OLG Frankfurt a.M.: Zur Verjährung im Ordnungsmittelverfahren bei einem Wettbewerbsverstoß / Ordnungsgeld

veröffentlicht am 19. Februar 2021

OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 19.01.2021, Az. 6 W 15/19
Art. 9 EGStGB, § 570 Abs. 1 ZPO

Das OLG Frankfurt a.M. hat entschieden, dass die – von Amts wegen zu prüfende – Verfolgungsverjährung im Falle eines Ordnungsmittelantrags in einem Wettbewerbsverfahren nach Art. 9 Abs. 1 EGStGB zwei Jahre beträgt und mit dem Verstoß gegen die gerichtliche Entscheidung beginnt. Die Verfolgungsverjährung, so der Senat, könne nicht mehr eintreten, wenn das erstinstanzliche Gericht innerhalb der Frist ein Ordnungsgeld festgesetzt habe, auch wenn die Entscheidung nicht rechtskräftig sei. Es sei  auch keine Vollstreckungsverjährung eingetreten. Nach Art. 9 Abs. 2 EGStGB verjähre die Vollstreckung des Ordnungsgeldes und der Ordnungshaft binnen zwei Jahren, sobald das Ordnungsmittel vollstreckbar sei. Zum Volltext der Entscheidung:


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Oberlandegericht Frankfurt am Main

Beschluss

Der angefochtene Beschluss wird teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Gegen die Antragsgegnerin wird wegen schuldhafter Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungsverpflichtung aus der einstweiligen Verfügung des Landgerichts Darmstadt vom 21.7.2017 ein Ordnungsgeld in Höhe von 10.000,- € festgesetzt, sowie ersatzweise für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, für je 1.000,- € einen Tag Ordnungshaft, zu vollziehen an ihrem Geschäftsführer.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Die Gebühr nach Ziff. 2121 KV-GKG wird nicht erhoben. Die außergerichtlichen Kosten des Ordnungsmittelverfahrens erster Instanz hat die Antragsgegnerin zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Der Beschwerdewert wird auf 20.000,- € festgesetzt.

Gründe

I.

Das Landgericht hat der Antragsgegnerin mit Beschluss – einstweiliger Verfügung – vom 21.7.2017 u.a. untersagt:

im Rahmen der Akquise von Energieverträgen von potentiellen Kunden persönliche Daten, insbesondere Name und/oder Anschrift und/oder IBAN, und/oder Vertrags-daten mit dem bisherigen Energielieferanten, insbesondere Kundennummer und/oder Vertragskontonummer und/oder Zählernummer und/oder Jahresverbrauch und/oder monatliche Abschlagshöhe, abzufragen und/oder abfragen zu lassen, ohne darauf hinzuweisen, dass diese Daten für einen freiwilligen Wechsel des Kunden zu der Antragsgegnerin abgefragt werden.

Der Beschluss ist der Antragsgegnerin am 31.7.2017 zugestellt worden. Auf Antrag der Antragstellerin hat das Landgericht gegen die Antragsgegnerin mit Beschluss vom 18.10.2018 wegen Zuwiderhandlung gegen das ausgesprochene Verbot ein Ordnungsgeld in Höhe von 20.000,- € verhängt. Dagegen wendet sich die Antragsgegnerin mit der sofortigen Beschwerde, mit der sie die Aufhebung des Ordnungsgeldes und die Zurückweisung des Ordnungsmittelantrags anstrebt.

II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache teilweise Erfolg.

1. Die Vollstreckung ist nicht verjährt. Der Eintritt der Verjährung ist von Amts wegen zu prüfen (Zöller/Seibel ZPO, 33. Aufl., § 890 Rn 23).

a) Es ist keine Verfolgungsverjährung eingetreten. Der angegriffene Verstoß wurde am 15.11.2017 begangen. Das erstinstanzliche Gericht hat am 18.10.2018, mithin vor Ablauf der zweijährigen Verjährungsfrist nach Art. 9 Abs. 1 EGStGB, ein Ordnungsgeld festgesetzt. Nach diesem Zeitpunkt kann die Verfolgungsverjährung nicht mehr eintreten, auch wenn die Entscheidung nicht rechtskräftig ist (BGH GRUR 2005, 269; Zöller/Seibel ZPO, 33. Aufl., § 890 Rn 23).

b) Es ist auch keine Vollstreckungsverjährung eingetreten. Nach Art. 9 Abs. 2 EGStGB verjährt die Vollstreckung des Ordnungsgeldes und der Ordnungshaft binnen zwei Jahren. Die Verjährung beginnt, sobald das Ordnungsmittel vollstreckbar ist. Seit der Verhängung des Ordnungsgeldes durch das Landgericht sind mehr als zwei Jahre vergangen. Die Vollstreckungsverjährung von Ordnungsmitteln ruht jedoch nach Art. 9 Abs. 2 S. 4 Nr. 1 EGStGB, wenn sie nach dem Gesetz nicht begonnen oder nicht fortgesetzt werden kann. Gemäß § 570 Abs. 1 ZPO hat die Beschwerde gegen die Festsetzung eines Ordnungs- oder Zwangsmittels aufschiebende Wirkung. Damit besteht ein gesetzliches Vollstreckungshindernis (BGH, Beschluss vom 18.12.2018 – I ZB 72/17, Rn 15, juris).

2. Die allgemeinen Zwangsvollstreckungsvoraussetzungen liegen vor. Das Ordnungsmittel wurde angedroht (§ 890 Abs. 2 ZPO).

3. Das Landgericht ist nach durchgeführter Beweisaufnahme zu Recht von einer schuldhaften Zuwiderhandlung gegen das Verbot ausgegangen. Nach den Feststellungen des Landgerichts hat der für die Antragsgegnerin tätige Werber A am 15.11.2017 die Zeugen B und D aufgesucht und der Zeugin B einen Energieliefervertrag angeboten sowie ein entsprechendes Formular mit den Daten der Kundin ausgefüllt. Auf die Freiwilligkeit des Wechsels hat er nicht hingewiesen, sondern stattdessen falsche Angaben über die Verhältnisse der C gemacht. Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin ist die Beweiswürdigung des Landgerichts nicht zu beanstanden.

a) Ohne Erfolg beruft sich die Antragsgegnerin auf Widersprüche in den Aussagen der Zeugen B und D. Insbesondere der Zeuge D hat ausweislich des Vernehmungsprotokolls nachvollziehbar und schlüssig bekundet, dass der Werber behauptet hat, der Vertrag mit der C ginge nicht weiter. Die Zeugin B hat bekundet, der Werber habe davon gesprochen die C sei pleite; die Stromversorgung werde von seiner Firma übernommen. Das Landgericht hat zu Recht angenommen, dass die Parteien damit im Kern einen übereinstimmenden Sachverhalt geschildert haben. Es kommt nicht darauf an, wie die Zeugen die Angaben des Werbers über die Nichtfortsetzung des Vertrages der C in rechtlicher Hinsicht interpretiert haben. Die Aussagen stimmen jedenfalls darin überein, dass der Wechsel nicht als freiwillige Option dargestellt wurde.

b) Der Glaubhaftigkeit der Aussage des Zeugen D steht nicht entgegen, dass die Zeugin B abweichende Angaben zu der Übermittlung der Vertragsdaten gemacht hat. Der Zeuge D bekundete, er sei sich ganz sicher, dass der Werber Daten der Zeugin B aus dem C-Vertrag in den Antrag zum Anbieterwechsel übernommen habe. Die Zeugin B bekundete demgegenüber, der C-Vertrag sei während des Gesprächs nicht vorgelegt worden; sie habe dem Werber die Daten auch nicht gegeben. Dieser Umstand spricht nicht dafür, dass der Zeuge D den Vorgang falsch erinnerte oder gar gelogen hat. Vielmehr spricht alles dafür, dass die Zeugin B die Vorgänge weniger genau wahrgenommen oder erinnert hat. Die Zeugin spricht nur schlecht Deutsch und hat daher – nach ihren eigenen Angaben im Hauptsacheverfahren – nicht alles verstanden. Dies ergibt sich aus dem von der Antragsgegnerin im Beschwerdeverfahren eingeführten Protokoll der Vernehmung der Zeugin vom 11.1.2019. Auch war die Zeugin offenbar nicht bei allen Vorgängen beteiligt und hatte eine weniger genaue Erinnerung als der Zeuge D. Sie bekundete mehrfach Erinnerungslücken. Auf Vorhalt der Aussage des Zeugen D zur Vertragsübergabe bekundete sie, dazu könne sie nichts sagen. Sie sei nicht bei dem gesamten Gespräch der Männer dabei gewesen und habe auch nicht alles verstanden. Die Zeugin konnte sich auch nicht mehr erinnern, ob irgendetwas ausgefüllt wurde oder wie die Daten in den ausgefüllten Vordruck gelangten. In wichtigen Kernpunkten hat sie die in sich widerspruchsfreien und glaubhaften Angaben des Zeugen D allerdings durchaus bestätigt. Darauf hat das Landgericht in seinem Nichtabhilfebeschluss zur Recht hingewiesen.

c) Es kommt nicht entscheidend darauf an, dass der Zeuge D das überstürzte Verlassen der Wohnung durch den Werber mit seinem Anruf bei der C begründete, während die Zeugin B den schnellen Aufbruch darauf zurückführte, dass der Zeuge D sich überhaupt eingeschaltet hat. Letztlich hat auch die Zeugin B geschildert, dass D äußerte, sich bei dem bisherigen Versorger erkundigen zu wollen. Es kommt auch nicht entscheidend darauf an, ob der Werber seine Identität verschleiern wollte, indem er nicht seinen Nachnamen, sondern nur seinen zweiten Vornamen hinterließ.

4. Das vom Landgericht festgesetzte Ordnungsgeld ist auf 10.000,- € zu ermäßigen. Bei der Bemessung der Höhe eines Ordnungsmittels sind insbesondere Art, Umfang und Dauer des Verstoßes, der Verschuldensgrad, der Vorteil des Verletzers aus der Verletzungshandlung und die Gefährlichkeit der begangenen und möglichen künftigen Verletzungshandlungen für den Verletzten zu berücksichtigen. Ein Verstoß gegen den Verbotstitel soll sich für den Schuldner nicht lohnen (BGH Beschluss vom 23.10.2003 – I ZB 45/02, juris Rn 12). Im Streitfall ist zu berücksichtigen, dass ein einmaliger Verstoß gegen die einstweilige Verfügung in Rede steht. Auch wenn eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafürsprechen mag, dass die Antragstellerin nicht von allen Verstößen Kenntnis erlangt, kann nicht ohne konkrete Anhaltspunkte unterstellt werden, dass der Werber A in weiteren Fällen das Verbot missachtet hat. Unter Berücksichtigung der Gesamtumstände erscheint damit ein Ordnungsgeld von 10.000,- € als angemessen und ausreichend.

5. An die Stelle eines nicht beitreibbaren Ordnungsgeldes tritt die Ordnungshaft (§ 890 Abs. 1 Satz 1 ZPO). In entsprechender Anwendung strafrechtlicher Vorschriften kann das Ordnungsgeld durch Festsetzung eines Tagessatzes und der zur Ahndung erforderlichen Tagessatzanzahl bestimmt werden (BGH GRUR 2017, 318 Rn 19 ff – Dügida). Im vorliegenden Fall erscheint die Verhängung von 10 Tagessätzen angemessen, wobei ein Tagessatz 1.000,- € beträgt. Dementsprechend ist die Höhe der Ersatzordnungshaft auf einen Tag Ordnungshaft für jeweils 1.000,00 € Ordnungsgeld festzusetzen (vgl. OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 22.6.2017 – 6 W 49/17, juris).

6. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 891 Abs. 2, 92 Abs. 1 ZPO. Hinsichtlich der Kosten des Ordnungsmittelverfahrens erster Instanz liegt kein Teilunterliegen der Antragstellerin vor, da das angestrebte Ordnungsgeld nicht beziffert wurde.

7. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 574 ZPO) liegen nicht vor.

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