OLG Frankfurt a.M.: Zur Irreführung des Internetauftritts eines Handwerkers, der nicht in die Handwerksrolle eingetragen ist

veröffentlicht am 9. November 2012

Rechtsanwältin Katrin ReinhardtOLG Frankfurt a.M., Urteil vom 03.12.2009, Az. 6 U 178/08
§ 3 UWG, § 5 Abs. 1 Nr. 3 UWG, § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2 UWG

Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass ein Dachdecker, der im Reisegewerbe tätig und nicht mit einem stehenden Gewerbe in die Handwerksrolle eingetragen ist, im Internet Leistungen anbieten darf, wenn er auf die Tätigkeit im Reisegewerbe hinweist und Kunden keine Angebote übers Dachdecken unterbreitet. Vorliegend verneinte das Gericht unter den beschriebenen Voraussetzungen eine Irreführung. Es sei nicht erforderlich, noch deutlicher klarzustellen, dass der Beklagte kein stehendes Gewerbe betreibe bzw. nicht in die Handwerksrolle eingetragen sei. Durch den Hinweis auf das Reisegewerbe maße er sich keine übertriebene Vertrauenswürdigkeit an und er verhalte sich auch nicht tatsächlich rechtswidrig, da er Kunden auch auf Anfrage keine unzulässigen Angebote unterbreite. Zum Volltext der Entscheidung:


Oberlandesgericht Frankfurt am Main

Urteil

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 22.07.2008 verkündete Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

I.

Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Das Landgericht hat den Beklagten unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel verurteilt, es zu unterlassen, im Internet, insbesondere auf der Seite www…….com, mit der Ausführung von Dachdeckerarbeiten zu werben, ohne dass eine Eintragung mit dem Vollhandwerk „Dachdecker“ bei der zuständigen Handwerkskammer in O1 vorliegt. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Internetauftritt des Beklagten sei irreführend, weil er den Eindruck erwecke, dass der Beklagte (auch) ein stehendes Gewerbe betreibe.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Beklagten.

Der Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil. Er ist der Auffassung, das Urteil sei jedenfalls mit der Maßgabe aufrecht zu erhalten, dass es dem Beklagten unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel verboten werde, im Internet auf der Seite www…….com zu werben wie im Schriftsatz vom 11.02.2009 (Bl. 131 ff. d. A.) auf Seite 2-2c eingelichtet, und hat in diesem Schriftsatz angekündigt, einen entsprechenden Hilfsantrag zu stellen.

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst ihren Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Berufung des Beklagten ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.

Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch steht dem Kläger – auch unter Einbeziehung der konkreten Verletzungsform – unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu. Ein Unterlassungsanspruch folgt insbesondere nicht aus §§ 3, 5 Abs. 1 Nr. 3, 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2 UWG.

Allerdings bestehen an der Anspruchsberechtigung des Klägers keine Zweifel. Es handelt sich um einen rechtsfähigen Verband, der gemäß § 2 Abs. 2 seiner Satzung die Aufgabe wahrnimmt, seine Mitglieder fachlich, wirtschaftlich, sozialpolitisch und rechtlich zu betreuen. Dieser Satzungszweck beinhaltet die Wahrnehmung der gewerblichen Interessen der Mitglieder, so dass der Kläger auch zur Verfolgung von Wettbewerbsverstößen beauftragt ist (BGH GRUR 2005, 689 – Sammelmitgliedschaft III). Auch gehört dem Kläger eine erhebliche Zahl von Unternehmern an, die mit dem Beklagten in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis stehen. Der Kläger ist der …. bei ihm sind unstreitig 72% der Dachdecker – mittelbar über die …. und … – Mitglied. Diese mittelbare Mitgliedschaft reicht aus (BGH GRUR 2009, 692 – Sammelmitgliedschaft VI).

Dem Kläger steht jedoch kein Unterlassungsanspruch zu, weil der beanstandete Internetauftritt weder irreführende Werbeangaben im Sinne von § 5 UWG in der bis zum 29.12.2008 geltenden Fassung enthält noch eine irreführende geschäftliche Handlung im Sinne von § 5 Abs. 1 UWG n.F. darstellt.

Allerdings ist dem Landgericht in seinem Ausgangspunkt zuzustimmen, dass der Internetauftritt des Beklagten eine gewisse Gefahr birgt, den Leser dahingehend irrezuführen, dass der Beklagte (auch) ein stehendes Dachdeckergewerbe betreibt, mithin gemäß § 1 Abs. 1 Handwerksordnung in die Handwerksrolle eingetragen ist, was tatsächlich nicht der Fall ist. Dennoch fehlt es an einer unlauteren Wettbewerbshandlung.

Der Internetauftritt stellt sich gegenüber denjenigen Lesern, die nach einem Dachdecker suchen, nicht als eine relevante irreführende Werbung dar, weil der Beklagte nach seinem unwiderlegt gebliebenen Vortrag denjenigen, die bei ihm um Angebote zum Decken eines Daches nachsuchen, ein solches nicht unterbreitet, weil er hierzu als Reisegewerbetreibender gemäß § 55 Gewerbeordnung nicht befugt ist (Bundesverfassungsgericht, Kammerbeschluss vom 27.09.2000, Aktenzeichen 1 BvR 2176/98, Rdz. 30 bei Juris). Das bedeutet, dass eine durch den Internetauftritt ausgelöste Irreführung sich nicht zum Nachteil der Wettbewerber auswirken kann, weil der Beklagte keine Dachdeckerleistungen in Folge von Kontakten zu Kunden erbringt, die aufgrund seines Internetauftritts entstanden sind.

Zwar gilt auch für den Anwendungsbereich des § 5 UWG n.F., dass eine relevante Irreführung bereits dann vorliegen kann, wenn die Täuschung der angesprochenen Verbraucher nur zu einem Anlockeffekt führt, jedoch vor der Marktentscheidung des Verbrauchers aufgeklärt wird; dies beruht auf der Erwägung, dass es bereits ein großer Vorteil für den Werbenden und dementsprechend für den Mitbewerber ist, wenn der Verbraucher sich mit dem Angebot des Werbenden näher auseinandersetzt (Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG 27. Auflage, § 5 Rdz. 2.192). Diese, die Bejahung der Relevanz rechtfertigende Erwägung greift im vorliegenden Fall jedoch nicht, weil, wie bereits dargelegt, nach dem Vorbringen der Parteien nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Beklagte sich im Falle einer Kontaktaufnahme durch Kunden in Folge seines Internetauftritts rechtswidrig verhält, indem er ein Angebot zur Erbringung von Dachdeckerleistungen abgibt.

Die vorstehenden Ausführungen greifen nicht in Bezug auf Verbraucher, die mit dem Beklagten nicht deshalb Kontakt aufnehmen, weil sie ein Dach gedeckt haben möchten, sondern um eine der Leistungen nachzufragen, die auf den Internetseiten des Beklagten aufgeführt sind (Beratung bei der Auswahl und Verkauf von geeigneten Baustoffen rund ums Haus, Bauwerksabdichtung, Dachschmuck usw.) und nicht den Betrieb eines stehenden Dachdeckergewerbes voraussetzen. Zwar können auch diese Verbraucher in relevanter Weise irregeführt werden, weil die Fehlvorstellung, der Beklagte betreibe das Dachdeckerhandwerk als stehendes Gewerbe, den Eindruck einer Kompetenz erwecken kann, die ein Dachdecker im Reisegewerbe nicht nachweisen muss und die auch die Vorstellung einer erhöhten Vertrauenswürdigkeit bei der Erbringung der aufgeführten Leistungen erwecken kann. Insoweit führt jedoch die im Rahmen der Anwendung von § 5 UWG vorzunehmende Interessenabwägung (vgl. hierzu Hefermehl/Köhler/Bornkamm a.a.O., Rdz. 2.202 f. zu § 5 UWG m.w.N.) dazu, eine unlautere Wettbewerbshandlung zu verneinen. Denn immerhin weist der Beklagte bereits auf der Startseite seines Internetauftritts darauf hin, Dachdecker im Reisegewerbe zu sein und wiederholt diese Information auf seinen Internetseiten mehrmals. Damit haben auch diejenigen, die von dem Beklagten kein Dach gedeckt haben möchten und daher nicht bereits deshalb über die tatsächlichen Verhältnisse aufgeklärt werden, weil der Beklagte ihnen kein Angebot unterbreiten kann, jedenfalls Anlass, die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass der Beklagte „nur“ Dachdecker im Reisegewerbe ist. Es ist dem Beklagten nicht zuzumuten, über die mitgeteilten Informationen hinaus noch deutlicher klarzustellen, dass er kein stehendes Gewerbe betreibt, nicht in die Handwerksrolle eingetragen ist.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern (§ 543 Abs. 2 ZPO). Maßgebend für die getroffene Entscheidung waren die konkreten Umstände des vorliegenden Einzelfalles, die das Gericht auf der Grundlage anerkannter Rechtsgrundsätze bewertet hat.

I