konkreten Anhaltspunkte dafür vor, dass die Angeschuldigten zumindest damit rechneten und es billigend in Kauf nahmen, dass die eingestellten Inhalte weitergegeben und einer nicht mehr überschaubaren Anzahl von Personen übermittelt würden. Vielmehr gingen die Angeschuldigten gerade nicht davon aus, dass die Inhalte beliebig weitergegeben würden. Gleichgültigkeit im Hinblick auf die Weiterleitung kann ebenfalls nicht angenommen werden.
Die Chatgruppe „G“ wurde am 1. Oktober 2015 durch den Angeschuldigten C gegründet und bestand bis zum 2. Mai 2017. Die weit überwiegende Anzahl der von der Anklage umfassten Taten betrifft diese Gruppe, nämlich 69 von insgesamt 99. Die Gruppe bestand aus fünf bis acht Mitgliedern. Dazu gehörten neben den sechs Angeschuldigten zeitweise auch die Zeugen O und P. Diese Zeugen waren im Tatzeitraum ebenso wie die Angeschuldigten B, E, A, C und D Angehörige der … Dienstgruppe des … Polizeireviers in Stadt1. Der Zeuge P verließ die Gruppe bereits am 2. November 2015 wieder. Der Angeschuldigte A verließ die Gruppe am 20. August 2016. Die Gruppe bestand damit aus einer zahlenmäßig sehr überschaubaren Personenanzahl. Die Mitglieder, die bis auf die Angeschuldigte F Kollegen aus derselben Dienstgruppe waren, kannten sich nicht nur aufgrund der gemeinsam verrichteten Dienste gut, sie waren teilweise auch eng miteinander verbunden. Die Angeschuldigten B und E waren Lebensgefährten. Die Angeschuldigte F, bei der es sich nicht um eine Polizeibeamtin handelte, war die Lebensgefährtin des Angeschuldigten C. Sie war zudem nach Angabe des Zeugen O (Vernehmung vom 26. März 2019) eine Freundin der Angeschuldigten B. Der Angeschuldigte C hat angegeben, er sei „ein stückweit mit allen befreundet gewesen, allerdings nicht so, dass er sie zum Grillen eingeladen hätte“ (Vernehmung vom 25. Oktober 2018). Nach Angaben des Angeschuldigten A (Schriftsatz des Verteidigers vom 26. November 2018) war die Gruppe für ihn wie seine „zweite Familie“.
Zweck der Gruppe war es, durch Einstellen schockierender Inhalte die Chatmitglieder zu „belustigen“, wobei das vorrangige Element der Belustigung sich bereits aufgrund des gewählten Namens „G“ aufdrängt. Nach den Angaben des Zeugen O in seiner Vernehmung vom 26. März 2019 handelte es sich bei der Gruppe am Anfang um eine „Quatschgruppe“. Sinn sei es gewesen, „Quatsch“ und Inhalte mit „schwarzem Humor“ auszutauschen. Für ihn sei es zusätzlich wichtig gewesen, dazuzugehören. Der Angeschuldigte A hat gegenüber den Zeugen Q, seit dem XX.XX.2017 Leiterin des … Polizeireviers, und R, Leiter der Direktion Mitte des Polizeipräsidiums Stadt1, angegeben, in dem Chat sei „schwarzer Humor“ geteilt worden. Für ihn sei dies sein Umgang mit belastenden und bedrückenden Situationen gewesen; mit einer politischen Gesinnung habe dies nichts zu tun gehabt. Der Angeschuldigte A hat weiterhin erklärt, die Gruppe sei für ihn ein Ventil gewesen, um Frust im Polizeidienst abzubauen. Dementsprechend zeigt der Nachrichtenverlauf, dass in der Gruppe in erster Linie grenzüberschreitende Fotos, Memes und Reels geteilt wurden. Dabei sollte das Einstellen der Inhalte der Erheiterung der Gruppenmitglieder dienen, wobei jedes Mitglied Inhalte einstellen sollte. Dies zeigt sich etwa anhand des Chatverlaufs nach Aufnahme der Angeschuldigten F am 1. Oktober 2015, die der Angeschuldigte A mit den Worten begrüßte „Hallo unbekannte Vorname1“, „Willkommen bei den Idioten“, was von dem Angeschuldigten C mit den Worten „Jetzt bist du auch ein Idiot“ kommentiert wurde, worauf der Angeschuldigte E schrieb: „Willkommen in unserer illustren Runde des gehobenen Humors“ und der Angeschuldigte D, „Aber nicht nur genießen sondern auch krankes Zeug schicken“ (Sonderband Auswertung Chatverlauf „G“). Anhaltspunkte dafür, dass die Angeschuldigten eine Weltanschauung oder Ideologie über den privaten Bereich hinaus verbreiten wollten, liegen nach dem Nachrichtenlauf und den Ermittlungsergebnissen insgesamt nicht vor.
Mit dem Einstellen eines Inhalts in diese Gruppe wurde dieser nicht einem unbestimmt großen Personenkreis preisgegeben. Es handelt sich im Gegenteil um eine überschaubare Anzahl individuell bestimmter Personen, denen mit Einstellung eines Inhalts die Möglichkeit der Kenntnisnahme verschafft wurde. Die Inhalte sind nicht in fremde Hände gelangt, die nicht mehr kontrollierbar waren. Der Umstand, dass die Angeschuldigte E als einzige keine Polizeibeamtin war, führt unter Berücksichtigung der geringen Gruppengröße und der damals geführten Beziehung zu dem allen persönlich bekannten Angeschuldigten C, nicht zu einer anderen Bewertung, zumal die Angeschuldigte E wohl auch persönlich in den Kreis integriert wurde. Auch insoweit bestand damit eine enge Verbundenheit.
Die Annahme, dass die Angeschuldigten bei Versenden von Chats in die Gruppe die Weitergabe durch die Empfänger an eine größere, nicht mehr zu kontrollierende Zahl von Personen für möglich hielten und billigend in Kauf nahmen, lässt sich nicht begründen. Ebenfalls lässt sich nicht begründen, dass es ihnen gleichgültig war, ob die Inhalte weitergeleitet werden würden. Insbesondere kann der Verbreitungsvorsatz nicht daraus geschlossen werden, dass keine ausdrückliche Vertraulichkeitsabsprache getroffen wurde und keine Bilder und Videos mit privaten, persönlichen Inhalten versendet wurden, sondern solche, die an beliebige Dritte hätten versendet werden können, also „verbreitungstauglich“ waren. Auch bei Versendung von inkriminierten Memes, Reels und anderen verbreitungstauglichen Dateien, die teilweise auch gerade zur Verbreitung hergestellt wurden, kann nicht ohne Weiteres von einer Billigung der Weiterleitung durch die Empfänger an einen größeren Personenkreis ausgegangen werden. Die Argumentation der Staatsanwaltschaft, das individuelle Verhalten der Chatteilnehmer sei „schlicht nicht vorhersehbar“, greift insoweit zu kurz. Es trifft zwar zu, dass der Empfänger einer WhatsApp über den empfangenen Inhalt frei verfügen und ihn sehr einfach ohne weitere Zwischenschritte durch Antippen bzw. Anklicken eines von WhatsApp eigens dafür vorgesehenen Pfeilsymbols an beliebige Dritte weiterleiten kann, ohne dass dies durch den ursprünglichen Absender überhaupt bemerkt würde, so dass die Weiterverbreitung der Inhalte durch andere Gruppenmitglieder für den Absender damit tatsächlich nicht kontrollierbar ist (so BayObLG, Beschluss vom 20. Dezember 2023 – 207 StRR 414/23). Allein diese abstrakte Möglichkeit der Weiterleitung, sei sie auch noch so einfach, reicht aber gerade nicht aus, bereits ein „Verbreiten“ anzunehmen. Denn dann gäbe es keinen straflosen Austausch von inkriminierten Inhalten in WhatsApp-Gruppen, sondern es wäre bei dem Einstellen solcher Inhalte stets von einer Verbreitung auszugehen (vergl. Rackow, Anm. zu BGH, Beschluss vom 10. Januar 2017 – 3 StR 144/16, NStZ 2017, 405). Dies lässt sich weder mit der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung zum Begriff des Verbreitens, noch mit dem Zweck der vorliegend in Betracht kommenden Tatbestände vereinbaren, die dem Schutz der verfassungsmäßigen Ordnung und des öffentlichen Friedens dienen und damit einen Öffentlichkeitsbezug aufweisen, der in privaten Chatgruppen fehlen kann. Dementsprechend weist das BayObLG in seiner Entscheidung vom 20. Dezember 2023, 207 – StRR 414/23 darauf hin, dass die Unkontrollierbarkeit auch in WhatsApp-Gruppen unter bestimmten Voraussetzungen wie etwa beim Vorliegen einer eng verbundenen Gruppe entfallen kann.
Die Annahme, dass bereits die Weitergabe eines Inhalts an einzelne bestimmte Dritte im Rahmen einer Chatgruppe stets das Tatbestandsmerkmal des Verbreitens erfülle, wird auch den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht gerecht, unter denen die Beschränkung der Meinungsfreiheit zulässig ist. Bei der Beurteilung der Frage, ob ein Verbreiten angenommen werden kann, ist – wie bereits das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung zutreffend feststellt – der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Rechnung zu tragen, die unter Beachtung der verfassungsrechtlichen Bedeutung der Meinungsfreiheit bei einer sog. Kettenverbreitung – im konkreten Fall beim Austausch einer Schrift im Zweipersonenverhältnis – konkrete Anhaltspunkte dafür fordert, dass der Empfänger die Schrift weitergibt und der Übergeber dies billigend in Kauf nimmt (BVerfG, Beschluss v. 9. November 2011 – 1 BvR 461/08, NJW 2012, 1498). Das Bundesverfassungsgericht hat klargestellt, dass bei der Auslegung und Anwendung des Straftatbestandes des § 130 Abs. 2 StGB das durch die Norm des Strafrechts eingeschränkte Grundrecht der Meinungsfreiheit zu berücksichtigen ist. Das Grundrecht der Meinungsfreiheit ist zwar nicht vorbehaltlos gewährleistet, es unterliegt insbesondere den Schranken, die sich aus den allgemeinen Gesetzen ergeben, also denen, die nicht eine Meinung als solche verbieten, sondern dem Schutz eines schlechthin, ohne Rücksicht auf eine bestimmte Meinung, zu schützenden Rechtsguts dienen. Allerdings findet eine Wechselwirkung zwischen dem Grundrechtsschutz und den Grundrechtsschranken in dem Sinne statt, dass die Grundrechtsschranken zwar dem Wortlaut nach dem Grundrecht Grenzen setzen, ihrerseits aber aus der Erkenntnis der grundlegenden Bedeutung dieses Grundrechts im freiheitlich demokratischen Staat ausgelegt und so in ihrer das Grundrecht begrenzenden Wirkung selbst wieder eingeschränkt werden müssen. Eine Meinung darf nicht ihrer Gefährlichkeit wegen beschränkt werden, jedoch dürfen Rechtsgutsverletzungen unterbunden werden. Verboten werden darf mithin nicht der Inhalt einer Meinung als solcher, sondern nur die Art und Weise der Kommunikation, die bereits den Übergang zur Rechtsgutsverletzung greifbar in sich trägt und damit die Schwelle zu einer sich abzeichnenden Rechtsgutsverletzung überschreitet. Der Gesetzgeber hat dem Schutz des Grundrechts der Meinungsfreiheit insofern Rechnung getragen, als er nicht jede Art der Äußerung unter Strafe gestellt hat, sondern explizit das Verbreiten. Damit hat er zum Ausdruck gebracht, dass er hierin die Grenze zur Rechtsgutsverletzung als überschritten ansehe. In der Folge dürfen an die Voraussetzungen der Verbreitung keine zu geringen Anforderungen gestellt werden, da andernfalls die Entscheidung des Gesetzgebers unterlaufen würde. In diesem Falle würde die Bedeutung der Meinungsfreiheit verkannt werden. Dem ist bei der Auslegung von Tatbestandsmerkmalen einer Strafnorm sowie bei der Subsumtion des Lebenssachverhalts unter diese Norm Rechnung zu tragen (BVerfG a.a.O. Rn 20).
Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts bezieht sich zwar explizit auf die Übergabe einer Schrift durch eine Person an eine andere. Entgegen der Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft (siehe auch Lund, Das Verbreiten von Inhalten in geschlossenen Chatgruppen, NStZ 2023, 641) ist sie auch für die Fälle des Einstellens eines Inhalts in eine Chatgruppe zu beachten. Anhaltspunkte dafür, dass die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts sich auf die Weitergabe konkret von Schriftstücken beschränken wollte und das Gericht nicht die Schriften im Sinne des § 11 Abs. 3
StGB a.F. im Blick hatte, die bereits Datenspeicher umfassten, sind nicht ersichtlich. Datenspeicher waren den Schriften durch den Gesetzgeber bereits mit dem Informations- und Kommunikationsdienstgesetz vom 22. Juli 1997 gleichgestellt worden. Auch ist nicht erkennbar, dass sich die durch das Bundesverfassungsgericht präzisierten Anforderungen an die Auslegung des Begriffs des Verbreitens auf ein Zweipersonenverhältnis beschränken sollten. Der Entscheidung kann vielmehr generell entnommen werden, dass es nicht mit Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG vereinbar wäre, bereits das schlichte Äußern einer Meinung zu bestrafen, sondern erst die Art und Weise der Kommunikation strafbar sein kann, die bereits den Übergang zur Rechtsgutsverletzung in sich trägt. Damit kann auch bei der Weitergabe eines Inhalts an einzelne bestimmte Dritte, bei denen es sich nicht um eine unbestimmte Personengruppe handelt, der Übergang zur Rechtsgutverletzung nur dann angenommen werden, wenn die konkrete, durch tatsächliche Anhaltspunkte belegbare, Gefahr vorliegt, dass der Inhalt an eine unbestimmte Anzahl von Personen weitergegeben wird und der Täter dies billigend in Kauf nimmt, wofür ebenfalls zureichende Anhaltspunkte vorliegen müssen. Die von der Generalstaatsanwaltschaft vertretene Auffassung, für das Verbreiten von Inhalten in Chatgruppen könne die Rechtsprechung des BGH (und des OLG Bremen) nicht herangezogen werden, ist nicht nachvollziehbar vor dem Hintergrund, dass sie für den Fall der Kettenverbreitung die Ermittlung konkreter Anhaltspunkte, die der Täter subjektiv in seinen Vorsatz aufnehmen muss, selbst fordert und im Hinblick auf den subjektiven Tatbestand zumindest bedingten Vorsatz für notwendig hält. Damit wird nicht nur die Vorgabe des BGH, dass anhand einer besonders genauen Prüfung des Vorsatzes bezüglich des weiteren Geschehensablaufs eine mehr als nur abstrakte Gefahr der Weitergabe der Schrift durch deren Empfänger an Dritte festzustellen ist, erfüllt. Auch wird den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts, das konkrete Anhaltspunkte für die Annahme einer Verbreitung fordert, Genüge getan. Unabhängig davon sind die von Generalstaatsanwaltschaft genannten Kriterien von Mitgliederzahl, Gruppenzusammensetzung, Gruppenzweck, Herkunft und Art der Inhalte sowie Nachrichtenverlauf geeignet, im Rahmen einer chatgruppenbezogenen Auslegung festzustellen, ob konkrete Anhaltspunkte für eine beabsichtigte oder in Kauf genommene Weitergabe vorliegen.
Nach Auffassung des Senats fehlt es allerdings bei der erforderlichen Gesamtbetrachtung an tragfähigen tatsächlichen Anhaltspunkten dafür, dass die Angeschuldigten die Weiterverbreitung der eingestellten Inhalte durch die Empfänger billigend in Kauf genommen haben.
Allein der Umstand, dass eine in WhatsApp eingestellte Bilddatei technisch gesehen leicht weitergeleitet werden kann, ist kein ausreichender tatsächlicher Anhaltspunkt für die Annahme, dass sie auch tatsächlich weitergeleitet werden soll bzw. mit der Weiterleitung gerechnet wurde. Aufgrund dieses Umstandes besteht lediglich die Möglichkeit bzw. ein zweifellos auf der Hand liegendes hohe Risiko der Weiterleitung. Bei der Bewertung der subjektiven Tatseite darf allerdings vorliegend nicht außer Acht gelassen werden, dass es sich bei den Angeschuldigten – außer bei der Angeschuldigten E – um Polizeibeamte handelt, die mit empfindlichen und womöglich existenzbedrohenden Konsequenzen rechnen mussten für den Fall, dass ihr Umgang mit den insbesondere nationalsozialistischen und ausländerfeindlichen Inhalten bekannt werden würde. Dies war den Angeschuldigten bewusst, was sich bereits daraus ergibt, dass der Angeschuldigte C am 15. Januar 2015 in die Gruppe einen Link zu einem Gerichtsurteil postete, dem ein Bericht über die Suspendierung eines Polizeibeamten zugrunde lag, der „Hitler-Bilder“ zur Belustigung in eine Chatgruppe eingestellt hatte. Dass ihr Gebaren jedenfalls dienstrechtliche Konsequenzen haben könnte, hatten die Angeschuldigten demnach im Blick, was sich im Übrigen auch anhand der teilweise besorgten Reaktionen nach Entdecken der Chats zeigt. Vor diesem Hintergrund ist die Annahme lebensfremd, dass es den Angeschuldigten gleichgültig war, was die Empfänger mit den erhaltenen Bildern und Videos taten, oder dass sie gar damit rechneten und es billigten, dass eine Weiterleitung an eine unbestimmte Vielzahl von Personen erfolgt. Es ist vielmehr die Annahme naheliegend, dass die Angeschuldigten davon ausgingen, dass alle Chatgruppenmitglieder mit den empfangenen Inhalten vorsichtig umgehen würden. Denn für den Fall, dass die Inhalte bei jemand anderem gefunden oder von diesem gemeldet würden, mussten sie mit Ermittlungen zur Herkunft des inkriminierten Inhalts rechnen, die womöglich zu ihnen selbst zurückführen würden. Von diesem Bewusstsein muss hinsichtlich aller Angeschuldigten ausgegangen werden, auch hinsichtlich der Angeschuldigten E, da jedenfalls ihr damaliger Lebensgefährte Polizeibeamter war und dienstrechtliche Folgen für ihn auch Auswirkungen auf ihre Situation gehabt hätten. Die Annahme, dass die Angeschuldigten mit einer Weiterleitung an einen unbestimmten nicht mehr kontrollierbaren Personenkreis gerade nicht rechneten, wird im Übrigen dadurch gestützt, dass der Angeschuldigte E im Zusammenhang mit dem Bekanntwerden eines Videos, in dem (…) Polizisten in einer Umkleidekabine den Stadt2er Fußballspieler S mit einem Schmählied verhöhnen, in der Chatgruppe „J“ äußert: „Oh man… und dann stellen die den Scheiß auch noch ins Netz“, worauf der Chatgruppenteilnehmer Vorname2 T schreibt: „wie Sau dumm kann man denn sein? Wenn es da nicht diszis hagel!… Wird einer so gewesen sein und es ist (in) eine Gruppe gestellt haben… und einer konnt es nicht lassen auf fb zu posten“. Dies lässt nur den Schluss zu, dass die Chatteilnehmer sich der Gefahr einer Weiterleitung sehr wohl bewusst waren und in der Annahme handelten, dass in den von ihnen erstellten Gruppen die Mitglieder eben nicht so „saudumm“ handeln und die eingestellten Bilder in fremde Hände gelangen lassen würden.
Eine Analyse des Nachrichtenverlaufs führt nicht zu einer anderen Bewertung. Eine Weiterleitung inkriminierter Inhalte an Dritte wird in den Nachrichten nicht thematisiert bzw. gefordert. Soweit Weiterleitungen zur Sprache kommen, beziehen sie sich auf strafrechtlich irrelevante Inhalte oder auf Chatgruppen, die ebenfalls der … Dienstgruppe zuzurechnen oder ersichtlich nicht ernst gemeint sind. Dies gilt etwa für die Äußerung des Angeschuldigten C vom 30. November 2015 um 0:09 Uhr (Sonderband Auswertung Chatverlauf „G“) an den Angeschuldigten D „Ey d schick das ma in die i Gruppe. Von dir erwarten Sie eklige Sachen“. Diese Aufforderung bezieht sich auf legale pornographische Inhalte. Zudem handelt es sich bei der „I Gruppe“ ebenfalls um eine Gruppe von Polizeibeamten der … Dienstgruppe, die untereinander bekannt waren (siehe die Ausführungen zu der Chatgruppe „I1“ unten). Auch die Nachricht des Zeugen O vom 24. Oktober 2015 um 21:22 Uhr (Sonderband Auswertung Chatverlauf „G“) „Mein neues Profilbild gegen Menschen. Weltklasse“ bezieht sich auf ein strafrechtlich irrelevantes Bild. Zudem war die Äußerung ersichtlich ebenso wenig ernst gemeint wie der Vorschlag des Angeschuldigten D „Man könnte es auf die wache hängen“ vom 24. Oktober 2015 um 22:10 Uhr. Aus diesen Nachrichten kann daher auch nicht der Schluss gezogen werden, die Angeschuldigten hätten mit einer Weiterleitung inkriminierter Dateien durch die Chatgruppenteilnehmer gerechnet und eine solche gebilligt. Der Senat teilt zudem die Auffassung des Landgerichts, dass die Chatnachricht „Hier ist nix privat!!!“ des Angeschuldigten D vom 14. Dezember 2015 um 14:26 Uhr (Sonderband Auswertung Chatverlauf „G“) lediglich auf die Chatgruppe als solche bezogen war, man hieraus aber keine Rückschlüsse auf die Weiterleitung von Inhalten an Dritte ziehen kann. Die Nachricht wurde im Zusammenhang mit der Einstellung einer von der Angeschuldigten F gefertigten Zeichnung durch den Angeschuldigten C verfasst. Die Angeschuldigte F beschwerte sich – offensichtlich scherzhaft – darüber, dass die eigene, private Zeichnung dadurch den Gruppenmitgliedern als „Öffentlichkeit“ bekannt wurde (14. Dezember 2015 um 14:19 Uhr, Sonderband Auswertung Chatverlauf „G“). Die Unterhaltung erweckt zu diesem Zeitpunkt insgesamt den Eindruck, nicht ernst gemeint zu sein. Ein Rückschluss auf den Umgang mit strafbewehrten Inhalten lässt sich hieraus nicht ziehen. Auch die Chatnachricht des Angeschuldigten D „Mehr Vorname1 meeeeeehr“ und „Ich muss damit andere Leute schocken“ vom 3. Februar 2016 um 18:10 Uhr (Sonderband Auswertung Chatverlauf „G“) erfolgt im Gegensatz zur Behauptung der Staatsanwaltschaft nicht als Reaktion auf das Video von 16:50 Uhr, in dem einer unbekannten Person die Finger ihrer rechten Hand abgehackt wurden (Ziff. 65 der Anklageschrift). Der Kommentar, der sich an die Angeschuldigte F richtet, erfolgte vielmehr erst, nachdem die Angeschuldigte angefragt hatte, ob sie weitere Videos schicken soll. Sodann teilte sie auf auffordernde Kommentare mit der Bemerkung, „das wird den Männern weh tun“ ein Video von einem „Highheel“, der einen Penis zerquetscht. Erst nach Kommentaren hierzu („Warum“, „Aaaalterrr“, „Ahhhh“ etc.) und der Mitteilung durch die Angeschuldigte F, dass der „Vorname3“ (der Angeschuldigte C) am Montag noch viel Ekelhafteres zu sehen bekommen werde, woraufhin dieser anmerkte, dass ihm die Richtung gar nicht gefalle, in die das hier gehe, wurde die Nachricht des Angeschuldigten D um 18:11 Uhr eingestellt. Auch hierin lässt sich ein Argument dafür, dass die Angeschuldigten mit der Weiterleitung inkriminierter Inhalte rechneten, nicht finden.
Im Hinblick auf die weiteren Chatgruppen kann ebenfalls nicht davon ausgegangen werden, dass die Angeschuldigten, soweit sie Teil der Gruppe waren, beim Versenden von Bildern o.ä. diese „verbreiteten“.
Die Chatgruppe „I1“, später „I2“ genannt, bestand aus aktuellen und ehemaligen Mitgliedern der Dienstgruppe … des … Polizeireviers in Stadt1. Die Angeschuldigten E, B, C, A und D waren Mitglieder auch dieser Chatgruppe. Die Anzahl der Mitglieder insgesamt lag zwischen 26 und 31 Personen. Trotz dieser nicht unerheblichen Anzahl von Personen handelte es sich bei dieser Gruppe nicht um eine solche, die nach Zahl und Individualität unbestimmt oder jedenfalls so groß gewesen ist, dass sie für die Angeschuldigten nicht mehr kontrollierbar war. Es handelte sich um eine exklusive Gruppe, die aus aktuellen und ehemaligen Polizeikollegen derselben Dienstgruppe bestand. Die Mitglieder kannten sich und waren aufgrund früherer oder aktueller Zugehörigkeit zu derselben Dienstgruppe miteinander verbunden. Die fehlende Exklusivität der Gruppe und die Kontrollierbarkeit entfällt nicht dadurch, dass die Teilnehmerzahlen dieser – sowie auch der übrigen – Chatgruppen über die Dauer des ermittelten Zeitraums schwankten und nicht beständig waren, wie die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main in ihrer Beschwerdebegründung vorbringt. Die Teilnehmer einer WhatsApp-Gruppe werden durch einen Administrator festgelegt. Der Teilnehmerkreis kann nur durch diesen erweitert werden. Selbst wenn es zu einer Erweiterung der Gruppe kommt, ist zu berücksichtigen, dass die in eine Chatgruppe des Messenger-Dienstes WhatsApp eingestellten Medien immer nur für die im Einstellungszeitpunkt aktuellen Gruppenmitglieder sichtbar sind, nicht aber auch für Personen, die erst zu einem späteren Zeitpunkt zu der Gruppe hinzugefügt werden. Daher kann im Zeitpunkt des Einstellens eines Inhalts überblickt werden, wer diesen ansehen kann. Im Zeitpunkt der Vornahme der Handlung besteht demnach eine volle Kontrolle durch denjenigen, der einen Inhalt in die Gruppe schickt.
Die Gruppe existierte neben einer weiteren Chatgruppe der Dienstgruppe, die für dienstliche Belange wie Dienstpläne und Krankheitsausfälle bestimmt war. In der Gruppe „I1“ bzw. „I2“ sollten daher in erster Linie private Inhalte geteilt werden und keine dienstlichen. Es gab eine Art „Aufnahmeritual“, wonach neue Gruppenmitglieder etwas richtig „Versautes/Ekliges“ in den Chat einzustellen hatten. Um etwas strafrechtlich Relevantes handelte es sich dabei in der Regel nicht. Vergleichbar mit einer „Keuschheitsprobe“, wie es sie in Internetgruppen zum Austausch mit Kinderpornographie gibt, ist dieses Ritual entgegen der Annahme der Generalstaatsanwaltschaft daher nicht. Der Austausch von inkriminierten bzw. schockierenden Inhalten stand in dieser Gruppe – anders als bei der des „Gs“ – nicht im Vordergrund. Die Chatteilnehmer kommunizierten über aktuelle Anlässe oder andere Themen. Zudem fanden Verabredungen für gemeinsame Veranstaltungen statt (Paintball, Weinfeste, Cannstatter Wasen, Pokern, Dürkheimer Wurstmarkt, Cops Afterworkparty, Teilnahme an Läufen wie Strong Viking etc.). Einladungen zu privaten Veranstaltungen an die übrigen Mitglieder wurden ausgesprochen und beinhalteten häufig die Anbietung von Übernachtungsmöglichkeiten. Weiterhin wurden Geburtstagswünsche und Urlaubsgrüße ausgetauscht und in diesem Zusammenhang private Bilder eingestellt. Auch Geschenke an ausscheidende Kollegen wurden über die Gruppe organisiert (Collage für den Dienstgruppenraum, Gruppenfoto) bzw. vorbereitet. Vielfach wurden fußballerische Events kommentiert. Es gab aber auch Überschneidungen mit dienstlichen Belangen, etwa bei der Organisation von Ausflügen der Dienstgruppe und von Festen. Zudem finden sich Diskussionen und Kommentare zu Einsätzen, zur Lieferung neuer Streifenwagen, zum Zustand des Dienstgruppenraumes, zu Parkplatzproblemen und anstehenden Beförderungen. Vielfach wurden Bilder und Videos zur Belustigung sowie Witze eingestellt. Der Zeuge U äußerte dementsprechend, ihm sei die Gruppe als „Spaßgruppe“ vorgestellt worden (Vernehmung vom 22. Februar 2019). Tagespolitische Inhalte mit Bezug zur Polizei wurden ebenfalls eingestellt oder kommentiert (Verhaftung eines Kindermörders, Piratenpolitiker feiert Schüsse auf Polizistin).
Die Zusammensetzung der Gruppe, ihr Zweck und die Auswertung des Chatverlaufs zeigen, dass die Gruppenmitglieder untereinander bekannt waren und dass aufgrund der Zugehörigkeit zu derselben Dienstgruppe eine innere Verbundenheit bestand. Indem der Angeschuldigte E zwei und die Angeschuldigten D und C jeweils vier Bilddateien in den Chat dieser Gruppe stellten, die von der Staatsanwaltschaft als strafrechtlich relevant eingeordnet werden und die von der Anklage erfasst sind, haben sie diese nicht einem größeren Personenkreis zugänglich macht, der nach Zahl und Individualität unbestimmt oder jedenfalls so groß gewesen ist, dass er für den Täter nicht mehr kontrollierbar war, wie dies für eine (Mengen-)Verbreitung erforderlich ist.
Aber auch eine Kettenverbreitung ist nicht gegeben, denn es fehlt an konkreten Anhaltspunkten dafür, dass die Angeschuldigten bei Einstellung von inkriminierten Inhalten in diese Chatgruppe damit rechneten, dass die Inhalte weitergegeben würden. Die fehlende „Vertraulichkeitsabrede“ bildet keinen solchen Anhaltspunkt. Eine solche war bei dieser Gruppe bereits deshalb nicht zu erwarten, da die ganz überwiegende Anzahl der eingestellten Nachrichten strafrechtlich irrelevante Inhalte betraf. Dies ist bereits daran erkennbar, dass im Zeitraum der Aktivität der Gruppe vom 20. Oktober 2014 bis zum 24. Oktober 2018 insgesamt 12.223 Instant Messages ausgetauscht wurden. Als strafrechtlich relevant wurden von der Staatsanwaltschaft im Hinblick auf die Angeschuldigten zehn eingestuft, zwei betreffend den Angeschuldigten E und jeweils vier durch die Angeschuldigten D und C. Auch bildet die Ankündigung des Angeschuldigten A, fünf gerade durch einen anderen eingestellte InternetMemes „dem V“ schicken zu wollen (26. September 2016 um 9:16 Uhr, Sonderband Auswertung Chatverlauf „I1“), keinen solchen Anhaltspunkt. Bei den fünf eingestellten Memes handelt es sich sämtlich um solche, die sich über die fußballerischen (Miss-)Erfolge des Vereins1 lustig machen (z.B.: „An der Kasse im Supermarkt: Sammeln Sie Punkte? Nein, ich bin Verein1er“). Diese fünf Memes sollten an eine einzelne Person, den „V“ geschickt werden. Anlass, diesem Ansinnen zu widersprechen, bestand für die übrigen Chatmitglieder nicht. Aus dem Umstand, dass die übrigen Gruppenmitglieder sich nicht gegen eine Weiterleitung dieser harmlosen Memes ausgesprochen haben, kann daher auch nicht abgeleitet werden, dass die Chatteilnehmer mit einer Weiterleitung inkriminierter Memes gerechnet und dies gebilligt haben.
Auch für die Chatgruppe „H“ liegen keine Anhaltspunkte für eine Mengenverbreitung oder für die Annahme vor, dass der Angeschuldigte E damit rechnete, dass die von ihm im Tatzeitraum vom 8. Dezember 2014 bis zum 1. Juni 2018 in die Gruppe eingestellten Dateiinhalte, die von der Anklage erfasst sind (Fälle 2, 6, 19, 91 und 95), von den Empfängern an einen unbestimmten unkontrollierbaren Personenkreis weitergeleitet werden würden. Aus dem Nachrichtenverlauf ergibt sich, dass die Mitglieder der Gruppe, im Tatzeitraum 12 bzw. 13 Personen, gut miteinander befreundet waren. Die Gruppenmitglieder trafen sich regelmäßig am (realen) Stammtisch und die Kommunikation drehte sich in erster Linie um die Organisation gemeinsamer Treffen (Kino, private Filmeabende, Geburtstagsfeiern, Besuch von Weihnachtsmärkten, Festen etc.). Teilweise trafen die Gruppenmitglieder sich an mehreren Tagen hintereinander; zu bestimmten Veranstaltungen wurden auch die „besseren Hälften“ eingeladen. Es handelte sich um eine exklusive Gruppe, deren Mitglieder ersichtlich miteinander befreundet waren. Vor dem Hintergrund der freundschaftlichen Verbundenheit tritt die Tatsache, dass es sich nicht bei allen Mitgliedern um Polizisten handelte, in den Hintergrund. Weitere relevante Feststellungen zu den Gruppenmitgliedern und deren Verhältnis zueinander lassen sich der Ermittlungsakte nicht entnehmen. Mit Einstellen eines Inhaltes in diese Gruppe wurde dieser nach dem Vorgenannten nicht einer unbestimmten Vielzahl von Personen zugänglich gemacht. Es liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Angeschuldigte E damit rechnete, dass die von ihm in die Gruppe eingestellten Dateiinhalte von den Empfängern an einen unbestimmten unkontrollierbaren Personenkreis weitergeleitet werden würden. Im Gegenteil ist aufgrund der freundschaftlichen Verbundenheit und des in der Gruppe „J“ geführten Gesprächs über die Dummheit von Polizeibeamten, die disziplinarrechtlich verfolgbare Inhalte in Facebook der Öffentlichkeit preisgeben, davon auszugehen, dass der Angeschuldigte in der Annahme handelte, dass „problematische“ Inhalte in der Gruppe verbleiben würden. Gerade vor dem Hintergrund dieses Austauschs zwischen dem Angeschuldigten E und dem Chatgruppenteilnehmer T kann auch dem Umstand, dass der Angeschuldigte F Inhalte der Chatgruppe „H“ in die Chatgruppe I1 (Fall 62) bzw. „G“ (Fall 10) weiterleitete, nicht die Bedeutung zugemessen werden, dass er mit der Streuung der von ihm eingestellten inkriminierten Inhalte an eine unbestimmte Vielzahl von Personen rechnete.
Auch hinsichtlich der Chatgruppen „N“ und „K1” bzw. „K2” sowie „J“ kann der Nachweis des Verbreitens nicht geführt werden. Insoweit stimmt die Einschätzung des Senats mit derjenigen der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main überein. Es handelte sich jeweils um kleinere Gruppen von Personen, die miteinander freundschaftlich verbunden oder sonst eng vertraut waren. Die Gruppen wurden jeweils für bestimmte Zwecke gegründet; die Einstellung von Dateien mit inkriminierten Inhalten stand nicht im Vordergrund.
Die Chatgruppe „N“ bestand aus elf Mitgliedern, allesamt Polizeimitglieder, mit Ausnahme des Bruders des Angeschuldigten A, und wurde am 24. Juni 2016 vom Angeschuldigten A erstellt. Die Angeschuldigten D und A waren Mitglied dieser Gruppe. N ist ein deutscher Online-Fußball-Manager in Form eines Browserspiels. Die Gruppe wurde allein zu dem Zweck gegründet, sich an dem Spiel zu beteiligen bzw. über das Spiel auszutauschen. Eine Kommunikation über andere Inhalte war nicht erwünscht, wie der Angeschuldigte A zu Beginn gleich klarstellte, und fand auch nicht statt. „Problematische“ Inhalte wurden nur ganz vereinzelt ausgetauscht und hatten einen Bezug zum Spiel. Dem (einzigen) diese Gruppe betreffenden Fall der Anklage (99) liegt ein Bild zugrunde, auf dem eine männliche Person mit einem Fußballtrikot von Verein2 von hinten zu sehen ist, wobei sich unter der Rückennummer … der Text „Siegheilson“ befindet. Diese Bilddatei stellte der Angeschuldigte D in die Gruppe. Die Annahme, dass der Angeschuldigte damit ein Kennzeichen einer in § 86 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 StGB bezeichneten Partei im oben beschriebenen Sinne verbreiten wollte, ist fernliegend und nicht begründbar.
Damit vergleichbar ist die Chatgruppe „K1” bzw. „K2” – es handelt sich um dieselbe Chatgruppe -, die aus 10 bis 17 Mitgliedern bestand, bei denen es sich ausschließlich um Polizeibeamte der … Dienstgruppe des … Polizeireviers in Stadt1 handelte. Zweck der Gruppe war der Austausch über das Computerspiel „K: Siege“ und Verabredungen zum Spiel. Dies ergibt sich aus dem Chatverlauf und wird durch die Angabe des Zeugen O in seiner Vernehmung vom 17. Mai 2019 bestätigt. Danach diente die Gruppe zum Playstation spielen, weswegen er nicht mehr Mitglied gewesen sei, als er nicht mehr gespielt habe. In einer Nachricht vom 24. Oktober 2018, 19:14 schrieb der Angeschuldigte A: „So ich werde gleich mal ein bisschen in dieser Gruppe aufräumen und die die nicht mehr zocken raus nehmen…“. Danach entfernte er die Angeschuldigten O, E, C und D aus der Gruppe.
Die Chatgruppe „J“ hatte zunächst 5 und ab dem 27. Januar 2017 4 Mitglieder. Von den Angeschuldigten waren der Angeschuldigte A und der Angeschuldigte E Mitglied. Die Mitglieder verband ihre Tätigkeit in der … Bereitschaftspolizeiabteilung in Stadt3. Zudem waren zwei der Mitglieder Brüder. Es ließ sich nicht nur ein kollegiales, sondern auch ein freundschaftliches Verhältnis der Mitglieder untereinander feststellen. Die Gruppe diente in erster Linie dazu, sich über Dienstliches auszutauschen und Treffen zu organisieren, der Austausch von inkriminierten Inhalten stand auch hier nicht im Vordergrund.
2. Hinsichtlich der angeklagten Taten Ziff. 100, 101 und 102 hat das Landgericht zu Recht hinreichenden Tatverdacht aus tatsächlichen Gründen abgelehnt. Die bestehende Beweislage lässt den Nachweis, dass der Angeschuldigten E im vorgeworfenen Tatzeitraum kinder- oder jugendpornographische Lichtbilder besessen hat, nicht zu.
Die drei Bilddateien, die Gegenstand der Anklage sind, wurden auf einem Laptop des Angeschuldigten E im Browser-Cache des Browsers „Firefox“ gefunden. Dort wurden sie am 21. April 2014 in einem Zeitraum von 4 Sekunden gespeichert und seitdem nicht mehr modifiziert. Aus Anlage III – NUIX Exporte Bilddateien – zum Auswertebericht des HLKA vom 13. Juni 2019 ist ersichtlich, dass es sich, neben zwei im Thumbnail Cache gespeicherten Vorschaubildern, insoweit um die einzigen nicht heruntergeladenen, sondern lediglich im Cache gespeicherten Bilder auf dem Rechner handelt.
Ein Besitz des Angeschuldigten E an diesen Bilddateien kann aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen landgerichtlichen Beschlusses nicht angenommen werden. Besitz ist das Aufrechterhalten des tatsächlichen Herrschaftsverhältnisses aufgrund Besitzwillens (BGH, Urteil vom 28. März 2018 – 2 StR 311/17). Da es möglich ist, die im Cache befindlichen Dateien jederzeit wieder aufzurufen, solange sie nicht manuell oder systembedingt automatisch gelöscht werden, kann der Nutzer mit dem Speichern einer Datei im Cache-Speicher hieran Besitz erlangen, sofern er sich des Vorhandenseins dieser Daten bewusst ist (BGH, Urteil vom 18. Januar 2012 – 2 StR 151/11). Anhaltspunkte dafür, dass dem Angeschuldigten die Speicherung der entsprechenden Dateien im Browser-Cache bewusst war, liegen nicht vor. Die Speicherung von Bilddateien im Browser-Cache ist zwar ein Indiz dafür, dass der Angeschuldigte bzw. ein Nutzer des Laptops die Bilddateien aufgerufen hat. Der Browser-Cache ist der temporäre Speicher eines Webbrowsers, hier „Firefox“, in dem bereits über eine Webseite aufgerufene Ressourcen, die über eine bestimmte URL abgerufen werden können, wie etwa Bilddateien, gespeichert werden, damit diese bei erneutem Aufruf der gleichen Webseite schnell wieder zur Verfügung stehen und nicht erneut vom entfernten Webserver abgerufen werden müssen. Bereits dies ist allerdings nicht zwingend, da eine Speicherung von Ressourcen etwa auch dann erfolgen kann, wenn sich bei Aufrufen einer Webseite gleich eine Vielzahl von Seiten öffnet. Hinsichtlich der insoweit bestehenden technischen Möglichkeiten wird auf die Ausführungen des angefochtenen landgerichtlichen Beschlusses Bezug genommen. Selbst wenn allerdings der Angeschuldigte die entsprechenden Bilddateien selbst aufgerufen haben sollte, ergaben die Ermittlungen jedenfalls keine Anhaltspunkte für die Annahme, dass der Angeschuldigte, für den überdurchschnittliche Computerkenntnisse nach dem Inhalt der Akten nicht belegt sind, den Cache-Bereich der Festplatte kannte und er darauf Zugriff hatte. Einen Erfahrungssatz dahingehend, dass dem durchschnittlichen Anwender bewusst ist, dass Inhalte von aufgerufenen Websites im Cache gespeichert werden und aktiv gelöscht werden müssen, wie die Staatsanwaltschaft im Rahmen der Beschwerdebegründung vorbringt, gibt es nicht.
3. Hinsichtlich der angeklagten Taten 76, 92 und 96, mit denen dem Angeschuldigten D das Einstellen von Bildern in die Chatgruppe „M“ zur Last gelegt wird, ist hinreichender Tatverdacht ebenfalls aus tatsächlichen Gründen nicht gegeben. Der Annahme der Täterschaft des Angeschuldigten D steht – worauf bereits die Generalstaatsanwaltschaft zu Recht hinweist – entgegen, dass die Inhalte durch den Nutzer mit der Nummer … (Anschlussinhaber W) mit dem Benutzernamen „X“ eingestellt wurden. Der Angeschuldigte D nutzte demgegenüber die Rufnummer … und den Benutzernamen „Vorname4“.
4. Eine Beiordnung als Pflichtverteidiger, wie durch den Verteidiger des Angeschuldigten E beantragt, kommt nicht in Betracht. Durch die Entscheidung des Senats wird das Beschwerdeverfahren endgültig abgeschlossen. Eine rückwirkende Beiordnung ist nicht möglich.
5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 1 StPO.