OLG Frankfurt a.M.: Werbung mit „maximalem Surfspeed“ für ein Smartphone ist unzulässig, wenn andere Anbieter höhere Geschwindigkeiten anbieten

veröffentlicht am 17. April 2014

Rechtsanwältin Katrin ReinhardtOLG Frankfurt a.M., Urteil vom 12.09.2013, Az. 6 U 94/13
§ 5 UWG

Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass die Werbung eines Mobilfunkanbieters für ein Smartphone mit der Angabe „maximaler Surfspeed“ irreführend ist, wenn andere Anbieter zu verschiedenen Zeiten und an verschiedenen Orten höhere Übertragungsgeschwindigkeiten erreichen. Es werde durch die Werbung  suggeriert, dass die größtmögliche Übertragungsgeschwindigkeit geboten werde, die derzeit erreichbar sei. Dies treffe jedoch tatsächlich nicht zu. Zum Volltext der Entscheidung:


Oberlandesgericht Frankfurt am Main

Urteil

Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das am 04.04.2013 verkündete Urteil der 6. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt wird auf ihre Kosten zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass im Tenor des angefochtenen Urteils jeweils das Wort „insbesondere“ entfällt.

Das Urteil ist rechtskräftig.

Gründe

I.
Die Parteien streiten über angeblich irreführende Äußerungen in einer Internet-Werbeanzeige.

Die Parteien sind Wettbewerber auf dem Gebiet der Telekommunikation. Sie bieten umfangreiche Dienstleistungen in den Bereichen Festnetz- und Breitband-Internet an und unterhalten Mobilfunknetze in Deutschland. Beide Parteien verfügen über Frequenzen des neuen Mobilfunkstandards LTE (Long Term Evolution), die von der Bundesnetzagentur in den Bereichen 800 MHz, 1.800 MHz sowie 2.600 MHz versteigert wurden. Die Parteien nutzen den Frequenzbereich von 800 MHz, der Downloadgeschwindigkeiten von bis zu 50 MHz ermöglicht. Die Antragstellerin unterhält außerdem LTE-Basisstationen, die den Frequenzbereich von 1.800 MHz nutzen.

Die Antragsgegnerin warb auf ihrem Internetauftritt für ein Smartphone-Angebot mit folgenden Angaben:

„Nur bis 14.10.2012; Jetzt kostenlos* für 24 Monate doppeltes Datenvolumen und maximaler Surfspeed! Das XLTE in Weiß“

In der kleingedruckten Sternchen-Auflösung heißt es:

„Gilt ohne Aufpreis bei Buchung ausgewählter Tarife. Maximaler Surfspeed: … bei LTE-Smartphones bis zu 100 Mbit/s“.

Auf einer mit dem Werbefeld verlinkten Seite heißt es:

„Nur bis 14.10.2012: 24 Monate ohne Zusatzkosten doppeltes Inklusiv-volumen und mit bis zu 100 MBit/s surfen dank LTE/4G-Technologie“

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Anlagen K1, K2 Bezug genommen.

Das Landgericht hat der Antragsgegnerin auf Antrag der Antragstellerin im Wege der einstweiligen Verfügung unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel untersagt, geschäftlich handelnd:

1. LTE-Angebote von A mit der Angabe, es würde maximaler Surfspeed geboten, zu bewerben und/oder bewerben zu lassen, insbesondere, wenn dies geschieht, wie in dem in Fotokopie als Anlage K1 beigefügten Internetauszug;

und/oder

2. LTE-Angebote von A mit der Angabe von Übertragungsgeschwindigkeiten zu bewerben, für die keine Tarife bereit gehalten werden, insbesondere, wenn dies geschieht, wie bei der Bewerbung von LTE-Angeboten mit einer Übertragungsgeschwindigkeit von bis zu 100 Mbit/s, wie in dem in Fotokopie als Anlage K1 beigefügten Internetauszug und/oder wie in dem in Fotokopie als Anlage K2 beigefügten Internetauszug.

Auf den Widerspruch der Antragsgegnerin hat das Landgericht die einstweilige Verfügung mit Urteil vom 4.4.2013 aufrechterhalten. Es hält die Werbeangabe „maximaler Surfspeed“ für irreführend, da sie fälschlich eine Alleinstellung im Sinne eines stetigen Vorsprungs vor den Mitbewerbern suggeriere. Die Antragstellerin habe auch einen Anspruch auf Unterlassung der Werbung mit Übertragungsgeschwindigkeiten, für die keine Tarife bereitgehalten werden. Denn der in dem streitgegenständlichen Angebot mit einer Übertragungsgeschwindigkeit von bis zu 100 Mbit/s beworbene Tarif biete in Wahrheit nur eine Übertragungsgeschwindigkeit von bis zu 50 Mbit/s. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils Bezug genommen ( § 540 Abs. 1 S. 1 ZPO).

Mit der Berufung verfolgt die Antragsgegnerin ihren Antrag auf Zurückweisung des Verbotsantrags weiter. Sie behauptet, sie verfüge über Basisstationen im Frequenzbereich von 2.600 MHz, über die sie Kunden das Surfen mit einer Geschwindigkeit von theoretisch bis zu 100 Mbit/s im Download ermögliche. Kunden hätten mit dem beworbenen Tarif eine Datenübertragungsgeschwindigkeit von bis zu 100 Mbit/s im Download erreichen können. Sie ist der Ansicht, die Aussage „maximaler Surfspeed“ sei ohnehin keine „Angabe“ i.S.v. § 5 UWG, sondern lediglich eine reklamehafte Übertreibung. Außerdem beziehe sich die Angabe lediglich auf einen speziellen Tarif der Antragsgegnerin, nicht hingegen auf die schnellste Leistung des Marktes.

Die Antragstellerin hat in der mündlichen Verhandlung vom 12.9.2013 erklärt, sie verteidige die angefochtene einstweilige Verfügung nur mit der Maßgabe, dass in beiden Anträgen das Wort „insbesondere“ entfalle.

Sie beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Ansicht, die angesprochenen Verkehrskreise erhielten bei der Antragsgegnerin keinen „maximalen Surfspeed“, weil bei Wettbewerbsprodukten deutlich höhere Übertragungsgeschwindigkeiten möglich seien. Die Antragsgegnerin habe zum Zeitpunkt der Werbung keinen Tarif mit einer Übertragungsgeschwindigkeit von bis zu 100 Mbit/s vorgehalten, sondern maximal bis zu 50 Mbit/s.

II.
Die zulässige Berufung ist unbegründet.

1.
Das Landgericht hat zu Recht angenommen, dass der Antragstellerin gegen die Antragsgegnerin ein Anspruch auf Unterlassung der Angabe „maximaler Surfspeed“ wie in der aus der Anlage K1 ersichtlichen Werbung gemäß §§ 3, 5 Abs. 1 Nr. 1, 8 Abs. 1 UWG zusteht (Antrag zu 1).

a)
Entgegen der Ansicht des Landgerichts liegt in der Angabe allerdings keine Alleinstellung dergestalt, dass im LTE-Netz der Antragsgegnerin eine höhere Übertragungsgeschwindigkeit als bei ihren Mitbewerbern angeboten wird. Die Anzeige beinhaltet ein Kopplungsangebot in Gestalt eines Smartphones (X LTE) für € 99,90 und eines Tarifs („SuperFlat Internet Plus“). Den angesprochenen Verkehrskreisen wird suggeriert, dass dieses Gesamtangebot besonders vorteilhaft sei. Zu diesen Vorteilen gehört die maximal mögliche Übertragungsgeschwindigkeit. Es wird hingegen nicht suggeriert, dass ein „maximaler Surfspeed“ überhaupt nur bei der Antragsgegnerin und nicht auch bei Mitbewerbern erhältlich wäre. Der Eindruck eines stetigen Vorsprungs vor den Mitbewerbern wird nicht erzeugt.

b)
Die Angabe „maximaler Surfspeed“ ist jedoch deshalb irreführend, weil der falsche Eindruck erweckt wird, man erhalte die größtmögliche Übertragungsgeschwindigkeit, die bei LTE-Netzen nach aktuellem Stand erreichbar ist.

aa)
Anders als die Antragsgegnerin meint, liegt in der Angabe nicht nur eine reklamehafte Übertreibung. Die Angabe „maximal“ ist auf eine konkret überprüfbare Eigenschaft, nämlich die Surfgeschwindigkeit bezogen. Sie kann daher nicht mit anpreisenden oder bewusst vage gehaltenen Angaben wie „Surfen mit Lichtgeschwindigkeit“, „Turbo-Internet“ oder „optimale Vertretung ihrer Interessen“ verglichen werden, die von verschiedenen Gerichten nicht als dem Irreführungsverbot unterliegende Angaben angesehen wurden.

bb)
Die angesprochenen Verkehrskreise beziehen die Angabe nicht nur auf das LTE-Netz der Antragsgegnerin, in dem je nach Tarif verschiedene Geschwindigkeiten erhältlich sind, sondern auf die Übertragungsgeschwindigkeit, die bei LTE-Netzen auf dem Markt zum Zeitpunkt der Werbung erreichbar ist. Dafür spricht der Kontext der Werbung, der den Geschwindigkeitsaspekt allgemein hervorhebt. Neben dem Angebotstext befindet sich eine Abbildung eines Smartphones, auf dessen Display ein Geschwindigkeitsmesser abgebildet ist. Außerdem ist der grafisch hervorgehobene Slogan „Mehr LTE SPEED“ zu lesen. Der Verkehr sieht darin nicht nur eine Abgrenzung zu anderen Angeboten der Antragsgegnerin.

Dabei entnimmt der durchschnittliche Werbeadressat dem Hinweis auf die „maximale“ Surfgeschwindigkeit nicht, dass bei Inanspruchnahme des beworbenen Angebots diese Übertragungsgeschwindigkeit vereinzelt unter idealen Bedingungen erreicht werden kann. Denn für den normalen Nutzer eines Smartphones wäre ein solcher Vorteil ohne größeren Wert.

Er erwartet aufgrund der angegriffenen Aussage vielmehr, dass er bei Nutzung des Smartphones zu unterschiedlichen Zeiten und an unterschiedlichen Orten im Hinblick auf die „durchschnittliche“ Übertragungsgeschwindigkeit eine Leistung erhält, die von keinem anderen Anbieter übertroffen wird.

cc)
Nach Maßgabe dieses Verkehrsverständnisses entsprach die Aussage weder zum Zeitpunkt der Werbung der Wahrheit noch ist dies heute der Fall.

Mit dem Angebot der Antragsgegnerin konnte zum Zeitpunkt der angegriffenen Werbung die im Bereich der LTE-Technologie damals maximal erzielbare Übertragungsgeschwindigkeit nicht erreicht werden. Denn die Antragstellerin bot bereits in relevantem Umfang Leistungen in einem höheren Frequenzbereich an. Unstreitig können im Frequenzbereich von 800 MHz nur Übertragungsgeschwindigkeiten von maximal 50 Mbit/s erreicht werden. Die Frequenzbereiche von 1.800 MHz und 2.600 MHz bieten technisch die Möglichkeit höherer Übertragungsgeschwindigkeiten. Die Antragstellerin hat glaubhaft gemacht, dass im Juli 2012 bereits 50 Städte an ihr LTE-Netz im Frequenzbereich von 1.800 MHz angeschlossen waren (vgl. Anlage K5). Sie hat weiter glaubhaft gemacht, dass die Antragsgegnerin jedenfalls bis Oktober 2012 über keine nennenswerte Versorgung in höheren Frequenzbereichen als 800 MHz verfügte. So heißt es in einem Bericht des Branchen- Forums „….de“ vom 5.10.2012, A nutze im Gegensatz zur B bislang vor allem Frequenzen im Bereich von 800 MHz. Ergänzend sollten nun Sendeanlagen mit 2.600 MHz dazukommen. Erste Test-Standorte seien bereits am Netz (Anlage K16). In einer Meldung des Computer-Forums „…“ vom 29.8.2012 heißt es, A setze derzeit komplett auf LTE-Frequenzen um 800 MHz. Die Frequenz von 2.600 MHz setze sie laut Messungen noch gar nicht ein (Anlage K17). Die Antragstellerin verfügte also bereits über ein in relevantem Umfang ausgebautes LTE-Netz in höheren Frequenzbereichen, während dies bei der Antragsgegnerin nicht der Fall war.

Ohne Erfolg beruft sich die Antragsgegnerin auf die eidesstattlichen Versicherungen ihrer Mitarbeiter C und D. Dort heißt es, die Antragsgegnerin habe Basisstationen im Bereich einer Frequenz von 2,6 GHz bereits im Betrieb. Kunden hätte vom 14.09.2012 bis zum 31.10.2012 mit dem Tarif „SuperFlat Internet Plus“ theoretisch eine maximale Downloadgeschwindigkeit von 100 Mbit/s zur Verfügung gestanden, wenn sie sich im Sende- und Empfangsgebiet einer entsprechend ausgebauten LTE-Basisstationen aufgehalten haben. Dies ist nicht ausreichend. Die Antragsgegnerin hat nicht mitgeteilt, über wie viele und welche Standorte sie in dem höheren Frequenzbereich verfügte. Mangels genauerer Angaben ist davon auszugehen, dass es sich lediglich um die für den Testbetrieb vorgesehenen wenigen Anlagen handelt, die in den Presseartikeln erwähnt werden. Es kann damit davon ausgegangen werden, dass im Netz der Antragstellerin unter realistischen Bedingungen höhere Übertragungsgeschwindigkeiten möglich waren, als im Netz der Antragsgegnerin. Die Antragsgegnerin darf daher nicht mit einer „maximalen Surfspeed“ werben.

Die angegriffene Werbung ist bei Zugrundelegung des genannten Verkehrsverständnisses auch zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht gerechtfertigt. Selbst wenn die Antragsgegnerin mittlerweile die Zahl ihrer 2.600 MHz-Sendeanlagen erhöht haben sollte, steht dem entgegen, dass die Antragstellerin ihrerseits immer noch über ein ungleich dichteres Netz an 1.800 MHz-Sendeanlagen verfügt, das dem Durchschnittsnutzer unter dem Gesichtspunkt der „durchschnittlichen“ Übertragungsgeschwindigkeit mehr Vorteile bietet als das beworbene Angebot. Dies wird insbesondere durch die von der Antragstellerin als Anlagen BE 6 überreichten Veröffentlichungen aus jüngster Zeit übereinstimmend bestätigt.

2.
Das Landgericht hat zu Recht angenommen, dass der Antragstellerin gegen die Antragsgegnerin aus §§ 3, 5 Abs. 1 Nr. 1, 8 Abs. 1 UWG auch ein Anspruch auf Unterlassung zusteht, mit der Angabe von Übertragungsgeschwindigkeiten zu werben, für die keine Tarife bereitgehalten werden (Antrag zu 2). In der aus den Anlagen K1 und K2 ersichtlichen Werbung wird eine Übertragungsgeschwindigkeit von „bis zu 100 Mbit/s“ beworben. Dies ist irreführend.

a)
Die angesprochenen Verkehrskreise erkennen, dass es sich bei dieser Download-Geschwindigkeit um einen Spitzenwert handelt. Die Werbung erweckt zugleich die Erwartung, dass die durchschnittliche Downloadgeschwindigkeit von dem beworbenen Spitzenwert nicht eklatant abweicht.

Denn für den Verkehr ist vor allem von Interesse, welchen Mittelwert er mit dem entsprechenden Tarif erreicht. Er versteht die angegriffene Aussage deshalb so, dass er auch im Mittel einen hohen Download-Speed erwarten darf. Dies entspricht nicht den Tatsachen.

b)
Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Geschwindigkeit von „bis zu“ 100 Mbit/s ein Spitzenwert ist, der weder bei der Antragsgegnerin noch der Antragstellerin permanent und flächendeckend erreichbar ist, sondern allenfalls punktuell unter besonderen Bedingungen erzielbar ist. Die Mitarbeiter der Antragsgegnerin C und D sprechen in ihren eidesstattlichen Versicherungen bezeichnenderweise von einem theoretischen Wert. Dies deckt sich mit den Erkenntnissen des Senats in den Verfahren 6 U 101/13 und 6 U 75/13. Dort ergab sich, dass – bezogen auf das Netz der Antragstellerin – im Mittel ein Downstream von mehr als 45 MBit/s im Herbst 2012 nicht erwartet werden konnte. Ein Mittelwert von nicht mehr als 45 MBit/s ist von dem beworbenen Spitzenwert jedoch so weit entfernt, dass die angesprochenen Verkehrskreise nicht die Vorstellung haben, im Mittel nur mit dieser Geschwindigkeit zu surfen. Nichts anderes kann im vorliegenden Verfahren gelten, in dem das Netz der Antragsgegnerin in Rede steht, soweit es die Frequenz von 2.600 MHz nutzt. Auch hier ist nicht ersichtlich, dass im Mittel ein Wert erreicht werden könnte, der annähernd an 100 Mbit/s heranreichen könnte.

c)
Es spielt keine Rolle, dass der Verfügungsantrag auf diesen Irreführungsaspekt nicht primär abzielt, sondern vorrangig auf den angeblich nicht zur Werbung passenden Tarif abstellt. In der Antragsschrift kommt hinreichend zum Ausdruck, dass der Verbraucher auch über die Downloadgeschwindigkeit von bis zu 100 MBit/s getäuscht wird (vgl. S. 7 oben).

3.
Die Kostenentscheidung folgt § 97 Abs. 1 ZPO.

Vorinstanz:
LG Frankfurt, Az. 3-6 O 90/12

I