OLG Frankfurt a.M.: Zur Unzulässigkeit der Empfehlung eines Anwaltsportals ohne jegliche Erfahrung mit demselben

veröffentlicht am 16. Oktober 2012

OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 09.08.2012, Az. 6 U 91/12
§ 5 UWG; § 517 ZPO, § 522 ZPO

Das OLG Frankfurt a.M. hat entschieden, dass die Werbung für ein Anwaltsportal „…..com wird empfohlen von A“, wobei A ein Presseorgan ist, irreführend und damit wettbewerbswidrig ist, wenn das Presseorgan bzw. dessen Redaktion keine Bewertung des Portals vorgenommen hat. Da eine Empfehlung als Ratschlag verstanden werde, dürfe der Leser erwarten, dass dem Ausspruch der Empfehlung eine Meinungsbildung zur Qualität des Angebots vorausgegangen sei. Dies sei hier gerade nicht geschehen. Es werde lediglich die Urteilsdatenbank des Portals in Anspruch genommen, aber eine Bewertung der eigentlichen Dienstleistungen sei nicht erfolgt. Zum Volltext der Entscheidung:


Oberlandesgericht Frankfurt am Main

Urteil

Die gegen den Antragsgegner zu 2.) gerichtete Berufung der Antragstellerin wird als unzulässig verworfen.

Auf die gegen die Antragsgegnerin zu 1.) gerichtete Berufung der Antragstellerin wird das am 8. 3. 2012 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main teilweise abgeändert.

Der Antragsgegnerin zu 1.) wird im Wege der einstweiligen Verfügung bei Meidung von Ordnungsgeld bis 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, wobei die Ordnungshaft an dem Geschäftsführer der Antragsgegnerin zu 1.) zu vollziehen ist, untersagt, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs damit zu werben, dass die Plattform „… .com“ von der „A“ empfohlen wurde, wenn dies geschieht wie in Anlage AST 1.

Von den Gerichtskosten des erstinstanzlichen Verfahrens haben die Antragstellerin 12 %, die Antragsgegnerin zu 1.) 50 % und der Antragsgegner zu 2.) 38 % zu tragen. Von den in der ersten Instanz entstandenen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin haben die Antragsgegnerin zu 1.) 50 % und der Antragsgegner zu 2.) 38 % zu tragen. Von den in der ersten Instanz entstandenen außergerichtlichen Kosten des Antragsgegners zu 2.) hat die Antragstellerin 12 % zu tragen. Im Übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

Die Gerichtskosten des Berufungsverfahrens werden der Antragstellerin und der Antragsgegnerin zu 1.) je zur Hälfte auferlegt. Von den im Berufungsverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin hat die Antragsgegnerin zu 1.) 50 % zu tragen. Die Antragstellerin hat die in der Berufung entstandenen außergerichtlichen Kosten des Antragsgegners zu 2.) zu tragen. Im Übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

Das Urteil ist rechtskräftig.

Gründe

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. §§ 540 Abs. 2, 313 a ZPO abgesehen.

1.
Die gegen den Antragsgegner zu 2.) eingelegte Berufung ist verfristet und daher als unzulässig zu verwerfen (§§ 522 Abs. 1, 517 ZPO). Der Antragsgegner zu 2.) wird erstmals in der nach Ablauf der Berufungsfrist eingegangenen Berufungsbegründung als Rechtsmittelgegner benannt. Die Berufungsschrift führt dagegen nur die Antragsgegnerin zu 1.) als Berufungsbeklagte auf.

Zwar sind nach den Vorgaben des Bundesgerichtshofs an die Bezeichnung des Rechtsmittelgegners keine strengen Anforderungen zu stellen. Deshalb richtet sich in denjenigen Fallgestaltungen, in denen der in der Vorinstanz obsiegende Gegner aus mehreren Streitgenossen besteht, das Rechtsmittel im Zweifel gegen die gesamte angefochtene Entscheidung und somit gegen alle gegnerischen Streitgenossen. Das gilt aber dann nicht, wenn eine verständige Würdigung des gesamten Vorgangs der Rechtsmitteleinlegung bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist eine Beschränkung der Anfechtung nahelegt (vgl. BGH vom 11. 5. 2010, Az.:VIII ZB 93/09 Tz. 11 f. = MDR 2010, 828). So liegt der Fall hier.

Der eindeutige Wortlaut der Berufungsschrift, in der nur die Antragsgegnerin zu 1.) genannt und im Singular als „Beklagte und Berufungsbeklagte“ benannt ist, stellt ein deutliches Anzeichen für eine beschränkte Anfechtung des landgerichtlichen Urteils dar. Eine solche Beschränkung des Rechtsmittels erscheint auch in der Sache weder ungewöhnlich oder gar fern liegend, weil der Bundesgerichtshof in einer nach Einleitung des Eilverfahrens ergangenen Entscheidung klargestellt hat, dass die Zuwiderhandlung des Geschäftsführers einer GmbH im Rahmen seiner geschäftlichen Tätigkeit für die juristische Person, nur durch ein (einziges) gegen die juristische Person zu verhängendes Ordnungsgeld nach § 890 ZPO geahndet werden kann (BGH v. 12. 1. 2012, Az.: I ZB 43/11 = GRUR 2012, 541). Ferner ist eine Zuwiderhandlung des Antragsgegners zu 2.) gegen das begehrte Verbot außerhalb seiner Funktion als Geschäftsführer der Antragsgegnerin zu 1.) nur schwer vorstellbar. Diese Umstände können erklären, warum die Antragstellerin das Interesse an einem Unterlassungstitel gegen den Antragsgegner zu 2.) verloren und ihn deswegen in der Berufungsschrift und in den weiteren vor Ablauf der Berufungsfrist eingegangenen Schriftsätzen niemals erwähnt hat. Dass die Antragstellerin der Berufungsschrift drei beglaubigte Abschriften des angefochtenen Urteils beigefügt hat, kann unter diesen Umständen nicht als ausreichendes Indiz dafür gewertet werden, dass sie auch den Antragsgegner zu 2.) im Berufungsverfahren weiter verfolgen wollte.

2.
Der Antragstellerin stehen gegen die Antragsgegnerin zu 1.) Unterlassungsansprüche wegen der Bewerbung der Web-Site ….com durch die streitgegenständliche Anpreisung „…„… .com wird empfohlen von A“ zu (§§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1, 5 Abs. 1 Nr. 1 UWG).

Das Angebot der Antragsgegnerin zu 1.) richtet sich in erster Linie an rechtssuchende Kunden, d. h. Verbraucher und Unternehmen. Da auch die Senatsmitglieder zu den angesprochenen Verkehrskreisen gehören können, ist der Senat in der Lage, das Verkehrsverständnis aus eigener Sachkunde zu beurteilen (BGH GRUR 2004, 244, 245 – Marktführerschaft).

Äußerungen Dritter haben in der Werbung eine besondere Bedeutung. Sie wirken objektiv und werden daher nicht nur ernst genommen, sondern im Allgemeinen höher bewertet als die eigenen Äußerungen des Werbenden (Köhler/Bornkamm, UWG, 29. Aufl., Rn. 2.163 zu § 5 UWG). Hier wird zwar keine Aussage eine „Dritten“ veröffentlicht, aber der Eindruck hervorgerufen, die Antragsgegnerin zu 1.) und ihr Dienstleistungsangebot werde von einem unabhängigen Presseorgan „empfohlen“. Da eine Empfehlung landläufig als Rat oder als Ratschlag verstanden wird, erwartet der verständige, situationsadäquat aufmerksame Leser, dass sich der Empfehlende eine eigene Meinung über die Qualität und/oder Preiswürdigkeit des Angebots gebildet hat. Soll die „Empfehlung“ von einem renommierten Presseorgan ausgesprochen worden sein, so erwartet der Leser, dass dies auf einer irgendwie gearteten Bewertung der Redaktion beruht.

Wenn das Landgericht meint, die o. g. Werbeaussage sei zulässig, weil die A („A“) ihre Wertschätzung für die Antragsgegnerin zu 1.) dadurch ausdrücke, das sie deren Urteilsdatenbank in Anspruch nimmt, so vermag der Senat dem nicht zu folgen. Man kann diese Inanspruchnahme zwar als Hinweis dafür sehen, dass die „A“ die Datenbank für verlässlich hält. Dieser (kostenlose) Service der Antragsgegnerin zu 1.) hat aber mit den eigentlich von ihr angebotenen Dienstleistungen nichts zu tun, weswegen man aus einer solchen „Kooperation“ keine Empfehlung der „A“ für die Antragsgegnerin zu 1.) bzw. für ihr Angebot ableiten kann.

Auf die Frage, ob zwischen der „A“ und der Antragsgegnerin zu 1.) eine finanzielle oder wirtschaftliche Abhängigkeit oder ein entsprechender Zusammenhang besteht, kommt es daher gar nicht mehr an.

Unerheblich ist ferner der Vortrag der Antragsgegnerin zu 1.), im Internet könne eine Empfehlung regelmäßig durch das Setzen eines Links ausgesprochen werden. Es mag sein, dass Suchmaschinen im Internet eine Web-Site nach der Anzahl der zu ihr führenden „Links“ gewichten. Hier kommt es aber darauf nicht an sondern vielmehr auf den Bedeutungsgehalt, den der verständige Leser der o. g. Aussage beimisst. Die Werbung mit „… .com wird empfohlen von A“ wird eindeutig so verstanden, dass ein Rat (der Redaktion) ausgesprochen wird, der auf einer eigenen, inhaltlichen Prüfung beruht. Letzteres ist hier aber nicht belegt.

Der Unterlassungsverpflichtung der Antragsgegnerin zu 1.) steht nicht entgegen, dass der gleichlautende Unterlassungsantrag gegen den Antragsgegner zu 2.) abgewiesen worden ist und die Antragstellerin dieses Urteil aus den o. g. Gründen nicht fristgerecht angefochten hat. Denn die Haftung der Antragsgegnerin zu 1.) für ihr Organ gem. § 31 BGB besteht unabhängig von der persönlichen Haftung des Organs selbst.

Die Dringlichkeitsvermutung gem. § 12 Abs. 2 UWG ist nicht widerlegt, nachdem die Antragstellerin hat die Berufung nur wenige Tage nach Beginn der auf ihre Bitte verlängerten Frist begründet hat (vgl. Senat MD 2001, 1380, 1381).

Die Kostenentscheidung berücksichtigt das unterschiedliche Unterliegen der Antragsgegner und folgt § 92 Abs. 1 ZPO.

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