OLG Frankfurt a.M.: Was es kostet, im Klageverfahren zu behaupten, Rechtsanwalt X habe jahrelang die bundesdeutschen Gerichte betrogen

veröffentlicht am 22. April 2012

Rechtsanwältin Katrin ReinhardtOLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 21.12.2011, Az. 19 W 67/11
§ 48 Abs. 2 S. 1 GKG, § 3 Hs. 1 ZPO, § 23 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 RVG

Das OLG Frankfurt a.M. hat im Rahmen einer Streitwertbeschwerde einer Unterlassungsklage, mit welcher sich ein Rechtsanwalt u.a. gegen den Vorwurf verwahrte, er habe seit Jahren die deutsche Gerichtsbarkeit betrogen, den Streitwert auf 10.000,00 EUR angehoben, nachdem die Vorinstanz den Streitwert noch auf 5.000,00 EUR festgesetzt hatte. Der Vorwurf war im Rahmen eines Zivilprozesses schriftlich geäußert worden. Die Beschwerde war auf eine Anhebung des Streitwerts auf 100.000,00 EUR gerichtet. Zuviel, wie der Senat befand. Was wir davon halten? Sachdienliche Schriftsätze emotionslos, rechtlich profund und insgesamt in würziger Kürze zu verfassen ist eine Kunst der eigenen Art. Was die streitgegenständliche Äußerung in einem Zivilprozess zu suchen hatte, mag allein der Kollege wissen, der sich zu ihr hinreißen ließ. Zum Volltext der Entscheidung:

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

Beschluss

Auf die Beschwerde des Prozessbevollmächtigen der Beklagten wird der Beschluss der 27. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt/Main vom 10.10.2011 abgeändert.

Der Streitwert wird auf 10.000,00 EUR festgesetzt. Im Übrigen wird die Streitwertbeschwerde zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.

Gründe

I.

Der Kläger hat gegen die Beklagte Klage auf Unterlassung erhoben, ihn – den Kläger – des Betruges zu bezichtigen, insbesondere gegenüber dem Kläger und/oder Dritten zu behaupten und/oder behaupten zu lassen, dass der Kläger seit Jahren alle bundesdeutschen Gerichte betrüge, dass der Kläger evident und/oder systematisch und/oder gewerblich Prozessbetrug begehe und/oder dass der Kläger selbst wisse, dass sein Verhalten im Vorprozess als Prozessbetrug haftungsbegründend sei. Diese Vorwürfe hatte die Beklagte im Ausgangsrechtsstreit in ihren Schriftsätzen gegen den Kläger erhoben, der seinerzeit Prozessbevollmächtigte der von der Beklagten auf Zahlung von Schadensersatz in Anspruch genommenen Bank war.

Nach Zurücknahme der Klage hat das Landgericht mit dem angefochtenen Beschluss den Streitwert auf 5.000,00 EUR festgesetzt, da die vorgeworfenen ehrkränkenden Äußerungen innerhalb eines Zivilprozesses erfolgten und nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich gewesen seien.

Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten begehrt mit der Beschwerde, den Streitwert auf 100.000,00 EUR festzusetzen, da der Kläger selbst in der Klage den Streitwert vorläufig auf diese Höhe beziffert habe, der Klageantrag ohne Einschränkung auf Unterlassung der beanstandeten Äußerungen nur in einem Zivilprozess gefasst gewesen sei und zusätzlich zu dem Unterlassungsanspruch außergerichtliche Anwaltskosten von 1.071,12 EUR geltend gemacht worden seien. Der Kläger verteidigt die angegriffene Streitwertfestsetzung als angemessen.

II.

Das Rechtsmittel, das nicht eindeutig erkennen lässt, ob es von der Beklagten oder von ihrem Prozessbevollmächtigten eingelegt wurde, ist mit Rücksicht darauf, dass die Beklagte durch die angeblich zu niedrige Wertfestsetzung nicht beschwert ist, eine von ihr eingelegte Streitwertbeschwerde mithin unzulässig wäre, als eine nach § 32 Abs. 2 RVG statthafte Streitwertbeschwerde aus eigenem Recht des Prozessbevollmächtigten der Beklagten auszulegen.

Die Streitwertbeschwerde hat in dem tenorierten Umfang Erfolg. Grundlage für die Bestimmung des Streitwertes ist § 48 Abs. 2 GKG. Denn der geltend gemachte Unterlassungsanspruch war nicht vermögensrechtlicher Natur. Der Kläger hat die Klage auf Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechtes wegen übler Nachrede oder jedenfalls Beleidigung gestützt. Unterlassungsansprüche, die den sozialen Geltungsanspruch des Betroffenen in der Öffentlichkeit schützen sollen, sind grundsätzlich nicht vermögensrechtlicher Natur, auch wenn es um die Berufsehre des Verletzen geht; vermögensrechtliche Reflexwirkungen der Behauptungen bleiben außer Betracht (BGH, Beschluss vom 29.05.1990, Az. VI ZR 298/89, Rn. 10 m.w.N., juris). Auch wenn § 48 Abs. 2 GKG den Streitwert in nicht vermögensrechtlichen Streitigkeiten ohne Nennung eines Regelstreitwertes von allen Umständen des Einzelfalls abhängig macht, erscheint es gerechtfertigt, die Bemessung des Streitwertes an dem in § 23 Abs. 3 S. 2 RVG genannten Betrag von 4.000,00 EUR zu orientieren (Zöller/Herget, 28. Aufl., ZPO § 3 Rn. 16 Stichwort „Ehre“; Onderka in: Schneider/Herget, Streitwertkommentar, 13. Aufl., Rn. 1832; OLG Schleswig, Juristisches Büro 2002, 316). Der Ausgangswert von 4.000,00 EUR war jedoch deutlich zu erhöhen, da der geltend gemachten Persönlichkeitsrechtsverletzung deshalb besonderes Gewicht zukam, weil der Betrugsvorwurf erheblich verschärft wurde durch die weiteren Äußerungen, dass der Kläger im Rahmen seiner anwaltlichen Tätigkeit „seit Jahren alle bundesdeutschen Gerichte betrüge“ und er Prozessbetrug „evident und/oder systematisch und/oder gewerblich“ begehe. Allerdings war ebenfalls zu berücksichtigen, dass die zur Begründung des Unterlassungsanspruchs geltend gemachte Persönlichkeitsrechtsverletzung durch die Beklagte allein durch schriftsätzliche Äußerungen im Ausgangsrechtsstreit begangen sein soll, somit lediglich einem eingeschränkten Personenkreis zur Kenntnis gelangt ist (vgl. Onderka a.a.O., Rn. 1831). Dieser Umstand wirkt sich mäßigend auf den Streitwert aus, der dem Gewicht und der Wirkung der Verletzung des Persönlichkeitsrechts korrespondiert, die zur Begründung des Unterlassungsanspruchs geltend gemacht wird. Danach erscheint ein Streitwert von 10.000,00 EUR angemessen.

Die vorläufige Wertangabe des Klägers in der Klageschrift ist für die Festsetzung des Streitwertes nicht maßgeblich. Die mit der Klage ebenfalls geltend gemachten vorgerichtlichen Anwaltskosten bleiben als Nebenforderung gemäß § 43 Abs. 2 GKG unberücksichtigt.

Der Ausspruch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 68 Abs. 3 GKG.

Auf die Entscheidung hingewiesen hatte RA Dr. Hans-Jochem Mayer (hier).

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