OLG Frankfurt a.M.: Aus dem Nichts heraus steht der Gerichtsvollzieher vor der Tür und lässt die Palette mit der China-Ware abfahren / Zu der Beschlagnahme von sog. Nachahmungsware per einstweiliger Anordnung

veröffentlicht am 11. März 2010

Rechtsanwalt Dr. Ole DammOLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 25.01.2010, Az. 6 W 4/10
Art. 17; Art. 89 Abs. 1 GGV; § 43 Abs. 1 GeschmMG

Das OLG Frankfurt a.M. hat sich zu der Frage geäußert, wann die Beschlagnahme von Nachahmungsprodukten – hier ein USB-Adapterstecker – per einstweiliger Anordnung erfolgen darf. Das Problem ist für die Betroffenen prekär: Regelmäßig recht unerwartet betritt der Gerichtsvollzieher mit einer gerichtlichen Anordnung das Ladenlokal und lässt im nächsten Akt der staatlichen Vollstreckung die Palette mit der abgekupferten China-Ware abfahren, wahlweise zum nächsten Speditionsunternehmen (zur Einlagerung oder „Verwahrung“) oder aber direkt zur Entsorgung beim ortsnahen Recycling-Unternehmen. Geld bekommt der Betroffene keines. Ganz im Gegenteil: Er hat die Kosten des Verfahrens zu tragen und zwar, nach Auffassung des Frankfurter Senats auch dann, wenn er sofort die Ansprüche der Antragstellerin anerkennt. Interessant war nun allerdings auch die Frage, wann überhaupt eine solche einstweilige Anordnung vom Gericht erlassen wird.

Kurz noch zum Sachverhalt: Die in der Volksrepublik China (!) ansässige Antragstellerin stellte Elektroartikel her. Zu ihren Produkten gehörte unter anderem ein USB-Adapterstecker, dessen Form durch das Gemeinschaftsgeschmacksmuster … geschützt war.Die Antragsgegnerin handelte u.a. mit Zubehörteilen für Kommunikationsgeräte und betrieb unter der Adresse www…de einen Internetshop, auf der sie unter anderem die angegriffene Ausführungsform des USB-Adaptersteckers anbot.  Die Antragstellerin hatte darin eine Verletzung ihres Gemeinschaftsgeschmacksmusters gesehen und die Antragsgegnerin ohne vorherige Abmahnung, aber nach einem Hinweis auf ein zu ihren Gunsten bestehendes „Patentrecht“ im Eilverfahren auf Unterlassung, Auskunftserteilung und auf Herausgabe der nach ihrer Auffassung geschmacksmusterverletzenden Erzeugnisse an den zuständigen Gerichtsvollzieher zur Sequestration in Anspruch genommen. Das zunächst angerufen LG Frankfurt a.M. hatte dem Eilantrag auf Unterlassung und Auskunftserteilung stattgegeben, aber den Antrag auf Beschlagnahme („Sequestrationsantrag“) mit der Begründung abgewiesen, eine Vereitelung der Sicherstellung zum Zwecke der Vernichtung sei nicht zu befürchten.

Für den Sequestrationsantrag sei, so der Senat, erforderlich, dass für die Durchsetzung des Vernichtungsanspruchs ein eigenständiges Sicherungsbedürfnis bestehe (Senat, Beschluss vom 24.10.2005 Az. 6 W 149/05 -GRUR 2005, 264). Hinsichtlich der insoweit zu stellenden Anforderungen sei einerseits zu beachten, dass der Anspruchsgegner, dem der Vertrieb der Verletzungsgegenstände ohnehin untersagt sein werde, weil der Sequestrationsanspruch regelmäßig nur flankierend zu einem Unterlassungsanspruch geltend gemacht werden würde, durch die Verpflichtung zur Herausgabe der Verletzungsgegenstände an den Gerichtsvollzieher keine erhebliche weitere Beeinträchtigung seiner Rechte erfahre (in diesem Sinne auch: Köhler/Bornkamm, UWG, 28. Aufl., § 12 Rd 1.48). Andererseits sei – zugunsten des Anspruchsgegners – zu berücksichtigen, dass eine Obliegenheit zur Abmahnung in Fällen des begründeten Sequestrationsanspruchs regelmäßig deshalb nicht bestehe, weil dies dem Zweck des Sequestrationsverfahrens zuwider liefe (Senat, Beschl. v. 09.08.2002 – 6 W 103/02GRUR 2002, 1096 – juris-Tz 3) und dem Anspruchsgegner deshalb auch im Falle eines sofortigen Anerkenntnisses die Kostenfolge des § 93 ZPO nicht zugute komme.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze überwiegt nach Auffassung des Senats in dem vorliegenden Fall das Sicherungsinteresse der Antragstellerin.

Die Antragstellerin habe vorgetragen und durch Vorlage der Email der Antragsgegnerin vom 06.08.2009 (Bl. 67 f) glaubhaft gemacht, dass sich die Antragsgegnerin als Importeur und Großhändler betätigt habe und dabei an einem Bezug der rechtsverletzenden USB-Adapterstecker in einer erheblichen Stückzahl interessiert gewesen sei. Denn dort gebe sie ihr Preislimit für einen Einkauf von bis zu 10.000 Stück an. Die geringste von ihr nachgefragte Stückzahl liege immerhin noch bei 1.000 Einheiten. Wenn die Antragsgegnerin – wovon auszugehen sei – Einkäufe in dieser Größenordnung getätigt habe, bedeute dies, dass sie über erhebliche Lagerbestände verfüge, die nunmehr innerhalb des Geltungsbereichs der Unterlassungsverfügung (Bundesrepublik Deutschland) unverkäuflich geworden seien. Es bestehe daher ein beachtlicher wirtschaftlicher Anreiz der Antragsgegnerin, die Verletzungsgegenstände auf andere Weise abzusetzen, um so der Vernichtung der Geräte zu entgehen. Hinzu kommt, dass die relativ kleinen USB-Adapterstecker ohne Weiters beiseite geschafft werden könnten.

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