OLG Frankfurt a.M.: Eine Werbeaussage geht anders lautender Garantieerklärung vor

veröffentlicht am 12. November 2009

Rechtsanwalt Dr. Ole DammOLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 08.07.2009, Az. 4 U 85/08
§ 443, 477 BGB, Art. 6 Abs. 1 VerbGKRL

Das OLG Frankfurt a.M. hat entschieden, dass ein Kfz-Händler, der ein Fahrzeug im Zeitpunkt eines Kauf- vertragsabschlusses über das Internet mit der Zusage „Neuwagengarantie in Erweiterung zur gesetzlichen Gewährleistung“ oder „Fahrzeuggarantie von 3 Jahren bis 100.000 km“ bewirbt, gegenüber einem Verbraucher damit ein selbständiges Garantieversprechen gemäß § 443 BGB iVm. Art. 6 Abs. 1 VerbGKRL abgibt. An dieses muss er sich binden lassen.

Die derzeit überwiegende in der Literatur vertretene Ansicht gehe dahin, dass auch eine selbständige Garantieverpflichtung eines Herstellers oder Importeurs im Sinne von § 443 BGB einer vertraglichen Grundlage bedürfe und deshalb die Garantieerklärung dem Käufer zumindest zugegangen sein müsse (vgl. Bamberger/Roth/Faust, aaO., § 443, Rn. 14 f.; Staudinger/Matusche-Beckmann, aaO., § 443, Rn. 6 mwN.; MünchKomm-BGB/Westermann, 5. Aufl., § 443, Rn. 7; AnwK-BGB/Büdenbender, § 443, Rn. 11; Reinking/Eggert, Der Autokauf, 9. Aufl., S. 438 f., Rn. 684). Diese Ansicht geht damit davon aus, dass Art. 6 I VerbrGKRL, § 443 BGB an dem Zustandekommen einer Garantieverpflichtung nichts geändert habe.

Dagegen werde die Auffassung vertreten, auch eine Werbeaussage für sich allein reiche aus, um eine Garantieverpflichtung überhaupt zu begründen (vgl. JurisPK-BGB/Pammler, 3. Aufl., § 443, Rn. 16; unklar Bamberger/Roth/Faust, aaO., § 443, Rn. 19), wobei dieser dann im Sinne eines Günstigkeitsprinzips ein Vorrang vor den Bedingungen einer späteren Garantieerklärung zukäme (vgl. dazu Bamberger/Roth/Faust, BGB, 2. Aufl., § 443, Rn. 18 mwN.).

Das Gericht sah eine „größere Wahrscheinlichkeit“ dafür, dass die höchstrichterliche Rechtsprechung, insbesondere die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften, sich dieser zuletzt genannten Ansicht anschließen werde.

Mit den in der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie eingeführten Regelungen solle der Wettbewerb zwischen den Warenherstellern gefördert werden, indem mit der selbständigen Garantiezusage ein Marketinginstrument zur Verfügung stehe, dem aber zugleich eine rechtliche Bedeutung im Sinne der in ihr zum Ausdruck gebrachten Garantieverpflichtung zukommen solle. Eine Irreführung des Verbrauchers solle weitestgehend vermieden werden. Dies bedinge, dass auch die Werbeaussagen für eine Garantie zur Bestimmung der rechtlichen Garantieverpflichtung heranzuziehen seien.

Aus diesen Anliegen der Richtlinie ergebe sich deutlich eine Priorität der Werbeaussagen gegenüber den Angaben in einer davon getrennten Garantieerklärung. Wenn die Hersteller die Möglichkeit haben sollten, mit der Werbung für eine Herstellergarantie den Absatz ihrer Waren zu fördern, damit aber nicht zugleich eine Täuschung der Verbraucher eintreten dürfe, müsse der Verbraucher auf diese Werbeaussagen vertrauen können. In diesem Sinne sei Art. 6 I VerbrGKRL insbesondere in seiner englischen Fassung zu verstehen. Der Umstand, dass darin sowie in § 443 BGB die Werbeaussagen und die Garantieerklärung genannt seien, dürfe nach dem Sinn und Zweck dieser Vorschriften nicht dahin verstanden werden, dass beide Erklärungen insbesondere die Garantieerklärung erforderlich seien, um überhaupt eine Garantieverpflichtung entstehen zu lassen. Dies würde dem Zweck widersprechen, dass Garantien als Werbemittel eingesetzt werden und dabei keine Irreführungen der Verbraucher eintreten dürften. Würde die Garantieverpflichtung entfallen, allein weil in Folge des Kaufs später eine Übermittlung der Garantieerklärung gänzlich ausbleibe, würde der Verbraucher in seinen berechtigten Erwartungen enttäuscht und damit genau eine solche Irreführung eintreten, die mit der Richtlinie und ihr folgend § 443 BGB vermieden werden solle.

Einer allein auf die Werbeaussage gestützte Garantieverpflichtung stehe nicht § 311 Abs. 1 BGB entgegen, wonach schuldrechtliche Beziehungen durch Rechtsgeschäft nur aufgrund eines Vertrages entstehen könnten, soweit das Gesetz nichts anderes vorschreibe. Art. 6 Abs. 1 VerbrGKRL und § 443 BGB seien insoweit andere gesetzliche Vorschriften. Der Zweck von Art. 6 Abs. 1 VerbrGKRL liege darin, dass ein Garantiegeber an seine Garantieerklärung und Werbeaussagen gebunden werde. Das Abschließen eines Vertrages werde darin nicht gefordert. Es wäre kaum nachvollziehbar, wenn diese Vorschrift lediglich zum Ausdruck bringen wolle, dass ein Garantievertrag verbindlich sein solle, denn die Verbindlichkeit von Verträgen sei ein allgemeines Rechtsprinzip in allen Mitgliedsstaaten der Europäischen Gemeinschaft, für das es keiner ausdrücklichen Regelung im Wege einer Richtlinie bedürfe. Die Vorschrift könne auch nicht dahin verstanden werden, dass neben zwingend zu erwartenden vertraglichen Bestimmungen lediglich zusätzlich die einseitigen Erklärungen des Garantiegebers verbindlich sein sollten. Vielmehr gebe diese Vorschrift deutlich zu erkennen, dass der Erklärende einer Garantie an seinen Erklärungen in einer Garantieerklärung und/oder in einschlägigen Werbeaussagen gebunden sein solle. Dies bedeute zugleich, dass weitere Voraussetzungen an eine solche rechtliche Bindung nicht zu stellen seien. § 443 Abs. 1 BGB sei ebenfalls in diesem Sinne zu verstehen, denn sein Anliegen sei es, Art. 6 Abs. 1 VerbrGKRL in deutsches Recht umzusetzen (vgl. BT-Drucks. 14/6040, S. 238), womit § 443 Abs. 1 BGB entsprechend dem Inhalt dieser Richtlinienbestimmung auszulegen sei.

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