OLG Hamburg: Cheat-Software, die im softwarecodeunabhängigen Arbeitsspeicher der Sony Playstation ansetzt, stellt keine Umarbeitung dar / § 69c Nr. 2 UrhG

veröffentlicht am 3. November 2022

OLG Hamburg, Urteil vom 07.10.2021, Az. 5 U 23/12
§ 69c Nr. 2 UrhG

Das OLG Hamburg hat entschieden, dass Cheat-Software, die im Arbeitsspeicher einer Spielconsole (hier: Sony Playstation) ansetzt und zu keiner Abänderung des Objekt- oder Quellcodes oder der inneren Struktur des geschützten Computerprogramms führt, auch keine urheberrechtswidrige Umarbeitung darstellt. Eine funktionale Betrachtungsweise, wie sie das OLG Hamburg noch im Verfahren der einstweiligen Verfügung vertreten hatte, wonach unabhängig von der Einwirkung auf den Programmcode (oder unabhängig von einer abgeänderten Vervielfältigung des Programmcodes) auch dann von einer Umarbeitung auszugehen sei, wenn auf andere Art und Weise in den Programmablauf eingegriffen werde lasse sich mit dem Schutzgegenstand eines Computerprogramms nach § 69a UrhG nicht vereinbaren. Denn der programmgemäße Ablauf eines Computerprogramms sei nicht Teil des Schutzgegenstandes und daher nicht über § 69c UrhG gegen externe Einflussnahmen geschützt. Weder hätten die Funktionalitäten eines Programms Teil am Schutz als Computerprogramm noch werde die reine Benutzung eines Werkes – im Gegensatz zu den technischen Nutzungsrechten – als urheberrechtliche Nutzungsform erfasst. Der Urheber eines Computerprogramms habe daher keinen aus §§ 69a, 69c UrhG ableitbaren Anspruch darauf, dass sein Programm nur in einer Weise genutzt werde, wie er es sich wünsche und ursprünglich vom chronologischen Ablauf vorgesehen habe, solange das Spiel auch bei Einwirkung durch Dritte programmgemäß ablaufe und die einzelnen Spielsituationen vom Spiel selbst vorgesehen seien. Was dem Urheber eingeräumt sei, sei ein über § 23 UrhG hinausgehender Anspruch nach § 69c UrhG, dass sein Programm nicht umgeschrieben werde. Bei der Umarbeitung gehe es einerseits um eine mit §§ 23, 24 UrhG a.F. vergleichbare Regelung, die aber andererseits als lex specialis strenger sei als § 23 UrhG, denn sie untersage Umarbeitungen unabhängig davon, ob nun ein neues Werk entsteht oder ob die eigenpersönlichen Züge verblassten oder nicht. Das Programm selbst war nach dem vorliegenden Sachstand unangetastet geblieben. Ein anderes Ergebnis lasse sich, so der Senat, auch nicht aus der Regelung des § 69d UrhG ableiten, wonach die in § 69c Nr. 1 und 2 UrhG genannten Handlungen nicht der Zustimmung des Rechtsinhabers bedürften, wenn sie für eine bestimmungsgemäße Benutzung des Computerprogramms einschließlich der Fehlerberichtigung durch jeden zur Verwendung eines Vervielfältigungsstücks des Programms Berechtigten notwendig seien. Das Kriterium der bestimmungsgemäßen Benutzung knüpfe daran an, ob das Laden, Anzeigen, Ablaufen, Übertragen oder Speichern des Computerprogramms eine Vervielfältigung erfordere. Damit sei aber nicht gesagt, dass bei einer Umarbeitung einer Vervielfältigung gegeben sei oder nicht. Die Vervielfältigung des Spiels beim Laden in den Arbeitsspeicher der PSP nehme der Nutzer aber auch nach dem Klägervortrag bestimmungsgemäß vor. Dass er die während des Spiels angelegten Daten – nicht bestimmungsgemäß, wenn auch programmimmanent – durch die Software der Beklagten überschreiben lasse, betreffe die Programmbefehle weder im Ausgang noch deren Kopie im Arbeitsspeicher. Dem Programm werde letztlich nur ein Zustand vorgespiegelt, der im regulären Spielbetrieb zwar eintreten könne, also programmimmanent sei, nur eben nicht zu diesem Spielstand eingetreten wäre. Fehle es indes an einer abändernden Vervielfältigung, liege § 69c UrhG tatbestandlich nicht vor, so dass die Ausnahmeregelungen des § 69d UrhG nicht zum Tragen käme. Ohne Erfolg berief sich nach Ansicht des OLG Hamburg die Klägerin schließlich darauf, dass eine Umarbeitung wie bei Gegenständen der bildenden Kunst schon dann vorliege, wenn die Befehle der angegriffenen Softwareprodukte bildlich gesprochen „so dicht“ an die klägerische Software heranträten, dass das Werk verändert erscheine. Denn der Schutz eines Computerprogramms nach § 69a UrhG folge insoweit anderen Regeln und sei, wie ausgeführt, auf eine Substanzveränderung oder abändernde Vervielfältigung begrenzt. Die in § 69c UrhG genannten Beispiele (Übersetzung, Bearbeitung und Arrangement) zielten dementsprechend auf eine Veränderung des Codes bzw. seiner Struktur ab. Eine Auslegung, die bereits eine Veränderung des Programmablaufs als Umarbeitung werte, würde dazu führen, dass jede durch Dritte erfolgende Steuerung der Funktionalitäten einer Software zustimmungsbedürftig wäre. Dies würde jedoch das von der Software-Richtlinie in Erwägungsgrund 15 verfolgte Ziel konterkarieren, die Verbindung und das Zusammenwirken aller Elemente eines Computersystems, auch Computersysteme verschiedener Hersteller, zu ermöglichen. Zum Volltext der Entscheidung (OLG Hamburg: Cheat-Software, die im softwarecodeunabhängigen Arbeitsspeicher ansetzt, stellt keine Umarbeitung dar / § 69c Nr. 2 UrhG).

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