OLG Frankfurt a.M.: Eine einstweilige Verfügung bezüglich der Unterlassung der Verbreitung eines Farbfotos kann auch in schwarz-weiß wirksam zugestellt werden

veröffentlicht am 28. April 2015

OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 17.02.2015, Az. 11 U 56/14
§ 72 UrhG, § 97 UrhG; § 929 Abs. 2 ZPO

Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass eine einstweilige Verfügung, welche das Verbot der Verbreitung eines Farbfotos zum Inhalt hat, auch dann wirksam zugestellt werden kann, wenn die Ausfertigung lediglich eine Schwarz-Weiß-Kopie des Bildes enthält. Dies sei jedenfalls dann der Fall, wenn trotz dieser Abweichung der Inhalt und die Reichweite der Unterlassungsverpflichtung unmissverständlich erkennbar sei. Vorliegend sei dies der Fall gewesen. Zum Volltext der Entscheidung:


Oberlandesgericht Frankfurt am Main

Urteil

Auf die Berufung der Verfügungsklägerin wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 23.4.2014 (Az. 2-06 O 52/14) wie folgt abgeändert:

Es wird festgestellt, dass das einstweilige Verfügungsverfahren in der Hauptsache erledigt ist.

Die Verfügungsbeklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Gründe

I.
Die Verfügungsbeklagte (im Folgenden: Beklagte) hatte eine Fotografie, an der der Verfügungsklägerin (im Folgenden: Klägerin) die ausschließlichen Nutzungsrechte zustanden, in bearbeiteter Form im Internet öffentlich zugänglich gemacht. Nachdem sie auf Abmahnung der Klägerin hin nur eine beschränkte Unterlassungserklärung abgegeben hatte, erwirkte die Klägerin am 14.2.2014 eine einstweilige Verfügung, mit welcher der Beklagten das Öffentlich-Zugänglich-Machen der Fotografie untersagt wurde. Dem Antrag war – ebenso wie dem stattgebenden Beschluss des Landgerichts – eine Farbkopie der von der Beklagten bearbeiteten Version der Fotografie beigefügt. Die Beschlussausfertigung, die der Beklagten am 17.2.2014 zugestellt wurde, enthielt lediglich eine Schwarz-weiß-Kopie dieses Fotos.

Die Beklagte legte mit Schriftsatz vom 18.3.2014 Widerspruch ein und beantragte, die einstweilige Verfügung aufzuheben, weil sie nicht binnen der Frist des § 929 Abs. 2 ZPO ordnungsgemäß vollzogen worden sei. Am selben Tag gab sie eine uneingeschränkte strafbewehrte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung ab. Die Klägerin erklärte daraufhin den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt. Die Beklagte hat sich der Erledigungserklärung nicht angeschlossen.

Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Urteil die einstweilige Verfügung aufgehoben mit der Begründung, sie sei nicht ordnungsgemäß vollzogen worden. Die Zustellung einer Schwarzweiß-Abschrift mit einem lediglich schwarz-weiß abgebildeten Lichtbild stelle eine Abweichung von der Urschrift in einem nicht nur unwesentlichen Teil dar. Bei urheberrechtlich geschützten Werken sei grundsätzlich die Zustellung der Originalfarbausfertigung erforderlich. Der Umfang des Schutzes eines Werkes könne sich danach bestimmen, ob das ursprüngliche Werk schwarz-weiß oder farbig sei. Auch die Grenzen der freien bzw. unfreien Bearbeitung könnten davon abhängen, ob es sich um ein Schwarz-weiß-Bild oder um ein farbiges Bild handelt. Dies gelte erst recht, wenn – wie hier – nicht das unveränderte Lichtbild, sondern eine Bearbeitung vervielfältigt werde.

Die nicht ordnungsgemäße Vollziehung der einstweiligen Verfügung begründe einen Aufhebungsgrund, der auch im Widerspruchsverfahren geltend gemacht werden könne. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sei damit als von Anfang an unbegründet anzusehen. Damit sei auch der Antrag auf Feststellung der Erledigung abzuweisen gewesen.

Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihren Antrag auf Feststellung der Erledigung weiter. Gegenstand des Verfügungsantrages sei die Originalfotografie gewesen, d.h. das urheberrechtlich geschützte Werk selbst, und nicht nur eine bestimmte Version.

Dies sei zwischen den Parteien unstreitig gewesen; auch die beiden von der Beklagten am 13.02.2014 sowie am 18.03.2014 abgegebenen strafbewehrten Unterlassung- und Verpflichtungserklärungen seien für die Originalfotografie abgegeben worden.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Es sei der Klägerin nicht um die Verwendung des Ursprungsfotos, sondern um die Unterlassung der Verwendung eines bearbeiteten Fotos gegangen. Die Verfügung habe sich nur auf dieses konkrete Bild bezogen. Deshalb sei die Darstellung des konkreten bearbeiteten Lichtbildes mit Farbverlauf, Schattierungen, Bildschärfe, Schattenwurf und Bildausschnitt maßgeblich. Tatsächlich seien von derselben oder ähnlicher Position am selben Tag und zur selben Uhrzeit von anderen Fotografen sehr ähnliche Lichtbilder erstellt worden.

II.
Die zulässige Berufung ist auch in der Sache begründet. Das einstweilige Verfügungsverfahren ist in der Hauptsache erledigt.

1)
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung war in der Form, in der ihm das Landgericht mit Beschluss vom 14.02.2014 stattgegeben hatte, ursprünglich zulässig und begründet.

a)
Ausweislich des Tatbestandes des erstinstanzlichen Urteils hatte der Fotograf der Klägerin die ausschließlichen und unbeschränkten Nutzungsrechte für die Verwertung der im Tatbestand des Urteils wiedergegebenen Fotografie eingeräumt. Diese Rechte hat die Beklagte dadurch verletzt, dass sie dieses Foto in bearbeiteter Form im Internet öffentlich zugänglich gemacht hat. Der Klägerin stand daher nach §§ 97 Abs. 1, 72 Abs. 1 UrhG ein entsprechender Unterlassungsanspruch zu.

b)
Die einstweilige Verfügung wäre auch nicht mangels rechtzeitiger Vollziehung aufzuheben gewesen. Die Verfügung ist vielmehr binnen der Monatsfrist des § 929 Abs. 2 ZPO am 17.02.2014 durch Zustellung wirksam vollzogen worden.

Bei einer zum Zwecke der Vollziehung vorgenommenen Zustellung muss die zugestellte Ausfertigung die Urschrift vollständig und richtig wiedergeben. Sind die Antragsschrift oder andere Anlagen zum Bestandteil der einstweiligen Verfügung gemacht geworden, müssen diese Urkunden grundsätzlich ebenfalls zugestellt werden (vgl. Zöller/Vollkommer, 30. Auflage, ZPO, § 922 Rn. 11; Ahrens/Büttner, Der Wettbewerbsprozess, 7. Aufl., Kap. 57 Rdnr. 34.).

Liegt keine Identität zwischen der Urschrift und der dem Schuldner zugestellten Abschrift vor, was auch der Fall ist, wenn die Anlagen auf Grund schlechter Kopierqualität nur schwer erkennbar sind oder – wie hier – nicht farbrichtig beigefügt wurden, so ist im Einzelfall zu prüfen, ob es sich um einen unbedenklichen, unwesentlichen Fehler handelt oder aber ein der Wirksamkeit der Zustellung entgegenstehender Mangel vorliegt. Maßgeblich im Rahmen der Prüfung der Wesentlichkeit der Abweichung ist, ob aus der tatsächlich zugestellten Form der Abschrift der Inhalt und der Umfang der Beschwer bzw. der Inhalt und die Reichweite der Unterlassungsverpflichtung unmissverständlich erkennbar sind (vgl. BGH, NJW-RR 2000, 1665; OLG Köln, NJW-RR 2010, 864; OLG Hamburg, NJW-RR 2007, 986 = GRUR-RR 2007, 406; OLG Düsseldorf, Urteil vom 20. Januar 2011 – I-2 U 92/10, 2 U 92/10 -, juris; OLG Bamberg, NJW-RR 2014, 1322; OLG Frankfurt, 6. ZS, GRUR-RR 2011, 340; Senat, GRUR 2009, 995 [996]; GRUR 2014, 691; GRUR-RR 2014, 1023).

Nach diesen Maßstäben war vorliegend die Zustellung einer Schwarz-Weiß-Kopie ausreichend, um die Beklagte Inhalt und Umfang des Unterlassungsgebotes eindeutig erkennen zu lassen. Gegenstand der Unterlassungsverfügung war ein konkretes Foto, welches die Beklagte in ihrem Internetauftritt zur Bewerbung einer eigenen Veranstaltung verwendet hatte. Dieses war auch auf einer Schwarz-Weiß-Kopie ohne weiteres identifizierbar, nicht zuletzt durch die Schrift, durch die Bühne und durch die Wolkengestaltungen. Es ist nichts dazu vorgetragen, dass die Beklagte eine Vielzahl ähnlicher Fotos – sei es aufgrund unterschiedlicher Vorlagen, sei es als anders gestaltete Bearbeitungen desselben Originals – gefertigt und veröffentlicht hätte, so dass für sie auch nur im Geringsten hätte zweifelhaft sein können, welches konkrete Foto tatsächlich von dem Unterlassungsgebot umfasst war. Da im Tenor des Beschlusses nur dieses Foto enthalten ist, kommt es auch nicht darauf an, ob zur Identifizierung des Originals, insbesondere zur Unterscheidung von anderen Fotografien, die möglicherweise zur selben Zeit und am selben Ort gemacht worden sind, die genaue Farbgestaltung und/oder sonstige – auf einer Schwarz-Weiß-Kopie nicht erkennbare – Details erforderlich wären. Insofern unterscheidet sich der vorliegende Fall von dem der Senatsentscheidung vom 2.4.2014 (11 W 10/14, GRUR-RR 2014, 317 – Schmuckstücke ) zugrunde liegenden Sachverhalt. In jener Entscheidung war die Farbigkeit der Lichtbilder zur Bestimmung des Umfangs des Unterlassungsgebotes wesentlich, weil es sich um eine Vielzahl nachträglich bearbeiteter Lichtbilder handelte, wobei die Bearbeitung im Hinblick auf Farbgestaltung, Darstellung des Schattenwurfs und Bildschärfe nur anhand des konkret bearbeiteten Lichtbildes ermittelt werden konnte. Im Unterschied dazu geht es vorliegend nur um ein einziges konkretes Foto, dessen Verwendung der Beklagten untersagt wurde.

Eine Abänderung der Reichweite des Unterlassungsverbotes ist mit der Zustellung in Schwarz-weiß im vorliegenden Fall nicht verbunden. Aus der zugestellten Abschrift war offenkundig, dass es nicht um das Verbot eines schwarz-weißen Fotos ging, sondern dass der gesamte Beschluss lediglich schwarz-weiß kopiert worden war und Gegenstand der Verfügung und damit des Unterlassungsgebotes das tatsächlich verwendete farbige Foto war. Die Frage, welche Bearbeitungen dieses Fotos, auch etwa Farbveränderungen, noch als kerngleich ebenfalls von dem Unterlassungsverbot umfasst werden, stellt sich unabhängig davon, ob eine Abschrift in Farbe oder in Schwarz-Weiß zugestellt wird.

War somit für Beklagte zweifelsfrei erkennbar, auf welches von ihr verwendete Foto sich das Unterlassungsgebot bezog, war im vorliegenden Fall die Zustellung der schwarz-weißen Ausfertigung zur Vollziehung der einstweiligen Verfügung ausreichend.

2)
Der begründete Verfügungsantrag hat sich erst dadurch erledigt, dass die Beklagte am 18.03.2014 eine uneingeschränkte Unterlassungserklärung abgegeben hat und dadurch eine Wiederholungsgefahr entfallen ist. Zwar ist diese Erledigungserklärung nicht konkret für die bearbeitete Version, sondern für das Originalbild abgegeben worden. Allerdings umfasst diese Unterlassungserklärung nach dem Verständnis beider Parteien jedenfalls auch die gegenständliche bearbeitete Version. So wurde die Erklärung seitens der Beklagten – wie schon die eingeschränkte Unterlassungserklärung vom 13.2.2014 (Bl. 118 d.A.) – erkennbar zur Erledigung des Unterlassungsbegehrens der Klägerin abgegeben, welches sowohl im Abmahnschreiben vom 11.2.2014 als auch im Verfügungsantrag auf die tatsächlich verwendete bearbeite Version des Fotos Bezug nahm; sie bezieht sich auch nach ihrer Formulierung ausdrücklich auf die „Fotografie im Original oder geänderter Form“. Auch die Klägerin hat die Unterlassungserklärung ausweislich ihres Schriftsatzes vom 16.4.2014 in diesem Sinne verstanden.

Damit hat sich das Verfahren nach Rechtshängigkeit erledigt.

3)
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 15.000 Euro festgesetzt.

Vorinstanz:
LG Frankfurt, Az. 2-06 O 52/14

I