OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 09.04.2015, Az. 6 W 32/15
§ 888 ZPO
Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass im Falle des Verfahrens zur Erzwingung einer Auskunft ein Zwangsgeld sowohl gegen die verurteilte Gesellschaft als auch gegen den inhaltlich übereinstimmend verurteilten Geschäftsführer verhängt werden kann. Dieser Fall sei anders zu behandeln als die Vollstreckung einer Unterlassungsverpflichtung, bei welcher ein eigener Verstoß des Geschäftsführers vorliegen müsse. Da ein Zwangsgeld jedoch lediglich eine Beugemaßnahme sei und keine repressive Rechtsfolge, seien die Grundsätze der Vollstreckung aus Unterlassungstiteln hier nicht anwendbar. Zum Volltext der Entscheidung:
Oberlandesgericht Frankfurt am Main
Beschluss
Die Beschwerde wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Die Beklagten können die Vollstreckung der gegen sie verhängten Zwangsmittel abwenden, indem sie den Verpflichtungen aus Ziffer 2 des Urteilstenors vom 25.8.2011 binnen einer Frist von zwei Monaten ab Zustellung dieses Beschlusses nachkommen.
Beschwerdewert: 3.000,- €
Gründe
I.
Die Parteien streiten über die Vollstreckung einer Auskunftsverpflichtung wegen der Verletzung einer Marke.
Das Landgericht hat die Beklagten mit Urteil vom 25.8.2011 verurteilt (Tenor zu Ziff. II.),
der Klägerin Auskunft zu erteilen über Namen und Anschrift ihrer gewerblichen Abnehmer oder ihrer Auftraggeber sowie über die Menge der bestellten Arzneimittel der Marke X® (Wirkstoff: X1), welches erstmals außerhalb der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraumes in den Verkehr gebracht wurde, und zwar unter Vorlage entsprechender Verkaufsbelege, Rechnungen und Lieferscheine, wobei die Vorlage auch gelten soll bezüglich der bereits benannten Lieferanten und Vorbesitzer.
Außerdem hat das Landgericht festgestellt, dass die Beklagten der Klägerin gesamtschuldnerisch zum Schadensersatz verpflichtet sind (Tenor zu Ziff. I.). Der Senat hat mit Berufungsurteil vom 23.05.2013 die Berufung der Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass in Ziffer I. des Tenors eingefügt wird: „Aus den Lieferungen gemäß Anlage K5 zur Klageschrift“.
Die Klägerin hat die Beklagten erfolglos zur Auskunftserteilung aufgefordert. Das Landgericht hat auf Antrag der Klägerin mit Beschluss vom 27.2.2015 ein Zwangsgeld je Schuldner in Höhe von 1.000 € verhängt. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss Bezug genommen. Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Beklagten vom 17.03.2015, der das Landgericht nicht abgeholfen hat.
Die Beklagten beantragen,
den Zwangsgeldantrag zurückzuweisen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
1.
Entgegen der Ansicht der Beklagten bestehen keine Bedenken an der Bestimmtheit und damit der Vollstreckbarkeit der titulierten Auskunftsverpflichtung. Insbesondere setzt die Vollstreckbarkeit nicht voraus, dass die konkret festgestellten Verletzungshandlungen (Anlage K5) in den Tenor aufgenommen werden. Der Auskunftsanspruch aus § 19 MarkenG ist seinem Inhalt nach auf die Erteilung von Auskünften über den konkreten Verletzungsfall einschließlich solcher Handlungen gerichtet, die im Kern gleichartig sind. Er geht damit über die konkrete Verletzungshandlung hinaus. Sein Umfang ist nicht auf die festgestellte Verletzungshandlung eingeschränkt (BGH GRUR 2006, 504, 506 – Parfumtestverkäufe). Der Tenor ist in zulässiger Weise auf solche Waren beschränkt, die nicht von der Klägerin oder mit ihrer Zustimmung in der EU oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum in den Verkehr gebracht worden sind.
2.
Das Landgericht hat zu Recht angenommen, dass die Beklagten die angebliche Unmöglichkeit der Erfüllung des Auskunftstitels nicht ausreichend dargelegt haben. Hierzu bedarf es substantiierten nachprüfbaren Vorbringens des Schuldners (Zöller/Stöber ZPO, 30. Auflage, § 888, Rn. 11). Soweit die Beklagten zu 2 und 3 behaupten, sie seien nicht im Besitz entsprechender Unterlagen, kommt es hierauf nicht an. Als Geschäftsführer der Beklagten zu 1 haben sie jedenfalls Zugriff auf die erforderlichen Unterlagen. Eine Beschränkung auf den Besitz eigener Unterlagen kommt nur bei ausgeschiedenen gesetzlichen Vertretern in Betracht (vgl. BGH GRUR 2000, 605, 608 – comtes/ComTel). Soweit die Beklagten auf die steuerrechtlichen Aufbewahrungsfristen für Rechnungen und Bestellungen verweisen, ist ihr Vortrag nicht ausreichend. Sie legen jedenfalls nicht konkret dar, dass die fraglichen Unterlagen bereits vernichtet wurden. Dies liegt auch fern, da die Beklagten bereits mit Urteil vom 19.05.2011 zur Auskunftserteilung verpflichtet wurden und die Verpflichtung nicht bewusst vereiteln dürfen.
3.
Ohne Erfolg wenden die Beklagten in der Beschwerdebegründung ein, „die Schuldnerin“ wisse gar nicht, welche Lieferchargen mit ihr gehandelt worden seien und ob bestimmte Geschäfte noch zu denjenigen der Anlage K5 gehörten. Dieser pauschale Vortrag genügt ersichtlich nicht den Darlegungsanforderungen für die Unmöglichkeit. Den Schuldnern ist es zumutbar, die notwendigen Daten anhand ihrer Unterlagen und notfalls durch Nachfrage bei Lieferanten und Abnehmern zu ermitteln (vgl. BGH GRUR 2006, 504, 506 – Parfumtestverkäufe).
4.
Das Landgericht hat zu Recht angenommen, dass der Senat die vom Landgericht titulierte Auskunftsverpflichtung nicht auf die Anlage K5 zur Klageschrift begrenzt hat. Die entsprechende Einschränkung bezog sich allein auf den Tenor zu I. Mit dem Tenor zu Ziffer II. wurde nicht lediglich eine zum Schadensersatzanspruch akzessorische Auskunftspflicht im Sinne des §§ 242 BGB tituliert, sondern ein selbständiger Auskunftsanspruch nach § 19 Abs. 1 MarkenG (sog. Drittauskunftsanspruch).
5.
Die Beklagten können der Auskunftsverpflichtung nicht entgegenhalten, dass die über die in der Anlage K5 aufgeführten Handlungen hinausgehenden Schadensersatzansprüche mittlerweile verjährt seien. Die Verjährung kann im Vollstreckungsverfahren aus dem titulierten Anspruch nicht eingewandt werden. Die Beklagten können sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, das Auskunftsverlangen sei wegen der Verjährung der Schadensersatzansprüche schikanös bzw. treuwidrig. Der titulierte Auskunftsanspruch ist nicht von dem Schadensersatzanspruch gegenüber den Beklagten abhängig. Die Klägerin verlangt vielmehr Drittauskünfte, die eine Inanspruchnahme von Lieferanten und Abnehmern ermöglichen sollen. Eine Verjährung dieser Ansprüche ist nicht ersichtlich.
6.
Der Verhängung eines Zwangsgeldes gegenüber den Beklagten zu 2 und 3 neben der Beklagten zu 1 steht schließlich nicht die Rechtsprechung des BGH zur Vollstreckung aus Unterlassungstiteln gegenüber Geschäftsführern entgegen (BGH, Beschl. v. 21.1.2012 – I ZB 43/11). Danach ist ein Ordnungsgeld nach § 890 ZPO nur gegen die juristische Person festzusetzen, wenn sowohl eine juristische Person als auch ihr Organ aus einem Vollstreckungstitel zu Unterlassung verpflichtet sind und das Organ im Rahmen der geschäftlichen Tätigkeit für die juristische Person dem Verbot zuwider handelt. Diese Grundsätze sind auf die Auskunftsvollstreckung nach § 888 ZPO nicht anwendbar. Das Zwangsgeld ist lediglich eine Beugemaßnahme, keine repressive Rechtsfolge für einen vorausgegangenen Ordnungsverstoß (Zöller/Stöber ZPO, 30. Auflage, § 888, Rn. 7). Ist der Geschäftsführer selbst Täter, hat er im Falle seiner Verurteilung zur Auskunftserteilung grundsätzlich auch über alle seine die Verletzungsform betreffenden Handlungen Auskunft zu geben. Das sind in erster Linie die durch die GmbH begangenen Handlungen, können aber auch weitere Benutzungshandlungen sein, für die er als Täter in anderer Weise verantwortlich ist (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 08.09.2011 – I2 W 26/11 Rn. 21 – juris).
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 891 S. 2, 97 ZPO.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 574 ZPO) liegen nicht vor.
Vorinstanz:
LG Frankfurt a.M., Az. 2-3 O 601/10