OLG Frankfurt a.M.: Voraussetzungen für gesundheitsbezogene Angaben auf Lebensmitteln

veröffentlicht am 7. August 2012

OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 10.11.2011, Az. 6 U 174/10
§ 4 Nr. 11 UWG; EGV 1924/2006

Das OLG Frankfurt hat sich mit der Frage beschäftigt, unter welchen Voraussetzungen gesundheitsbezogene Angaben auf Lebensmitteln getätigt werden dürfen und inwieweit diese mit der Health-Claims-Verordnung vereinbar sind. Vorliegend streitig waren verschiedene Pilzextrakte, welche unter anderem mit den Angaben Vitalpilz zur Unterstützung einer gesunden Verdauung, Der Raupenpilz erhöht die Ausdauer und Leistungsfähigkeit oder zur Unterstützung eines stabilen Immunsystems beworben wurde. Dabei handele es sich um gesundheitsbezogene Angaben, weil erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht werde, dass ein Zusammenhang zwischen einem Lebensmittel oder einem seiner Bestandteile einerseits und der Gesundheit andererseits bestehe. Für solche Angaben müsse die beschriebene Wirkung allerdings wissenschaftlich nachgewiesen sein. Dies konnte die Antragsgegnerin bei keinem ihrer Produkte belegen, so dass die getätigten Angaben zu unterlassen waren. Zum Volltext der Entscheidung:


Oberlandesgericht Frankfurt am Main

Urteil

Die Berufung der Beklagten gegen das am 15. Juli 2010 verkündete Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe 30.000,- € abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.

Die Parteien streiten um die Zulässigkeit verschiedener Werbeaussagen für „Vital-Pilze“, die nach Auffassung des Klägers gegen die Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben in Lebensmitteln (ABl. L 404 vom 30.12.2006, S. 9 – sog. Health-Claims-Verordnung, im Folgenden auch „HCV“) und teilweise darüber hinaus gegen die Verordnung (EG) Nr. 258/97 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27.01.1997 über neuartige Lebensmittel und neuartige Lebensmittelzutaten (ABl. L 43 vom 14.2.1997, S. 1 – 6 – sog. „Novel-Food-Verordnung“, im Folgenden auch „NFV“) verstoßen und deren Verwendung nach Auffassung des Klägers deshalb wettbewerbswidrig und unzulässig im Sinne von §§ 3, 4 Nr. 11 UWG ist.

Der Kläger ist ein eingetragener Verein, zu dessen satzungsgemäßen Aufgaben die Wahrung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder gehört. Die Beklagte vertreibt „Nahrungsergänzungsmittel“ in Gestalt von getrocknetem Pilzpulver, das sie in Kapseln zum Einnehmen anbietet. Für diese warb sie in der Zeitschrift „X“, Heft … (Anlage K 2) sowie auf ihrer Internetseite www…de (Anlage K 3) – soweit für das Berufungsverfahren noch relevant – mit den aus dem nachstehend wiedergegebenen Tenor des angegriffenen Urteils ersichtlichen Aussagen.

Das Landgericht hat die Beklagte unter Abweisung der weitergehenden Klage verurteilt, es bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu werben:

2. für das Mittel „Reishi Vitalpilz“

„Zur Unterstützung eines gesunden Herz-Kreislaufs verbessert dieser Vitalpilz die Konzentrations- und Leistungsfähigkeit bei Stress.“

4. für das Mittel „Hericium Vitalpilz“

„Vitalpilz zur Unterstützung einer gesunden Verdauung.“

5. für das Mittel „Cordyceps Vitalpilz“

5.1. „zur Unterstützung einer optimalen Leistungsfähigkeit“,

5.2. „Der Raupenpilz erhöht die Ausdauer und Leistungsfähigkeit“,

5.3. „- eine gesteigerte Lebensqualität und die unterstützende Fähigkeit für eine gesunde Libido sind für den Raupenpilz bekannt!“,

6. für das Mittel „Agaricus Vitalpilz“

„Starker Vitalpilz in der effektiven Unterstützung des Immunsystems“,

7. für das Mittel „Coriolus Vitalpilz“

„zur Unterstützung eines stabilen Immunsystems“,

8. für das Mittel „Auricularia Vitalpilz“

8.1. „Zur Unterstützung einer gesunden Durchblutung“,

8.2. „für gesunde Blutgefäße“,

8.3. „ist geeignet, um die Blutgefäße gesund zu erhalten“,

9. für das Mittel „Coprinus Vitalpilz“

„zur Unterstützung einer gesunden Blutzuckerfunktion“,

10. für das Mittel „Polyporus Vitalpilz“,

10.1. „Zur Vorbeugung gegen natürlichen Haarausfall“,

10.2. „Zur unterstützenden Vorbeugung gegen Wassereinlagerungen“,

10.3. „Unter anderem unterstützt dieser Vitalpilz die Neubildung von gesundem kräftigem Haar…“,

wenn dies geschieht wie in Anlage K 3 geschehen.

Es hat dazu die Auffassung vertreten, die Aussagen gemäß den Anträgen 4, 5, 5.1, 5.2, 5.3, 6, 8, 8.1, 8.2, 8.3, 9, 10, 10.1 10.2, 10.3 seien mit der HCV nicht vereinbar. Die Aussagen enthielten Bezüge zu Körperfunktionen im Sinne von Art. 13 Abs. 1 lit. a) HCV, ohne dass die Beklagte den nach Art. 5 Abs. 1 HCV erforderlichen Nachweis der beworbenen positiven physiologischen Wirkung erbracht habe.

In Bezug auf die Aussagen gemäß der Anträge 2. und 7. (Produkte „Reishi Vitalpilz“ und „Coriolus Vitalpilz“) hat das Landgericht Verstöße gegen die Novel-Food-Verordnung angenommen, weil es sich bei diesen Pilzsorten um Lebensmittel handele, die am Stichtag 15. Mai 1997 in der Gemeinschaft noch nicht in nennenswertem Umfang für den menschlichen Verzehr verwendet worden seien.

Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung.

In der Berufungsinstanz wiederholen und vertiefen die Parteien ihren erstinstanzlichen Vortrag. Der Kläger hat klargestellt, dass er seine Ansprüche hinsichtlich sämtlicher beanstandeter Aussagen in erster Linie auf einen Verstoß gegen Art. 5, 10 Abs. 1 HCV und hinsichtlich der Aussagen gemäß Ziffern 2 und 7 des landgerichtlichen Urteilstenors darüber hinaus hilfsweise auf einen Verstoß gegen die NFV stützt.

Die Beklagte beantragt:

das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main, Aktenzeichen 2-03 O 585/09 wird teilweise abgeändert und aufgehoben, soweit die Beklagte dort in den Ziffern 2 bis 10 zur Unterlassung verurteilt wurde.

Außerdem regt die Beklagte an, dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften die folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Ist Artikel 6 der Verordnung (EG) 1924/2006 dahin auszulegen, dass mit dieser Vorschrift die formelle Beweislast in gerichtlichen Auseinandersetzungen, die nach den Prozessordnungen der Mitgliedsstaaten geführt werden, dass eine gesundheitsbezogene Angabe für Lebensmittel durch allgemein anerkannte wissenschaftliche Nachweise abgesichert ist, dem Werbenden obliegen?

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die angefochtene Entscheidung sowie auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie die zur Akte gelangten Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg.

1)
Der Unterlassungsanspruch steht dem Kläger aus Art. 3 Abs. 1, 5 Abs. 1, 10 Abs. 1, 13 Abs. 1 lit. a) und 28 Abs. 5 HCV in Verbindung mit §§ 3, 4 Nr. 11, 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG zu.

a)
Die vom Kläger beanstanden Werbeaussagen sind als „gesundheitsbezogene Angaben“ im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 HCV anzusehen.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bezeichnet der Begriff „gesundheitsbezogene Angabe“ für die Zwecke der HCV jede Angabe, mit der erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Zusammenhang zwischen einer Lebensmittelkategorie, einem Lebensmittel oder einem seiner Bestandteile einerseits und der Gesundheit andererseits besteht (BGH, Beschl. v. 13.01.2011 – I ZR 22/09GRUR 2011, 246 Tz 6 – Gurktaler Kräuterlikör). Darüber hinaus erfasst die HCV auch Verweise auf nichtspezifische allgemeine Vorteile des Nährstoffs oder Lebensmittels für die Gesundheit im Allgemeinen oder das gesundheitsbezogene Wohlbefinden (BGH, a.a.O. Tz 7).

Die streitgegenständlichen Aussagen sind ausnahmslos gesundheitsbezogene Angaben im Sinne dieser Definition. Denn sie stellen einen Zusammenhang zwischen dem Konsum der beworbenen Produkte und der Gesundheit des Anwenders her. Das gilt auch für die Aussagen, bei denen ein ausdrücklicher Gesundheitsbezug nicht gegeben ist, so bei den Aussagen gemäß Ziffer 5 „zur Unterstützung der optimalen Leistungsfähigkeit“, „…erhöht die Ausdauer und Leistungsfähigkeit“ und Ziffer 10.„Zur Vorbeugung gegen natürlichen Haarausfall“, „Zur unterstützenden Vorbeugung gegen Wassereinlagerungen“ und „Unter anderem unterstützt dieser Vitalpilz die Neubildung von gesundem kräftigem Haar“. Angaben, die sich auf das allgemeine Wohlbefinden beziehen, fallen zwar nicht unter den Begriff der gesundheitsbezogenen Angabe. Gleichwohl ist dieser Begriff im Interesse des Schutzzwecks der HCV, die Verbraucherinnen und Verbraucher vor dem Konsum solcher Produkte zu bewahren, denen in der Werbung eine positive gesundheitliche Wirkung zugeschrieben wird, die ihnen tatsächlich nicht zukommt, weit auszulegen. Die Schwelle zur gesundheitsbezogenen Angabe soll daher bereits bei Aussagen wie „reinigt Ihren Organismus“, „hält Sie jung“ oder „verlangsamt den Alterungsprozess“ überschritten sein (vgl. Meisterernst/Haber, Praxiskommentar Heath & Nutrition Claims, Kap. 1, § 2 Rd 24). Auch der Bundesgerichtshof hat die Bewerbung eines Kräuterlikörs als „wohltuend“ als gesundheitsbezogene Angabe im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 HCV angesehen. Denn mit einer solchen Aussage werde zwar nicht erklärt, wohl aber suggeriert, zumindest jedoch mittelbar zum Ausdruck gebracht, dass der Genuss des Kräuterlikörs geeignet ist, den Gesundheitszustand des Verbrauchers zu verbessern (BGH, a.a.O., Tz 11). Dies gilt in gleicher Weise für die zitierten Aussagen gemäß der Ziffern 5 und 10.

b)
Der Senat folgt dem Landgericht auch in seiner Auffassung, dass die beanstandeten Aussagen nach Art. 10 Abs. 1 HCV verboten sind, weil die Beklagte die Richtigkeit der von ihr für ihre Produkte in Anspruch genommenen gesundheitsbezogenen Angaben entgegen Art. 5 Abs. 1 lit. a) HCV nicht anhand allgemein anerkannter wissenschaftlicher Nachweise bewiesen hat.

aa)
Solange die nach Art. 13 Abs. 3 der HCV vorgesehene Gemeinschaftsliste zulässiger gesundheitsbezogener Angaben – wie derzeit – nicht vorliegt, gilt die Übergangsregelung des Art. 28 Abs. 5 der HCV. Gesundheitsbezogene Angaben dürfen daher unter der Verantwortung der Lebensmittelunternehmer verwendet werden, sofern sie den Vorgaben der HCV und den einschlägigen einzelstaatlichen Vorschriften entsprechen.

Zentrale Vorschrift der Heath-Claims-Verordnung ist Art. 5 Abs. 1. Danach ist die Verwendung nährwert- oder gesundheitsbezogener Angaben nur zulässig, sofern die dort in lit. a) bis e) genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Wenn sich eine gesundheitsbezogene Angabe – wie hier – nicht auf einen bestimmten, ausdrücklich benannten Nährstoff oder eine sonstige Substanz, sondern auf ein (Fertig-)Produkt – hier Pilz(granulat)extrakt (Kapseln, Extraktkapseln und Pulvertabletten) – bezieht, bedeutet dies, dass anknüpfend an einen bestimmten Inhaltsstoff („Nährstoff oder sonstige Substanz“)

– „anhand allgemein anerkannter wissenschaftlicher Nachweise nachgewiesen“ ist, dass „das Vorhandensein, Fehlen oder der verringerte Gehalt des Nährstoffes oder der anderen Substanz, auf die sich die Angabe bezieht, in einem Lebensmittel oder einer Kategorie von Lebensmitteln eine positive ernährungsbezogene Wirkung oder physiologische Wirkung hat“, Art. 5 Abs. lit. 1 a); abzustellen ist insoweit auf die Wirkung des Nährstoffs oder der sonstigen Substanz als solcher,

– der Inhaltsstoff im Endprodukt in einer relevanten Menge vorhanden ist, Art. 5 Abs. lit. 1 b).

– der Inhaltsstoff in diesem Endprodukt auch für den Körper verfügbar ist, Art. 5 Abs. 1 lit. c).

– das Endprodukt in einer Menge verzehrt wird, die geeignet ist, die Wirkung des Inhaltsstoffs zu erzielen, Art. 5 Abs. 1 lit. d).

Alle genannten Voraussetzungen müssen sich auf allgemein anerkannte wissenschaftliche Nachweise stützen lassen und durch diese abgesichert sein (Art. 6 Abs. 1 HCV). Die Anforderungen, die an einen solchen Nachweis zu stellen sind, sind nach Auffassung des Senats grundsätzlich nicht weniger streng als die Anforderungen, die auch an den Nachweis der Wirksamkeit eines Arzneimittels oder einer bilanzierten Diät gelten (in diesem Sinne auch: Meisterernst/Haber, Praxiskommentar Heath & Nutrition Claims, Kap. 2, II.2.1 Rd. 5).

Der Nachweis der Richtigkeit einer gesundheitsbezogenen Angabe im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 HCV ist daher – soweit sich die wissenschaftliche Anerkennung nicht anders belegen lässt – durch Vorlage von Studien zu erbringen, die nach allgemein anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen erstellt worden sind. Dem werden grundsätzlich nur randomisierte und placebokontrollierte Doppelblindstudien mit einer adäquaten statistischen Auswertung, die durch Veröffentlichung in den Diskussionsprozess in die Fachwelt einbezogen sind, gerecht (Senat, Urt. v. 12.01.2006 – 6 U 241/04ZLR 2006, 428 – Priorin Kapseln; OLG Düsseldorf, Urt. v. 24.11.2009 – I-20 U 194/08 – ZLR 2010, 343; zuletzt bestätigt durch: BGH, Beschl. v. 01.06.2011 – I ZR 199/09).

Aus dem Umstand, dass Gegenstand der Health-Claims-Verordnung „nur“ die Wirkung von Lebensmitteln ist, die grundsätzlich anderen, regelmäßig schwächeren und nur eingeschränkt messbaren wissenschaftlichen „Gesetzmäßigkeiten“ unterliegen und darüber hinaus frei verkehrsfähig sind, folgt – entgegen der Auffassung der Beklagten – nicht, dass auch an den Grad der Absicherung nährwert- oder gesundheitsbezogener Angaben ein anderer Maßstab anzulegen ist.

Nach ihrem ersten Erwägungsgrund trägt die Health-Claims-Verordnung dem Umstand Rechnung, dass zunehmend auch Lebensmittel mit nährwert- oder gesundheitsbezogenen Angaben gekennzeichnet und beworben werden. Es ist daher Sinn und Zweck dieser Verordnung, dem Verbraucher durch sichere und angemessene Kennzeichnung der im Handel befindlichen, einschließlich der in die Gemeinschaft eingeführten Produkte, ein hohes Schutzniveau zu gewährleisten und ihm die Auswahl von Lebensmitteln zu erleichtern.

Dabei besteht, soweit für Lebensmittel mit nährtwert- oder gesundheitsbezogenen Angaben beworben wird, in ähnlichem Maße wie dies etwa bei bilanzierten Diäten der Fall ist, die Gefahr, dass sich Verbraucher auf die Richtigkeit solcher Angaben verlassen und es deshalb nicht oder nur verspätet zur einer Behandlung der Funktionsstörung oder Krankheit kommt. Vor diesem Hintergrund ist es nicht angemessen, in Bezug auf den Grad des Nachweises der Richtigkeit nährwert- oder gesundheitsbezogener Angaben unterschiedliche Maßstäbe anzulegen, je nach dem, ob sich diese beispielsweise auf bilanzierte Diäten oder auf Lebensmittel beziehen. Eine solche Gleichbehandlung ist – entgegen der Auffassung der Beklagten – auch nicht deshalb unverhältnismäßig, weil Lebensmittel grundsätzlich frei verkehrsfähig sind. Denn die Verkehrsfähigkeit eines Lebensmittels wird nicht dadurch beeinträchtigt, dass hohe Anforderungen an den Nachweis der Richtigkeit gesundheitsbezogener Angaben gestellt werden, mit denen für ein Lebensmittel geworben wird.

Dem steht die von der Beklagten angeführte Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 20. Januar 2010 (I ZR 23/07GRUR 2010, 359 – Vorbeugen mit Coffein „Alpezin“) nicht entgegen. Denn diese Entscheidung verhält sich zu der Frage, unter welchen Voraussetzungen eine hinreichende wissenschaftliche Absicherung der einem kosmetischen Mittel beigelegten Wirkung angenommen werden kann (BGH, a.a.O., Tz 18 f). Die Anforderungen an die Absicherung einer Behauptung über die Absicherung der Wirkung eines kosmetischen Mittels lassen sich aus den dargelegten Gründen auf gesundheitsbezogene Angaben nicht übertragen.

Soweit die Rechtsprechung darüber hinaus grundsätzlich fordert, dass derjenige, der sich in einem Rechtsstreit auf die fehlende wissenschaftliche Absicherung einer Wirkungsangabe beruft, darzulegen hat, dass die von ihm angegriffenen Wirkungsaussagen in der wissenschaftlichen Diskussion überhaupt umstritten sind (vgl. BGH Urt. v. 07.03.1991 – I ZR 127/89GRUR 1991, 848 – juris-Tz 16 f), kann es darauf für den Anwendungsbereich der Health-Claims-Verordnung aus den Gründen der Entscheidung des Landgerichts Düsseldorf vom 28.10.2009 (12 O 328/09 Magazindienst 2010, 113 juris-Tz 18) nicht ankommen.

Denn aus Art. 6, 28 Abs. 5 der VO folgt, dass es an dem Verwender einer gesundheitsbezogenen Angabe ist, zum Vorliegen der Voraussetzungen der ausnahmsweisen Zulässigkeit der einzelnen Angaben vorzutragen (Landgericht Düsseldorf, a.a.O.).

Demgegenüber teilt der Senat nicht die Auffassung der Beklagten, der Verwender gesundheitsbezogener Angaben im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 HCV sei in einem Prozess über die Zulässigkeit solcher Angaben nur dann gehalten, ihre Richtigkeit zu belegen, wenn diese vom Kläger substantiiert in Frage gestellt wird. Denn bei Art. 6 Abs. 1 und 2 HCV handelt es sich nicht um eine lediglich prozessual wirkende Beweislastregel, die als solche – worauf die Beklagte zutreffend hingewiesen hat – wegen der insoweit fehlenden Gesetzgebungskompetenz der Europäischen Gemeinschaft letztlich wirkungslos bliebe. Stattdessen regelt Art. 6 HCV in allgemeiner Weise die Bedingungen, unter denen gesundheitsbezogene Angaben zulässig sind. Der Grundsatz, dass die Verwendung nährwert- oder gesundheitsbezogener Angaben nur dann zulässig ist, wenn sie sich auf allgemein anerkannte wissenschaftliche Nachweise stützen und durch diese abgesichert sind, ist für die Health-Claims-Verordnung allgemein gültig und ist als materielle Voraussetzung für die Zulässigkeit der Werbung mit nährwert- und gesundheitsbezogenen Angaben anzusehen. Dies wird belegt durch die Regelungen in Art. 15 Abs. 3 lit. c) und e) sowie Art. 13 Abs. 1 lit. i) HCV.Danach sind auch gesundheitsbezogenen Angaben, die in einer – derzeit noch zu erstellenden – Liste nach Art. 13 Abs. 3 HCV aufgenommen sind, nur zulässig, wenn sie entweder das Zulassungsverfahren nach Art. 15 bis 19 HCV durchlaufen haben, das nach Art. 15 Abs. 3 lit. c) und e) HCV die Vorlage wissenschaftlicher Studien erfordert, oder – sofern für sie das des Zulässigkeitsverfahrens nach Art. 15 bis 19 HCV nach Art. 13 Abs. 1 HCV nicht gilt – die Richtigkeit der gesundheitsbezogenen Angaben nach Art. 13 Abs. 1 lit. i) HCV im Einzelfall nachgewiesen ist.

bb)
Den danach zu stellenden Anforderungen an den Nachweis, dass die in Art. 5 Abs. 1 HCV genannten Voraussetzungen erfüllt sind, ist die Beklagte nicht gerecht geworden.

Es fehlt bereits an der – für eine Prüfung der einzelnen Merkmale der Vorschrift unabdingbare – Darlegung, welcher konkrete Inhaltsstoff in den jeweiligen Pilzextrakten überhaupt geeignet sein soll, die mit den einzelnen Werbeaussagen beanspruchten Wirkungen zu erzielen. Demgemäß kann die Beklagte auch nicht den Nachweis führen, dass dem Inhaltsstoff als solchem diese Wirkung tatsächlich zukommt (Art. 5 Abs. 1 a HCV), dass der Inhaltsstoff in dem Endprodukt in relevanter Menge enthalten ist (Art. 5 Abs. 1 b HCV), dass der Inhaltsstoff in dem Endprodukt in einer für den Körper verfügbaren Form enthalten ist (Art. 5 Abs. 1 c HCV) und dass die in dem Endprodukt enthaltene Menge des Inhaltsstoffes geeignet ist, die behauptete Wirkung zu erzielen (Art. 5 Abs. 1 d HCV).

Auch die von der Beklagten vorgelegten Veröffentlichungen sind nicht daher geeignet, die mit den beanstandeten Aussagen behaupteten gesundheitsbezogenen Wirkungen der (Vital-)Pilzextrakte zu belegen. Sie beinhalten im Übrigen – wie die Beklagte in der Berufungsbegründung selbst einräumt (Bl. 988 f) – keine konkreten, produktbezogenen und kontrollierten klinischen Studien auf „Goldstandard“.

Demgegenüber kann sich die Beklagte auch nicht auf die Entscheidung des OLG Köln aus dem Jahr 2000 (Urt. v. 19.07.2000 – 6 U 53/00 – ZLR 2001/156) berufen. Denn dort war nur über Verstöße gegen §§ 17, 18 LMBG in Verbindung mit §§ 1, 3 UWG a.F. zu entscheiden. Daraus können Rückschlüsse auf die Zulässigkeit von gesundheitsbezogener Werbung unter der Geltung der Health-Claim-Verordnung nicht gezogen werden.

c)
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs handelt es sich bei den Bestimmungen der Health-Claims-Verordnung auch um Marktverhaltensregelungen im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG dar, deren Verletzung geeignet ist, den Wettbewerb zum Nachteil der Mitbewerber und Verbraucher im Sinne des § 3 Abs. 1 UWG nicht nur unerheblich bzw. spürbar zu beeinträchtigen (vgl.: BGH, Beschl. v. 13.01.2011 – I ZR 22/09GRUR 2011, 246 Tz 12 – Gurktaler Kräuterlikör, m.w.Nachw.; insoweit zu Art. 4 Abs. 3 Satz 1 HCV). Dabei steht der Anwendung dieser nationalen Bestimmungen auch nicht entgegen, dass die Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken einerseits keinen dem § 4 Nr. 11 UWG entsprechenden Unlauterkeitstatbestand kennt und andererseits gemäß ihrem Art. 4 eine vollständige Harmonisierung bezweckt.

Diese Richtlinie hat nach ihrem Art. 3 Abs. 3 die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten in Bezug auf die Gesundheits- und Sicherheitsaspekte unberührt gelassen (vgl. BGH, a.a.O.; Urt. v. 24.06.2010 – I ZR 166/08, GRUR 2010, 1026 Rn. 20 – Photodynamische Therapie).

2)
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

3)
Die Revision war zuzulassen, weil die Fragen der Auslegung des Begriffs der „gesundheitsbezogenen Angabe“ im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 HCV – insoweit ist ein Ersuchen des Bundesgerichtshofs um Vorabentscheidung beim Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften anhängig (vgl. BGH, Beschl. v. 13.01.2011 – I ZR 22/09GRUR 2011, 246 – Gurktaler Kräuterlikör) – und der Anforderungen, die an den Nachweis der Richtigkeit einer solchen gesundheitsbezogenen Angabe im Sinne der Art. 5 und 6 HCV zu stellen sind, grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO haben. Die Beurteilung der Frage, ob in diesem Zusammenhang ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union erforderlich ist, soll – da Art. 237 Abs. 2 AEUV dem erkennenden Senat insoweit ein Ermessen eröffnet – dem Bundesgerichtshof vorbehalten bleiben.

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