OLG Frankfurt a.M.: Ersatz von Abmahnkosten – Zur Umwandlung vom Freistellungs- zum Zahlungsanspruch

veröffentlicht am 27. Oktober 2011

OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 23.08.2011, Az. 6 U 49/11
§ 250 BGB, § 12 UWG

Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass der Unterlassungsgläubiger einer berechtigten Abmahnung Anspruch auf Ersatz der Abmahnkosten (= Kosten des beauftragten Rechtsanwalts) hat, dieser Anspruch allerdings – sofern der Unterlassungsgläubiger die Kosten seines Anwalts noch nicht selbst ausgeglichen hat – zunächst nur auf Freistellung von diesen Kosten zielt. Dieser Freistellungsanspruch wandele sich jedoch in einen Zahlungsanspruch um, wenn der Abgemahnte die Übernahme der Kosten ernsthaft und endgültig abgelehnt habe. Zum Volltext der Entscheidung:


Oberlandesgericht Frankfurt am Main

Urteil

Nach teilweiser Rücknahme der Klage in der Berufungsinstanz wird die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 12. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt am Main vom 25. Februar 2011 zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 35.00000 € abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt 20.000,00 €.

Gründe

I.

Die Klägerin ist Herstellerin von Matratzen, die sie über Einzelhändler vertreibt. Die Beklagte vertreibt über das Internet Matratzen diverser Hersteller. Die Klägerin hat nach vorangegangenem Eilverfahren (Landgericht Frankfurt, Az. 3/12 O 48/10) von der Beklagten Unterlassung, Auskunft und Schadensersatz sowie Erstattung von Abmahnkosten wegen wahrheitswidriger Aussagen in Kundengesprächen gegenüber dem Interessenten A verlangt. Sie hat der Beklagten vorgeworfen, einer ihrer Mitarbeiter habe Herrn A gegenüber u. a. in einem Gespräch vom 26.02.2010 behauptet, die Klägerin habe bei dem von ihr hergestellten Produkt „B-Matratze“ Lieferengpässe und/oder Lieferprobleme sowie, die oben genannte Matratze habe in einem Test der Stiftung Warentest vom März 2009 deutlich schlechter abgeschnitten als in dem Test der Stiftung Warentest vom März 2006. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main verwiesen.

Das Landgericht hat den Zeugen A schriftlich vernommen. Es hat der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, der Zeuge habe glaubhaft bekundet, dass die vorgenannten Äußerungen in dem Telefongespräch durch einen Mitarbeiter der Beklagten gefallen seien. Hierin liege eine unlautere geschäftliche Handlung, weil die Äußerungen gegen das Verbot der Herabsetzung (§ 4 Nr. 7 UWG) bzw. der Anschwärzung (§ 4 Nr. 8 UWG) verstießen. Entsprechende Folgeansprüche seien aus §§ 9, 12 UWG bzw. § 242 BGB gegeben.

Die Beklagte hat gegen das Urteil form- und fristgerecht Berufung eingelegt, mit der sie lediglich die Verurteilung nach dem Klageantrag zu 1 b) (Verbot der Behauptung, die streitbefangene Matratze habe im neueren Test deutlich schlechter abgeschnitten als im vorangegangenen Test) sowie hieraus ableitbare Folgeansprüche angreift. Sie wirft dem Landgericht Fehler bei der Tatsachenfeststellung und unzureichende Beweiswürdigung vor. Der Zeuge A habe in seiner schriftlichen Zeugenaussage (Bl. 89/90 d. A.) eingeräumt, sich an den genauen Wortlaut des Gesprächs nicht mehr zu erinnern.

Dies sowie die Widersprüche zwischen seiner Zeugenaussage und der eidesstattlichen Versicherung vom 31. März 2010 (Anlage AST 5, Bl. 160 d. A.) würden so erhebliche Zweifel und Unsicherheiten begründen, dass der behauptete Gesprächsinhalt nicht feststellbar sei.

Abmahnkosten könne die Klägerin nicht verlangen, weil weder ein Auftrag zur Abmahnung noch eine Zahlung der Abmahnkosten an die Prozessbevollmächtigten der Klägerin dargelegt sei. Im Übrigen habe das Landgericht übersehen, dass eine Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die bereits im Eilverfahren gezahlte Verfahrensgebühr erforderlich sei (§ 15a RVG).

Die Beklagte beantragt, das angefochtene Urteil wie folgt abzuändern:

1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung von Ordnungsgeld bis zu 250.000,– €, ersatzweise Ordnungshaft, oder von Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollstrecken an ihrer Geschäftsführerin, für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu unterlassen, zu behaupten die Fa. C habe bei der B-Matratze Lieferengpässe und/oder Lieferprobleme.
2. Die Beklagte wird weiter verurteilt, der Kläger darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang und wem gegenüber sie die in der vorstehenden Ziffer 1 bezeichneten Behauptungen getätigt hat und zwar unter Angabe von Zeitpunkt, Namen und Adressen der Personen.
3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die in der vorstehenden Ziffer 1 bezeichneten Äußerungen entstanden ist oder noch künftig entstehen wird.
4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Klägerin hat den Klageantrag zu 4. in Höhe eines Teilbetrages von 492,70 € zuzüglich darauf entfallender Verzugszinsen zurückgenommen.

Die Klägerin beantragt im Übrigen,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

II.

Nach Teilrücknahme der Klage hat das Rechtsmittel keinen Erfolg.

Mit Recht hat das Landgericht der Beklagten verboten, künftig zu behaupten, dass die streitbefangene 7-Zonen-Kaltschaum-Matratze der Klägerin in einem neuerlichen Test der STIFTUNG WARENTEST deutlich schlechter abgeschnitten hat als in dem vorangegangenen Test aus dem Jahr 2006. Dass diese Aussage unzutreffend ist, steht zwischen den Parteien außer Streit, denn in der Nachprüfung der STIFTUNG WARENTEST vom März 2009 hat die Matratze mit derselben Endnote abgeschnitten, wie im vorangegangen Test.

Das Landgericht hat mit Recht auf Grundlage der Aussage des Zeugen A festgestellt, dass ein Mitarbeiter der Beklagten ihm gegenüber beim Telefongespräch vom 26. 2. 2010 vom „deutlich schlechteren Abschneiden“ gesprochen hat. Die Aussage des Zeugen entspricht weitestgehend dem Inhalt seiner eidesstattlichen Versicherung vom 31. März 2010. Sie ist nachvollziehbar, in sich stimmig und enthält zahlreiche objektivierbare Anknüpfungspunkte, die belegen, dass der Zeuge ohne Belastungstendenz einen selbst erlebten Vorgang soweit als möglich vollständig und korrekt wieder gegeben hat.

Die Aussage betrifft im Kern zwei Telefonate, bei denen der Zeuge jeweils von einem Mitarbeiter der Beklagten wegen vermeintlicher Lieferengpässe vertröstet worden ist. Der Zeuge A hat in seiner Zeugenaussage nochmals eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass ihm das „deutlich schlechtere“ Abschneiden der klägerischen Matratze im Rahmen des neuerlichen Warentests genannt worden ist. Auch diese Aussage ist stimmig, hat der Zeuge doch erläutert, dass ihm im unmittelbaren Anschluss daran die Wahl eines Alternativprodukts empfohlen worden ist und dass bei ihm der Eindruck haften geblieben ist, das klägerische Produkt solle in ein schlechtes Licht gerückt werden. Es ist nachvollziehbar, dass einem Zeugen mehrere Monate nach einem solchen Verkaufsgespräch eher der Eindruck der Zielrichtung des Gesprächspartners in Erinnerung haften geblieben als der exakte Wortlaut seiner Aussage. Aus diesem Grund spricht es sogar für die Glaubhaftigkeit der Angaben von Herrn A, dass er auf entsprechende Anfrage des Gerichts angegeben hat, es sei von einem deutlich schlechteren Abschneiden die Rede gewesen, an den genauen Wortlaut könne er sich nicht mehr erinnern. Ein Anhaltspunkt für ein Fehlverständnis bzw. für eine Relativierung seiner Aussage ist damit jedenfalls nicht verbunden.

Herr A hatte zuvor keinerlei Verbindungen zu einer der beiden Parteien. Er hat über die Internet – Adresse „….de“ der Beklagten die von ihm geschätzte B-Matratze der Klägerin gefunden und wegen des günstigen Preises bei der Beklagten bestellt. Dabei war er davon ausgegangen, dass die Parteien im Vertrieb eng zusammen arbeiteten und hat sich deshalb nach dem Scheitern seiner Bestellung zunächst an die Klägerin gewandt. Ein Eigeninteresse am Ausgang des Rechtsstreits oder konkrete Anhaltspunkte für einen relevanten Belastungseifer sind nicht erkennbar. Die Schilderung des Zeugen ist sachlich gehalten, seine eigenen Reaktionen auf die Äußerungen seiner Gesprächspartner und namentlich auf die Vertröstungsbemühungen werden nachvollziehbar erläutert. Das gilt auch im Hinblick auf die Behauptungen über vermeintliche Lieferengpässe etc. der Klägerin. Diese Aussage hatte die Beklagte noch erstinstanzlich bestritten, hält an ihrem Vorbringen aber in der Berufungsinstanz nicht mehr fest, was als weiteres Indiz für die Richtigkeit der Aussage von Herrn A gewertet werden kann.

Die Beklagte hat keine Umstände aufzeigen können, die Zweifel an der Erinnerungsfähigkeit des Zeugen oder sonstige Anzeichen für den fehlenden Wahrheitsgehalt seiner Bekundungen erwecken könnten. Soweit Herr A in der eidesstattlichen Versicherung vom 31. 3. 2010 und in der ca. 7 Monate später abgegebenen Zeugenaussage unterschiedliche Härtegrade für die von ihm bestellten Matratzen genannt hat, betrifft dieses Detail einen für das Kerngeschehen völlig unerheblichen Randbereich, der auch für den Zeugen im Nachhinein keine Bedeutung hatte, weil die Beklagte ihm keine Ware geliefert hat. Das ganz offensichtliche Schreibversehen im Bezug auf das Datum der Nachbestellung (22. 3. 2010 anstatt 16. 2. 2010) betrifft ebenfalls ein unerhebliches Detail und liefert ebenfalls keinen Grund für eine persönliche Vernehmung des Zeugen.

Der Senat schließt sich im Übrigen ausdrücklich der Beweiswürdigung des Landgerichts an und verweist zur Vermeidung von Wiederholungen darauf. Das Landgericht hat der Beklagten angesichts des eindeutigen Beweisergebnisses namentlich vorgehalten, dass sie weder Zeugen benannt noch Unterlagen vorgelegt hat, die ihren vagen Vortrag, es sei lediglich auf abweichende Eigenschaften der Matratzen hingewiesen worden, untermauern könnten. Das ist auch in der Berufungsverhandlung angesprochen worden, ohne dass sich weitere Anhaltspunkte für eine Sachverhaltsaufklärung ergeben hätten. Der Beklagtenvertreter hat vielmehr angegeben, die Mitarbeiterin der Beklagten habe aus Furcht vor strafrechtlicher Verfolgung eine Zeugenaussage abgelehnt.

Die nachgewiesene Äußerung eines Mitarbeiters der Beklagten ist ihr zuzurechnen (§ 8 Abs. 2 UWG). Die unwahre Äußerung zum Testergebnis vermag das Produkt der Klägerin zu diskreditieren und verstößt daher gegen §§ 4 Nr. 7 und 8 UWG, woraus sich ein Unterlassungsanspruch der Klägerin ergibt (§§ 3, 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 UWG). Gleiches gilt für die hierauf bezogenen Ansprüche auf Schadensersatz und Auskunft.

Dass die Beklagte vorgerichtlich abgemahnt worden ist, stand erstinstanzlich außer Streit, so dass sich entsprechende Darlegungen der Klägerin erübrigt haben. Die Einzelheiten konnte das Landgericht der beigezogenen Eilakte entnehmen. Der Klägerin steht auch ein Anspruch auf Erstattung der hierfür angefallenen Anwaltskosten zu (§ 12 Abs. 1 Satz 2 UWG).

Es kann offen bleiben, ob die Klägerin die durch die Abmahnung entstandenen Gebühren ihrer Prozessbevollmächtigten bereits ausgeglichen hat. Dem Unterlassungsgläubiger steht zwar bis zur Zahlung der Anwaltskosten grundsätzlich nur ein Freistellungsanspruch gegen den Unterlassungsschuldner zu (vgl. Köhler/Bornkamm, UWG, 29. Auflage, Rdn. 1.92a zu § 12 UWG mit weiteren Nachweisen). Dies ergibt sich für den auf § 12 Abs. 1 S. 2 UWG bzw. §§ 683, 670 BGB gestützten Aufwendungsersatzanspruch aus § 257 BGB; sofern der Anspruch auf § 249 BGB gestützt wird, ergibt sich diese aus dem Prinzip der Naturalherstellung (vgl. OLG Köln MarkenR 2008, 216 m. w. N.).

Der Befreiungsgläubiger kann aber unmittelbar Zahlung des erforderlichen Geldbetrages an sich verlangen, wenn er dem Ersatzpflichtigen erfolglos eine Frist zur Freistellung nach § 250 BGB gesetzt hat (Bamberger / Roth / Grüneberg, BGB, 2003, § 249, Rn. 5; MünchKomm / Oetker, § 250, Rn. 3, 13). Dem steht es gleich, wenn der Ersatzpflichtige die geforderte Herstellung oder überhaupt jeden Ersatz ernsthaft und endgültig verweigert (BGH, NJW 2004, 1868 f. m.w.N.; OLG Köln MarkenR 2008, 216 ff. m. w. N.).

So liegt der Fall hier, denn die Beklagte hat durch Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 13. April 2010 (Anlage AST 10 in der Beiakte) die klägerischen Unterlassungs- und Erstattungsansprüche eindeutig und endgültig zurückgewiesen. In einem solchen Fall wandelt sich der Freistellungsanspruch in einen Zahlungsanspruch um (BGH a.a.O.; OLG Köln MD 2010, 211).

Die Kostenentscheidung beruht in Anbetracht der Klagerücknahme auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Zur besseren Übersicht ist die in der mündlichen Verhandlung im Einvernehmen mit den Parteivertretern getroffene Streitwertentscheidung nochmals in den Urteilstenor aufgenommen worden.

I