OLG Frankfurt a.M.: Filesharing – Die Unwirksamkeit einer vorbeugenden Unterlassungserklärung kann nicht im Wege der negativen Feststellungsklage durch den Rechtsanwalt der betroffenen Rechtsinhaber geprüft werden

veröffentlicht am 19. März 2013

Rechtsanwältin Katrin ReinhardtOLG Frankfurt a.M., Urteil vom 18.12.2012, Az. 11 U 139/11
§ 256 Abs. 1 ZPO

Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass die negative Feststellungsklage durch einen Rechtsanwalt nicht geeignet ist, die Wirksamkeit einer vorbeugenden Unterlassungserklärung im Filesharing-Bereich gegenüber von ihm vertretenen Rechtsinhabern zu prüfen. Die Klage sei nicht zulässig, weil die (negative) Feststellungsklage dazu diene, das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses zwischen den Parteien festzustellen. Durch die Übersendung einer vorbeugenden Unterlassungserklärung an einen Rechtsanwalt, der die in der Erklärung benannten Rechtsinhaber vertritt, entstehe jedoch kein Rechtsverhältnis zwischen dem Rechtsanwalt und dem Unterlassungsschuldner, so dass der Rechtsanwalt nicht aktiv legitimiert sei. Die Wirksamkeit der Erklärung sei zudem eine abstrakte Rechtsfrage, die nicht im Wege einer Feststellungsklage geklärt werden könne. Zum Volltext der Entscheidung:


Oberlandesgericht Frankfurt am Main

Urteil

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 28.9.2011, Az. 2/6 O 246/11, wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

I.

Von der Darstellung des Tatbestands wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Berufung ist zulässig, insbes. frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden. Sie hat aber der Sache nach keinen Erfolg. Die angegriffene Entscheidung beruht weder auf der Verletzung des Rechts, noch rechtfertigen die zugrunde zu legenden Tatsachen im Ergebnis eine andere Entscheidung.

I.

Die von der Klägerin verfolgte negative Feststellungsklage ist unzulässig.

1.
Zulässiger Gegenstand einer Feststellungsklage kann das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses i.S. von § 256 Abs. 1 ZPO sein. Das streitige Rechtsverhältnis muss grundsätzlich zwischen den Parteien bestehen. Für einen Rechtsstreit über das Bestehen eines Rechtsverhältnisses zu einem Dritten oder über einen Dritten fehlt es an der erforderlichen Prozessführungsbefugnis [Zöller/Greger, ZPO, 29. Aufl., § 256 Rn. 3 b]. Das Rechtsverhältnis, dessen (Nicht-)Bestehen die Klägerin feststellen lassen möchte, besteht nicht zwischen den Parteien, sondern zwischen der Beklagten und den jeweiligen Rechtsinhabern, an die sich die vorbeugende Unterlassungserklärung der Beklagten richtet. Zwar kann auch das Bestehen oder Nichtbestehen eines Unterlassungsanspruchs wegen Wiederholungsgefahr Gegenstand eines Feststellungsantrags sein [Zöller/Greger, a.a.O.].

Zwischen den Parteien besteht jedoch keinerlei Rechtsverhältnis. Durch die in Rede stehende Erklärung wird ein solches zwischen der Beklagten und den jeweiligen Rechteinhabern begründet; gegenüber der Klägerin entfaltet die Erklärung keine Rechtswirkungen.

a.
Die Entgegennahme des Schreibens als bloßer Realakt vermag im Verhältnis zur Beklagten kein Rechtsverhältnis zu begründen.

b.
Soweit die Klägerin auf Urheberrechte ihrer Gesellschafter an von diesen verfassten Textbeiträgen hinweist, an denen ihr jedenfalls Nutzungsrechte zustünden, ist dieser Vortrag erstmals in der Berufungsinstanz erfolgt und nach § 531 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen, nachdem die Beklagte die urheberrechtliche Schutzfähigkeit der Publikationen bestreitet.

Darüber hinaus sollte ausgehend von dem objektiven Empfängerhorizont die Klägerin erkennbar nicht Adressat der vorbeugenden Unterlassungserklärung der Beklagten sein. Zwar ist die Erklärung sehr weit gefasst, da die darin ausgesprochene Unterlassungsverpflichtung „generell“ und „gegenüber jedem Inhaber von Urheberrechten“ in Bezug auf „urheberrechtlich geschützte Werke“ abgegeben wird. Aus den exemplarisch vorgenommenen Konkretisierungen auf „jeden derzeit und in Zukunft von der Klägerin vertretenen Rechtsinhaber“, „insbesondere Musikstücke, Filmwerke, Lichtbilder oder Software“ und den am Ende der Erklärung namentlich im Einzelnen aufgeführten Rechteinhabern ergibt sich jedoch, dass die Erklärung tatsächlich nicht potenziell an Jedermann ohne jegliche Begrenzung und ohne jeden Ausschluss gerichtet sein sollte. Wenn die Beklagte ihre Erklärung auch an die Klägerin bzw. deren Gesellschafter als mögliche Urheber eigener urheberrechtlich geschützter Werke hätte richten wollen, wäre zu erwarten gewesen, dass sie diese als Adressatin neben den ausdrücklich benannten Rechteinhabern aufgeführt hätte. Darüber hinaus beziehen sich die beispielhaft bezeichneten Werke inhaltlich ausschließlich auf solche der Unterhaltungsbranche; dass nach der Intention der Beklagten von ihrer vorbeugenden Unterlassungserklärung auch juristische Textbeiträge erfasst sein sollten, kann vor diesem Hintergrund nicht ohne Weiteres angenommen werden, zumal keinerlei greifbare Anhaltspunkte dafür bestehen, dass solche in Tauschbörsen angeboten werden. Damit scheidet ein Rechtsverhältnis zur Klägerin aus. Ein subjektives allgemeines Klärungsinteresse der Klägerin bzgl. des Umgangs mit solchen vorbeugenden Unterlassungserklärungen vermag das Fehlen eines Rechtsverhältnisses nicht zu ersetzen [vgl. Zöller/Greger, a.a.O., § 256 Rn. 7].

c.
Die Zusendung der vorbeugenden Unterlassungserklärung an die Klägerin ist auch nicht darauf gerichtet, eine direkte Rechtsbeziehung aufgrund Verwahrung zwischen ihr und der Beklagten zu begründen, wie die Klägerin meint. Die Vorgehensweise der Klägerin nach Eingang der Erklärung obliegt allein ihrer eigenen anwaltlichen Einschätzung der Sach- und Rechtslage; eine etwaige Verpflichtung zur Entgegennahme und Beachtung bzw. Weiterleitung oder Aufbewahrung des Schreibens besteht allenfalls gegenüber ihren Mandanten, nicht jedoch gegenüber der Beklagten. Im Übrigen erscheint ein auf Abschluss eines Verwahrungsvertrags nach §§ 688 ff BGB gerichteter Wille der Beklagte auch deshalb fernliegend, als hiermit Pflichten ihrerseits als Hinterleger wie ggf. Zahlung einer Vergütung (§ 689 BGB) oder Ersatz von Aufwendungen (§ 693 BGB) verbunden sein können. Ungeachtet dessen ist der Bestand eines Verwahrungsvertrags nicht Gegenstand des Feststellungsantrags.

d.
Keiner Entscheidung bedarf, ob die Übersendung der streitgegenständlichen vorbeugenden Unterlassungserklärung der Beklagten einen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Klägerin zu begründen vermag. Denn ein hierauf gestütztes Rechtsverhältnis ist ebenfalls nicht Gegenstand des Feststellungsantrags. Die Klägerin begehrt nicht die Klärung, ob ein Eingriff in den Gewerbebetrieb vorliegt, sondern ihr Antrag ist auf die Feststellung gerichtet, dass die in Rede stehende Erklärung der Beklagten keine Rechtswirkungen entfaltet. Soweit die Klägerin meint, die Frage, ob die hier gegenständliche Erklärung einen Eingriff in ihren Gewerbebetrieb darstellt, sei insoweit Streitgegenstand, als diese voraussetze, dass der Erklärung keine rechtliche Wirksamkeit zukomme, handelt es sich hierbei um ein bloßes Element bzw. eine Vorfrage eines Rechtsverhältnisses, welche nach den obigen Darlegungen gerade nicht feststellungsfähig ist.

2.
Zwar kann ausnahmsweise auch ein Drittrechtsverhältnis Gegenstand einer Feststellungsklage sein, falls dieses zugleich für die Rechtsbeziehungen der Parteien untereinander von Bedeutung ist und der Kläger ein rechtliches Interesse an alsbaldiger Klärung hat [BGH NJW 1993, 2539 – Rn. 9m.w.N.].

Die den höchstrichterlich ergangenen Entscheidungen [BGH NJW-RR 1992, 1151; 1993m 2538] zugrunde liegenden Sachverhalte sind mit dem streitgegenständlichen jedoch nicht vergleichbar. Das durch die vorbeugende Unterlassungserklärung begründete Drittrechtsverhältnis zwischen der Beklagten und den Mandanten der Klägerin ist für die Rechtsbeziehungen der Parteien untereinander nicht von Bedeutung. Die von der Klägerin mit ihrem Feststellungsbegehren erstrebte Klärung, wie sie sich im Hinblick auf die seitens der Beklagten abgegebene Erklärung zu verhalten hat und damit verbundener Haftungsrisiken ist allein für das Innenverhältnis zu ihren Mandanten von Bedeutung; im Verhältnis zur Beklagten ist diese Frage ohne Relevanz.

3.
Des Weiteren fehlt es an einer gegenwärtigen Gefahr der Unsicherheit auf Seiten der Klägerin. Für ein gegenwärtiges Rechtsverhältnis genügen Beziehungen zwischen den Parteien des Rechtsstreits, die schon zur Zeit der Klageerhebung die Grundlage bestimmter Ansprüche bilden [BGH Urt. v. 23.9.1987 – IV a ZR 59/86 – Rn. 9; BGH GRUR 1991, 1036 – Rn. 19; NJW-RR 2001, 957 – Rn. 8]. Nach § 256 Abs. 1 ZPO grundsätzlich noch kein Recht auf richterlichen Schutz gewährt dagegen ein Rechtsverhältnis, das noch nicht besteht, sondern erst in Zukunft unter Voraussetzungen, deren Eintritt noch völlig offen ist, entstehen kann [BGHZ 120, 239 – Rn. 34; Urt. v. 5.6.1990 – VI ZR 359/89 – Rn. 15] bzw. Grund für die Befürchtung eines künftig entstehenden Rechtsverhältnisses gibt [BGHZ 28, 225 – Rn. 27; 120, 239 – Rn. 34; BGH Urt. v. 29.9.1993 – VIII ZR 107/93 – Rn. 11]. So liegt es aber hier:

Ein etwaiges gegenwärtig schon bestehendes oder zukünftiges Rechtsverhältnis der Beklagten zu den angesprochenen Rechteinhabern wegen eines Urheberrechtsverstoßes ihrerseits kann infolge der gegenwärtigen Ungewissheit über die entscheidungserheblichen Umstände derzeit nicht festgestellt werden. Die Klägerin behauptet selbst explizit keinen vergangenen oder aktuellen Verstoß gegen Urheberrechte ihrer Gesellschafter oder Mandanten, sondern hegt im Hinblick auf die Abgabe der vorbeugenden Unterlassungserklärung seitens der Beklagten lediglich die Befürchtung, es könne zu einem solchen gekommen sein. Eine solche vorsorglich abgegebene Erklärung, die noch nicht einmal das Eingeständnis einer Rechtsverletzung enthält, begründet noch kein gegenwärtiges Rechtsverhältnis, das zum Gegenstand einer Feststellungklage gemacht werden kann. Es ist völlig offen, ob überhaupt über den Internetanschluss der Beklagten urheberrechtlich geschützte Werke im Rahmen der Teilnahme an sog. Peer-to-Peer Netzwerken ohne Zustimmung öffentlich zugänglich gemacht wurden und ob dann auch Werke betroffen waren, an denen die Gesellschafter der Klägerin oder ihre Mandanten Rechte geltend machen können. Demnach geht es hier nicht um die Klärung eines angeblich schon bestehenden Rechtsverhältnisses, sondern allein die hypothetische Möglichkeit eines Unterlassungsanspruchs, wobei der Eintritt von dessen Voraussetzungen völlig ungewiss ist.

Dem steht auch nicht die von der Klägerin zitierte Entscheidung des BGH vom 21.9.1987 – II ZR 20/87- entgegen, wonach die nur entfernte Möglichkeit künftiger Schadensfolgen, mag ihre Art und ihr Umfang, sogar ihr Eintritt noch ungewiss sein, genügt. Denn anders als in dem dortigen Sachverhalt ist vorliegend nicht nur der Schadenseintritt, sondern bereits das Vorliegen einer haftungsrechtlich relevanten Rechtsverletzung und damit das Bestehen eines Rechtsverhältnisses als solches ungewiss.

Soweit die Klägerin die Unwirksamkeit der in Rede stehenden vorbeugenden Unterlassungserklärung thematisiert, handelt es sich hierbei um eine abstrakte Rechtsfrage, die nicht Gegenstand einer Feststellungsklage sein kann.

4.
Schließlich ist die negative Feststellungsklage hier subsidiär gegenüber einer Leistungsklage. Soweit die Klägerin der Ansicht ist, dass die vorbeugende Unterlassungserklärung der Beklagten mangels hinreichender Bestimmtheit und Ernsthaftigkeit keine Wirkung entfaltet, müsste sie vorrangig eine Unterlassungsklage gegen die Beklagte erheben verbunden mit der Klage auf Zahlung der Abmahnkosten.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 ZPO nicht gegeben sind. Der Senat hat nur allgemeine Grundsätze auf den Einzelfall angewendet.

I