OLG Hamburg: Der behördliche Zulassungsbescheid besitzt eine Legalisierungswirkung hinsichtlich der Bezeichnung eines Arzneimittels

veröffentlicht am 11. Februar 2015

Rechtsanwältin Katrin ReinhardtOLG Hamburg, Beschluss vom 08.04.2014, Az. 3 W 22/14
§ 3 HWG; § 3 UWG, § 4 Nr. 5 UWG, § 4 Nr. 11 UWG

Das OLG Hamburg hat entschieden, dass der Zusatz „kardio“ in einer Arzneimittelbezeichnung nicht irreführend hinsichtlich einer therapeutischen Wirkung ist, weil der arzneimittelrechtliche Zulassungsbescheid insoweit eine Legalisierungswirkung besitzt. Dies gelte jedenfalls dann, wenn der Bezeichnungszusatz „kardio“ (auch) Gegenstand der behördlichen Prüfung gewesen sei. Vorliegend sei auch nicht von einer Nichtigkeit des Zulassungsbescheides auszugehen. Zum Volltext der Entscheidung:

Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg

Beschluss

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landgerichts Hamburg, Geschäfts-Nr. 408 HKO 6/14, vom 14.1.2014 wird auf ihre Kosten nach einem Beschwerdewert von € 300.000 zurückgewiesen.

Gründe

Die zulässige sofortige Beschwerde ist nicht begründet.

1.
Die Antragstellerin begehrt mit ihrem Verfügungsantrag vom 13.1.2014, der Antragsgegnerin zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs das Arzneimittel „Alprostadil HEXAL® kardio 20 Mikrogramm“ zur symptomatischen Behandlung der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (pAVK) im Stadium III oder IV nach Fontaine, wenn die Patienten für eine Amputation nicht geeignet sind, unter dieser Bezeichnung (Alprostadil HEXAL® kardio) anzubieten, zu bewerben und/oder in den Verkehr zu bringen. Zur Begründung macht die Antragstellerin geltend, es handele sich entgegen § 8 Abs. 1 Nr. 2 AMG um eine irreführende Arzneimittelbezeichnung, weil der Verkehr ihr eine therapeutische Wirkung des Arzneimittels im Bereich der Herzerkrankungen entnehme, die nicht gegeben sei; es bestehe – im Gegenteil – eine Kontraindikation des Präparats bei verschiedenen Herzerkrankungen. Die Antragstellerin macht weiter geltend, die Bezeichnung verstoße, weil sie dem Medikament eine Wirkung beilege, die es nicht habe, auch gegen § 3 HWG. Die Antragsgegnerin ist dem Antrag im Beschwerdeverfahren entgegengetreten und verweist insbesondere auf die Zulassung des Präparats unter der angegriffenen Bezeichnung durch das Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM).

2.
Der von der Antragstellerin geltend gemachte Unterlassungsanspruch ist nicht nach den §§ 3, 4 Nr. 11, 5, 8 UWG begründet. Es kann dahinstehen, ob der Verkehr – wie die Antragstellerin geltend macht – der Bezeichnung „Alprostadil HEXAL® kardio 20 Mikrogramm“ eine irreführende Bedeutung beimisst. Denn jedenfalls erstreckt sich die Zulassung des Präparats durch das BfArM auf die angegriffene Bezeichnung, die deshalb der wettbewerbsrechtlichen Prüfung unter den Aspekten des Rechtsbruchs und auch der Irreführung entzogen ist.

a)
Ein unlauterer Rechtsbruch i.S.d. § 4 Nr. 11 UWG ist nicht gegeben, weil die angegriffene Arzneimittelbezeichnung weder gegen § 8 Abs. 1 Nr. 2 AMG noch § 3 HWG verstößt.

Ein bestimmtes Marktverhalten, dem ein gestattender Verwaltungsakt der zuständigen Verwaltungsbehörde zugrunde liegt, verstößt nicht gegen die §§ 3, 4 Nr. 11 UWG, solange der Verwaltungsakt nicht nichtig oder in dem dafür vorgesehenen verwaltungsrechtlichen Verfahren aufgehoben worden ist (BGH GRUR 2005, 778, 779 – Atemtest I GRUR 2008, 1014 Rn. 32 – Amlodipin; BGH, Urteil v. 24.9.2013, Az. I ZR 73/12, Rn. 10 – Atemtest II; Köhler/Bornkamm, UWG, 31. Aufl. 2013, Rz. 11.20). Im Falle der Zulassung eines Arzneimittels erstreckt sich die Legitimationswirkung der behördlichen Entscheidung allerdings nicht auf einzelne, gem. § 22 AMG mit dem Antrag vorzulegende Unterlagen – etwa: die Gestaltung der Faltschachtel -, wenn nicht festgestellt werden kann, dass die Behörde eine Entscheidung über deren Zulässigkeit getroffen hat (BGH GRUR 2008, 1014 Rn. 32 – Amlodipin vgl. auch Senat, Urt. v. 30.1.2014, Az. 3 U 63/12, Magazindienst 2014, 369).

Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass sich die Legitimationswirkung der Zulassungsentscheidung auf die gewählte Arzneimittelbezeichnung erstreckt. Entgegen der Darlegung der Antragstellerin war die genaue Bezeichnung des Präparats, insbesondere der Zusatz „kardio“, sehr wohl Gegenstand der behördlichen Prüfung. Dies geht aus den von der Antragsgegnerin vorgelegten Unterlagen aus dem Zulassungsverfahren hervor. So hat die Antragsgegnerin im Zulassungsverfahren zunächst die Bezeichnung „Alprostadil HEXAL® 20 Mikrogramm“ dem BfArM unterbreitet, dann jedoch beabsichtigt, den Zusatz „kardio“ hinzuzufügen (Anlage AG 4). Diese durch den Zusatz „kardio“ ergänzte Bezeichnung ist vom BfArM sodann genehmigt worden (Anlage AG 5). Angesichts des der Anlage AG 4 zu entnehmenden Umstands, dass die entsprechende Vorabanfrage der Antragsgegnerin diese Bezeichnungsänderung ausdrücklich thematisierte und noch vor Erlass des Zulassungsbescheids eine zustimmende behördliche Äußerung erging, kann keine Rede davon sein, dass die Behörde diesen Aspekt nicht geprüft hätte.

Anhaltspunkte für eine auch nur teilweise Nichtigkeit der Zulassungsentscheidung sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

Die von der Antragstellerin zitierte Entscheidung des OLG Köln vom 23.8.2013, Az. 6 U 41/13, steht dem vorliegend gefundenen Ergebnis nicht entgegen. Jene Entscheidung weicht von den vorstehend dargestellten Grundsätzen der „Atemtest“-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht ab; vielmehr hat das OLG Köln eine lauterkeitsrechtlich relevante Legitimationswirkung eines Verwaltungsakts gerade deshalb verneint, weil es sich bei der zur Verteidigung herangezogenen behördlichen Äußerung nicht um einen Verwaltungsakt handelte.

b)
Im Bereich der wettbewerbsrechtlichen Irreführung gilt das Vorstehende entsprechend: verwaltungsbehördlich erlaubtes Verhalten ist nicht „unlauter“ i.S.d. §§ 3 Abs. 1, 5 UWG (vgl. vgl. auch Senat, Urt. v. 30.1.2014, Az. 3 U 63/12, Magazindienst 2014, 369).

3.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Vorinstanz:
LG Hamburg, Az. 408 HKO 6/14

I