OLG Hamburg: Bewirbt die Firma eBay selbst die Angebote ihrer Mitglieder, hat sie deren Angebot auf Rechtsverstöße zu überprüfen / Gesteigerte Betreiber-Prüfungspflichten

veröffentlicht am 14. November 2011

OLG Hamburg, Urteil vom 04.11.2011, Az. 5 U 45/07 – nicht rechtskräftig
§ 97 Abs. 1 UrhG

Das OLG Hamburg hat entschieden, dass die Betreiberin der Onlinehandelsplattform ebay.de, wenn sie Angebote ihrer Kunden mit gezielten Werbemaßnahmen, etwa durch sog. „AdWords“-Anzeigen, unterstützt, verpflichtet ist, diese Angebote auf etwaige Rechtsverletzungen zu überprüfen. Mit den dargestellten Werbemaßnahmen habe eBay, so der Senat, die Rolle eines neutralen Vermittlers verlassen und eine aktive Rolle übernommen, aufgrund derer ihr erheblich erhöhte Anstrengungen zur Verhinderung von Rechtsverletzungen zuzumuten seien. Konkret wurde es eBay verboten, ihren Kunden zu ermöglichen, auf den Internetseiten „www.ebay.de“ Verkaufsangebote über Waren einzustellen, in denen bestimmte urheberrechtswidrige Nachbauten eines von der Klägerin vertriebenen Kinderhochstuhls („Tripp-Trapp-Stuhl“) angeboten wurden, oder/und derartige Angebote zu bewerben. Aus der Pressemitteilung des OLG Hamburg vom 08.11.2011:

„Die Klägerin ist ein in Norwegen ansässiges Unternehmen der Möbelbranche. Ihr seit Jahren erfolgreichstes Produkt ist der Anfang der 70er Jahre vom Designer Peter Opsvik entworfene Kinderhochstuhl „Tripp Trapp“. Der „Tripp Trapp“ wurde von mehreren Herstellern unter Verletzung des Urheberrechts nachgebaut. Solche Plagiate wurden auch von Kunden der Beklagten auf deren Internethandelsplattform zum Verkauf angeboten und von der Beklagten beworben. Zu den Werbemaßnahmen der Beklagten gehörte z.B., dass die fraglichen Inserate beim Internetsuchdienst Google im Werbebereich eingeblendet wurden, wenn der Nutzer als Suchbegriff „Tripp Trapp“ eingab (sog. „AdWords“-Anzeigen). Derartige Werbung fand auch noch statt, nachdem die Beklagte auf Veranlassung der Klägerin bereits mehrere urheberrechtswidrige Angebote gelöscht hatte.

Mit den dargestellten Werbemaßnahmen hat die Beklagte nach der Auffassung des Senats die Rolle eines neutralen Vermittlers verlassen und eine aktive Rolle übernommen, aufgrund derer ihr erheblich erhöhte Anstrengungen zur Verhinderung von Rechtsverletzungen zuzumuten seien. Der Betreiber einer Internethandelsplattform sei grundsätzlich nicht gehalten, ohne konkreten Anlass jedes Angebot vor seiner Veröffentlichung im Internet auf eine mögliche Rechtsverletzung zu untersuchen. Die Beklagte habe sich jedoch nicht auf das Bereitstellen technischer Strukturen beschränkt, sondern gezielt das Auffinden bestimmter Angebote durch Kaufinteressenten gefördert. Hieraus folge, dass sich die Anforderungen an die Prüfpflichten erheblich erhöhten. Konkret bedeute dies, dass die Beklagte sämtliche durch Wortfilter in ihrem Internetauftritt auffindbaren Angebote von Kinderhochstühlen einer visuellen Kontrolle darauf unterziehen müsse, ob sich auch die fraglichen Plagiate darunter befänden. Die Beklagte könne dagegen nicht anführen, ihr Geschäftsmodell basiere wesentlich darauf, dass sie ihre Dienste möglichst vollautomatisiert betreiben könne. Wenn das Geschäftsmodell der Beklagten allein darauf basierte, unabhängig von den damit einhergehenden Gefahren für fremde Rechtsgüter mit möglichst wenig Personalaufwand den höchstmöglichen Gewinn zu erzielen, sei fraglich, ob es sich überhaupt um ein von der Rechtsordnung gebilligtes Geschäftsmodell handele. Der Senat gehe aber davon aus, dass die Beklagte ihr Geschäftsmodell nicht auf diese Aspekte verkürzt sehen wolle und entsprechend den Einsatz von Kontrollpersonal nicht schlechthin als hiermit unvereinbar ansehe.

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache hat der Senat die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen. Die Frage, welche Auswirkungen werbende Maßnahmen des Diensteanbieters zu rechtsverletzenden Angeboten seiner Nutzer im Rahmen der hier einschlägigen sog. Störerhaftung haben, sei bislang höchstrichterlich nicht geklärt worden.“

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