OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 30.06.2015, Az. 11 U 31/14
Art. 5 EUV 1215/2012, Art. 25 EUV 1215/2012; § 89a UrhG, § 89b UrhG; § 133 BGB, § 157 BGB
Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass eine zwischen zwei Parteien getroffene Gerichtsstandsvereinbarung nicht nur für Ansprüche aus dem zugehörigen Vertrag gilt, sondern auch für damit im Zusammenhang stehende gesetzliche Ansprüche. Eine solche Vereinbarung solle regelmäßig die Prozessführung der aus dem Vertragsabschluss und der Vertragsabwicklung herrührenden Streitigkeiten an einem Gerichtsstandort bündeln und so eine doppelte Prozessführung vermeiden. Zum Volltext der Entscheidung:
Oberlandesgericht Frankfurt am Main
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main – 11. Kammer für Handelssachen – vom 13.2.2014 abgeändert und die Klage abgewiesen.
Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrags abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen Verletzung ihrer Rechte an sog. Sprungverweisen auf Unterlassung, Vernichtung, bezifferten Schadenersatz und Schadenersatzfeststellung in Anspruch.
Die Klägerin entwickelt „Vertragsassistenten“, durch die ein Endnutzer am Bildschirm durch Beantwortung systemgesteuerter Fragen einen juristischen Vertrag nach seinen Bedürfnissen erstellen kann. Die Systemsteuerung durch die sog. Sprungverweise ermöglicht es, eine Vielzahl von Textbausteinen je nach der Beantwortung der dem Nutzer gestellten Fragen miteinander zu verknüpfen und zum zweckmäßigsten Textbaustein zusammen zu führen, der dann in den Vertrag aufgenommen wird. Die Sprungverweise werden von der verwendeten Software ausgewertet, um in Abhängigkeit von den Antworten der Nutzer die relevanten Textbausteine zusammenzustellen und einen den abgefragten Inhalten entsprechenden Vertrag zu erstellen.
Die Klägerin hatte zunächst einen Vertragsassistenten für das deutsche Recht in deutscher Sprache für eine Vielzahl von Vertragstypen angeboten. Hierbei wurden die jeweiligen Vertragsassistenten für die einzelnen Vertragstypen (nachfolgend „deutsche Module“) auf der Grundlage einer von ihr entwickelten Software erstellt.
Im Jahr 2007 schloss die Klägerin mit der Beklagten, die ihren Sitz in Spanien hat, einen Kooperationsvertrag (nachfolgend „Vertrag“; Anlage K2), auf dessen Grundlage Module für den spanischen Markt in spanischer Sprache für das spanische Recht erstellt werden sollten. Nach dem Vertrag sollten die spanischen Module in der Weise erstellt werden, dass die von der Klägerin zur Verfügung zu stellenden deutschen Module übersetzt und an das spanische Recht angepasst werden sollten. Um welche Vertragstypen es sich handeln sollte, ist aus Exhibit 1 des Vertrags ersichtlich. Zudem sollten noch weitere spanische Module durch die Beklagte erstellt oder von Dritten erworben werden, wie sie in Exhibit 2 vorgesehen sind. Nach dem Vertrag (Ziff. 4.5) soll jede Partei das Recht haben, den „Legal Content“ während des Vertrags und nach dessen Kündigung weiter zu nutzen; die Bedeutung dieses Begriffs ist zwischen den Parteien streitig. Der Vertrag enthält in Ziff. 11 eine Regelung über das anwendbare Recht und die internationale Zuständigkeit. Unstreitig wurden die deutschen Module der Klägerin auf deren Veranlassung in die spanische Sprache übersetzt und der Beklagten zur Verfügung gestellt. Anschließend wurden die spanischen Module erstellt, wobei von der Beklagten beauftragte spanische Rechtsanwälte mitwirkten; in welchem Umfang und in welcher Weise hierbei die übersetzten deutschen Module genutzt und in welchem Umfang die spanischen Rechtsanwälte tätig wurden, ist zwischen den Parteien streitig. Unstreitig wurden die spanischen Module – wie im Vertrag vorgesehen – auf dem Server der Klägerin gespeichert und dieser mit der Seite der Beklagten verlinkt, um spanischen Nutzern den Zugriff auf die spanischen Module zu ermöglichen. Dieser Zugriff erfolgte mittels der Software der Klägerin. Die Beklagte kündigte den Vertrag zum 31.12.2010 ordentlich. Sie bietet seither in spanischer Sprache auf ihrer spanischen Webseite www…..es spanische Module zum spanischen Recht an.
Die Klägerin hat erstinstanzlich die Untersagung „der Verwendung von Datenbanken und Datenbankwerken“ verlangt und geltend gemacht, die Beklagte habe ab den Jahren 2010/2011 widerrechtlich die in den Modulen vorhandene Struktur in Gestalt der Sprungverweise für die von ihr angebotenen spanischen Module verwendet. Sie hat zudem Untersagung der Verwendung von Software verlangt und behauptet, die Beklagte habe ihre Software kopiert. Sie hat hinsichtlich Datenbanken, Datenbankwerken und Software außerdem die Vernichtung von Vervielfältigungsstücken, die Feststellung der Schadenersatzpflicht der Beklagten und die Zahlung bezifferten Schadenersatzes nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie in Höhe von EUR 600.000,- verlangt und ihre Ansprüche auf Verletzung des UrhG (Rechte aus § 4 Abs. 2 UrhG, § 89a UrhG und § 69a UrhG), auf § 4 Ziff. 9 UWG und Vertrag gestützt.
Das Landgericht hat nach Einholung von Sachverständigengutachten mit dem angefochtenen Urteil, auf das wegen der weiteren Feststellungen und erstinstanzlichen Anträge verwiesen wird (§ 540 Abs. 1 ZPO), der Klage wegen Verletzung der Urheberechte der Beklagten teilweise stattgegeben. Es hat Unterlassungsansprüche in Bezug auf Datenbanken und Datenbankwerke bejaht und hinsichtlich der Software die Klage abgewiesen. Es hat den beziffert geltend gemachten Schadenersatz lediglich in Höhe von EUR 32.000 zugesprochen und die Anträge auf Feststellung der Schadenersatzpflicht und Vernichtung zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die internationale Zuständigkeit ergebe sich aus § 11 des Vertrags. Die Klage sei zum Teil begründet. Ein Unterlassungsanspruch ergebe sich nicht aus §§ 69a, 97 UrhG, da die Sprungverweise Ergebnisse der Datenverarbeitung seien, die auch manuell erzeugbar und daher als solche nicht als Computerprogramm schutzfähig seien. Ein Unterlassungsanspruch ergebe sich auch nicht aus §§ 87a ff, 97 UrhG, da die Beklagte nur die ordnende Struktur der Datenbank übernommen habe, was dem Schutz der §§ 87a ff. UrhG nicht unterfalle. Allerdings habe die Beklagte durch die Nutzung der Sprungverweise die Rechte der Klägerin als Urheberin des Datenbankwerks verletzt, so dass sich ein Unterlassungsanspruch aus §§ 4, 97 UrhG ergebe. Es liege ein schutzfähiges Datenbankwerk vor. Die Sprungverweise habe die Beklagte nach Kündigung des Vertrags nicht nutzen dürfen, da es sich nicht um den rechtlichen Gehalt der Datenbank, sondern die schöpferisch technische Leistung der Klägerin gehandelt habe. Die Verletzungshandlung begründe die Vermutung der Wiederholungsgefahr auch hinsichtlich der Nutzung der Datenbank, da es sich um eine kerngleiche Verletzungsform handele. Der Klägerin stehe gemäß § 97 UrhG der Schadenersatzanspruch dem Grunde nach zu, der hier im Rahmen der Lizenzanalogie verlangt werden könne. Danach sei nicht die volle im Vertrag vereinbarte Lizenzgebühr anzusetzen, die weitere Leistungen umfasst habe. Als Schätzgrundlage komme der für eine Neugestaltung der Ablaufsteuerung zu betreibende Aufwand eines Programmierers in Betracht, der auf der Grundlage der Angaben des Sachverständigen mit EUR 32.000,-, anzusetzen sei. Der Feststellungsanspruch bestehe nicht, da die Klägerin keine weiteren drohenden Schäden dargelegt habe. Ein Anspruch auf Vernichtung bestehe nicht, da unstreitig die Beklagte weder die Software noch Datenbankwerke vervielfältigt, sondern nur die Ablaufsteuerung übernommen habe.
Hiergegen wenden sich beide Parteien mit der Berufung.
Die Klägerin verfolgt lediglich ihren erstinstanzlich geltend gemachten vollen bezifferten Schadenersatzanspruch, den Schadenersatzfeststellungsantrag und den Antrag auf Vernichtung, sämtlich lediglich bezogen auf die Verwendung von Datenbanken und Datenbankwerken weiter. Soweit ihre Ansprüche im Hinblick auf die Software abgewiesen worden sind, greift sie das Urteil nicht an. Sie meint, das Landgericht habe den Schaden falsch und zu niedrig bemessen. Der Anspruch auf Feststellung der Schadenersatzpflicht bestehe, da sie, die Klägerin, nicht wisse, ob weitere Schäden, zB durch Lizensierungen seitens der Beklagten, entstanden seien. Da die Beklagte tatsächlich Datenbankwerke der Klägerin vervielfältigt habe, beispielsweise in Gestalt der CD, die die Beklagten dem Sachverständigen überlassen habe, bestehe auch der Vernichtungsanspruch.
Die Klägerin beantragt zuletzt,
1. die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr die nachfolgend bezeichneten Datenbankwerke zu verbreiten, zu bearbeiten und/oder in unveränderter oder bearbeiteter Form öffentlich zugänglich zu machen oder zu verwenden
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sofern dies unter Übernahme einer durch Sprungverweise hergestellten Ordnungsstruktur geschieht, wie sie in dem Schriftsatz der Klägerin vom 28.4.2015 auf S. 3 bis 33 (Bl. 854 bis 883 d.A.) wiedergegeben ist;
2. der Beklagten für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen Ziff. 1 ein Ordnungsgeld bis EUR 250.000,-, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten anzudrohen, wobei die Ordnungshaft an ihrem jeweiligen gesetzlichen Vertreter zu vollziehen ist und insgesamt zwei Jahre nicht übersteigen darf;
3. die Beklagte zu verurteilen, bei ihr vorrätige Vervielfältigungsstücke gemäß Ziff. 1 zu vernichten;
4. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin EUR 600.000,- zu zahlen;
5. festzustellen, dass die Beklagte der Klägerin jeden weiteren Schaden zu ersetzen hat, welcher dieser durch die Verwendung der in Ziff. 1 bezeichneten Datenbankwerke und/oder Datenbanken einschließlich deren Programmablaufplänen entstanden ist oder noch entstehen wird.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil, soweit die Klage abgewiesen worden ist. Sie wiederholt und vertieft insoweit ihr erstinstanzliches Vorbringen.
Zu ihrer eigenen Berufung trägt sie vor, die Klage sei insgesamt abzuweisen. Es fehle die internationale Zuständigkeit. Die Klage sei mangels Bestimmtheit der Anträge und Bestimmung der Reihenfolge der Streitgegenstände unzulässig. Die Klage sei auch unbegründet. Ansprüche aus dem deutschen UrhG scheiterten am fehlenden Inlandsbezug der Handlungen sowie an der fehlenden Darlegung der Aktivlegitimation und der Verletzungshandlungen durch die Klägerin. Die Module stellten kein Datenbankwerk und keine Datenbanken dar. Sie, die Beklagte, sei zur Verwendung der Sprungverweise nach dem Vertrag berechtigt, da es sich um „Legal Content“ im Sinne der vertraglichen Regelung Ziff. 4.5 handle.
Die Beklagte beantragt insoweit,
das am 13.2.2014 verkündete Urteil der 11. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt am Main (AZ 3.11 I 20/11) abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen;
hilfsweise: den Rechtsstreit gemäß § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO an das Landgericht zurückzuverweisen.
Die Klägerin beantragt insoweit,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Sie verteidigt das Urteil, soweit es der Klage stattgegeben hat und wiederholt und vertieft ihr Vorbringen.
II.
A. Berufung der Beklagten
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Beklagten hat Erfolg. Sie führt zur Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung und Abweisung der Klage.
1.
Entgegen der Auffassung der Beklagten sind die von der Klägerin aus ihrem Recht an der Datenbank (§§ 89a, 89b UrhG) geltend gemachten Ansprüche Gegenstand des Berufungsverfahrens, da über diese noch nicht rechtskräftig entschieden ist. Das Landgericht hat nicht festgestellt, dass die Übernahme der Sprungverweise keine Verletzung des Rechts der Klägerin an der Datenbank gemäß §§ 89a ff. UrhG darstellte, so dass – mangels Berufung der Klägerin insoweit – die fehlende Verletzung der Rechte der Klägerin an der Datenbank rechtskräftig festgestellt worden wäre. Zwar hat das Landgericht eine Verletzung des Rechts der Klägerin an der Datenbank gemäß §§ 87a ff. UrhG durch Übernahme der Sprungverweise verneint (LGU 7). Es hat aber einen Unterlassungsanspruch der Klägerin im Hinblick auf die Datenbanken mit der Begründung bejaht, die Verletzungshandlung betreffend das Datenbankwerk begründe auch eine Wiederholungsgefahr hinsichtlich der Nutzung der Datenbank (LGU 8).
Ebenso sind Gegenstand des Berufungsverfahrens die von der Klägerin geltend gemachten vertraglichen Ansprüche. Etwas anderes ergibt sich entgegen der Auffassung der Beklagten nicht daraus, dass das Landgericht nicht ausdrücklich über die vertraglichen Ansprüche (ebenso wie über die wettbewerbsrechtlichen Ansprüche) entschieden hat. Es ist trotzdem anzunehmen, dass das Landgericht abschließend eine Entscheidung über das Begehren unter allen geltend gemachten rechtlichen Gesichtspunkten getroffen hat. Hierfür spricht bereits, dass die Entscheidung nicht als Teilurteil bezeichnet ist (§ 301 ZPO) und eine Entscheidung über die Kosten enthält.
2.
Die Klage ist nicht schon wegen der fehlenden internationalen Zuständigkeit unzulässig. Das Landgericht Frankfurt am Main war international zuständig.
Die internationale Zuständigkeit, deren Fehlen die Beklagte auch im Rahmen der Berufung trotz § 513 Abs. 2 ZPO rügen konnte (BGH, Urteil vom 28.11.2002 – III ZR 102/02, juris), ergibt sich aus Ziff. 11 des Vertrags.
Die Gerichtsstandsvereinbarung in Ziff. 11 Satz 2 des Vertrags ist gemäß Art. 5 Abs. 1, Art. 25 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.12.2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen zulässig und in ordnungsgemäßer Form geschlossen worden.
Damit haben die Parteien nicht nur die Zuständigkeit der deutschen Gerichte für die vertraglichen Ansprüche, sondern auch für die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche aus UrhG und UWG begründet. Denn die Parteien wollen durch eine solche Vereinbarung regelmäßig die Prozessführung der aus dem Vertragsabschluss und der Vertragsabwicklung herrührenden Streitigkeiten gebündelt an einem Gerichtsstandort führen und eine doppelte Prozessführung vermeiden. Dementsprechend umfassen Zuständigkeitsvereinbarungen im Zweifel auch in Anspruchskonkurrenz stehende deliktische Anspruchsgrundlagen (Zöller/Geimer, ZPO, 30. Auflage, Anh I, Art. 23 EuGVVO, Rn. 39; Zöller/Vollkommer, ZPO, 30. Auflage, § 40 Rn. 4 und Musielak/Voit/Heinrich, ZPO, 12. Auflage, § 40 Rn. 3, OLG Stuttgart, Urteil vom 8.11.2007 – 7 U 104/07 -, juris; jeweils für die Auslegung einer inländischen Gerichtsstandsvereinbarung). Die Streitigkeiten stehen zudem, auch soweit sich die Klägerin auf UrhG und UWG stützt, in einer inhaltlichen Verbindung zum Vertrag und rühren damit im Sinne von Ziff. 11 aus dem Vertrag her.
Die Kündigung des Vertrags führt nicht zum Außerkrafttreten der Zuständigkeitsvereinbarung. Denn das forum prorogatum ist im Zweifel gerade für Streitigkeiten in solchen Situationen gewollt (Geimer, aaO, Rn. 40).
3.
Zwar bestehen nach wie vor erhebliche Zweifel, ob die Klage mit den zuletzt gestellten Anträgen hinreichend bestimmt ist. Die Frage der hinreichenden Bestimmtheit kann jedoch letztlich dahinstehen, da die Klage jedenfalls unbegründet ist. Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.
a)
Die Beklagte ist vertraglich nicht verpflichtet, die Verwendung der spanischen Module zu unterlassen, auch wenn diese die Sprungverweise der deutschen Module übernähmen. Vielmehr ist die Beklagte umgekehrt vertraglich zur Weiterverwendung der spanischen Module einschließlich der Sprungverweise berechtigt. Entsprechend kann die Klägerin auch nicht gemäß § 280 BGB iVm dem Vertrag Schadenersatz verlangen und ist auch nicht zur Vernichtung von Vervielfältigungsstücken verpflichtet, abgesehen davon, dass für einen vertraglichen Vernichtungsanspruch keine Anspruchsgrundlage ersichtlich ist.
aa)
Die Berechtigung der Beklagten zur Weiterverwendung auch der Sprungverweise ergibt sich aus Ziff. 4.5 des Vertrags. Diese Regelung lautet wie folgt:
„Each of the parties hereto hold all rights to the legal content and amendments hereof. This means that either Party may use the Legal Content for any purpose during the term of the Agreement and thereafter, provided that such usage does not infringe any exclusivity rights of Section 6.“
Bei den sog. Sprungverweisen, deren Verwendung die Klägerin untersagen möchte, handelt es um „Legal Content“ im Sinne dieser Regelung. Dies ergibt sich nach der gebotenen Auslegung des Vertrags, die sich gemäß Art. 27 Abs. 1 EGBGB iVm Ziff. 11 Satz 1 des Vertrags nach deutschem Recht, mithin nach §§ 133, 157 BGB, richtet.
(1)
Für die Auslegung der Regelung ist zunächst deren Wortlaut maßgebend. Es kommt danach darauf an, wie die Beklagte die Erklärung nach Treu und Glauben und Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen durfte. Dieser Maßstab gilt auch für fremdsprachige Erklärungen, sofern – wie vorliegend – deutsches Recht anwendbar ist. Dabei ist auf den Horizont des Erklärungsempfängers abzustellen, auch wenn der Erklärende die Erklärung anders verstanden hat und verstehen durfte. Ein übereinstimmender, gegebenenfalls unabhängig vom Wortlaut maßgeblicher Parteiwille ist nicht festzustellen. Die Klägerin meint, mit „Legal Content“ seien nur die jeweiligen Textbausteine ohne die Verknüpfung durch Sprungverweise gemeint, während die Beklagte unter „Legal Content“ die Textbausteine einschließlich der in Umsetzung der Verknüpfungen geschaffenen Sprungverweise versteht.
Nach dem zunächst maßgeblichen Wortlaut handelt es sich bei „Legal Content“ um den gesamten juristischen Inhalt der Module. Für dieses Verständnis sprechen auch die im Vertrag vorhandenen Definitionen des „initial legal content“, des „legal content Block 1″, des „legal content Block 2″ und des „legal content Phase 1″. Der „initial legal content“ umfasst danach neben Formularen die „contract modules“ und die „consult modules“, das heißt die Module, die von der Klägerin zur Verfügung gestellt, sodann übersetzt und an das spanische Recht angepasst werden sollten. Damit sind unter „initial legal content“ die von der Klägerin zur Verfügung zu stellenden deutschen Module zu verstehen und damit jedenfalls die entsprechenden Textbausteine und an den Nutzer zu stellenden Fragen. Da „initial“ nur beschreibt, dass diese Module den Ausgangspunkt für die Erstellung der spanischen Module darstellen sollten, unterfallen dem Begriff des „Legal Contents“ – wie auch die Parteien übereinstimmend der Auffassung sind – jedenfalls die Textbausteine, aus denen bei Nutzung des Moduls die Verträge zusammengestellt werden. Auch nach dem allgemeinen Wortsinn des Begriffs des „Legal Contents“ ergibt sich, dass die juristischen Inhalte, mithin jedenfalls die Textbausteine, diesem Begriff unterfallen.
Aus Ziff. 1 Satz 7 des Vertrags ergibt sich, dass der juristische Inhalt gegenüber den technischen Mitteln abzugrenzen ist. Diese Regelung sieht die Verpflichtung der Klägerin vor, die technischen Mittel zur Verfügung zu stellen, um den „Legal Content“ auf der Webseite der Beklagten zu implementieren und den dauerhaften Betrieb des technischen Equipments und damit auch die Bereitstellung und Zugänglichkeit des „Legal Content Phase 1″ auf der Webseite der Beklagten zu ermöglichen. Die technischen Mittel, die den Zugriff und die Nutzbarkeit des „Legal Contents“ ermöglichen, sind daher nicht Teil des „Legal Content“ selbst, der beiden Parteien gemäß Ziff. 4.5 des Vertrags zur Verfügung stehen soll.
Ausgehend vom Wesen und der Bedeutung der Textbausteine ist der Begriff des juristischen Inhalts auch auf die Verknüpfung der einzelnen Textbausteine zu erstrecken, der mittels der sog. Sprungverweise erfolgt. Denn der juristische Inhalt der Module erschließt sich erst aufgrund der Verknüpfung durch die Sprungverweise, da es sich bei den Textbausteinen für sich genommen nur um unselbständige Textteile handelt, die einen inhaltlichen Sinn erst durch die Verknüpfung erfahren.
Hierfür spricht auch die Entstehung und Funktion der Sprungverweise, wie die Klägerin sie selbst schildert (Schriftsatz vom 18.11.2014, S. 3f., Bl. 686f. d.A; Schriftsatz vom 30.7.2014, S. 15f., Bl. 592f. d.A.): Der Redakteur wähle für jedes Modul individuell eine Einstiegsfrage aus. Je nach deren Beantwortung würden zunächst ein Textbaustein und je nach Beantwortung weiterer Fragen daran anschließend Folgebausteine ausgewählt und eine entsprechende Verknüpfung vorgesehen, so dass für jedes Modul komplexe Verweisstrukturen entständen. Während dieser Bearbeitung vergebe die Software, mit der das Modul erstellt werde, die sog Sprungverweise mittels Vergabe von Ziffern. Mittels dieser Ziffern vollziehe eine (andere) Software bei der späteren Nutzung des Moduls je nach Beantwortung der dem Nutzer gestellten Fragen den jeweils nächsten „Sprung“ zu dem passenden Textbaustein und der daran anschließenden Frage. Die Gesamtheit der Sprungverweise stelle daher einen Ablaufplan dar; sie lege innerhalb des Moduls die Textbausteine und die dahin führenden Antworten fest.
Auf der Grundlage dieser Ausführungen ergibt sich, dass die Sprungverweise dem juristischen Inhalt zuzuordnen sind, mithin Legal Content im Sinne von Ziff. 4.5 des Vertrags darstellen. Denn das Setzen der sog. Sprungverweise mittels der eingesetzten Software hängt ausschließlich davon ab, in welcher Weise der Redakteur Verknüpfungen vorgibt. Diese Verknüpfungen wiederum hängen allein von der Beantwortung der jeweiligen Fragen und der Auswahl der hierzu „passenden“ Textbausteine aufgrund ihres inhaltlichen Regelungsgehalts ab. Damit hängt die Ordnungsstruktur, deren Übernahme die Klägerin untersagen will, allein von juristischen Inhalten der Fragen und Textbausteine ab.
Wenn die Klägerin demgegenüber (Schriftsatz vom 18.11.2014, Bl. 686f. d.A.) meint, die komplexe Aufgabe der Erstellung der Ordnungsstruktur erfolge alleine durch die Software, die die Sprungverweise vergebe, ohne dass dies von dem Redakteur bemerkt werde, ergibt sich hieraus nicht, dass die Sprungverweise den technischen Mitteln zuzuordnen wären. Denn die Software setzt nach der obigen Darlegung mit dem Setzen der Sprungverweise lediglich die auf juristischen Inhalten beruhenden Verknüpfungen seitens des Redakteurs 1:1 um.
Die Ausführungen der Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 11.6.2015 stehen der Einordnung der Sprungverweise als „Legal Content“ nicht entgegen. Der Begriff des „Legal Content“ erfasst, wie ausgeführt, aufgrund der Funktion der Sprungverweise als Umsetzung der von den Inhalten der Textbausteine abhängigen Verknüpfungen auch die Sprungverweise selbst. Diese setzen, anders als die Klägerin an der genannten Stelle geltend macht, keine beliebigen Verknüpfungen um, sondern solche Verknüpfungen, die zwingend von den rechtlichen Inhalten der Textbausteine abhängen. Dass sich die Sprungverweise während der Laufzeit ausschließlich auf Servern der Klägerin befanden, ist für die Einordnung irrelevant. Insbesondere will die Klägerin der Beklagten die Sprungverweise als Darstellung der Verknüpfungen von Fragen und Textbausteinen untersagen und sich nicht gegen die technische Art und Weise wenden, wie die Software die Sprungverweise erstellt. Dies ergibt sich bereits daraus, dass die Klägerin ausdrücklich das erstinstanzliche Urteil nicht angreift, soweit die Klage betreffend die Nutzung der Software abgewiesen wurde (Berufungsbegründung, S. 3, Bl. 480 d.A.). Gegenstand des zweitinstanzlichen Begehrens ist damit weder die Funktionsweise der Software JanoContract noch die besondere technische Darstellung der Sprungverweise in dem Modul (sollte man das Modul als eine Art von Software ansehen) oder die technische Art und Weise, in der eine weitere Software anhand der Sprungverweise den „Sprung“ zum nächsten Textbaustein bei Nutzung des Moduls durch einen Endnutzer vollzieht. Dies ergibt sich auch aus den zuletzt gestellten Klageanträgen. Mit diesen wendet sich die Klägerin nicht gegen eine bestimmte technische Darstellung der Sprungverweise in den Modulen. Diese richten sich gegen die „Übernahme einer durch Sprungverweise hergestellten Ordnungsstruktur“. Weder aus dieser Formulierung noch aus der in Bezug genommenen Gegenüberstellung (Bl. 854 bis 883 d.A.) ergibt sich, dass eine bestimmte Art und Weise der technischen Umsetzung und Darstellung der Sprungverweise Gegenstand der Klageanträge wäre. Denn dort werden lediglich textlich in den Modulen beider Parteien vorgesehene Fragen und die Verknüpfung möglicher Antworten mittels Ziffern mit bestimmten Textbausteinen dargestellt. Dementsprechend ist auch der Vortrag im Schriftsatz der Klägerin vom 11.6.2015, die Beklagte habe widerrechtlich Daten vom Server der Klägerin kopiert, unbehelflich.
(2)
Auch die außerhalb des Wortlauts liegenden Umstände rechtfertigen kein anderes Ergebnis.
Die Klägerin hat gegen die Einordnung der Sprungverweise als „Legal Content“ im Sinne von Ziff. 4.5 des Vertrags eingewandt, dieses Verständnis erlaube es der Beklagten, nach Kündigung des Vertrags die Leistung der Klägerin in Gestalt der Module inklusive Sprungverweise weiter zu nutzen, ohne zur Zahlung der Lizenzgebühr verpflichtet zu sein. Dem ist nicht zu folgen.
Bereits die vertragliche Regelung sah eine wirtschaftliche Beteiligung der Beklagten bei Erstellung der spanischen Module vor. Diese sollten durch Übersetzung und Anpassung der deutschen Module entstehen (Ziff. 1 Satz 2 des Vertrags), wobei die Beklagte allein dafür verantwortlich sein sollte, dass die so erstellten spanischen Module dem spanischen Recht entsprechen (Ziff. 4.4 Satz des Vertrags). Insoweit sollten von der Beklagten Rechtsanwälte beauftragt werden (Ziff. 1 Satz 1, Ziff. 4.4. Satz 3 des Vertrags), die damit auch von der Beklagten zu vergüten waren.
Zudem ist zu berücksichtigen, dass die Lizenzgebühren gemäß Ziff. 7 des Vertrags nicht lediglich Gegenleistung für die Erstellung und Nutzung der spanischen Module sein sollte. Der Vertrag sah weitere Vertragspflichten der Klägerin vor, für die die Lizenzgebühr ebenfalls eine Gegenleistung darstellte und die mit Kündigung des Vertrags entfielen: Gemäß Ziff. 1 Satz 7 war die Klägerin verpflichtet, die technischen Mittel für die Implementierung der Module auf der Webseite der Beklagten zur Verfügung zu stellen sowie den laufenden Betrieb der technischen Ausstattung und die Verfügbarkeit und Zugänglichkeit der Module auf der Webseite der Beklagten sicherzustellen, der gemäß Ziff. 2 auf dem Server der Klägerin lief.
Schließlich erscheint umgekehrt eine Auslegung der Regelung Ziff. 4.5 dahin, dass die Beklagte nach Kündigung nicht auch die Sprungverweise weiter verwenden durfte, aus Sicht der Beklagten nicht interessengerecht. Denn dann beschränkte sich deren Befugnis darauf, die in den Modulen verwandten Textbausteine weiter zu nutzen. Die Nutzung der Vielzahl von Textbausteine hat jedoch nur dann einen wirtschaftlichen Wert, wenn sie vom Nutzer in eine Ordnungsstruktur zueinander gebracht werden. Die Untersagung der Verwendung der Sprungverweise, die diese Ordnungsstruktur verkörpern, nähme damit der in Ziff. 4.5 des Vertrags ausgesprochenen Befugnis jede Bedeutung.
bb)
Ein Anspruch auf Unterlassung der Sprungverweise ergibt sich auch nicht aus Ziff. 10 des Vertrags. Nach Ziff. 10.1 des Vertrags sind sich die Parteien darüber einig, geheime und vertrauliche Informationen, die sie bei Vertragsdurchführung von der jeweils anderen Partei erhalten haben, auch nach Kündigung des Vertrags nur bei Vertragsdurchführung zu verwenden.
Bei den Modulen inklusive der hierin enthaltenen Sprungverweise handelt es sich nicht um geheime und vertrauliche Informationen in diesem Sinne. Denn diese wurden während der Laufzeit des Vertrags im Einverständnis der Parteien über den Server der Klägerin durch Verlinkung Kunden der Beklagten zur Nutzung überlassen und damit auch zur Kenntnis gebracht. Zwar konnten die Nutzer die in den Modulen enthaltenen Sprungverweise nicht ohne weiteres erkennen. Es wäre Nutzern aber bei einer entsprechenden Vielzahl von Abfragen möglich gewesen, festzustellen, in welcher Weise welche Vertragsklauseln bei der Beantwortung der gestellten Fragen miteinander logisch verknüpft waren und damit auch Kenntnis zu erlangen, welche Sprungverweise vorgesehen sind.
b)
Da die Beklagten nach der Regelung in Ziff. 4.5 des Vertrags zur Nutzung Sprungverweise als Teil des „Legal Contents“ berechtigt ist, stehen der Klägerin die geltend gemachten Ansprüche auch nicht gemäß §§ 4 Abs. 2, 97, 98 UrhG, §§ 87a, 87b, 97, 98 UrhG oder wegen wettbewerbswidrigen Verhaltens der Beklagten zu.
B. Berufung der Klägerin
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg. Wie sich aus obigen Ausführungen ergibt, war die Beklagte gemäß Ziff. 4.5 des Vertrags zum Angebot der spanischen Module auf ihrer Webseite berechtigt. Der Klägerin stehen daher die von ihr mit der Berufung weiterverfolgten Ansprüche unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.
III.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin als unterliegende Partei zu tragen (§ 91 Abs. 1 ZPO).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Sache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern (§ 543 ZPO). Die Entscheidung beruht auf der Anwendung anerkannter Rechtssätze im konkreten Einzelfall.
Vorinstanz:
LG Frankfurt, Az. 3-11 O 20/11